Auf der Suche nach einem neuen Zuhause

by Black Lady



Sein Schatten, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte wer er war, erwachte aus seinem todesähnlichen Schlaf. Wage erinnerte er sich an einen Kampf. Bruchstückhafte Erinnerungen gelangten an die Oberfläche seines Bewußtseins: ein libellenförmiges Raumschiff; ein gigantisches Insekt, drei Menschen, die ihn bedrohten.....
All dies kam ihm seltsam vertraut vor - doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte diese Bilder nicht einordnen. "Wo bin ich? Und vor allem, wer bin ich?"

Zev und Kai standen Händchenhaltend auf der Brücke und sahen sich dabei tief in die Augen.
Sie verstanden sich auch ohne Worte. Seufzend wandte sich Stanley ab. Nein, den Anblick dieser Turteltäubchen konnte er nicht länger ertragen.
"Warum haben immer nur die anderen so ein Glück?", seufzte er. "Und überhaupt - was findet sie denn an diesem toten Stück Fleisch?" Nein, Stanley konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie Kai, die außergewöhnlichen Bedürfnisse einer Liebessklavin befriedigen konnte. War nicht viel eher er der passende Partner für Zev? Er fand, daß sich Zev reichlich undankbar zeigte, denn schließlich warer es doch gewesen, der sie alle vor dem Gigaschatten rettete, als er mit seiner magischen Hand der LEXX befahl, durch den fraktalen Sog zu fliegen.
Dabei vergaß Stan allerdings, daß erstens Kai diese Idee gehabt hatte und daß ihnen die Flucht in die Darkzone überhaupt nichts genutzt hätte, wenn Squisch dem Gigaschatten nicht den Garaus bereitet hätte. "Ja, ja", murmelte er als er sich in sein Quartier zurück zog. "Undank ist der Welten Lohn. Zev könnte sich wirklich etwas entgegenkommender verhalten." Und an die Lusttransporte von Celes denkend, schlief er seelig lächelnd ein.

Kai und Zev liebten sich zwar, aber doch konnten die beiden ihr Glück noch nicht so recht fassen. "Noch nie hat mich jemand geliebt", dachte Zev. "Weder der mir zugedachte Ehemann noch meine Eltern. Ja, noch nicht einmal meine Eltern haben mich geliebt. Ich war ihnen weder hübsch, noch klug genug und so haben sie mich ins Holoheim abgeschoben."
Männer interessierten sich erst für sie, seitdem sie den aufreizenden Körper einer Liebessklavin besaß. Liebte Kai vielleicht auch nur ihren Körper? Oder liebte er sie wirklich? Sie hoffte es, denn welche Frau will schon nur ihres Aussehens wegen geliebt werden. Dabei vergaß Zev ganz, daß sich mit der Transformation ihres Körpers auch ihr Charakter verändert hatte. So wie der strahlend schöne Schmetterling sein häßliches Raupenkleid abwirft, so hatte auch Zev ihre alte Persönlichkeit abgelegt. Da war nichts mehr von der vom Leben enttäuschten Frau, der alles gleichgültig war und die nur noch ihren Tod herbeisehnte. Jetzt war sie nicht nur schön, sondern auch selbstbewußt und jede Pore ihres Körpers strahlte pure Lebenslust und -freude aus. Kurz: Sie war eine Frau, die wußte was sie wollte und vor allem, die wußte wie sie es bekam. Und hätte Zev etwas mehr Erfahrung mit Menschen gehabt, so hätte sie gewußt, daß ein hübsches Aussehen zwar ganz hilfreich sein kann, daß letztendlich aber ganz andere Werte zählten.
Auch Kai wurde von Zweifeln geplagt. Er konnte nicht verstehen, daß sich jemand wie Zev, die doch nun wirklich jeden Mann haben konnte,den sie wollte, ausgerechnet für ihn entscheiden konnte. Er, der er doch der Killer Seines Schattens gewesen war und während dieser Zeit tausende unschuldige Menschen umgebracht hatte. Zev hatte ihm zwar zu erklären versucht, daß nicht wirklich er diese Morde begangen hätte, weil er ja nur der willenlose, d.h. von Seinem Schatten kontrollierte Handlager gewesen war, und diese Taten bei klarem Verstand niemals begangen hätte, aber Kai konnte sich trotzdem nicht damit abfinden, daß er so viele Leben auf dem Gewissen hatte.

"Du blöde Büchsenbirne, Du. Du bist ja zu gar nichts nütze!", schimpfte Stan. "Du hast ja noch immer keinen Planeten für uns gefunden. Bald bekommt die LEXX wieder Hunger - und was machen wir dann? Ich weiß ja, daß Dir das ganz egal ist, weil Du im Gegensatz zu uns nicht auf Nahrung angewiesen bist. Aber wenn die LEXX hungert, dann hungern auch wir und Du willst doch bestimmst nicht, daß es Deiner über alles geliebten Zev an Nahrung mangelt, oder?"
"Zev lebt von Luft und Liebe. Sie interessiert sich nur für das tote Stück Fleisch - sie würde nicht einmal merken, wenn es nichts mehr zu essen gäbe!"

"Ich bin...ich bin...ich bin das Ende und der Anfang...ich bin der Gigaschatten!" aber bevor sich Sein Schatten dieses Wissen zunutze machen konnte, hatte Kai auch schon wieder die Kontrolle über sein Bewußtsein gewonnen.

Kai erwachte aus seinem unruhigen Schlaf. Vorsichtig, um Zev nicht zu wecken, kletterte er aus dem Bett. Er konnte sich seine Unruhe nicht erklären, aber er spürte, nein, er wußte, daß etwas nicht in Ordnung war. Aber was war es?
Eigentlich hatte er doch keinen Grund sich Sorgen zu machen. Er hatte einen genügend großen Vorrat an Protoblut und der Gigaschatten war auch besiegt. Aber war er das wirklich? Die anderen glaubten es, aber er war sich dessen nicht so sicher.
Zev, die die leere Stelle neben sich im Bett bemerkte, erwachte.
Schläfrig richtete sie sich auf. "Kai? Was machst Du da? Komm zu mir zurück! Ohne Dich friere ich so!" und streckte ihm die Hand entgegen.
"Es ist nichts." log er. "Du weißt doch, daß ich keinen Schlaf brauche. Aber wenn Du mich so sehr vermißt, dann kann ich dich natürlich nicht allein lassen!" antwortete er, sich ein Lächeln abringend und legte sich wieder ins Bett. Sanft küßte er sie auf die Stirn. Zev schmiegte sich eng ihn und war wenige Augenblicke schon wieder eingeschlafen Nur Kai konnte nicht schlafen - er hatte Angst vorseinen Träumen.

"Kai?&" fragte Stan. "Du bist doch aus der Darkzone - kennst Du denn keinen geeigneten Planeten für uns?"
"Nicht ich,sondern meine Vorfahren stammen aus der Darkzone." berichtigte ihnKai.
"Aber Du hast doch alles über die Darkzone gelernt, denke ich."
"Nein, nur über das Sonnensystem von Brunnis. Aber dort gibt es ja keine Planeten mehr seitdem die Sonne zur Supernova wurde."
"Was schaust Du mich dabei so an?" fragte Stan empört.
"Na, du bist doch schuld daran!" antwortete 790.
"Das stimmt doch überhaupt nicht. Giggerota hat es getan." widersprach ihm Stan.
"Aber Du hast sie nicht daran gehindert."
"Ich möchte Dich mal sehen, wenn man Dir die Hand abbeißt!"
"Müßt ihr denn immer streiten?" fragte die hinzukommende Zev. "Wir haben doch nun wirklich andere Probleme. Jetzt sind wir doch soweit gekommen, da können wir doch nicht aufgeben. Irgendwo da draußen muß es doch einen Planeten für uns geben! Wir müssen ihn nur suchen!"
"Ach, und was haben wir bis jetzt gemacht?" fragte Stan ironisch.
"Nun, dann gehen wir eben mit System an die Sache heran." schlug Kai vor.
"Kai hat Recht." unterstützte ihn Zev. "Bis jetzt sind wir doch nur ziellos hier herumgeflogen, anstatt gezielt nach einem Planeten zu suchen."
"Erst einmal ein Ziel haben!"
"Ich weiß, daß es da ist und wir werden es auch finden." Zev ließ sich ihren Optimismus nicht nehmen.
"Und wie willst Du das anstellen?" fragte Stan mit einer Spur Zynismus in seiner Stimme.
"Na - das ist doch ganz einfach. Von nun an wird 790 unsere Flugbahn aufzeichnen und das ganze Gebiet systematisch durchsuchen. Diese Daten kann er dann mit seinen gespeicherten Sternenkarten vergleichen. Vielleicht ist ja doch eine von der Darkzone dabei!" antwortete Zev, nahm 790 und stellte ihn auf die Konsole.
"So, mein Süßer - und jetzt tue Deine Arbeit und sobald Du einen Planeten entdeckst, dann rufst Du uns! Verstanden?"
"Natürlich, oh Du, mein heiß geliebtes Moppelchen. Für Dich würde ich doch alles machen."
"Dann finde endlich ein neues Zuhause für uns!" knurrte Stan.
"Wenn ich einen Planeten finde, darf ich dann zur Belohnung in dein Bett?" 790s Augen rollten erwartungsvoll hin und her.
"Tut mir leid, 790, aber der Platz ist schon besetzt! Aber frag doch mal Stan, vielleicht darfst du ja zu ihm in die Koje kriechen!" schlug Zev ihm statt dessen vor.
"Das wäre keine Belohnung, sondern eine Bestrafung!"

Kai kehrte mit der Motte von seinen Inspektionsflug zurück Die Wunde, die der Gigaschatten der LEXX zugefügt hatte, war tadellos verheilt. Nun stand er auf der Brücke und starrte in den Weltraum. Seine Träume machten ihm Angst - andauernd sah er Seinen Schatten vor sich, der ihn zu verhöhnen schien: "Du kleines Menschlein. Hast Du wirklich geglaubt, mich besiegen zu können?"
Manchmal hatte er das Gefühl, daß sich jemand seines Willens =bemächtigen wollte.
Er befürchtete, die Kontrolle über sich zu verlieren und wieder zum willenlosen Sklaven zu werden. Sicher - bis jetzt hatte er sich noch voll im Griff, aber würde das auch in Zukunft so sein? Würde er wieder zum Killer werden? Würde er dann sogar Zev töten wollen?

"Kai?" fragte Zev, die sich über sein langes Ausbleiben Sorgen gemacht hatte und sich deshalb auf die Suche nach ihm gemacht hatte. "Wo warst Du denn so lange?" "Nur auf einem Inspektionsflug" antwortete Kai und verjagte seine dunklen Gedanken wie eine lästige Fliege.

"Ich brauche einen neuen Wirt", dachte Sein Schatten. "Dieser Körper ist einfach zu tot. Wenn ich meine Macht wiedergewinnen will, dann brauche ich einen neuen, lebendigeren Körper." Sicher, Sein Schatten hatte auch von dem toten Yottskry Besitz ergriffen, aber erstens war dessen Leichnam noch warm gewesen als dies geschah und zweitens war er damals ja auch im Vollbesitz seiner Kraft gewesen.
Doch nun, wo er mehr tot als lebendig war, da brauchte er eine neue Lebensquelle. Vielleicht Stan? Nein, zu alt und schwächlich. Oder Zev? Ja, sie war jung und er spürte die starke Lebensenergie in ihren Adern pulsieren. Er betrachtete sie durch Kais Augen. Er begutachtete jeden Zoll ihres Körpers, er schien gerade zu in ihr Innerstes zu blicken. Dort - was war das? Irritiert hielt er inne, doch dann erkannte er worum es sich handelte. Ja - endlich hatte er die Quelle seiner Wiedergeburt gefunden und leise lachend zog sich sein Schatten zurück, um sich auszuruhen und seine Wiedergeburt vorzubereiten.

790 verfaßte gerade sein 467 Sonett über Zevs Schönheit als er von Stan einen unsanften Schlag gegen seinen Schädel bekam.
"Was soll das? Du sollst hier keine Liebesgedichte zitieren, sondern Ausschau nach einem Planeten halten!" schimpfte Stan.
"Im Gegensatz zu Deinen mehr als nur beschränkten Gehirnfähigkeiten - falls Du denn überhaupt eins hast und daran zweifele ich sehr - bin ich in der Lage mehr als nur eine Aufgabe gleichzeitig zu lösen." konterte 790.
"Das kann ja jeder behaupten! Vielleicht sind wir ja schon an Dutzenden Planeten vorbei geflogen während Du Dich hier als Schreiberling versucht hast."

"Wenn Du mir nicht glaubst, dann kann ich Dir gerne die Ergebnisse der letzten 139 Stunden 27 Minuten und 10 Sekunden ausdrucken lassen."
"Und was soll das beweisen? Wenn Du nicht aufgepaßt hast, dann konntest Du ja keinen Planeten finden."
"Verschwinde und laß mich in Ruhe arbeiten, du altes Sackgesicht!"
Stan, dem keine passende Antwort einfiel, verkrümmelte sich und malte sich dabei aus wie es wäre, 790 in seine Einzelteile zu zerlegen.

"Wacht doch endlich auf!" schrie 790 aufgeregt. "Ich habe einen Planeten entdeckt."
"Was ist los?" fragte Stan noch ganz verschlafen.
"Wir haben endlich eine Planeten gefunden, Du Schlafmütze!" antwortete Zev freudestrahlend.
"Du meinst, ich habe ihn gefunden, Du Schönste aller Schönen!"
"Von mir aus, dann hast DU ihn eben gefunden."
"Und was ist das für ein Planet?" erkundigte sich Stan.
"Ich weiß es nicht!", antwortete Kai. "790 - kannst Du ihn identifizieren?"
"Nein, er ist auf keiner der Karten verzeichnet."
"Als ob es so wichtig wäre, wie dieser Planet heißt, wandte Zev ein. "Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet doch: "Können wir auf diesem Planeten leben? 790 - kannst Du das für uns herausfinden?"
"Aber natürlich mein Wonneproppen - ich bin dein gehorsamer Sklave." 790 scannte den Planeten, der wie eine große blaue Murmel vor ihnen lag.
"Er ist wunderschön!" sagte Zev traumversunken.
"Von hier oben schon! Aber wer weiß, was uns da unten erwartet." erwiderte Stan, der sich an die Schauergeschichten über die Darkzone erinnerte. "Bei unserem Glück gibt es da unten nichts anderes als riesige Monster, die uns verspeisen wollen."
Doch Zev ließ sich ihre Vorfreude nicht nehmen: "Na, dann fliegen wir eben runter und finden es heraus. Gib der LEXX doch endlich den Befehl!" drängelte sie.
"Ist ja schon gut. Sei doch nicht so ungeduldig." Entgegnete ihr Stan.
Dann legte er seine Hand auf die Steuerkonsole: "LEXX, fliege zu diesem Planeten und suche einen geeigneten Landeplatz."
"Dein Wunsch ist mir Befehl"

Zev stand auf der Rampe und genoß die Aussicht. Sie war überwältigt. Niemand, der wie sie auf dem kleinen, stinkenden und übervölkertem B3K aufgewachsen war, hatte je zuvor eine so saubere und süße Luft geschmeckt oder einen solch klaren, strahlenden Morgen gesehen. Die fernen Berge erhoben sich in einem scheinbar endlosen Panorama rings um sie her, Bergkette reihte sich an Bergkette.
Die aufgehende Sonne tauchte alles in ein rosiges anheimelndes Licht. "Das ist das Paradies!" sagte Zev und reichte Kai die Hand. Zusammen mit Stan, der 790 trug, stiegen sie aus und erkundeten ihr neues Zuhause.

Aber auch sein Schatten hatte ein neues Zuhause gefunden - zumindest für die nächsten neun Monate.

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