MÜNCHEN, im Mai. Seitdem das Reich der Mitte sich zaghaft den westlichen Unternehmen öffnet, kämpfen seine Bewohner mit der rechten Übersetzung der Firmennamen. Denn die Worte der „Langnasen" sind für chinesische Zungen unaussprechlich und für die Ohren nur ein unverständlicher Singsang. Vor allem aber muss ein Sinn her. Beim Spagat zwischen Bedeutung und Laut ist Kreativität gefragt, ein Bezug zum ursprünglichen Namen soll möglichst erhalten bleiben.
Man kann wetten, dass von den achtzig Millionen Deutschen wahrscheinlich nicht einmal achttausend wissen, wie BMW auf Chinesisch heißt. Der chinesische Name für BMW liest sich als bao-ma (Schatz-Pferd), ein Edelross also. Weil dabei das dritte Initial W nicht weiter auffällt, ist diese Lösung nicht ganz so raffiniert wie das Umtaufen von Coca-Cola zu Ke-kou-ke-le (geeignet für Mund, geeignet für Freude);
frei eingedeutscht ergibt das einen schmackhaften Freuden-Trunk. Doch zurück zum Edelross. Vor allem die Südchinesen schätzen es noch mehr als den Ben-chi aus dem Schwäbischen, der ein Galopp-Ding für Rennen ist. Opel wandelt sich zu Ou-bao, dem Schatz aus Europa. Deutlich weniger edel erscheint die rein sinngemäße Übersetzung Da-zhong (Groß-Volk) und ihre tai-wan-chinesische Variante Guang-zhong (Breit-Volk) alias Volkswagen.
Das Umtaufen bleibt den meisten japanischen Autoproduzenten erspart, weil die ursprünglichen Namen mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben sind. Da kann man die Namen direkt ins Chinesische zurückführen. Toyota ist Feng-tian (erntenreiches Feld), Honda Beng-tian (Baum-Feld), Nissan Ri-chan (produziert in Japan). Maz-da, ein ursprünglich persischer Name, muss dagegen ins Chinesische integriert werden wie die Namen aus Deutschland. Er transformiert sich zu Ma-zi-da, ein Pferd, das selbst ankommt.
Während man in der Autobranche eine gewisse Assoziation zur Geschwindigkeit aufrechtzuerhalten sucht, bemüht man sich bei Versicherungen, den Kunden ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Da verwandelt sich die Allianz ohne große Anstrengung zu An-lian (Sicherheit-Allianz). Eine größere Metamorphose hat eine andere Versicherung aus dem deutschsprachigen Raum erlebt: Feng-tai verspricht die Schweizer Winterthur, Reichtum und Frieden. Zumindest bei den Namen haben sich diese Unternehmen aus der sinozentri-schen Sicht globalisiert. Da erkennt man nicht mehr, worin sich Fengtai und An-lian von ihren chinesischen Schwesterchen Ping-an (Frieden und Sicherheit) oder Ren-bao (Volks-Garantie) unterscheiden.
Sowohl das Geschäft als auch einen klangvollen Namen hat der Rolltreppen-und Liftproduzent Schindler auf dem chinesischen Markt etablieren können. Trotz der Konkurrenz von Sanling (drei Wassernüsse, entsprechend dem japanischen Mitsubishi) sind viele Lifte und Rolltreppen von Schindler bei ihren Kunden schnell angekommen: Xun-da (Schnell-Ankunft) ist die passende Verheißung.
Bekannt ist Siemens bei den Chinesen fast nur unter dem Namen Xi-men-zi. Eine Mitarbeiterin des Siemens Customer Service Center hat eine Interpretation dieser drei Morpheme (die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten in der Sprache) ersonnen: West-Tor-Sohn, der Sohn aus dem Westen. Mit fast fünf Milliarden DM in China ist Siemens vom Umsatz her zweifellos ein erfolgreicher Adoptivsohn aus dem
Einen beeindruckenden Namen hat sich auch die deutsche Marke Triumph zugelegt, die in ChinaTäsnter-fntwgrifffür feine Damenunterwäsche ist. Dai-an-fen gibWea, Produkten einen Anstrich der Weiblichkeit und des Wohlgeruchs: Dai heißt in einem ein wenig altmodischen chinesisch-deutschen Wörterbuch „grünschwarze Pigmentfarbe zum Nachziehen der Augenbrauen in den alten Zeiten". An ist - wie bei den Versicherern - Sicherheit. Fen bezeichnet einen frischen Duft aus der Pflanzenwelt. Die Assoziation zu Diana (na steht für graziös) ist den Marketing-Leuten von Triumph sicher willkommen.
So geht es munter weiter: Ericsson wird zu Ai-li-xin (Liebe-aufstellen-BriefiVertrau-en), Nokia zu Nuo-ji-ya (ein Versprechen, das auf Asien basiert), Dow Jones gar zu Dao-qun (Tao/Weg-Jadc), wobei die Jade in China traditionell noch mehr als das Gold geschätzt wird. Citroen mutiert zu Xue-tie-long (Schnee-Eisen-Drache), Ford zu Fu-te, ein spezielles Glück. Compaq wird Kang-bo (Gesund-Zypresse), Malbo-ro heißt Wan-bao-tu, der Weg der zehntausend Schätze.
Klingt Ou-bo-mai-ya nicht ein bisserl bayrisch? Tatsächlich hat Obermayer, ein mittelständisches Ingenieurunternehmen aus München, den großen Schritt nach Asien schon getan. Man kann es daher auch so sehen: Oii steht für Europa, bo für umfassend oder vielleicht auch für gebildet, mal für Schreiten und ya für Asien. Gedacht ist wohl der Satz „Europa schreitet mit umfassendem Know-how nach Asien".
Neben der Verbindung der Laut- und Bedeutungsseite besteht auch die Möglichkeit der rein lautlichen und der inhaltlichen Übersetzung. Nach der Bedeutung verwandelt sich Microsoft zu Wei-ruan (winzigweich). Allerdings ist diese Art von Übersetzung nicht leicht, wenn der Name eines ausländischen Unternehmens in China nicht eine Konstruktion aus zwei oder drei Morphemen ist. In der modernen chinesischen Sprache sind populäre Begriffe und Namen meistens aus zwei Morphemen (in der gesprochenen chinesischen Sprache sind das gleichzeitig zwei Silben und in der geschriebenen Sprache zwei Schriftzeichen) oder auch aus drei Morphemen. Viersilbige Wörter sind selten und unbeliebt. Daher ist es mit zu empfehlen, Namen wie Mo-tuo-luo-la (reiben-beauftragen-sam-meln-ziehen) oder A-di-da-si (mein Aufklären, das kommt an) zu nehmen, selbst wenn man Mötorola oder Adidas heißt.
Im Namen eines Unternehmens oder eines Produkts soll am Ende der Sachverhalt und nicht die wörtliche Bedeutung des Ausgangswortes widergespiegelt werden. Offensichtlich wollen die IT-Chinesen in einem Hacker nicht eine Person sehen, die mit dem Beil herumfuchtelt. So stehen dafür das Wort Hei-ke (Schwarz-Gast), aber auch Hai-ke (Schaden-Gast), Entsprechend verwandelt sich das amerikanische Cracker in das chinesische Guai-ke (SeItsam-Gast). Den Pentium lässt man als Ben-Teng galoppieren oder springen.
Auf eine erfolgreiche Namensgebung kann man in China - wenn man nicht die einheimischen Biere nehmen will - mit lia-shi-bo (vornehmer gelehrter Onkel), Bai-wie (Hundert-Stärke) oder Shu-bo-er (Du gemütliche Welle) anstoßen. Falls diese Namen für Europäer echte Zungenbrecher sind, können sie in den besseren Bars auch Carlsberg, Budweiser oder das japanische Super Dry bestellen.
Der Autor ist Sprachwissenschaftler und freiberuflicher Uebersetzer in Muenchen.