Interview
Interviewpartner ist Paul Odermatt. Er ist der Leiter der Rieter Lehrwerkstatt. Die
Kubakrise hat er als junger Mann erlebt. Die Fragen stellte Markus von Allmen.
mva: Hat man in Europa vor der eigentlichen Krise gespürt, dass etwas
in der Luft lag?
Paul Odermatt: Nicht direkt. Aber es war schon eine unruhige Zeit damals.
Es gab viele Regierungsumstürze in Südamerika, und diejenigen, die an der Macht waren
sorgten dafür, dass sie es blieben. Dann hat Castro auf Kuba sehr radikal und mit
russischer Hilfe kommunistische Strukturen eingeführt. Man wusste bald, dass Kuba Waffen
bekam und gegen die USA aufrüstete.
mva: Wie waren die Stimmung und die Reaktionen der europäischen
Bevölkerung, als bekannt wurde, dass auf Kuba sowjetische Atomraketen entdeckt wurden?
Paul Odermatt: Zuerst nahm man es nicht so ernst. Man hielt Castro für
einen, der gerne grosse Worte in den Mund nimmt. Selbst nach dem Ultimatum glaubte man
nicht, dass das eine wirklich ernste Sache war. Erst als Chruschtschow in seiner Rede vor
der UNO betonte, er werde die Raketen nicht abziehen, nahm man es ernst. Zudem bekam man
Angst, Chruschtschow könnte auch gegen Europa, wenn er schon einen solchen Konflikt so
nahe vor den USA riskierte, etwas im Schilde führen.
mva: Kam es zu Hamsterkäufen oder anderen, übertriebenen Reaktionen?
Paul Odermatt: Nein, aber man schaute schon das man immer einen Vorrat an
Lebensmitteln hatte, auch das die Tanke immer voll waren. In Kriegszeiten werden Benzin
und Öl ja immer knapp und teuer.
mva: Hat man während der Krise gewusst was passiert?
Paul Odermatt: Nein. Über die Verhandlungen hat man nichts gewusst. Die
Informationen waren sehr spärlich. Wenn etwas bekannt wurde, brachen in den Medien wilde
Spekulationen aus. Man hielt Chruschtschow für "blöde", man glaubte er werde
tatsächlich einen Krieg auslösen. Dieser Eindruck entstand durch die Medien. Kennedy
hingegen hielt man für seriös und solide. Es wurde angenommen, dass er über die nötige
Infrastruktur verfügte, um Chruschtschow eins auszuwischen. Das ist ebenfalls das Bild,
das die Medien vermittelten.
mva: Wie waren die Reaktionen als es vorbei war?
Paul Odermatt: Man war erleichtert. Aber es wurde erst geglaubt, als man
die Bilder der russischen Schiffe mit den Atomraketen an Bord sah.
mva: Gibt es für Sie Folgen, die man heute noch auf die Kubakrise
zurückführen kann?
Paul Odermatt: Ja, eine ganz persönliche. Seit damals ist für mich
klar, dass ein kommunistisches Regime nicht gut sein kann. Dieser Eindruck rührt
vermutlich ebenfalls von der damaligen Berichterstattung in den Medien her. Aber ich
finde, man kann froh sein, wenn man in einem demokratischen Staat leben darf und sollte
dazu Sorge tragen, dass man es auch weiterhin tun kann.
mva: Herr Odermatt, vielen Dank für dieses Gespräch. |