01.Apr 03

"Kleine Zeitung" Kommentar:

"Es ist die blanke Willkür, die das Streichorchester dirigiert."(von Hubert Patterer)

 

Utl.: Ausgabe vom 2.4.2003

Graz (OTS) - Der Unterrichtsministerin galoppieren die Personalkosten davon. Um sie einzufangen, wählte Elisabeth Gehrer den Schleichweg der Stundenkürzung. Dabei sind ihr pfiffige PR- Schlaumeier von der Kosmetikabteilung zu Hilfe geeilt und haben den Schmäh mit der "Entlastung der Schüler" erfunden.

Entlastet wird das Budget. Das Ministerium spart sich mit der Holzungsaktion 117 Millionen Euro im Jahr. Hier werden also listig Motive verschleiert und künstlich veredelt.

Dasselbe gilt für die Lehrergewerkschaft, seit jeher eine reputative Bedrohung für den Berufsstand. Wer ihren Abwehrreflexen zuhört, könnte meinen, das Abendland sei in Gefahr. In Wahrheit geht es der Gewerkschaft nicht um das Gut profunder Bildung &endash; das wäre als Primäranliegen eher neu &endash; sondern um die Absicherung des Lehrpersonals. Das ist das gute Recht von Gewerkschaftern, nur wäre es an der Zeit, das Humboldtsche Tarn-Mäntelchen an der Gardarobe abzugeben. Es wirkt so glaubwürdig wie die Schülerbefreiungs- Attitüde des Ministeriums.

Was die Rodung betrifft, so lässt sich weder eine Systematik noch irgendein bildungspolitisches Konzept ausmachen. Willkür dirigiert dieses Streichorchester. Auch den Feitel den Schulen zu überlassen, ist ein zynisches Offert. Wer die Fächer-Egoismen kennt, kann sich die Grabenkämpfe ausmalen, die in den Konferenzzimmern toben werden.

Jede einzelne Kürzung für sich ist eine Gratis-Einladung zur Polemik. Man kürzt Deutsch, obgleich immer mehr Personalmanager über die Probleme junger Menschen klagen, sich zu artikulieren. Man schnipselt an den Fremdsprachen, obwohl jeder beteuert, wie elementar sie für das Berufsleben geworden seien. Man rasiert Fächer wie Zeichnen und Musik, obwohl die Unterrichtsministerin immer wieder verkündet, wie wichtig diese "weichen Begabungen" seien.

Es ist die Karikatur einer Schuldebatte, die abläuft. Über die Kernfragen redet niemand: Was soll künftig wie gelehrt werden? Ist das Halbtagesmodell von Schule noch zeitgemäß? Wo bleiben die "Neuen Medien", wo der fächerübergreifende Unterricht zur Vernetzung von Wissen? Wer holt die "Wirtschaftskunde" aus dem Hinterstüberl der Geografie heraus? Und: Wo bleiben die Anreize für die vielen guten Lehrer, wo die Interventionsmöglichkeiten für die pädagogisch Ungeeigneten, Fortbildungsunwilligen?

Ach ja, eine "Zukunftskommission" soll diese Fragen klären. Zuerst schlägert man, und dann lässt man nachdenken, welche Bäume man braucht: Bildungspolitik in Österreich. ****

 

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