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Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste
________________________________________Henno Martin

Dieses Buch ist kein Roman. Es ist ein authentischer Tatsachenbericht und das hebt es über alle Robinsonaden hinaus. Es vermittelt die ganz einfache Faszination der Wirklichkeit, denn alles ist vom Autor selbst erlebt und erlitten.

Im ersten Jahr des Zweiten Weltkriegs setzen sich die beiden jungen deutschen Geologen Henno Martin und Herrmann Korn, die sich auf einer Forschungsreise in Südwestafrika befinden, in die Namib-Wüste ab. Sie wollen sich an der barbarischen Selbstzerfleischung der sogenannten europäischen Kulturnationen nicht beteiligen. Außerdem befürchten sie die Internierung als feindliche Ausländer.

Korn und Martin packen ihre Sachen, den Hund Otto, ein Auto, eine Schrotflinte, eine alte Pistole und ein paar Vorräte, und verschwinden in den Weiten der Wüste. Sorgfältig werden alle Spuren verwischt und den Behörden falsche Fährten gelegt. Von nun an sind die beiden ganz auf sich allein gestellt. Jeder Kontakt mit Menschen, ob Weißer oder Afrikaner, ist eine Gefahr und wird peinlichst vermieden.Sie suchen sich einen Unterschlupf tief in den Schluchten der Gramadullas, wo sie niemand aufspüren kann und leben dort primitiv wie die Buschmänner - als Jäger und Sammler.

Die unerbittliche Wüste und der Kampf ums Überleben zwingen ihnen ihren Rhythmus auf. Hunger und Durst werden zum alles beherrschenden Thema, vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang dreht sich jeder Gedanke um Jagd und Beute, frisches Fleisch, etwas Gemüse und vor allem Wasser. Vorratshaltung ist ein Problem, denn Kühlmöglichkeiten bestehen kaum und die mitgebrachten Konserven sind nicht mehr als eine Notration, mit der äußerst sparsam umgegangen werden muß.

Wenn die Jagd erfolgreich war, feiern sie ein blutiges, archaisches Schlachtfest. Bis zu den Knöcheln in Blut und Fett watend weiden sie einen Bullen aus und dann werden Steaks gebraten, Würste gestopft und auch noch der kleinste Knochen ausgekocht, um kein Gramm Fett zu verlieren. Schon morgen hat die mörderische Sonne vielleicht den letzten fischhaltigen Wasserkolk ausgetrocknet und Mensch und Hund hungern und darben. Der Versuch an versteckter Stelle einige wenige grüne Pflänzchen zu züchten - Tomaten und sogar etwas Tabak - schlägt fehl, es ist einfach nicht genügend Wasser da. Außerdem wäre ein Gemüsegärtchen in der Wüste doch ein allzu auffälliger Hinweis auf die beiden Flüchtlinge.

Doch natürlich gibt es auch Erholungspausen im rauhen Wüstenleben. Wenn die selbstgebauten Vorratsgefäße gefüllt sind, haben die beiden Zeit sich um die Details ihres Daseins zu kümmern. Mit einem mitgebrachten Generator und einem Radio halten sie sich über die Entwicklungen auf den Kriegsschauplätzen auf dem Laufenden. Denn eines ist ihnen beiden klar. Um "hart an der Grenze wilder, gestaltloser Roheit" auch geistig gesund zu bleiben, dürfen die feiner entwickelten Gefühle und der Verstand nicht vernachlässigt werden. Zu groß ist die Gefahr, in der Einsamkeit und Brutalität dem Wahnsinn zu verfallen.

Am Weihnachtstag backen Korn und Martin aus den Resten von Haferflocken, Kakao, Schokolade, Mehl und Zucker ein paar Kekse und brauen aus Erdbeermarmelade - Not macht erfinderisch - eine Festtagsbowle. Abends holt Hermann Korn seine Geige hervor und dann begleiten einsame Lieder den stimmungsvollen Sonnenuntergang. Das sind Bilder die mit exotischer Wüstenromantik nichts zu tun haben . Das Leben am Rande der Existenzmöglichkeit hat keinen Platz für Sentimentalitäten. Deshalb werden ihre Mitbewohner, eine possierliche Mäusefamilie, erbarmungslos erschlagen, als sie sich an den kargen Vorräten zu schaffen machen.

Die extreme Spannung zwischen Leben und Tod liefert den beiden Forschern reichlich Stoff zum Nachdenken und verhilft ihnen zu tiefen Einsichten in den Urgrund der Natur und der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Spezies, die auch für den naturwissenschaftlichen Laien interessant zu lesen sind.

Nach mehr als zwei Jahren beendet eine lebensgefährliche Krankheit Herrmann Korns das Wüstenabenteuer. Er verkraftet den ständigen Vitaminmangel nicht mehr. Henno Martin bringt den kranken Freund in ein Krankenhaus und wird zwei Tage später von der Polizei abgeholt. Rasselnd schließen sich die Tore des Gefängnisses in Windhoek hinter den beiden. Die Zivilisation hat sie wieder.

Herrmann Korn kam 1950 bei einem Autounfall ums Leben. Henno Martin wurde nach dem Krieg Ordinarius für Geologie an der Universität Göttingen und ist - so berichtet der Klappentext - durch zahlreiche Fachpublikationen weltbekannt geworden.

© G!G 01.03.98 Lese!zeichen


Henno Martin: Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste
Abera Verlag, Hamburg 1996,
350 Seiten, 49,90 DM


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