Die im Dunkeln sieht man nicht

Eindrücke von einer Reise nach Washington D.C.

 

 

Der Tag

Washington, während des kalten Kriegs selbsternannte Hauptstadt der freien Welt und heute Regierungssitz der einzigen übriggebliebenen Supermacht, das assozieren Europäer wohl mit diesem Namen. Und wirlcklich mag es dem Touristen, der in seinem klimatisierten Bus von einer Sehenswürdigkeit zur anderen gebracht wird ("Sehen sie jetzt alle bitte nach links...") so scheinen als wäre Washington eine Stadt voller Prachtstraßen, grüner Parks und Denkmäler.
Diese Dinge gibt es auch alle wirklich; die Stadt ist in gewissem Sinne ein Spiegelbild der amerikanischen Geschichte. So finden wir hier den Platz auf dem Martin Luther King seine berühmte Rede " I have a dream" hielt, das National Space and Aviation Museum lässt uns über die technischen Forschritte der Menschheit stoßen und im J. Edgar Hoover Building können wir dem F.B.I. Hauptquatier einen Besuch abstatten. Wenn man Glück hat, geht sich sogar ein Absteher zum Hotel Watergate aus. Überhaupt quillt Washington von Museen und Galerien förmlich über. Und natürlich müssen auch die Heldendenkmäler für die Gefallenen des Vietanm und Koreakrieges erwähnt werden - vom weißen Haus ganz zu schweigen.

Die Nacht

Die Abende wird man aber großteils im Hotel verbringen - und das mit gutem Grund. Am späten Nachmittag fahren die "anständigen" Bürger der Stadt zurück zu ihren Häusern in die Suburbs (Vorstädte) und die Innenstadt verweist. Fährt man gegen Abend mit dem Auto durch die Straßen so könnte man fast glauben eine Geisterstadt vor sich zu haben. Und noch in Sichtweite des hell erleuchteten Capitols beginnen die Slums, in denen die arme Bevölkerung, vornehmlich Schwarze, haust. Unser Busfahrer hat mich und meinen Bruder mitgenommen um uns diese andere Seite Washingtons zu zeigen. Wir fahren an einer Tankstelle vorbei, die einer Festung gleicht. Am Tag kann man hier ganz normal einkaufen, sagt der Busfahrer, aber in der Nacht schließt sich der Verkäufer ein und bedient seine Kunden nur durch ein kleines vergitterbares Fenster.
Auch der Rassenkonflikt wird in dieser Stadt sichtbar. Schwarze und Latinos seien stark benachteiligt erzählt unser Chauffeur, Weiße und Asiaten, die als arbeitsam gelten, würden bevorzugt. Jederzeit könnte es zu Ausschreitungen kommen, befürchtet er. Und tatsächlich steht in der nächsten Seitengasse auch schon ein Rettungswagen mit heulender Sirene und Blaulicht. Warum wissen wir nicht, eine Bandenschlägerei oder ein Mord seien aber durchaus nicht ausgeschloßen; immerhin hat Washingtion D.C. die höchste Mordrate in den USA. Und die USA ist übrigens auch das Land, das prozentuell die meisten seiner Bürger ins Gefängnis steckt. Rund 10% der Bevölkerung verbüßt zur Zeit eine Haftstrafe in den völlig überfüllten Bundesgefängnissen, wieder sind Schwarze überproporzional vertreten. Rehabilitation ist bei diesen Zuständen so gut wie gar nicht nötig.

Vom Chauffeur zum Millionär

Wir sind bei unserem Ziel, der Buswaschanlage, angekommen und ich erlebe amerikanischen Kapitalismus in Reinkultur. Asis, so heißt unser Busfahrer, drückt den Mechanikern eine fünf Dollar Note in die Hand - als Ansporn meint er. So ist das eben in Amerika. Er selbst kommt aus Ägypten und will in nächster Zeit nicht zurück in seine Heimat. Er hat sich hochgearbeitet und dies ist seine letzte Fahrt. Mit dem Geld, daß er verdient hat, hat er 2 Schrottplätze gekauft und verdient jetzt mehr als sein Bruder zu Hause - und der ist Richter! Auch das ist eben Amerika.

Alt werden in Amerika

Alt werden möcht er aber hier nicht - da stimmt er mir zu. Das beste Beispiel dafür ist unsere Reiseleiterin. Sie ist über 70 und muß noch immer arbeiten, da sie von ihrer kärglichen Rente nicht leben kann. Dementsprechend verbittert ist sie auch - sie schimpft öfters über die Schwarzen, die ja nur zu faul zum Arbeiten sind. In den USA muß man selbst für seine Rente sorgen. Daraus hat sich eine gigantische Industrie entwickelt; so verwaltet der Pensionsfon der kalifornischen Beamten (CALPERS) 1425 Milliarden Schilling und der Pensionsfond der Schul, College und Universitätsbediensteten verfügt sogar über 2437 Milliarden. Wer es sich nicht leisten kann ordentlich einzuzahlen, bleibt auf der Strecke

Stadt im Sumpf

Nach einer Stunde ist der Bus aufgetankt und gesäubert und wir sind wieder zurück in unserem Hotel. Am nächsten Morgen erwartet uns wieder das glänzende Washington der Touristen, nur sehr schwül ist es geworden, was daran liegt das die Stadt auf Sumpfland gebaut ist. Zurück bleibt der Eindruck, daß auch die in Marmor gemeisselten Ideale von Freiheit, Gleicheit und Brüderlichkeit im Sumpf versunken sind - zumindest bei Nacht.

 


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