Nirgends sind die Arbeitsplätze so wunderschön wie in den Kirchen. Niemand bietet mehr. Wenn man den Inseraten glauben darf. Hier eine Rezension von kirchlichen Stelleninseraten. Zwischen den Zeilen verraten sie mehr, als dem Klerus jeder Gesangbuchfraktion lieb ist.
So müssen die Kirchenleute sein: Kirchenverbunden wie ein Opferstock. Konfliktfähig wie Obelix. Erfahren wie Methusalem. Kontaktfreudig wie Sekundenkleber. Arbeitsam wie ein ganzes Bienenvolk. Offen wie ein Internetanschluss. Musikalisch wie «Sister Act». Die Priester, Pfarrerinnen, Prediger, diakonische Mitarbeiterinnen, Katecheten, Pastoralassistenten und was es sonst noch alles gibt sollten studiert sein wie theologische Einsteins und doch so volksnah, dass sie den Bauern neben dem Misthaufen und die Hausfrau beim Kompostieren ansprechen und ins Herz treffen können. Fürwahr, wenn es nach den Inseraten geht, sind in den Kirchen der Schweiz lauter Alleskönner am Werk.
Alles können
Knallhart werden die Erwartungen abgeschossen. Wer es wagt, eine Bewerbung loszuschicken, ist selber schuld. Die evangelische Kirche Schönenwerd formuliert gnadenlos: Tolerant, offen, ehrlich, kontaktfreudig, kommunikativ, volksnah, ausgesprochen team- und organisationsfähig, belastbar, konfliktfähig. Ohne Atempause. Warum eigentlich ehrlich? Fehlte das bisher? Verräterisch auch die Passage «belastbar, konfliktfähig». So wird nach Leuten gesucht, wenn in der Kirchgemeinde die Fetzen fliegen. Eine Stelle für einen Kamikaze-Seelsorger. Zum Trost gibt es «ein ruhig gelegenes Pfarrhaus mit grossem Umschwung.» Ein ähnlicher Zoff-Indikator ist die Formulierung «Offenheit für verschiedene theologische Prägungen». Klar doch, dass sich in dieser Gemeinde die Fundis und die Liberalos die Köpfe heiss schlagen.
Den Vogel abgeschossen haben die Reformierten in Aeugst am Albis. In einer kreisförmigen Grafik steht geschrieben: offen • humorvoll • tolerant • kontaktfreudig • nicht Wasser predigen und Wein trinken, offen • für Alt und Jung • eigenständig • unkonventionell • kreativ • ehrlich, offen für neues • Respekt für Bestehendes, offen • volksnah • einfühlsam, offen • fürs leben. Fünf Mal «offen». Immerhin ist den Aeugstern klar, dass sie viel verlangen. So heisst es weiter im Inserat: «Sie entsprechen diesen Idealvorstellungen? Nicht ganz? Richten Sie doch Ihre Bewerbung...»
Ablenkungsmanöver
Zurück zum Streit. Besonders hübsch umschreiben die Katholiken in Therwil/Biel-Benken, dass sie Krach haben: «Wir suchen in einer Phase des Neubeginns unseren Pfarrer...» Er «sollte ein offenes Ohr haben für die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppierungen» und diesen Rechnung tragen, also keine Partei provozieren. Es ist ein Inserat mit eingebautem Ablenkungsmanöver. Dass man nicht zu sehr zwischen den Zeilen liest, wird nämlich das Augenmerk auf die Sehenswürdigkeiten gelenkt: «Die schöne Barockkirche und das stattliche Pfarrhaus prägen den Dorfkern in Therwil.» Kein Wort davon, dass in einer Blitzaktion der ganze Kirchenrat abgewählt worden war und der Streit unter der Oberfläche weiterbrodelt.
Am ehrlichsten lassen die Reformierten in Ebikon durchblicken, dass bei ihnen nicht alles in Butter ist. Das Zoff-Inserat liest sich wie eine Todesanzeige: «Unser Sprengel (Duden: «Amtsgebiet eines Pfarrers, veraltend») hat nach dem Pfarrer auch die gesamte Kirchenpflege verloren und steht vor einem Neuanfang.» Der Todesanzeigen-Charakter wird noch verstärkt, weil «eine Verweserin oder ein Verweser» (Duden: «veraltet für Stellvertreter») gesucht wird.
Krach gab es auch in Binningen-Bottmingen. Bis auf eine Person wurde die ganze Kirchenpflege abgewählt. Dann brachte die Pfarrwahlkommission ein Inserat mit folgenden Stichwörtern:
Unterwegs Fragen Achten Lustvoll Streiten Kritik ertragen «Zämmeschaffe» Lachen Purzelbäume schlagen «Zueloose» Lebendig Nicht alle Menschen sind gleich Grenzen respektieren - auch eigene Beobachten Lernen
Quizfrage: Welche Wörter passen nicht zu einer Pfarrwahl? Richtig, und genau die haben in Binningen-Bottmingen gleich nochmals für Zoff gesorgt.
Jung und erfahren
Ein abgewetzter Witz wird wahr: Eine Gemeinde in Birsfelden will einen «jüngeren, erfahrenen» Pfarrer oder Prediger. Ein Mann muss es sein, weil eine «jüngere Frau mit Erfahrung» andere Assoziationen weckt. Die Pfarrei Bruder Klaus bei Zug sucht einen 50%-Jugendarbeiter der mindestens 100% können muss: «Engagement im christlichen Glauben, Erfahrung in der Jugendarbeit und im Leiten von Gruppen, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Organisationsgeschick und Gewandtheit im schriftlichen und mündlichen Ausdruck.» Der arme Kerl, es kann auch eine Frau sein, muss wohl Reden halten und Bücher schreiben.
Salez-Haag erwartet von ihrem Geistlichen eine «dogmenfreie Auslegung des Evangeliums». Wozu schlagen sich Theologiestudierende semesterlang mit Dogmatik herum? Damit sie wissen, was sie nicht predigen dürfen. Bei so kuriosen Anforderungen ist nur eines sicher: Es ist eine verzwickte Aufgabe zu bewältigen. Beispielsweise Neues anreissen ohne das Alte anzutasten. Das liest sich in den Inseraten so: Wir erwarten die «Bereitschaft, Neues einzubringen und Bewährtes weiterzuführen». Direkter sind die Adliswiler. Sie suchen jemanden, der vor viel Arbeit nicht zurückscheut, also gerne schuftet.
Glaubenstest
Etliche Kirchgemeinden verlangen eine «lebendige Beziehung», entweder zur Kirche oder zu Jesus Christus. Praktisch muss man sich das wohl so vorstellen: Erstere zünden eine Kerze an und meditieren mit Inbrunst die Kirchenordnung, letztere vertiefen sich in die Evangelien und reden mit Jesus und er mit ihnen. Solche Anforderungen tauchen in den Inseraten der Katholiken nicht auf. Der Glaube wird vorausgesetzt. Allerdings finden sich Hinweise auf die Prägung, die der Glaube aufweisen soll. St. Martin in Zürich Fluntern möchte jemanden, der «im Geiste des zweiten vatikanischen Konzils» tätig ist. Weiter gehören offen und tolerant auch bei den Katholiken zu den liebsten Wörtern.
Katholiken haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie ohne Priester zurechtkommen. So wirkt es jedenfalls in den Inseraten. Eine Pfarrei St. Marien meldet, sie habe auch ohne Seelsorgeteam «eine tragfähige Vakanzlösung»zustande gebracht. Auch in Gachnang/Uesslingen ist man sich «gewohnt, auch für längere Zeit mit gelegentlicher Hilfe von aussen die pastorale Arbeit zu organisieren». Man schafft es ohne. Trotzdem wird ein Priester gesucht. Weshalb? Weil man sich «der Wichtigkeit einer guten, festen Pfarreileitung bewusst» ist. Oder einfach, weil man trotzdem einen Priester «in unserer Mitte wissen» möchte. Kurz: Wir brauchen zwar keinen Priester, aber wir sollten doch einen haben.
Immobilienmarkt
Ein grosser Teil der Inserate liest sich wie ein Immobilienprospekt. Die Seelsorgeprofis werden mit Länderein und Liegenschaften geködert, als müssten sie eine Kolonie in Afrika verwalten. «Geräumiges Pfarrhaus mit Umschwung an ruhiger Lage» ist ein Standardsatz in den Inseraten. Das gilt es zu überbieten, etwa mit «neu renoviertes Pfarrhaus», als wäre jemals ein Pfarrhaus alt renoviert worden. Raffiniert wittert die Kirchgemeinde in Fideris die Falle und bietet ein «frisch renoviertes» Pfarrhaus. Derendingen übertrumpft die Konkurrenz, denn hier befindet sich die Pfarrwohnung «im schön gelegenen Schlössli Subingen».
Schöne Inflation
Das Wort «schön» findet sich so oft in den Inseraten wie der Wurm in den Kirchenbänken. Die Katholiken in Lauerz leben nicht am Lauerzersee, sondern «am schönen Lauerzersee». Als wäre er sonst nicht nass genug. In Flerden gibt es, wen wundert's, eine «schöne Pfarrwohnung mit Garten». Salez-Haag hat eine «schöne, ehrwürdige Kirche» und Safien Platz hat für den Geistlichen ein «schönes, geräumiges Walserhaus» erhalten. Manche haben gemerkt, dass in den Inseraten alle Kirchgemeinden schön sind, und überbieten das mit «wunderschön». So preist die Kirchgemeinde Siselen-Finsterhennen (was immer noch besser klingt als «Pastorationsgemeinschaft Mittelschanfigg» im Inserat daneben) das «wunderschöne Seeland des Kantons Bern» an und ein «prächtiges Pfarrhaus mit grossem Umschwung». Die Katholiken in Pfäffikon drohen der Haushälterin, die sie suchen: «Für die Übernahme dieser umfangreichen Aufgaben ist es notwendig, im Pfarrhaus zu wohnen.» Ohne Zweifel wird es schön sein.
Eigener Rebberg
«Hallau liegt in schöner, ländlicher Gegend am Fusse der Rebberge.» Die suchen einen Oinologen, keinen Theologen. Noch deutlicher winkt Schaffhausen-Buchthalen mit dem Zapfenzieher: «Wir bieten ein geräumiges Pfarrhaus mit Blick auf den Rhein und den kircheneigenen Rebberg.» Birrwil bietet Seesicht, Grenchen-Bettlach gute Zugverbindungen in alle Richtungen. Diese Gemeinde hat nebst dem Draht zum HErr der HErren auch einen ins Netz der Netze: Weitere Infos über die Gemeinde sind im Internet feil. Andere Kirchgemeinden zählen so viele Ortschaften auf, die zu ihrem Revier gehören, dass man sich über folgenden Hinweis nicht wundern würde: Wir suchen einen Seelsorger, der gerne und sicher Auto fährt. Andere Inserate zielen auf die Feriengelüste der Kirchenleute ab und werben mit der «herrliche Landschaft des Berner Oberlandes» oder mit der Schlagzeile «Kirchgemeinde am Bodensee». Der Kandidat soll ans Surfen denken, nicht ans Schuften. Mögen sie dennoch den/die richtige/n Pfarrer/-in finden.
Vielen Priester- und Pfarrsuchern ist bewusst, welches Minenfeld sie mit einer ausführlichen Stellenausschreibung betreten. Das beginnt schon beim Geschlecht. Die Reformierten lösen das Problem häufig, indem sie nach einem Pfarrerehepaar suchen. Da ist auch das Preis-Leistungs-Verhältnis besser. Ähnlich raffiniert drücken sich einige Gemeinden davor, ihre Erwartungen zu definieren. «Wir nehmen an, dass Ihnen Aufgaben und Pflichten... sowie die Wünsche und Erwartungen einer Kirchgemeinde bestens bekannt sind», meldet Erlach. Birmenstorf-Gebenstorf-Turgi stellt in Aussicht: «Sie selbst setzen Schwerpunkte in Ihrer Arbeit.» So viel Offenheit kann eine Chance sein. Oder eine Falle: Der Typ soll erst mal hier antanzen und loslegen, er wird dann schnell genug merken, was uns nicht passt.
«Wir sind gewöhnlich»
Ach ja, die überraschend, anderen, ungewöhnlichen Inserate. Die gibt es auch. Einige sind so winzig, dass sie Beschützerinstinkte wecken: «Welcher Priester wäre bereit, die Bewohner einer kleinen Bergkaplanei seelsorgerlich zu betreuen?» Fast scheu kommt die Frage. Ossingen ZH versucht es mit einem satirischen Touch. «Für unsere mehr oder weniger in der Kirche anwesenden Gemeindeglieder suchen wir...», heisst es da. Dann stellt sich die Gemeinde vor: «Wir sind nüchterne Realisten und kindliche Träumer zugleich. Wir wissen, dass nicht alles, aber auch nicht nichts erreichbar ist... Wir sind weder ideal noch Idealisten. Wir sind schlicht gewöhnlich.» Ungewöhnlich, dass sie das sagen. Chur wirbt mit Fakten: 13'000 Mitglieder, 6 Pfarrstellen, 17 Katechetinnen und so weiter. Eine Kirchgemeinde erweist sich als schutzbedürftiges Häufchen von Verzagten, denn sie erwartet vom künftigen Pfarrer, dass er «uns auf dem Weg des Glaubens motiviert und stärkt». Und diese Gemeinde will den Geistlichen mit Haut und Haar, denn er soll «Zeit, Leben und Brot» mit seiner Gemeinde teilen. Salopp und zupackend geben sich die Katholiken in Sulgen TG: «Sind Sie Einzelkämpfer? Wir nicht!» Unten im Inserat heisst es BITTE NICHT LESEN!, dann folgt das Kleingedruckte. Wer es doch lese, sei die richtige Person, denn: «Unsere Gemeinde ist genau so aussergewöhnlich wie dieses Inserat.»
Fazit: Wenn die Kirchgemeinden und ihre Profis so sind, wie es in den meisten Inseraten steht, ist keine Hoffnung. Dann suchen die Kirchen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die falschen Leute. Sie engagieren Typen, die in ihr schöngeredetes Kaff ziehen wegen des «grosszügigen Pfarrhauses an ruhiger Lage» und der «üblichen Besoldung». Aber: Zum Glück werden die Kirchenleute nicht wegen der Inserate angestellt, sondern aufgrund persönlicher Kontakte und eines Verhörs, pardon, Gespräches. Das kann so laufen, dass es besser herauskommt, als das Inserat erwarten liess. Vielleicht ist doch noch Hoffnung. Aber das ist eine andere Geschichte.
Walter Brunner
Kästchen
Viele Inserate
Die Stelleninserate, die für diesen Artikel berücksichtigt wurden, sind ungefähr in den letzten beiden Jahren erschienen. Sie stammen aus den folgenden Publikationen: - Schweizerische Kirchenzeitung, katholisch, Luzern. Erscheint wöchentlich in einer Auflage von 3000 Exemplaren. - Reformierte Presse, evangelisch-reformiert, Zürich. Erscheint wöchentlich in einer Auflage von 5000 Exemplaren. - idea Magazin, freikirchlich, Zürich. 20 Ausgaben pro Jahr in einer Auflage von 4500 Exemplaren. Andere kirchliche Publikationen wurden nicht berücksichtigt. Die Inserate sind für diesen Artikel nach Lust und Laune herausgepickt worden.
ENDE
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