Warum Erziehung notwendig ist
1. Das Problem, um das es geht
Das, was richtige Erziehung ist oder Erziehungsgrundsätze sind, wird
seit etwa 10 Jahren in der öffentlichen Debatte kontroverser denn
je diskutiert. Die Diskussion ist Ausdruck einer Verunsicherung von Eltern
und Öffentlichkeit angesichts
-
steigender Jugendgewalt („Monsterkinder“),
-
problematischer, zerfallender und alleinerziehender Familien,
-
zunehmender Verhaltensauffälligkeiten von Kindern („Hotel Mama“; kindliche
„Narzißten“, die grandios auftreten, deren Selbstbewusstsein aber
bei geringsten Schwierigkeiten auf Null fällt; „Vermeider-Kinder“,
die sich allen Problemen und Anstrengungen entz iehen; „Eltern-Kinder“,
die altklug und erwachsen auftreten, weil sie zu Hause einem Elternteil
den Partner ersetzen),
-
und der Klage der Schulen, dass in Unterricht und Schulalltag vormals als
selbstverständlich vorausgesetzte Verhaltensweisen nicht mehr eingefordert,
sondern erst vermittelt werden müssen.
In einer 1995 im Spiegel erschienenen Titelgeschichte heißt es angesichtes
der Orientierungslosigkeit über „Erziehung“ daher nicht umsonst: „...die
Eltern wissen inzwischen nur eins: dass sie über Erziehung nichts
wissen.“ Gleichzeitig boomt der Markt mit Erziehungsratgebern, von denen
etwas mehr als 1000 Titel im Buchhandel erhältlich sind und die sich
nicht nur im Titel, sondern auch vom Inhalt her diametral widersprechen
(„Dein Kind braucht mehr Liebe“ vs. „Wenn Kinder unter Liebe leiden“).
Oft gute Absichten der Eltern und Erziehungspraxis scheinen immer weiter
auseinanderzuklaffen, Erziehung scheint geradezu davon bestimmt zu sein,
dass sie immer das Beste will, oft genug aber das Schlimmste bewirkt. Und
Eltern und Schule werden in der öffentlichen Diskussion immer wieder
zu den großen Sündenböcken gestempelt, die am Experiment
der Erziehung kläglich scheitern. Als neue, unheilvolle Erzieher werden
daneben alle „neuen Medien“ genannt, die Eltern und Schule manchmal wegen
ihrer mangelnden Fachkenntnisse als nicht kontrollierbar ansehen.
Auf der
anderen Seite haben sich Eltern - neben einer Gruppe, die ihre Kinder völlig
vernachlässigen - noch nie so viele Gedanken über die Erziehung
gemacht und ihr eigenes Verhalten noch nie so sehr überdacht und immer
wieder in Frage gestellt. Sie wollen ihren Kindern eine behütende
und fördernde Umgebung bieten, setzen sehr hohe Erwartungen an das
Kind und ihre eigenen Erziehungsfähigkeiten. Dadurch kommen sie unter
sehr großen Leistungsdruck, die Erziehung richtig zu machen, und
es stellen sich Gefühle des Versagt-Habens ein, wenn das Kind sich
nicht wie geplant und erwartet verhält und wenn Probleme entstehen.
Damit wird manchmal zum Problem gemacht, was gar keines ist.
Weiter mit den Ursachen der Erziehungsunsicherheit!