1. Wirkung
In der Psychiatrie lassen sich zwei Guppen von Wirkungen der Neuroleptika unterscheiden: Schnell wirken Neuroleptika beruhigend, angstlösend und schlafanstossend. Werden Neuroleptika über einen längeren Zeitraum (Tage bis Wochen) gegeben, entfaltet sich eine gezielte Wirkung gegen psychotische Symptome wie Wahn, Halluzinationen, Denk- und Gefühlsstörungen.
Während die schnellen Wirkungen wohl eine direkte Folge der Neuroleptika sind, lassen sich die später einsetzenden Wirkungen eher durch eine Verschiebung der Gleichgewichtszustände der verschiedenen Botenstoffsysteme im Gehirn erklären. Die letzendliche Wirkungsweise der Neuroleptika ist nicht geklärt, man nimmt allgemein an, daß sie mit der mit einer Verminderung der Aktivität derjenigen Nervenzellen zusammenhängt, die den Botenstoff Dopamin verwenden.
Man unterscheidet die Neuroleptika anhand ihrer "antipsychotischen Potenz", d.h. Mittel, die eher beruhigend und schlafanstossend wirken werden "niederpotent" und mehr antipsychotisch wirkende Mittel werden "hochpotent" genannt. Ein typisches "hochpotentes" Mittel ist z.B. Haldol®, ein typisches "niederpotentes" Eunerpan®.
2. Wichtige Risiken und Nebenwirkungen
Insgesamt sind Neuroleptika relativ gut verträgliche Medikamente, die zwar eine Reihe von unangenehmen, aber kaum wirklich gefährliche, d.h. lebensbedrohliche Nebenwikungen haben; eine Ausnahme stellt hier z.B. das Leponex® dar, das in einem deutlich höheren (aber immer noch kleinen) Prozentsatz als andere Neuroleptika zu schweren Störungen des Blutbildes führen kann und bei dessen Verwendung daher regelmäßige Blutbildkontrollen durchgeführt werden müssen.
Die häufigsten Nebenwirkungen der Neuroleptika betreffen die Beweglichkeit des Patienten. Schon in den ersten Behandlungstagen können Reizerscheinungen wie Zungen- oder Blickkrämpfe auftreten, die sich jedoch prompt durch die Gabe von bestimmten Arzneimitteln (wie Akineton®) unterbrechen lassen. Nach Wochen der Behandlung kann sich eine verminderte Beweglichkeit ausprägen, die einem Parkinsonsyndrom ähnelt. Sollte so ein Zustand auftreten, muß man, wenn er sich auf die Gabe von Mitteln wie Akineton® nicht ausreichend bessert, evtl. die Dosis reduzieren oder ein anderes Neuroleptikum wählen. Auch kann eine körperliche Unruhe auftreten, der man am besten mit einer Dosisreduktion oder der Gabe von Betarezeptorenblockern wie Dociton® begegnet. All diese Nebenwirkungen verschwinden wieder, wenn das Medikament ausreichend vermindert oder abgesetzt werden kann. Es können jedoch nach langer Einnahme von Neuroleptika auch Spätdsykinesien (d.h. späte Bewegungsstörungen auftreten), die sich z.B. in unwillkürlichen Bewegungen von Mund, Zunge oder Extremitäten äußern können. Diese können über längere Zeit, manchmal auch auf Dauer bestehen bleiben. Sollten solche Störungen auftreten, wird ein vorsichtiges (aber nicht abruptes) Absetzen des Neuroleptikums empfohlen.
Auch psychische Nebenwirkungen können auftreten; dazu zählen Müdigkeit, Antriebsmangel, Einengung der Gefühle und des Denkens und Mißlaunigkeit. Eine Abgrenzung zu den Symptomen der behandelten Krankheit kann schwerfallen, manchmal wird wohl auch den Neuroleptika zu schnell die "Schuld" für ungewünschte psychische Zustände gegeben. Gleichwohl muß man diese Nebenwirkungen schnell erkennen und z.B., wenn möglich, mit einer Verminderung der Dosis oder einem Wechsel des Medikamentes reagieren. Dies ist um so wichtiger da die Betroffenen unter diesen "von außen" häufig nur schwer beurteilbaren Nebenwirkungen subjektiv deutlich leiden können. Geht man nicht ausreichend auf sie ein, fühlen sie sich (zu Recht) im Stich gelassen und setzen die für sie wichtigen Medikamente vielleicht ganz ab. Neuroleptika verschlechtern die Reaktionsfähigkeit und damit z.B. die Fähigkeit, Auto zu fahren.
Extrem selten kann eine lebensgefährliche Komplikation, das sogenannte "maligne neuroleptische Syndrom" auftreten. Es ist gekennzeichnet durch Fieber, Bewußtseinsstörungen, Muskelstarre und Veränderungen der Körperregulation und des Stoffwechsels. Andere mögliche Nebenwirkungen wie Verstopfung, Speichelfluß (oder auch Mundtrockenheit), Blutdrucksenkung, Blasenentleerungsstörungen, Milchfluß ,Allergien und die seltenen Blutbildstörungen möchte ich nur streifen.
3. Diskussion
Eine neuroleptische Behandlung hat, wie jede Therapie mit einem wirksamen Arzneimittel, das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen. Bei schweren Krankheitsbildern muß häufig ein gewisses Maß an unerwünschten Wirkungen zumindestens während der akuten Phase in Kauf genommen werden. Aber auch das unterscheidet die Neuroleptika nicht von anderen Medikamenten. Ganz wichtig ist, daß man die Betroffenen über die möglichen Nebenwirkungen aufklärt und mit ihnen zusammen versucht, eine optimale Wirkung bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu finden. Neuroleptika können wohl z.B. Müdigkeit oder Interessenverlust hervorrufen, aber nicht die Persönlichkeit bleibend verändern. Sie rufen keine Abhängigkeit hervor. Die Entdeckung der Neuroleptika im Jahre 1952 führte dazu, daß erstmals Mittel mit einer gezielten antipsychotischen Wirkung zur Verfügung standen. Durch sie können viele Menschen, die ansonsten über kurz oder lang aus der Gesellschaft "herrausfielen" wieder ein "normales" Leben führen. Bei der Diskussion um die Verwendung von Neuroleptika muß auch beachtet werden, daß z.B. die Schizophrenie eine Erkrankung ist, die mit einer Sterblichkeit von 5-10% (durch Selbsttötung), eine ernsthafte Gefährdung für das Leben mit sich bringt und daher unbedingt behandelt gehört. Gerade aber in der Behandlung der Schizophrenie sind Neuroleptika unersetzlich.
Außer dem falschen Ruf der Neuroleptika belasten 2 Probleme den Umgang mit diesen Mitteln. Erstens können, wie oben erwähnt, schon in der ersten Zeit der Behandlung unangenehme, wenn auch zumeist nicht gefährliche Nebenwirkungen auftreten. Diese können besonders bei nicht genügend aufgeklärten und/oder nicht einsichtsfähigen Patienten zu Angst und einer Ablehnung der Medikamente führen, so daß sie die Mittel wieder absetzen. Zum anderen können nach jahre- bis jahrzehntelangen Gebrauch späte Bewegungsstörungen auftreten, die evtl. einer Therapie nicht ausreichend zugänglich sind (auch hier ist übrigens das eingangs gescholtene Leponex® eine Ausnahme; unter diesem Medikament treten praktisch keine Spätdyskinesien auf). Eine Langzeitbehandlung mit Neuroleptika muß daher gut überlegt werden. Für die heute empfohlene vorbeugende Behandlung über mehrere Jahre nach einer schizophrenen Episode spricht, daß diese das ansonsten hohe Rückfallrisiko mit allen seinen Konsiquenzen ganz entscheidend verringern kann.
In den letzten Jahren kamen einige neue Neuroleptika wie Risperdal® und Zyprexa® auf den Markt, die anscheinend eine gute Wirkung mit geringeren Nebenwirkungen, besonders auch einen geringerem Risiko von späten Bewegungsstörungen, verbinden. Die Nachteile dieser Mittel liegen darin, daß sie bei schweren akuten Krankheitsbildern aus meiner Sicht nicht stark genug sind und sie sehr teuer sind. Über kurz oder lang wird der Preis jedoch mit dem Erscheinen weiterer Konkurenzpräperate sinken.
Insgesamt betrachtet sind Neuroleptika wirksame Medikamente, für die es in vielen Bereichen keine Alternative gibt. Sie müßen jedoch verantwortungsbewußt angewendet werden. Die Betroffenen müßen über ihre Nebenwirkungen aufgeklärt werden und der behandelnde Arzt muß auf das Auftreten von Nebenwirkungen reagieren und mit dem Patienten zusammen einen Weg der geringsten Nachteile mit größtmöglicher Wirkung suchen.