Black Lady

by Black Lady

Sephora stand auf dem höchsten Söller des Kristallpalastes und schaute auf die Stadt, die still und dunkel unter ihr lag. Der Wind spielte mit ihrem langen kupferroten Haar und liebkoste so sanft ihre Haut, wie es vermutlich ihr Geliebter getan hätte, wenn sie denn einen gehabt hätte. Doch von diesen Dingen wußte sie nichts. Sie, Prinzessin Sephora, die Hohepriesterin und zukünftige Königin war für anderes bestimmt! Zum Wohl ihres Volkes sollte sie dem mächtigen Kriegsherren Zlikovaz zur Frauen gegeben werden. Dieses Bündnis sollte den drohenden Krieg abwenden, den Zlikovaz angekündigt hatte, wenn sie sich weigern würde, ihn zu ehelichen. Sephora, die letzte Überlebende aus der altehrwürdigen Linie der Lubazan, wußte was von ihr erwartet wurde. Sie sah zwar die Notwendigkeit, diesen Mann zu heiraten ein, doch in ihrem tiefsten Innern konnte sie sich mit diesem Schicksal nicht abfinden. Wie konnte der Ältestenrat diese Entscheidung nur über ihren Kopf hinweg treffen und wie konnte er es auch nur in Betracht ziehen, sie diesem Manne zu geben, der es durch List und Tücke verstanden hatte, nahezu ihre ganze Familie auszulöschen. Der einzig lebende Verwandte, den sie noch geblieben war, war ihr Großvater, König Istian. Dessen Geist hatte sich allerdings angesichts der Tragödien, die der Familie zugestoßen waren, in den Wahnsinn geflüchtet. Aber wer hätte diese Anhäufung von Unglücksfällen auch unbeschadet überstehen können? Und da König Istian nicht mehr fähig war, die Regierungsaufgaben wahrzunehmen, hatte der Hohe Priester diese übernommen. Ihr, einer Frau traute man diese Aufgaben offenbar nicht zu. Und ihr jugendliches Alter, es war gerade einmal 3 Sommer her, seitdem sie zum erstenmal in den Dienst der Göttin gerufen wurde, machte es ihr auch nicht gerade leichter, sich Gehör zu verschaffen. Aber auch noch aus einem anderen Grund weigerte sie sich, diesen Mann als zukünftigen Mann anzuerkennen. Sie war die Hohepriesterin und hatte der Göttin ihre Jungfräulichkeit angelobt. Dies war natürlich zu einer Zeit geschehen, als sie nur eines der vielen Kinder aus der königlichen Linie gewesen war und es keine Rolle spielte ob sie diese fortsetzen würde oder nicht. Wahrscheinlich hätte man früher oder später doch von ihr verlangt, daß sie ihr Amt niederlegt, damit sie zum Wohl und Fortbestand der königlichen Linie heiraten und Kinder in die Welt setzen konnte - natürlich erst nachdem man der Göttin (und erst recht der Priesterkaste) ein großzügiges Opfer dargebracht hatte. Und dennoch, zeigte nicht allein dies, daß Zlikovaz ein gottloser Mensch war? Wie konnte er es wagen, die sakrosankte Hoherpiesterin Asterias, zu seiner Frau zu verlangen? Sephora tastete nach dem grün schimmernden Kristall, der seit dem Tag ihrer Geburt an ihrem Hals hing. "Ihr Götter - helft meinem Volk und mir aus unserer Not!" Plötzlich spürte sie hinter sich einen Luftzug ruckartig drehte sie sich um. Vor sich sah sie einen jungen Mann, in schwarzer fremdländischer Kleidung. Sie ging auf ihn zu, doch als sie ihn berühren wollte, griff sie ins Leere! Es war nur eine Vision, er stand nicht wirklich vor ihr. Wie auch ihre Mutter besaß sie die Gabe der Vorausschau, allerdings nur in schwachem Maße. Weder konnte sie diese Gabe kontrollieren noch willentlich herbeirufen. "Wer bist du?" Doch er antwortete ihr nicht. "Herrin - mit wem sprecht ihr?" Sephora sah hinter sich. Es war nur ihre Dienerin Alina. "Schau!" Doch als sie sich wieder umblickte, war er verschwunden. "Ich habe mich wohl getäuscht - ich hatte geglaubt, ich hätte jemanden gesehen." Sephora verzichtete darauf, Alina zu erzählen, was oder besser wen sie gesehen hatte. Alina hätte ihr sowieso nicht geglaubt - sie war von einfachem Gemüt und besaß nicht sonderlich viel Phantasie. "Herrin - kommt rein. Ihr werdet euch hier den Tod holen!" "Dann bliebe es mir wenigstens erspart, Slikovaz zu heiraten! Lieber würde ich in Drustans 12. Hölle schmoren!" "Wie könnt ihr so was nur sagen!" sagte Alina vorwurfsvoll. "Ach, was verstehst du schon!" fuhr Sephora sie an. "Von dir verlangt schließlich niemand, daß du den Mörder deines Vaters heiraten sollst." "Herrin, ich...." "Du weißt gar nichts! Glaubst du denn wirklich, daß das Rauben und Morden aufhören würde, wenn Zlikovaz erst auf dem Thron sitzt?" "Herrin..." Doch Sephora stieß sie wortlos beiseite und stürzte in ihr Zimmer, wo sie sich weinend auf ihr Bett warf. "Laß mich in Ruhe - geh. Ich will niemanden mehr sehen!"

Kai betrachte die Sterne. Es war still auf der Lexx, da alle außer ihm schliefen. Kai genoß diesen seltenen und daher kostbaren Augenblick der vollkommenen Ruhe. Endlich bedrängten ihn die anderen, die ihm ganz selbstverständlich die Aufgaben eines Anführers übertragen hatten, nicht mit ihren Wünschen, Sorgen und Ängsten. Es war ja nicht so, daß er sich dieser Verantwortung und den damit verbundenen Pflichten entziehen wollte - aber was war mit seinen Sorgen und Ängsten? Wenn er den anderen erzählt hätte, daß er nicht glaubte, daß sie Seinen Schatten endgültig besiegt hätten, so hätten sie ihn nur ausgelacht. Aber sie sollten nur lachen - er wußte es besser! Sein Gefühl sagte ihm, daß die Gefahr, die von Seinem Schatten ausging noch lange nicht gebannt war und verzweifelt fragte er sich, was er dagegen unternehmen könnte. Kai hatte Angst - aber wieviel Angst hätte er erst gehabt, wenn er gewußt hätte, wo Sein Schatten war!

"Kai? Kai - wo bist du?" Zevs Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. Vermutlich war sie aufgewacht als sie bemerkt hatte, daß er nicht mehr neben ihr lag. Seufzend stand er auf: "Ich bin hier!" "Was machst du denn hier so allein im Dunkeln? Warum schläfst du nicht?" fragte sie verwundert. "Du weißt doch, daß ich nicht viel Schlaf brauche. Hast du vielleicht geglaubt, ich hätte mir eine der Motten geschnappt und wäre von hier geflüchtet?" Kichernd ergriff Zev seine Hand: "Wer weiß? Vielleicht hast du ja genug von mir!" "Ich würde nie flüchten - es wäre zwecklos! Vor dir kann ich mich nämlich nirgends verstecken!" "Da hast du vollkommen Recht!" und bereitwillig ließ sich Kai von Zev in ihre gemeinsame Kammer führen.

"Wo ist Stan?" fragte Zev. "Wo soll der schon sein?" antwortete 790 hämisch grinsend. "Der sitzt schon wieder vor dem Nahrungsreplikator. Eines Tages platzt er noch - aber das wäre natürlich kein großer Verlust!" Stan kaute gelangweilt an etwas herum, daß eine große Ähnlichkeit mit dem Panzer eines Gürteltieres hatte. "Lexx!" maulte er. "Das ist viel zu zäh!" " Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen mein Herr und Gebieter!" "Das will ich aber auch hoffen." "Was ißt du denn da?" erkundigte sich Zev. "Besonders appetitanregend sieht es ja nicht aus!" und die Nase rümpfend fuhr sie fort: "Das riecht ja widerlich!" "Zwingt dich einer hier zu bleiben?" fragte Stan beleidigt. "Du kannst doch nicht immer nur hier herumsitzen und pausenlos irgendein Zeug in dich hineinstopfen. Schau dich doch mal an! Du wirst richtig fett!" "Ja, fett wie ein juhrianisches Ferkel!" fügte der hinzukommende 790 hinzu. "Wer hat dich denn nach deiner Meinung gefragt?" knurrte Stan verdrießlich. Stan stand auf, um an den beiden vorbei zugehen. Und wenn man ihn sich näher anschaute, so konnte man wirklich nur zu dem Entschluß kommen, daß Zev und 790 recht gehabt hatten: Stanley hatte einiges an Gewicht zulegt und die Uniform die ihm noch vor einigen Wochen schlaff am Körper gehangen hatte, spannte nun doch ganz gewaltig über seinem Bauch, der einiges an Umfang zugelegt hatte.

"Ach, laßt mich doch in Ruhe! Was kann man denn hier schon großartig tun? Wie fliegen planlos in der Darkzone rum und suchen einen bewohnbaren Planeten, den wir bei unserem Glück vermutlich nie finden werden!" "Aber Stan, in der Darkzone gibt es viele Planeten, die für uns geeignet sind!" "Wer behauptet das?" "Kai!" "Kai" äffte Stan sie nach. "Du glaubst auch alles was er dir erzählt!" fügte er bitter hinzu. "Wenn Kai sagt, daß es hier einen passenden Planeten für uns gibt, dann gibt es auch einen. Schließlich stammen doch seine Vorfahren aus der Darkzone!" "Du sagt es, seine Vorfahren. Und die sind aus der Darkzone in die Zone des Lichts ausgewandert! Wenn es hier so schön ist - warum sind sie denn dann nicht hier geblieben?" "Du bist ein richtig alter Miesepeter! Komm - wir suchen dir eine Aufgabe. Dann ist dir auch nicht mehr so langweilig und vielleicht bessert sich dann auch deine Laune." "Aber Herzchen!" mischte sich 790 ein. "Warum sich so viel Mühe mit dem Fettwanst geben? Laß ihn doch vor dem Replikator verrotten! Alle deine Anstrengungen werden umsonst sein! Verbringe deine kostbare Zeit doch lieber mit mir! Ich werde dir ein endloses Lied über deine Schönheit singen!" Stan sah 790 böse an. "Du und singen? Das willst du uns doch wohl nicht im Ernst antun?" Doch 790 erwiderte nur würdevoll: "Als ob du Banause Ahnung von Kunst hättest!" Meine über alles geliebte Zev - soll ich beginnen?" "Ich warne dich!" drohte ihm Stan. "Falls du es wagen solltest, auch nur einen Ton zu singen, dann werde ich dir für immer und ewig das Maul stopfen, indem ich dich der Lexx zum Fraß vorwerfe!" "Ich bin unverdaulich!" "Das macht nichts - dann gelangst du eben unverdaut nach draußen!" "Zev, mein Engel, das wirst du doch nicht zulassen! Schütze mich vor diese rabiaten Kohlenstoffeinheit!" flehte 790. "Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber anstatt euch zu streiten, solltet ihr lieber was sinnvolles mit euerer Zeit anfangen! 790 - du wirst die Datenbanken nach einem passenden Planeten durchforsten. Und wir beide Stan, wir werden die Schweinerei in der Kammer der Gehirne beseitigen!" "Hast du sie noch alle? Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich hier die Putze spiele! Ich habe diese Schweinerei doch nicht angerichtet!" "Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun? Etwa Seinen Schatten fragen, ob er diese Arbeit für uns erledigt? Na, komm schon - je eher wir beginnen, umso schneller sind wir fertig." "Wenn es denn unbedingt sein muß! Wie schade, daß Squish nicht mehr bei uns ist." sagte Stan bedauernd. "Sie hätte die Gehirnreste in Nullkommanichts beseitigt!" "Aber da Squish nicht mehr hier ist, müssen wir es nun einmal selbst tun!" "Wie schade!" und seufzend machte sich Stan an die Arbeit.

"Kai! Kai?" Zev winkte mit ihrer Hand vor Kais Augen hoch und runter. "Zev an Kai: Bist du noch da?" Erschrocken fuhr Kai zusammen. Verwirrt schaute er sich um. "Was ist?" "Kai, was ist mit dir? Ich wollte nur eine einfache Antwort auf die Frage was wir als nächstes machen sollen und du reagierst überhaupt nicht!" "Es tut mir leid - ich habe wohl mit offenen Augen geträumt." "Wovon?" "Ich weiß nicht, ich habe es vergessen - was wolltest du von mir?" "Kai - du verheimlichst mir doch etwas! Was ist los mit dir? Glaubst du, ich merke es nicht, wie du nachts ruhelos durch die Lexx tigerst!" Kais Gesicht wurde starr, er ergriff Zevs Handgelenk und packte fest zu: "Nun hör mir mal gut zu - ich bin dir überhaupt keine Rechenschaft schuldig. Ich kann tun und lassen was ich will." Zev schreckte zusammen und schrie vor Schmerz auf: "Kai - du tust mir weh! Laß mich los!" Kai zuckte zusammen. Erschrocken ließ er Zevs Handgelenke los. "Es tut mir leid. Ich wollte das nicht." Zev sah ihn kalt an und wandte sich zum Gehen. "Du weißt, wo du mich finden kannst! Allerdings möchte ich dich nicht wiedersehen bis du wieder normal geworden bist!" "Zev, ich..." "Laß mich in Ruhe!" und einen fassungslosen Kai zurücklassend verließ sie die Brücke.

Leise lachte Sein Schatten auf: "Das, Kai, das war nur der Anfang!"

Zev kauerte sich in eine Ecke und hoffte, daß die anderen sie nicht so bald entdecken würden. Sie wollte jetzt allein sein. Was war nur mit Kai los? So unbeherrscht hatte sie ihn noch nie erlebt. Liebte er sie vielleicht doch nicht? Aber wieso auch! Bis jetzt hatte sie doch noch niemand geliebt! Nicht einmal ihre Eltern. Gab es denn wirklich niemanden, der sie liebte? 790 verfolgte sie zwar mit seinen Liebesschwüren - aber was konnte man auch schon anderes von einem Roboter erwarten, dem man eine Liebesdroge verpaßt hatte? Und Stan? Der war doch nur auf ihren Körper scharf. Zev begann hemmungslos zu schluchzen. Verzweifelt ballte sie die Faust und schlug sie auf den Boden. "Kai, ich will dich wieder zurück!"

Wenig später wurde Zev von Stan gefunden. "Was ist denn mit dir los?" erkundigte er sich besorgt. "Hast du dich mit Kai gestritten?" Zev konnte nur nicken. "Mach dir nichts daraus - das kommt in den besten Familien vor! Das ist der übliche Raumschiffkoller! Wir sitzen hier einfach schon zu lange auf einem Haufen. Es wird Zeit, daß wir endlich mal hier rauskommen!" Stan zog Zev hoch: "Komm - wir gehen eine Tasse Schokolade trinken, dann wirst du dich gleich besser fühlen."

Auch Kai ging es nicht besser als Zev. Bestürzt fragte er sich wie das nur hatte passieren können. Und das Schlimmste an der ganzen Sache war, daß er sich nicht einmal daran erinnern konnte. Er war erst wieder zu sich gekommen, als Zev vor Schmerz laut aufgeschrien hatte. Kai hatte Angst! War er vielleicht doch noch der willenlose Sklave Seines Schattens? Was wäre, wenn diese Seite seiner Persönlichkeit wieder die Oberhand gewinnen würde? Wäre er dann vielleicht sogar fähig, Stan oder Zev, seine Zev, zu töten? Hilflos ließ sich Kai auf den Boden sinken und begrub sein Gesicht in seinen Händen.

Stunden später vertrugen sich Kai und Zev wieder. Kai wollte ihr seinen Ausraster erklären, doch sie hinderte ihn am Reden indem sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen legte. "Pst - keine Erklärungen! Wir vergessen es. Es ist nie geschehen.!" Kai nahm sie in seine Arme: "Es wird nie wieder vorkommen!" "Red nicht rum - küß mich!" Und das tat er dann auch.

"Ach ja!" dachte Sein Schatten. "Du glaubst also, daß es nie wieder vorkommen wird! Na, wenn du dich da mal nicht täuschst!"

Der Mond war gerade aufgegangen als sich Sephora aus dem Palast schlich. Vorsichtig sah sich um. Sie wollte sicher gehen, daß niemand sie beobachtete. Sie zog den langen schwarzen Umhang fest um sich und schlich zum Tempel.
Als sie durch das hintere Tor schritt, zitterte sie. War das, was sie vorhatte wirklich richtig? "Aber welche Rolle spielt das schon?" dachte sie bitter. "Ich habe keine andere Wahl." Sephora betratt den Tempel. Drinnen war es kalt und dunkel, doch dies machte ihr nichts aus. Sephora erschrak als sie vor Asterias Statue aus schwarzem Edelstein stand, die Figur schien zu leuchten. "Du Dummkopf!" sagte sie zu sich: "Das ist nur der Mond!" Sie zeichnete mit dem Blut eines Opfertieres das magische Zeichen und stellte in jede der Ecken eine Kerze. Sephora zog sie ihren Umhang aus und warf ihn achtlos beiseite. Darunter trug sie nichts außer dem scharlachroten Gewand der Hohepriesterin, das durch einen Gürtel aus hölzernen Gliedern, die durch schwarze Kordeln, die in seltsamen Mustern verknüpft waren, zusammengehalten wurde. Sie wußte, diesen Gürtel zu tragen, war ein Sakrileg, aber es mußte sein, wenn sie die Beschwörung durchführen wollte. Sie setzte sich mit übergeschlagenen Beinen in den inneren Kreis und atmete tief durch. Hätten die Priester sie so gesehen, so hätten sie sie vermutlich der Hexerei angeklagt, aber das war ihr egal. Auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden, konnte auch nicht schlimmer sein, als Zlikovaz zu heiraten. Aber was wußten die Priester schon? Und was taten sie schon, um ihr zu helfen? Nein, sie würde sich schon selber helfen müssen! Nichts und niemand konnte sie davon abhalten diese uralte Ritual heute Nacht durch zuführen. Sephora fragte sich, was sie erwarten würde. Würde die Göttin wirklich zu ihr sprechen? Würde die Schwarze Dame, wie Asteria auch genannt wurde, ihr helfen können? Leise begann sie zu singen und ihre Worte entstammten einer Sprache, die so alt war, daß sich nicht einmal mehr jemand finden konnte, der sich auch nur an ihre Existenz erinnerte. Sephora erinnerte sich daran, wie ihre Mutter sie diese Worte gelehrt hatte und was ihr sie dabei erzählt hatte. "Mein Kind - die Göttin darf nur in allergrößter Not beschworen werden. Und überlege dir gut worum du bittest - du könntest es bekommen. Und vergiß niemals - auch die Göttin gibt nichts umsonst!" Sephora schüttelte die Erinnerung daran ab und sang weiter. Plötzlich loderte die Flamme auf Asterias Alter hoch auf. Die Statue Asterias war verschwunden - an ihrer Stelle erblickte man die Göttin selbst. Ihr schwarzes Gewand entstammte einer längst vergessen Mode und ihr langes schwarzes Haar war auf altmodische Art und Weise hochgesteckt. Schön war sie und eisig wie eine Winternacht. "Wer ruft mich?" Ihre Stimme war melodisch und sanft und sie betonte die Wörter auf eine seltsame, angenehm klingende Weise - und dennoch - ihre Stimme ließ keinerlei Emotion erkennen. Sephora zitterte - aber nicht vor Kälte. Asteria sah auf, um Sephoras Blick zu begegnen und in ihren Augen war nichts Weißes, keine Iris, keine Pupillen - ihre Augen waren der Widerschein eines sternen- und mondlosen Nachthimmels. Asteria forderte Sephora zum Sprechen auf: "Was willst du von mir!" Sephora nahm ihren ganzen Mut zusammen und antworte: "Ich, Sephora, die letzte Prinzessin aus dem Hause Lubazan, bitte dich, das vor mir liegende Schicksal von mir abzuwenden." Sie erzählte der Göttin alles und schloß mit folgenden Worten ihren Bericht: "Und um dies zu erreichen, würde ich einfach alles tun!" "Alles?" "Alles!" "Wirst du mir schwören, jeden Preis dafür zu zahlen?" "Ich werde jeden Eid schwören, den du von mir abzulegen verlangst!" "Dein Wunsch soll dir erfüllt werden."

Sephora erwachte auf dem kalten Steinfußboden. Hatte sie das alles etwa nur geträumt? Rasch beseitigte sie die Überreste ihrer nächtlichen Beschwörung. Sie mußte sich beeilen - die Sonne ging schon auf. Niemand brauchte zu wissen, daß sie die Nacht nicht im Palast verbracht hatte.

790 lag auf der Konsole und durch forstete die einprogrammierten Sternenkarten nach einem bewohnbaren Planeten. Doch weil er diese Aufgabe für nicht so besonders aufregend hielt, unterhielt er sich, indem er ein weiteres Gedicht für Zev verfaßte.

"Zev, mein Engel die ganze Nacht hab ich nur an dich gedacht...!"

Gerade als er eine weitere Zeile hinzufügen wollte, meldete ihm seine andere Gehirnhälfte, nämlich die, die er mit der langweiligen Suche nach einem Planeten betraut hatte, daß sie direkt auf einen solchen zusteuerten. "Aufwachen!" brüllte er. "Planet in Sicht!" Verschlafen kam Stan auf die Brücke geschlurft. "Warum schreist du denn so, du Blechdose?" "Ich habe einen Planeten entdeckt - du minderbemitteltes Stück Fleisch!" Auch Zev und Kai kamen angerannt. "Du hast einen Planeten gefunden? Zeig mal her!" Gespannt starrten alle auf den Bildschirm. Ungeduldig warteten sie auf das Bild, das sich ihnen gleich zeigen würde. 790 veränderte den Blickwinkel und plötzlich erschien eine große rötlich schimmernde Kugel auf dem Monitor. "Gibt es dort unten Leben?" fragte Kai. "Ja, und ich würde sagen, daß die Menschen dort einigermaßen zivilisiert sind, weil ich mehrere größere Ortschaften ausmachen kann. Ich nehme allerdings an, daß sie keine besonders hoch entwickelte Technologie haben." "Woraus schließ du das?" wollte Zev wissen. "Auf diesem Planten gibt es nicht allzu viel Metall und die kulturelle Entwicklung aller Planeten beweist, daß das Vorkommen von Metall eine Voraussetzung für technischen Fortschritt ist." "Nun, wenn sie kein Metall haben, dann haben sie sicherlich auch nicht viele Waffen!" fügte Stan beruhigt hinzu. "Darauf würde ich mich nicht verlassen", wandte 790 ein. "Vielleicht benutzen sie irgendwelche Gifte!" "Na, toll! Mußt du alles verderben?" "Ich wollte dich nur auf alles vorbereiten!" "Was ist denn nun?" mischte sich Zev ein. "Landen wir oder landen wir nicht?" "Wir landen!" entschied Kai. "Wir landen nur wenn ich das will!" erwiderte Stan. "Ohne meine magische Hand macht die Lexx nämlich gar nichts." und hielt seine Hand demonstrativ hoch. Doch Zev ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: "Wenn die Lexx Hunger hat, dann landet sie - darauf kannst du dich verlassen! Dann nützt dir dein magisches Händchen gar nichts." Stan starrte Zev böse an. "Da kannst du ruhig gucken! Es ist schon so wie ich das sage!" Zev klopfte Stan auf die Schulter. "Na, komm - sei nicht eingeschnappt! Gib der Lexx den Befehl zum Landen." "Ich habe ja doch keine Chance!" resigniert wandte sich Stan an die Lexx. "Lexx! Suche einen geeigneten Landeplatz!" "Dein Wunsch ist mir Befehl!"

Langsam stiegen Kai, Stan, Zev und 790 aus der Lexx aus. Kai zeigte auf die staunende Menge, die sich im Halbkreis um die Lexx gesammelt hatte: "Da steht schon unser Begrüßungskommite." "Ob die unsere Sprache sprechen?" fragte Zev. "Das wird sich zeigen!" antwortete Kai so ruhig wie man es von ihm gewohnt war. Nichts wies darauf hin, daß erst wenige Stunden vergangen waren, seitdem er die Kontrolle über sich verloren hatte.
Berittene Soldaten näherten sich der Lexx. Der Anführer stieg von seinem riesigen Schimmel und kam auf sie zu. "Der macht keinen sonderlich sympathischen Eindruck." flüsterte Zev. "Hoffentlich macht er uns keine Schwierigkeiten!" fügte Stan hinzu. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?" fragte er freundlich, doch seine Augen straften seine Worte Lügen. Kai antwortete: "Wir sind Reisende und suchen ein neues Zuhause. Wir kommen in friedlicher Absicht!" Nachdem er die Lexx-Crew vorgestellt hatte, wandte er sich an seinen Gegenüber: "Darf man auch erfahren, wer ihr seid?" "Ich bin General Zlikovaz - der zukünftige König. Und jetzt möchte ich euch bitten, mit mir zu kommen." "Wohin?" fragte Stan mißtrauisch. "Zum königlichen Palast - ich werde euch meiner Braut, Prinzessin Sephora vorstellen ."

Stan, Zev, Kai und 790 folgten Zlikovaz. "Ich traue ihm nicht." wisperte Stan Zev zu. "Ich mag ihn auch nicht! Aber wie hätten wir seine Einladung ablehnen können?" "Weiß ich auch nicht." "Vielleicht bilden wir und das alles ja nur ein." "Dein Wort in Seines Schatten Ohr!"

Nachdem sie den Palast erreicht hatten, wurde die Gruppe in das Innere geführt. Unbehaglich zog Zev an ihrem Kleid: "Die starren mich alle so an!" "Na, wundert dich das?" erwiderte Stan. "Schau dir doch mal die anderen Frauen an! Im Gegensatz zu dir sind die alle züchtig bedeckt!" Dann zeigte er auf den Priester, der neben dem Thron stand: "Schau dir mal den alten Priester dort an - ich glaube, dem fallen gleich die Augen aus dem Kopf." "So ein geiler alter Sack!" "Ob die hier auch Liebessklavinnen haben?" Zev knuffte Stan mit ihrem Ellbogen in die Seite: "Sei bloß ruhig - nachher bringst du die noch auf dumme Gedanken." Langsam näherten sie sich dem Thron. Zlikovaz verbeugte sich - doch wer genau hinsah, bemerkte, daß diese Geste eher ironisch als ehrerbietig ausgeführt wurde. "Prinzessin Sephora - ich möchte euch diese Fremden vorstellen."
Sephora zuckte zusammen als sie Kai erblickte. "Dieses Gesicht kenne ich doch", dachte sie. "Ja, natürlich! Ich habe es in meiner Vision schon einmal gesehen. Ob die Göttin ihn geschickt hat?" Sie wollte schon aufspringen und auf ihn zulaufen - doch im letzten Moment riß sie sich zusammen. Es wäre nicht klug gewesen, einem Fremden gegenüber, und nichts wies darauf hin, daß er sie kannte, so emotional zu sein. Statt dessen begrüßte sie die Neuankömmlinge und hoffte, daß niemand merken würde, wie aufgewühlt sie war. "Seid willkommen! Ruht euch aus - wir werden uns nachher in Ruhe unterhalten. Doch jetzt muß ich mich erst einmal um wichtige Regierungsangelegenheiten kümmern." Sie winkte ihren Haushofmeister herbei: "Koriander - führe meine Gäste in den Gästeflügel und gib ihnen die besten Gemächer!" Kai bedankte sich im Namen der anderen: "Prinzessin, wir danken euch für euere Großzügigkeit!"

Zlikovaz beobachtete mißtrauisch die Fremden. Ihm war Sephoras Reaktion nicht entgangen und er fragte sich, ob die Lexx-Crew für ihn und seine Pläne eine Gefahr darstellen würden. "Lassen wir es lieber erst gar nicht darauf ankommen!" dachte er und gab seinen Leuten die entsprechenden Befehle.

Kai und die anderen folgten dem Haushofmeister, der voran ging. Plötzlich stellte sich ihnen Zlikovaz in den Weg. "Die Pläne haben sich geändert! Ihr werdet woanders untergebracht!" "Aber die Prinzessin hat angeordnet, daß sie in den Gästeflügel bringen soll" wandte Koriander ein. "Du wagst es also deinem zukünftigen König zu widersprechen?" fragte Zlikovaz zornerfüllt. "Das wirst du bereuen!" und erdolchte den Haushofmeister, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. "Nehmt sie gefangen!" rief er seinen Leuten zu. Stan, Kai und Zev wehrten sich nach allen Kräften, aber es waren einfach zu viele auch wenn Kais Trilosichel vielen von Zlikovaz' Männern das Leben aushauchte. Kai erhob gerade wieder seinen Andro-Arm, um einen weiteren Angreifer zu töten als er hinter sich Zlikovaz' Stimme hörte: "An deiner Stelle würde ich das nicht tun." "Blitzschnell drehte sich Kai um und sah Zlikovaz, der sein Schwert an Zevs Kehle hielt, während ein anderer Wachmann Stan gefangenhielt. "Nein Kai!" rief Zev. "Kümmere dich nicht um mich! Befreie dich!" "Welch eine Opferbereitschaft!" spottete Zlikovaz. "Entscheide dich, wenn du dich nicht ergibst, dann werde ich deine Freunde töten. Aber beeile dich - ich will keine Zeit vertrödeln!" Hilflos ließ Kai den Arm sinken: "Ihr habt gewonnen!" Schnell nahmen ihn die Wachen fest. "Was sollen wir mit ihnen machen?" "Sperrt sie in den Kerker - vielleicht finde ich noch Verwendung für sie!"

Alina stand bewundernd vor Sephoras Brautkleid aus Spinnenseide. Das Gewebe war so leicht und zart, daß man glauben konnte, daß ein winziger Lufthauch es zerstören konnte. "Ist es nicht wünderschön?" fragte sie ihre Herrin. "Du kannst es gerne haben!" "Oh - das ist doch nicht euer Ernst!" "Mir ist es vollkommen gleichgültig was ich morgen zur Hochzeit trage! Gehe mir jetzt die Fremden rufen - ich möchte mit ihnen sprechen!"
Wenig später kam Alina atemlos angelaufen: "Sie sind unauffindbar und ...Koriander wurde erdolcht aufgefunden." "Das ist das Werk von Zlikovaz!" rief Sephora erbost. "Das soll er mir büßen!" "Aber was wollt ihr denn allein gegen ihn ausrichten?" "Erst einmal müssen wir die Fremden suchen. Lauf und besorge mir eine Fackel!" "Was wollt ihr denn mit einer Fackel?" "Vermutlich hat Zlikovaz sie erst einmal in den Kerker gesteckt, weil er dachte, daß ihre Abwesenheit nicht so rasch entdeckt werden würde." "Warum schickt ihr denn keinen euerer Diener?" "Ich weiß nicht mehr, wem ich trauen kann. Ich muß es selber erledigen. Und besorge mir auch die Kerkerschlüssel! Korriander hatte sie an seinem Schlüsselbund hängen! So wie ich Zlikovaz kenne, hat er die Kai und die anderen bestimmt angekettet." Kurze Zeit später brachte Alina die gewünschte Fackel und die Kerkerschlüssel. "Aber wie wollt ihr denn unbemerkt in den Kerker kommen?" "Ich werden einen Geheimgang benutzen - und nun verschwinde! Wenn du nicht siehst, welchen Weg ich nehme, dann kann auch niemand dieses Wissen aus dir herauspressen." Nachdem Alina den Raum verlassen hatte, trat Sephora zum Kamin. Sie ließ ihre Hand über die Holzvertäfelung gleiten und suchte nach dem versteckten Hebel in der Schnitzerei. Sie wollte schon beinahe aufgeben als sie ihn doch noch fand. Leise glitt die rechte Seite der Kaminverkleidung zurück und gab einen Spalt frei. Schnell schlüpfte Sephora hindurch und betätigte einen Hebel auf der anderen Seite damit sich die Tür wieder verschloß.

Vorsichtig ging Sephora die Wendeltreppe hinunter - sie wußte zwar von der Existenz des Geheimganges, hatte ihn aber selber noch nie benutzt. "Hoffentlich hat Zlikovaz seine Wachen nur vor dem Verließ selbst und nicht innen drin postiert! Ansonsten ist alles umsonst!"

Deprimiert saß die Lexx-Crew in ihrer Zelle. "Warum hast du dich für uns geopfert?" fragte Zev Kai. "Wie kannst du so was nur fragen? Weißt du denn nicht, daß ich dich mehr liebe als alles andere? Ohne dich wäre mein Leben nichts - wie hätte ich zulassen können, daß Zlikovaz dich tötet?" "Oh Kai!" antworte Zev und umarmte ihn. "Jetzt geht die Knutscherei schon wieder los!" seufzte Stan. "Du bist ja nur neidisch!" entgegnete 790. "Du aber nicht oder was?" Doch 790 antwortete ihm nicht. Zev versuchte ihrer Lage, etwas Positives abzugewinnen: "Wenigstens haben sie uns zusammen gelassen. Es hätte noch viel schlimmer kommen können!" "Ja, glaubst du denn das hier wäre schon alles?" fragte Stan erbost. "Das ist doch erst der Anfang! Ich habe diesem verdammten Zlikovaz ja nie getraut, aber ihr mußtet ja unbedingt auf diesem verfluchten Planeten landen", schimpfte er und rüttelte am Gitter. "Wer weiß, was der noch alles mit uns anstellt." "Stan! Beruhige dich doch!" versuchte Zev ihn zu beschwichtigen. "und wenn du hier noch so laut herum brüllst - dadurch ändert sich gar nichts!" "Aber ich fühle mich besser!" "790" fragte Zev. "Kannst du die Tür nicht öffnen?" "Und was soll uns das bringen? Vor der Tür stehen doch bestimmt Wachen!" wandte Stan ein. "Vielleicht gibt es ja einen anderen Ausgang!" "In einem Kerker? Sag mal - wovon träumst du denn nachts?" "Seid mal still! Ich glaube da kommt jemand!" unterbrach Kai die beiden. Plötzlich glitt die hintere Wand beiseite und Prinzessin Sephora stand vor ihnen. "Seid ruhig! Die Wachen dürfen mich nicht hören!" "Was wollte ihr von uns?" fragte Stan feindselig. "Vertraut mir bitte - ich habe mit euerer Verhaftung nichts zu tun. Ich werde euch rausholen!" Rasch betrat sie die Zelle und befreite alle von ihren Ketten. "Folgt mir! Ich werde euch erst einmal in meine Gemächer führen - dort seid ihr in Sicherheit!"

"Und ihr wollt diesen Widerling wirklich heiraten?" fragte Zev erstaunt. "Ich habe keine andere Wahl - und außerdem - ich habe ihm mein Wort gegeben" antwortete Sephora ruhig. "Ich werde euch helfen, wieder in euer Raumschiff zu kommen." "Warum kommt ihr nicht mit uns?" fragte Kai. "Ich kann mein Volk nicht im Stich lassen und vielleicht finde ich einen Weg, um mein Volk von diesem Tyrannen zu befreien." "Das glaubt ihr doch nicht wirklich!" zweifelte Stan. "Ich weiß es nicht - aber ich muß es wenigstens versuchen! Vielleicht gelingt es mir mit Hilfe der Götter." "Ihr seid sehr mutig!" "Nein, nur verzweifelt - aber kommt jetzt! Ich werde euch nach draußen bringen." "Nein, wir bleiben!" widersprach ihr Kai. "Hast du sie noch alle?" fragte Stan empört. "Willst du etwa das dieser Irre Hackfleisch aus uns macht?" "Kai - es wäre wirklich klüger, wenn wir von hier verschwinden würden!" fügte Zev hinzu. "Ihr könnt ja gehen - aber ich werde hierbleiben und der Prinzessin helfen - immerhin hat sie uns befreit!" Stan und Zev sahen sich betreten an. "Das stimmt - aber..." "Ich habe mich entschieden, ich werde hierbleiben." Zev blickte zu Stan und zuckte ratlos mit den Schultern: "Ohne dich werde ich nicht gehen. Und du Stan?" "Dann fliege ich eben ohne euch!" "Du bist ein elender Feigling!" ließ sich 790 vernehmen. "Das bin ich nicht!" "Warum willst du dann von hier flüchten!" "Weil ich nicht so dumm wie du bin wie du Büchsenbirne!" "Das ist nur eine dumme Ausrede!" "Hört bitte auf zu streiten!" unterbrach Sephora die beiden Streithähne. "Kai - du brauchst wirklich nicht zu bleiben - ich werde schon irgendwie zurechtkommen." "Ich will es aber!" antwortete Kai mit fester Stimme. "Wir werden alle hierbleiben - vielleicht können wir euch ja irgendwie behilflich sein." fügte Zev hinzu. "Wie kannst du denn so was über meinen Kopf hinweg bestimmen?" fragte Stan entrüstet. "Na komm schon, Stan - ohne uns würdest du dich auf der Lexx doch nur zu Tode langweilen!"

"Kai muß auch immer den Helden spielen!" moserte Stan. "Aber er hat ja gut reden - schließlich ist er ja schon tot - was kann ihm also schon großartig passieren?" "Stan" sagte Zev ruhig und stellte ihm einen Teller mit Essen vor die Nase: "Halt den Mund und iß! Danach bist du besser gelaunt!" Und 790 konnte es sich verkneifen, hinzuzufügen: "Es kann ja nicht jeder so ein Feigling wie du sein!" "Stan - du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen - wir haben doch Kai!" "Deinen Optimismus möchte ich haben." "Bis jetzt hat er uns doch noch immer gerettet!" Aber wer weiß, ob sich Zev dessen so sicher gewesen wäre, wenn sie bemerkt hätte wie unbeteiligt und abwesend Kai gerade in diesem Augenblick war.

"Alina - bring mir das Zeremomiengewand!" Alina glaubte sich verhört zu haben. "Was wollt ihr?" "Du hast mich schon richtig verstanden - nun mach endlich!" "Aber Prinzessin - darin könnt ihr doch nicht heiraten! Das wäre eine unvorstellbare Beleidigung!" "Das ist mir einerlei! Ich werde euch nicht die freudestrahlende Braut vorspielen! Ich habe es satt, zu heucheln! Ich werde weder durch mein Aussehen noch durch mein Handeln lügen! Und Zlikovaz würde eine noch viel größere Beleidigung einstecken, um auf den Thron zu kommen! Holst du mir jetzt das Kleid oder muß ich selber tun?"

Ungeduldig wartete Zlikovaz im Tempel auf seine Braut. Dabei dachte er allerdings weniger an Sephora selbst als an das was sie darstellte - nämlich die zukünftige Königin. Nur die Hochzeitszeremonie trennte ihn noch vom Thron. Zwar gab es noch König Istian, aber wen würde es schon wundern, wenn diesem alten wirren Mann ein Unfall zustoßen würde. Vielleicht ein Brand in seinen Gemächern durch eine umgestoßene Kerze? Wer würde da schon an Mord denken? Und wenn er erst einmal König war, dann würde er überlegen, wie er sich Sephora von Hals schaffen würde.

Lautes Getuschel riß ihn aus seinen Gedanken. Was regte die Leute denn nur so auf? Den Grund erfuhr er als Sephora in seinen Blickwinkel kam: sie trug das nachtschwarze Gewand Asterias, der dunklen Damen, der Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Wiedergeburt und des Wachstums. Dieses Gewand ließ allerdings keinen Zweifel daran, welche Gestalt der Göttin, sie verkörpern wollte! Empört hielt er die Luft an: eine schlimmere Beleidigung hätte sie sich nicht ausdenken können, es sei denn, sie hätte die Kleidung eines Scharfrichters getragen. Und wer war da bei ihr? Das waren doch die Fremden. Wer hatte sie befreit? Sephora natürlich - wer sonst? Irgendwie mußte sie erfahren haben, daß er sie hatte einsperren lassen.
Wütend stürzte er sich auf Sephora: "Wie kannst du es wagen, mich vor allen Leuten lächerlich zu machen?" Er hob den Arm, um sie zu schlagen, doch Kai hinderte ihn daran, indem er seinen Arm ergriff. "Das würde ich an deiner Stelle nicht tun!" "Ach - willst du mich etwa daran hindern?" "Das werde ich!" "Das werden wir ja sehen!" entgegnete Zlikovaz, Blitzschnell zog er seinen Dolch und stach auf Kai ein, was bei diesem allerdings keine Wirkung zeigte - oder wenigstens nicht die, die Zlikovaz erwartet hatte. Ungläubig starrte Zlikovaz auf seine Waffe. Das konnte doch nicht wahr sein - nicht ein einziger Tropfen Blut. Wieder stach er auf Kai ein - doch das Ergebnis blieb dasselbe - Kai wankte nicht, Kai fiel nicht, er verzog nicht einmal seine Miene. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen. "Auf ihn Männer!" kreischte Zlikovaz hysterisch.
Diese griffen nach ihren Waffen und stürmten auf Kai los. Kai erhob seine Hände wie ein Priester, der einen Segensspruch sagte - doch was nun geschah hatte wenig mit einem heilspendenden Segen zu tun. Kais "Segen" brachte weder Glück noch Leben, sondern den Tod. Jeder, der auch nur auf Armeslänge an Kai herankam, wurde von einem totbringenden Energiestrahl getroffen. Seine Gegner lagen tot am Boden und die, die noch nicht waren, wünschten, daß sie es wären.
Zev, Stan und 790 sahen sich entsetzt an. Was war denn nur mit Kai geschehen? 790 brach als erster das Schweigen: "Zev, mein Engel - ich befürchte, daß Sein Schatten immer noch lebt!" "Aber das ist doch gar nicht möglich", widersprach Zev: "Wir haben doch gesehen, wie der Gigaschatten im fraktalen Sog zerstört wurde." "Offensichtlich haben wir die Macht Seines Schatten unterschätzt!"
Kai oder besser Sein Schatten ergriff Slikovaz: "Und nun, Du kleiner jämmerlicher Wicht? Was willst du nun tun?" "Gnade!" winselte Zlikovaz. "Gnade?" höhnte Sein Schatten. "Ich kenne keine Gnade! Du wolltest meinen Körper zerstören und dafür gibt es nur eine Strafe: den Tod!" "Laß mich frei und du bekommst all meine Schätze!" "Die werde ich sowieso bekommen!" antwortete sein Schatten und drehte Zlikovaz langsam und genüßlich den Hals um. Danach strich er beschwörend über die Leiche. Wie von Geisterhand formte sich die Aura um den toten Körper, die Sein Schatten genüßlich aufsog. Dann drehte er sich um und ging bösartig lächelnd langsam auf Sephora zu
Panik brach im Tempel aus. Alle außer Stan, Zev, 790, Sephora und Seinem Schatten sahen zu, daß sie so schnell wie möglich aus dem Tempel herauskamen.
Diese sah ihn mit schreck geweiteten Augen an. Sie war unfähig, sich zu rühren. Sie verstand das Vorgefallene nicht. Sollte das die versprochene Rettung vor der Ehe mit Zlikovaz sein? Und welchen Preis würde sie jetzt dafür bezahlen müssen. Sein Schatten streckte seine Hand aus, um Sephora zu berühren. Sephora zitterte vor Angst. Was würde nun geschehen? Die Hand Seines Schatten war nur noch Millimeter von ihrer Haut entfernt, gleich würde er sie berühren. Sie schloß die Augen und hielt den Atem an.
Sein Schatten griff nach dem Kristall, der an Sephoras Hals hing. Dieser leuchtete plötzlich grell auf und sein Schatten wurde von einem Energiestoß erfaßt, der ihn gegen die Wand schleuderte. Sephora oder sagen wir besser die Göttin, denn diese hatte sich soeben Sephoras Körper bemächtigt, ging auf Seinen Schatten zu: "Du hast meinen Tempel entweiht, dafür wirst du bestraft werden!" Die Göttin streckte ihre Hände aus, um Seinen Schatten mit einem Energiestrahl zu vernichten. "Nein, das darfst du nicht! Du darfst Kai nicht töten" schrie Zev und warf sich auf Sephora, so daß der Energiestrahl abgelenkt wurde. Die beiden fielen zu Boden und blieben benommen liegen. "Zev, du bist verrückt!" brüllte sie Stan an. "Das ist nicht mehr Kai, das ist Sein Schatten!" "Mein Engel - ich gebe es zwar nicht gerne zu, aber dieses Mal hat Stan wirklich recht." pflichtete 790 ihm bei. "Nein, das ist immer noch Kai, ich kann nicht zulassen, daß sie ihn umbringt!" antwortete Zev schluchzend. Zev kroch auf Kai zu: "Kai - kämpfe dagegen an! Ich weiß, daß du es kannst. Kai - hörst du mich?" Doch Sein Schatten lachte sie nur aus: "Da du mir geholfen hast, werde ich die Gnade erweisen, als meine Dienerin weiter zu leben! Und nun laß mich vorbei!" "Kai - das darfst du nicht! Kai - erinnere dich doch endlich!" Sein Schatten oder war es Kai - blickte sie mit seinen schwarzen Augen, die genauso aussahen wie die Asterias an. Deutlich konnte man auf seinem Gesicht die widersprüchlichen Gefühle erkennen. "Kai!" flehte Zev: "Komm zu mir zurück!" Kai kämpfte immer noch gegen Seinen Schatten an, doch letztendlich verlor er den ungleichen Kampf. "Du kannst mich nicht besiegen!" dröhnte die Stimme Seines Schatten und Sein Schatten ging auf Sephora zu.
"Er wird uns alle umbringen!" jammerte Stan, der sich mit 790 hinter dem Altar versteckt hatte. "Dann müssen wir ihn irgendwie aufhalten." "Kannst du mir mal verraten wie du einen Toten umbringen willst?" fragte Stan sarkastisch. "Vielleicht reicht es ja erst einmal wenn wir ihn kampfunfähig machen." "Wie du meinst" antwortet Stan und ergriff das Erstbeste was er finden konnte - und das war zufälligerweise 790 - und warf es nach Seinem Schatten und traf diesen am Kopf. "Treffer!" jubelte Stan. Sein Schatten wankte, doch aufhalten ließ er sich dadurch nicht. "Verdammter Mist!" schimpfte Stan.
Die schwarze Dame erhob sich. Sie und Sein Schatten standen sich Auge in Auge, wachsam umkreisten sie sich. Jeder wartete auf die Reaktion des anderen. Wer sie so sah, hätte denken können, daß sie miteinander tanzten. Zev, Stan und 790 beobachteten die beiden atemlos. "Und jetzt?" fragte Stan leise. "Ich weiß nicht, wir können nichts anderes tun als abzuwarten. Ich fühle mich so hilflos." schluchzte Zev und brach zusammen. Unbeholfen nahm Stan sie in seine Arme: "Bis jetzt sind wir doch noch mit allen Problemen fertig geworden und jetzt werden wir es auch schaffen."
Asteria und Sein Schatten umkreisten sich noch immer. Plötzlich griff er an. Zuckende Blitze kamen aus seinen Fingern. Doch Asteria wehrte sie mühelos ab. Wieder und wieder gingen die beiden aufeinander los und die Energiestrahlen erhellten den Tempel wie ein Feuerwerk.
Stan ergriff die lethargische Zevs Arm und zog sie hinter den Altar: "Duck dich, wir müssen ja nicht gerade in der Schußlinie stehen!"
Die plötzlich eintretende Stille riß Zev aus ihrer Lethargie. Rasch sprang sie auf. Vorsichtig spähten sie und Stan über den Altar. "Kai!" schrie Zev und rannte zu dem am Boden liegenden Kai. Sie warf sich neben ihn und nahm ihn in ihre Arme: "Kai? Kai? Was ist mit dir?" schrie sie in Panik. Zev schüttelte ihn: "Kai - wach auf!" Kai stöhnte und schlug die Augen auf, die nun so grün wie vorher waren, alles schwarze war aus ihnen verschwunden. "Was ist mit mir? Was ist passiert?" "Oh Kai!" jauchzte Zev. "Jetzt wird wieder alles wieder gut."
"Wo ist Sephora?" störte 790 die beiden. "Dort liegt sie!" rief Stan und deutete auf Sephora, die neben der beim Kampf zerbrochenen Statue Asterias, lag. Zev half dem noch benommen Kai aufzustehen. Zusammen gingen sie zu Sephora hinüber, die wie tot dalag. "Lebt sie noch?" fragte Stan. Kai ergriff ihre Hand und sucht nach dem Puls: "Sie lebt noch! Kommt helft mir!" Langsam richteten Stan und Kai Sephora auf. Zev kam mit einem Krug Wein aus einem Nebenraum zurück und reichte ihn Kai. Vorsichtig flößte er ihr etwas von dem Getränk ein. Sephora begann zu husten. Stan schlug ihr auf den Rücken. "Sephora - hört ihr mich?" Allmählich kam Sephora wieder zu sich. Sie blinzelte, schlug die Augen auf und starrte Kai, Zev, Stan und 790 mit großen schwarzen Augen, die an eine sternenlose Nacht erinnerten an.

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