Das verlorene Paradies

by Black Lady


Als die Lexx zu ihrem Erkundungsflug ansetzte, neigte sich der Tag auf dem Planeten Opasnost seinem Ende zu. Langsam schwebte sie über die endlos scheinende Ebene und scannte dabei mit ihren mikroakustischen Radargeräten sorgfältig die Oberfläche.

Die Mannschaft der Lexx stand währenddessen auf der Brücke und starrte auf den Bildschirm. "Ist das nicht schön?" fragte Zev überwältigt. "So etwas habe ich noch nie gesehen." Aber wer wäre nicht begeistert gewesen von dem Anblick, der sich vor ihnen auftat: Grüne Wiesen, sanfte Hügel und ganz im Norden konnte man die schneebedeckten Berge mehr erahnen als das man sie wirklich sehen konnte. "Das ist das Paradies!"

"790 - hast Du irgendwelche Lebewesen entdeckt ?, fragte Kai. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, so hätte 790 jetzt seinen Kopf geschüttelt und auf den vor ihm liegenden Bildschirm gedeutet. So aber antwortete er nur: "Nichts, rein gar nichts. Ich würde sagen, daß auf diesem Planeten praktisch kein tierisches Leben vorhanden ist." "Was heißt praktisch nicht vorhanden?" fragte Stan mißtrauisch. "Die Lexx hat den größten Teil der Oberfläche überprüft und hat nichts finden können - außer ein paar niedrigen biologischen Lebensformen wie Bakterien oder Einzellern. Aber - halt, ich bekomme auf einmal deutliche Signale, die darauf hinweisen, daß sich uns eine Lebensform nähert." "Woher?", fragte Stan aufgeregt. "Was kommt da?" "Ich weiß nicht was es ist, dafür ist es noch zu weit weg. Ich kann nur sagen, daß es etwas sehr Großes ist und das es mit hoher Geschwindigkeit auf uns zufliegt." "Zufliegt?", fragte Zev erstaunt. 790 nahm den Blick nicht vom Bildschirm als er antwortete: "Es ist zu klar abgegrenzt um ein Sturm oder so etwas zu sein, zu dicht, zu kompakt." "Schauen wir es uns doch näher an!" schlug Zev vor. "Bist Du verrückt geworden?", warf Stan ein. "Ich finde, wir sollten uns von hier verkrümmeln, bevor uns dieses Ding da eingeholt hat." "Nein, das ist ganz falsch, Du Feigling! Wir müssen herausfinden was es ist, damit wir uns gegebenenfalls dagegen wehren können." "Dazu besteht doch überhaupt keine Notwendigkeit wenn wir von hier verschwinden." "Vielleicht gibt es in der Darkzone ja noch andere davon! Nein, ich will wissen was es ist." "Na schön, gehen wir eben ein bißchen auf Höhe und sehen uns das Ding aus der Nähe an." Stan gab eine Reihe von Befehlen , worauf die Lexx wie ein silberner Pfeil in den Himmel schoß. "Entfernung noch 8 Kilometer", meldete 790. "Kannst Du denn immer noch nicht erkennen was es ist?", fragte Stan ungeduldig. Kai veränderte den Sichtwinkel des Bildschirm, das Bild flackerte einen Augenblick und beruhigte sich dann. Der Ausblick auf den vorderen Horizont war klar und deutlich, doch als sich Stan das vergrößerte Bild näher ansah, spürte er, wie ihm kalte Schauer in unbewußter Angst über den Rücken liefen.

Eine wirbelnde, pulsierende schwarze Masse näherte sich unaufhaltsam der Lexx.. Im Vorankommen erzeugte sie ein Geräusch. - die anhaltende, heftige Vibration von unzählbaren Flügeln.

Alle standen da wie erstarrt, wie hypnotisiert starrten sie auf den Bildschirm. "Verdammt noch mal - was ist das?" fragte Zev. "Was immer es auch sein mag, ich schlage vor, von hier zu verschwinden!" antwortete Stan. Zev wandte sich an Kai: "Kannst Du uns sagen was da auf uns zukommt?" "Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube es könnte sich um Ubojica Osa handeln." "Ubo... was?" wollte Stan wissen. "Ubojica Osa", wiederholte Kai geduldig. "Es sind riesige, aggressive Insekten. Biß und Stich sind absolut tödlich". "Auch für die Lexx?" "Ich weiß es nicht. Wir sollten es nicht darauf ankommen lassen." Und was machen wir jetzt?" "Nun, da wir uns auf direktem Kollisionskurs mit ihnen befinden und ihnen auch nicht mehr ausweichen können, besteht unsere einzige Überlebenschance darin, uns eine Weg freizuschießen. Stan, gib der Lexx den Befehl!" "Lexx", kreischte Stan voller Angst: "Vernichte dieses Ungeziefer. Aber sofort!" "Dein Wunsch ist mir Befehl!" antwortete die Lexx und richtete ihre Okular-Parabolspiegel auf die auf sie zukommende dunkle Masse. Die Facetten der ungeheuren Okularaugen leuchteten kurz auf und feuerten dann eine Salve, um alles was vor ihnen lag zu vernichten. Die Angreifer zeigten sich allerdings widerstandsfähiger als erwartet. Der mächtige Energiestrahl hatte ihre Reihen kaum gelichtet. Sie formierten sich neu und starteten einen neuen Angriff auf die Lexx. Die Crew spürte wie die Lexx von einem orkanartigen Wind ergrifffen und dann hin und her geschüttelt wurde. "Was ist denn das jetzt?" schrie Stan während er sich an einer Konsole festklammerte. "Das ist ja fast so wie im fraktalen Sog." "Das sind die Vibrationen der Flügel." erklärte ihm Kai. "Hoffentlich fällt das Schiff nicht auseinander!" brüllte Zev.

Sekunden später erreichte die Lexx den Rand des Schwarms. Mutig kämpfte sie sich durch die Angreifer und feuerte eine Salve nach der anderen ab. Bruchstücke der Panzer, derjenigen Insekten, die das Pech gehabt hatten, den Energiestrahlen in den Weg zu kommen, wirbelten an den Sichtluken vorbei und prallten vom Heck ab. Rollende, achteckige Facettenaugen und verbrannte Flügel glühten kurz und verschwanden genauso schnell wieder wie sie aufgetaucht waren, denn die Lexx raste unaufhaltsam weiter. In selbstmörderischer Wut stürzten sich die Insekten auf die Lexx und versuchten mit ihren Saugfüßen Halt auf ihrer Oberfläche zu finden. Immer wieder gelang es ihnen - beinahe - doch immer wieder wurde ihnen der Laserstrahl der Lexx zum Verhängnis.

Der Angriff der Ubojica Osa verlor an Kraft. Immer mehr von ihnen ergriffen die Flucht. Stan starrte auf den Bildschirm. "Ich glaube, wir haben es geschafft! Den Viechern haben wir es gezeigt! Jetzt ziehen sie ihren Schwanz ein und geben Fersengeld!" "Freue Dich nicht zu früh!" warnte Kai!"

Wie recht er hatte, zeigt sich wenige Sekunden später als es einem der Angreifer gelang, sich an die Lexx zu krallen. Sechs kräftige, geschmeidige Beine klammerten sich fest, während das Insekt mit seinen spitzen Zähnen mit aller Kraft zubiß. Die Lexx schrie vor Schmerz auf.

"Verfluchter Mist!" schrie Stan. "Wie werden wir das Mistvieh wieder los?" "Vielleicht kann die Lexx es ja abschütteln!" schlug Zev vor. Aber auf diese Idee war die Lexx schon längst selbst gekommen. In großen Zick-Zack-Linien flog sie hin und her, sie vollführte Bocksprünge und schüttele sich so wild, daß es ihrer Crew in ihrem Inneren ganz schlecht wurde. "Ich halte das nicht länger aus!" keuchte Stan. "Ich muß mich gleich übergeben." "Willst Du etwa lieber von diesem Ding gefressen werden?" "Natürlich nicht, aber ich hoffe, daß wir das hier gleich überstanden haben."

Doch das Rieseninsekt ließ einfach nicht locker. Noch immer versuchte es, sich einen Zugang in die Lexx zu verschaffen, um an das Menschenfleisch in ihrem Inneren zu gelangen. Immer wieder biß es in die Außenhaut und riß großfläche Hautfetzen ab. Die Lexx schrie qualvoll: "Stan! Mach das endlich weg. Es bereitet mir unvorstellbare Schmerzen." "Aber was kann ich denn tun?" "Weißt Du noch wie wir Wist losgeworden sind?" fragte Zev? "Nein, was haben wir denn gemacht?" "Die Lexx hat den Müllplaneten in die Luft gesprengt und die umherfliegenden Trümmer haben Wist getroffen und zerschmettert." "Ich glaube wir haben keine andere Wahl!" sagte Stan. wehmütig. "Lexx! Zerstöre den vor Dir liegenden Planeten!" "Sofort, mein Herr und Gebieter!" Und schon nahm sie den Planeten mit ihren Okularaugen ins Visier, die wenig später ihre konzentrierte Energie freiließen. Opasnost, den man Sekunden vorher noch in all seiner Schönheit erblicken konnte, glühte in einer überirdischen Helligkeit auf als er vom Laserstrahl der Lexx getroffen wurde. Als er explodierte wurden Gesteinsmassen Geschossen gleich ins All geschleudert.

"Das war's wohl", sagte Zev wehmütig. Trost suchend faßte sie nach Kais Hand. "Dahin ist unser Paradies." Ich hoffe nur, daß wir das nicht umsonst gemacht haben," fügte Stan mürrisch hinzu. "Hoffentlich werden wir dieses Monster jetzt auch wirklich los." "Wir können doch nicht immer Pech haben!" hoffte Zev. "Das meinst aber auch nur du!" erwiderte der wie immer pessimistische Stan. Doch gerade als er das sagte, wurde das Rieseninsekt von einem Geröllbrocken getroffen und mit in die unendlichen Tiefen des Alls gerissen.

Erleichtert seufzte die Lexx auf. "Ist es weg?" fragte Zev. "Ja, es ist weg!" jubelte Stan und vollführte einen wilden Freudestanz bevor er 790 ergriff und ihm einen Kuß auf die metallene Stirn drückte. "Bah, wie widerlich. Der Typ ist total verrückt!" ließ 790 vernehmen. Zev und Kai fielen sich überglücklich in die Arme. "Wir haben es geschafft. Wir haben das Biest besiegt." "Wir haben zwar keine neue Heimat gefunden, aber wir haben überlebt und das ist doch das Wichtigste!" "Recht hast du, Kai! Das müssen wir feiern!" fügte Stan hinzu. "Mal sehen ob die Lexx so was ähnliches wie zarkovanischen Rakija herstellen kann." "Was ist denn das schon wieder?" wollte Zev wissen. "Laß dich überraschen! Aber laß uns jetzt endlich unseren Sieg genießen."

Wer weiß ob Zev, Stan, Kai und 790 so fröhlich gefeiert hätten, wenn sie gewußt hätten, was sich in der Kammer befand, in der vorher die Gehirne der Vorschatten aufbewahrt worden waren. Dort lagen - gut versteckt - 100 silbrig schimmernde Kugeln. Jede etwas so groß wie eine Walnuß. Die Ubojica Osa hatte ihre Aufgabe erfüllt. Mit ihrem gepanzerten Stachel hatte sie die Außenhaut der Lexx durchstoßen und in ihrem inneren ihre Eier abgelegt.

Ende

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