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Fermats letzter Satz
_____________________________________Simon Singh

Dieses Buch erzählt die Geschichte einer Obsession, die die Mathematiker seit 358 Jahren umtreibt. Die berühmtesten sind an der Lösung verzweifelt, manche haben es garnicht erst versucht. Dabei ist das Problem so einfach, daß es ein Zehnjähriger versteht. Es basiert auf dem Satz des Phytagoras, den jedes Kind in der Schule auswendig gelernt hat. Pierre de Fermat hatte um 1635 behauptet, es gebe für die Gleichung xn + yn = zn keine ganzen Zahlen, die die Gleichung erfüllen, wenn n größer als 2 ist. Auf den Rand seiner Mathematica kritzelte er: "Ich habe dafür einen wahrhaft wunderbaren Beweis gefunden, doch leider ist der Platz hier zu klein um ihn zu fassen".

Pierre de Fermat war eigentlich Jurist und betrieb die Mathematik nur als Hobby. Das aber so genial, daß ihm der Beweis zuzutrauen gewesen wäre. Doch außer der "berühmtesten Randbemerkung der Mathematik" gibt es keine weiteren Hinweise aus Fermats Feder. Versucht haben es Tausende, verführt von der trügerischen Einfachheit, vor allem nachdem der Industrielle Paul Wolfskehl, den ein vermuteter neuer Lösungsansatz sogar vor dem Selbstmord gerettet hat, im Jahre 1908 einen Preis von 70.000 Goldmark für die Lösung ausgesetzt hat. Der Kasseler Mathematikprofessor Klaus Barner sieht in den gesammelten Beweisversuchen "faszinierendes Untersuchungsmaterial für einen mathematisch interessierten Psychiater." Aber nicht nur Laien haben sich von dem Trugschluß, einfache Probleme hätten auch einfache Lösungen, täuschen lassen. Selbst so große und bedeutende Köpfe wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Carl Friedrich Gauß und Bertrand Russel sind daran gescheitert. Viele hielten die Lösung für genauso unmöglich wie die Quadratur des Kreises und so wurde der wahrhaft wunderbare Beweis langsam aber sicher zum Gespenst der Mathematik.

Soweit die erste Geschichte, die dieses Buch erzählt. Die zweite ist die des kleinen Andrew Wiles, der als Kind zum ersten Mal mit der härtesten Nuß der Mathematik in Berührung kam und wie viele andere vor ihm überzeugt war es müsse eine Lösung geben.. Gefunden hat er sie allerdings auch nicht und so wandte er sich zunächst anderen Forschungsgebieten, den elliptischen Gleichungen, zu.

Bis 1986 der deutsche Mathematiker Gerhard Frey behauptete, wenn es gelingen sollte eine Vermutung zu beweisen, die schon 1954 die beiden Japaner Taniyama und Shimura für elliptische Gleichungen aufgestellt hatten, wäre damit als Nebeneffekt auch der Fermatsche Satz bewiesen, den man in eine solche umformen kann. Jetzt wurde die Faszination des Andrew Wiles zur Besessenheit, der Angriffspunkt war gefunden, elliptische Gleichungen waren sein Spezialgebiet. Er stoppte alle anderen Forschungsprojekte und igelte sich bewaffnet mit Papier und Bleistift in einer Dachkammer ein. Sieben Jahre lang, denn auch der Beweis der Taniyama-Shimura-Vermutung war ein immens schwieriges Problem. Er studierte die neuesten Rechenverfahren aus sämtlichen Gebieten der Mathematik, prüfte sie auf Brauchbarkeit, paßte sie seinen Bedürfnissen an und erfand neue, wenn das nicht reichte. Bis er 1995 in Oxford den überraschten Fachkollegen die Lösung mit der lapidaren Bemerkung präsentierte: "Ich denke das dürfte genügen".

"Der Heureka-Schrei für ein uraltes Mathematikrätsel", jubelte die New York Times auf der Titelseite und mit einem Schlag war Andrew Wiles der bekannteste lebende Mathematiker der Welt. Der 250-seitige Beweis ist so überaus kompliziert, daß nur eine Handvoll Leute ihn in allen Einzelheiten nachvollziehen kann. Einer davon ist der Amerikaner Nick Katz und ihm genügte er nicht. Wiles hatte eine winzige Kleinigkeit übersehen, die aber so bedeutsam wurde, daß sie das mühevoll erbaute Haus zum Einsturz brachte. Wieder einmal lag der Beweis der Fermatschen Vermutung in Fetzen.

Aber Wiles gab nicht auf, der Beweis mußte gelingen.Geschlagen aber nicht besiegt zog er sich in seine Klausur zurück und begann - unter einem enormen öffentlichen Druck - die Lücke in seiner Argumentation zu schließen. Das gelang ihm nicht nach einer Woche, auch nicht nach einem Monat, aber nach einem Jahr konzentrierter Arbeit war der Beweis hieb- und stichfest. Und nicht nur das. Er war sogar noch einfacher und eleganter geworden. Am 27. Juni 1997 erhielt der 44jährige Andrew Wiles als der Mann, der das Unmögliche geschafft hat, in Göttingen den Paul-Wolfskehl-Preis für seine Arbeit.

Spannend und lehrreich erzählt der Autor Simon Singh, der auch an einem preisgekrönten Dokumentarfilm über dieses Thema mitgearbeitet hat, in diesem Buch die jahrhundertealte Geschichte des Fermatschen Theorems und seines Beweises. Nicht zu kompliziert - einige einfachere klassische Beweisverfahren finden sich für den interessierten Leser im Anhang - aber auch nicht zu sehr vereinfachend, macht Singh die Faszination der Mathematik als Geisteswissenschaft spürbar. Schon nach wenigen Seiten springt der Funke über und man fragt sich, warum der eigene Mathe-Lehrer diese Begeisterung nicht vermitteln konnte.

Eines aber weiß man immer noch nicht. Welchen Beweis hatte Fermat, der ja von der Taniyama-Shimura-Vermutung nichts wissen konnte, im Kopf? Gibt es wirklich einen Beweis mit den mathemathischen Mitteln des siebzehnten Jahrhunderts? Die Suche geht weiter.

© G!G 01.05.98 Lese!zeichen


Simon Singh: Fermats letzter Satz
Hanser Verlag, Hamburg 1996,
350 Seiten, 49,90 DM


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