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Gewesenes Jahr - Arno Holz - Ich zeige dir den Mond durch einen Frühlingsbaum. Jede Blüte, jedes Blättchen hebt sich aus seinem Glanz. Jede Blüte, jedes Blättchen schimmert. Beide Arme schlingst du mir um den Hals!
Der Taucher "Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund? Einen goldnen Becher werf ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er ist sein eigen." Der König spricht es und wirft von der Höh Der Klippe, die schroff und steil Hinaushängt in die unendliche See, Den Becher in der Charybde Geheul. "Wer ist der Beherzte, ich frage wieder, Zu tauchen in diese Tiefe nieder?" Und die Ritter, die Knappen um ihn her Vernehmen's und schweigen still, Sehen hinab in das wilde Meer, Und keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum drittenmal wieder fraget: "Ist keiner, der sich hinunter waget?" Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor, Und ein Edelknecht, sanft und keck, Tritt aus der Knappen zagendem Chor, Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg, Und alle die Männer umher und Frauen Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen. Und wie er tritt an des Felsen Hang Und blickt in den Schlund hinab, Die Wasser, die sie hinunterschlang, Die Charybde jetzt brüllend wiedergab, Und wie mit des fernen Donners Getose Entstürzen sie schäumend dem finstern Schosse. Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt, Und will sich nimmer erschöpfen und leeren, Als wollte das Meer noch ein Meer gebären. Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt, Und schwarz aus dem weissen Schaum Klafft hinunter ein gähnender Spalt, Grundlos, als ging's in den Höllenraum, Und reissend sieht man die brandenden Wogen Hinab in den strudelnden Trichter gezogen. Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt, Der Jüngling sich Gott befiehlt, Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört, Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült, Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer Schliesst sich der Rachen, er zeigt sich nimmer. Und stille wird's über dem Wasserschlund, In der Tiefe nur brauset es hohl, Und bebend hört man von Mund zu Mund: "Hochherziger Jüngling, fahre wohl!" Und hohler und hohler hört man's heulen, Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen. Und wärfst du die Krone selber hinein Uns sprächst: Wer mir bringet die Kron, Er soll sie tragen und König sein - Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn. Was die heulende Tiefe da unten verhehle, Das erzählt keine lebende glückliche Seele. Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefasst, Schoss jäh in die Tiefe hinab, Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast, Hervor aus dem alles verschlingenden Grab.- Und heller und heller, wie Sturmes Sausen, Hört man's näher und immer näher brausen. Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Well auf Well sich ohn Ende drängt, Und wie mit des fernen Donners Getose Entstürzt es brüllend dem finstern Schosse. Und sieh! aus dem finster flutenden Schoss, Da hebet sich's schwanenweiss, Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloss, Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiss, Und er ist's, und hoch in seiner Linken Schwingt er den Becher mit freudigem Winken. Und atmete lang und atmete tief Und begrüsste das himmlische Licht. Mit Frohlocken es einer dem andern rief: "Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht! Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle Hat der Brave gerettet die lebende Seele." Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar, Zu des Königs Füssen er sinkt, Den Becher reicht er ihm kniend dar, Und der König der lieblichen Tochter winkt, Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande, Und der Jüngling sich also zum König wandte: "Lange lebe der König! Es freue sich, Wer da atmet im rosigen Licht! Da unten aber ist's fürchterlich, Und der Mensch versuche die Götter nicht Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gnädig bedeckten mit Nacht und Grauen. Es riss mich hinunter blitzesschnell - Da stürzt mir aus felsigtem Schacht Wildflutend entgegen ein reissender Quell: Mich packte des Doppelstroms wütende Macht, Und wie einen Kreisel mit schwindendelm Drehen Trieb mich's um, ich konnte nicht widerstehen. Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief In der höchsten schrecklichen Not, Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff, Das erfasst ich behend und entrann dem Tod - Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen, Sonst wär er ins Bodenlose gefallen. Denn unter mir lag's noch, bergetief, In purpurner Finsternis da, Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief, Das Auge mit Schaudern hinuntersah, Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen. Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch, Zu scheusslichen Klumpen geballt, Der stachligte Roche, der Klippenfisch, Des Hammers greuliche Ungestalt, Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne. Und da hing ich und war's mit Grausen bewusst Von der menschlichen Hilfe so weit, Unter Larven die einzige fühlende Brust, Allein in der grässlichen Einsamkeit, Tief unter dem Schall der menschlichen Rede Bei den Ungeheuern der traurigen Öde. Und schaudernd dacht ich's, da kroch's heran, Regte hundert Gelenke zugleich, Will schnappen nach mir - in des Schreckens Wahn Lass ich los der Koralle umklammerten Zweig; Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben, Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben." Der König darob sich verwundert schier Und spricht: "Der Becher ist dein, Und diesen Ring noch bestimm ich dir, Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein, Versuchst du's noch einmal und bringst mir Kunde, Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde." Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl, Und mit schmeichelndem Munde sie fleht: "Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel! Er hat Euch bestanden, was keiner besteht, Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen, So mögen die Ritter den Knappen beschämen." Drauf der König greift nach dem Becher schnell, In den Strudel ihn schleudert hinein: "Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell, So sollst du der trefflichste Ritter mir sein Und sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen, Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen." Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt, Und es blitzt aus den Augen ihm kühn, Und er siehet erröten die schöne Gestalt Und sieht sie erbleichen und sinken hin - Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben, Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben. Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück, Sie verkündigt der donnernde Schall - Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick: Es kommen, es kommen die Wasser all, Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder, Den Jüngling bringt keines wieder. Schiller
Bewaffneter Friede Ganz unverhofft, an einem Hügel, Sind sich begegnet Fuchs und Igel. Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht! Kennst du des Königs Ordre nicht? Ist nicht der Friede längst verkündigt, und weißt du nicht, daß jeder sündigt, Der immer noch gerüstet geht? Im Namen seiner Majestät Geh her und übergib dein Fell. Der Igel sprach: Nur nicht so schnell. Laß dir erst deine Zähne brechen, Dann wollen wir uns weiter sprechen! Und allsogleich macht er sich rund, Schließt seinen dichten Stachelbund und trotzt getrost der ganzen Welt, Bewaffnet, doch als Friedensheld. Wilhelm Busch
Erscheinung Die zwölfte Stunde war beim Klang der Becher Und wüstem Treiben schon herangewacht, Als ich hinaus mich stahl, ein müder Zecher. Und um mich lag die kalte, finstre Nacht; Ich hörte durch die Stille widerhallen Den eignen Tritt und fernen Ruf der Wacht. Wie aus den klangreich festerhellten Hallen In Einsamkeit sich meine Schritte wandten, Ward ich von seltsam trübem Mut befallen. Und meinem Hause nah, dem wohlbekannten, Gewahrt' ich, und ich stand versteinert fast, Daß hinter meinen Fenstern Lichter brannten. Ich prüfte zweifelnd eine lange Rast Und fragte: macht es nur in mir der Wein? Wie käm' zu dieser Stunde mir ein Gast? Ich trat hinzu und konnte bei dem Schein Im wohlverschloßnen Schloß den Schlüssel drehen Und öffnete die Tür und trat hinein. Und wie die Blicke nach dem Lichte spähen, Da ward mir ein Gesicht gar schreckenreich - Ich sah mich selbst an meinem Pulte stehen. Ich rief: "Wer bist du, Spuk?" - er rief zugleich: "Wer stört mich auf in später Geisterstunde?" Und sah mich an und ward, wie ich, auch bleich. Und unermeßlich wollte die Sekunde Sich dehnen, da wir starrend wechselseitig Uns ansahn, sprachberaubt mit offnem Munde. Und aus beklommner Brust zuerst befreit' ich Das schnelle Wort: "Du grause Truggestalt, Entweiche, mache mir den Platz nicht streitig!" Und er, als einer, über den Gewalt Die Furcht nur hat, erzwingend sich ein leises Und scheues Lächeln, sprach erwidernd: "Halt! Ich bin's, du willst es sein; - um dieses Kreises, Des wahnsinn-drohnden, Quadratur zu finden: Bist du der rechte, wie du sagst, beweis' es; Ins Wesenlose will ich dann verschwinden. Du Spuk, wie du mich nennst, gehst du das ein, Und willst auch du zu gleichem dich verbinden?" Drauf ich entrüstet: "Ja, so soll es sein! Es soll mein echtes Ich sich offenbaren, Zu Nichts zerfließen dessen leerer Schein!" Und er: "So laß uns, wer du seist, erfahren!" Und ich: "Ein solcher bin ich, der getrachtet Nur einzig nach dem Schönen, Guten, Wahren; Der Opfer nie dem Götzendienst geschlachtet Und nie gefrönt dem weltlich eitlen Brauch, Verkannt, verhöhnt, der Schmerzen nie geachtet; Der irrend zwar und träumend oft den Rauch Für Flamme hielt, doch mutig beim Erwachen Das Rechte nur verfocht: - bist du das auch?" Und er, mit wildem, kreischend lautem Lachen: "Der du dich rühmst zu sein, der bin ich nicht. Gar anders ist's bestellt um meine Sachen. Ich bin ein feiger, lügenhafter Wicht, Ein Heuchler mir und andern, tief im Herzen Nur Eigennutz und Trug im Angesicht. Verkannter Edler du mit deinen Schmerzen, Wer kennt sich nun? Wer gab das rechte Zeichen? Wer soll, ich oder du, sein Selbst verscherzen? Tritt her, so du es wagst, ich will dir weichen!" Drauf mit Entsetzen ich zu jenem Graus: "Du bist es, bleib und laß hinweg mich schleichen!" - Und schlich, zu weinen, in die Nacht hinaus. Adelbert von Chamisso
An sich selbst Mir grauet vor mir selbst; mir zittern alle Glieder, Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft, Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft Betracht und die nun schon erstorbnen Augen-Lider. Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft Dem großen Tröster zu; das Fleisch ruft nach der Gruft; Die Ärzte lassen mich; die Schmerzen kommen wieder. Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein. Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein. Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten. Was ist der hohe Ruhm, und Jugend, Ehr und Kunst? Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst, Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten. Andreas Gryphius
Von freier Höhe Ich weiß. Oft wars nur ein Lachen, ein Handdruck von dir, oder ein Härchen, ein bloßes Härchen, das dir der Wind ins Genick geweht, und all mein Blut gährte gleich auf, und all mein Herz schlug nach dir. Dich haben, dich haben. dich endlich mal haben, ganz und nackt, ganz und nackt! Und heut, zum ersten Mal, unten am See, glitzernd im Mittag, sah ich dich so. Ganz und nackt! Ganz und nackt! Und mein Herz stand still. Vor Glück, vor Glück. Und es war keine Welt mehr, nichts, nichts, nichts, es war nur noch Sonne, nur noch Sonne -- so schön warst du! Arno Holz
An Belinden Warum ziehst du mich unwiderstehlich Ach in jene Pracht? War ich guter Junge nicht so selig In der öden Nacht! Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen, Lag im Mondenschein Ganz von seinem Schauerlicht umflossen Und ich dämmert' ein; Träumte da von vollen goldnen Stunden Ungemischter Lust, Hatte schon dein liebes Bild empfunden Tief in meiner Brust. Bin ich's noch den du bei so viel Lichtern An dem Spieltisch hältst, Oft so unerträglichen Gesichtern Gegenüberstellst? Reizender ist mir des Frühlings Blüte Nun nicht auf der Flur; Wo du, Engel, bist ist Lieb' und Güte, Wo du bist, Natur. Johann Wolfgang von Goethe
Stufen Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! Hermann Hesse
Trostlos rieselndes Tropfen - Arno Holz - Draußen die Düne. Einsam das Haus, eintönig, ans Fenster, der Regen. Hinter mir, ticktack, eine Uhr, meine Stirn gegen die Scheibe. Nichts. Alles vorbei. Grau der Himmel, grau die See und grau das Herz.
Zusammenstellung:
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