Marx, Karl Heinrich, Philosoph und Nationalökonom, mit F. Engels der Begründer des Marxismus, *Trier 5.5.1818, +London 14.3.1883, Sohn des späteren Justizrats Heinrich M., der 1824 mit seiner Familie vom Judentum zum Protestantismus übertrat.
Leben und Werk. 1835 bis 1841 studierte M. in Bonn und Berlin Rechtswissenschaft, später vorwiegend Philosophie. In Berlin durch den "Doktorclub" (A. RUGE, F. Köppen, BRUNO und EDGAR BAUER u.a.) mit der Hegelschen Philosophie bekannt gemacht, promovierte er 1841 mit einer Arbeit über "Die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie" in Jena (in absentia). Das Schicksal seines Freundes B. Bauer, dem von der preuß. Kultusverwaltung die"venia legendi" entzogen wurde, machte M. klar daß er auf dt. Lehrstühle keine Aussicht haben würde. M. wurde Mitarbeiter, später Chefredakteur der linksliberalen "Rheinischen Zeitung", die er zu einem führenden Oppositionsblatt machte. Nach dem Verbot der Zeitung ging er im Herbst 1843 nach Paris, um mit Ruge zusammen die "Deutsch-Französischen Jahrbücher" herauszugeben. Zuvor hatte er seine Jugendfreundin JENNY VON WESTPHALEN (+London Dez. 1881) geheiratet. In Paris lernte er die neuesten Richtungen der sozialist. Arbeiterbewegung kennen und vollzog in seinen Beiträgen zu den Jahrbüchern den Schritt zum entschieden revolutionären Sozialismus. 1845 begründete ein Treffen mit F. ENGELS in Paris die lebenslängliche Zusammenarbeit und Freundschaft der beiden.
Von der französ. Regierung ausgewiesen, begab sich M. 1845 nach Brüssel, wo er zusammen mit Engels die beiden Streitschriften "Die Heilige Familie" (eine Auseinandersetzung mit den "kritischen Kritikern", den Linkshegelianern B. Bauer u. a.) und "Die deutsche Ideologie" (gegen A. FEUERRACH, M. STIRNER und abermals Bauer) verfaßte. Beide Polemiken wurden aber erst aus dem Nachlaß veröffentlicht. 1847 schrieb er im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten (zuvor Bund der Gerechten) das Kommunistische Manifest, das Anfang 1848 erschien. Es enthält eine radikale Kritik der bürgerlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und einen Aufruf zum Klassenkampf an das internationale Proletariat. Im Revolutionsjahr 1848 wurde M. wegen seiner Stellung im ZK des Bundes der Kommunisten zunächst verhaftet, dann aus Belgien ausgewiesen. Von der französ. Revolutionsregierung nach Paris eingeladen, reiste M. über Paris nach Dtl. Dort übernahm er in Köln die Herausgabe der radikaldemokrat. "Neuen Rheinischen Zeitung", die für eine einheitliche Republik und einen Krieg der dt. Demokraten gegen das reaktionäre Rußland eintrat. Nach dem Scheitern der Revolution aus Preußen ausgewiesen, wählte M. London zum Wohnsitz. Er lebte von journalist. Arbeiten (u. a. für amerikan., engl., österreich., dt. Zeitungen) und Unterstützungen seines Freundes Engels.
Bis 1848 hatte sich M. in seinen Schriften von seiner hegelian. Vergangenheit entfernt, eine eigene Theorie der Gesellschaft und Geschichte entwickelt und im Sinne eines neuen Humanismus die proletar. Revolution als Mittel für die Verwirklichung einer menschl. Gesellschaft zu rechtfertigen gesucht. Seither konzentrierte er sich auf die soziologische Interpretation der Geschichte und die Erarbeitung der ökonom. Gesetze der Entwicklung von Gesellschaften. Es entstand sein Lebenswerk, die "Kritik der politischen Ökonomie", für das er in den fünfziger Jahren umfangreiche (erst 1938 aus dem Nachlaß publizierte) Entwürfe schrieb.
1859 erschien eine erste Fassung des ersten Teils seiner Kritik im Druck ("Zur Kritik der polit. Ökonomie"), 1867 der erste Band unter dem endgültigen Titel "Das Kapital". In diesem Werk begründete M. seine Auffassung, daß die ökonom. Lehre Hauptinhalt der Wissenschaft sei. Die von ihm früher skizzierte Mehrwertlehre machte er zum Kernstück seiner Theorie des Kapitalismus. Die bereits im Kommunist. Manifest angelegte Krisenlehre begründete er tiefer. Auf der Grundlage einer für seine Zeit neuen Kreislauftheorie sagte er den notwendigen Zusammenbruch des Kapitalismus voraus. Die übrigen Teile seines Werkes veröffentlichte Engels aus dem Nachlaß (1885, 1894).
1864 wurde unter führender Mitwirkung von M. die Internationale Arbeiterassoziation gegründet, die alle Arbeiterbewegungen ohne Rücksicht auf ihre ideologische Orientierung zusammenfassen sollte. Heftige Kämpfe zwischen anarchistischen Gruppen (Proudhonisten, Bakuninisten) und Marxisten bedrohten jedoch den Bestand der Internationale, die auf den Rat von M. hin 1872 ihren Generalrat nach New York verlegte, wenig später jedoch zusammenbrach. M. hielt sich seitdem von der organisierten Agitation zurück. 1871 trat M. gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen durch das neugegründete Deutsche Reich auf, wenn er auch im übrigen die Verlagerung des Schwerpunkts der revolutionären Entwicklung von Frankreich nach Dtl. begrüßte. 1875 übte er scharfe Kritik am Einigungsprogramm der dt. Sozialdemokratie, das noch zahlreiche Ideen F. LASSALLES enthielt (z.B. eine Überschätzung des Staates). Sein Verhältnis zu den meisten Arbeiterparteien, die mehr und mehr unter marxistischen Einfluß gerieten, war kritisch-distanziert.
Die philosoph. Bedeutung von M. ist aus mehreren Gründen umstritten. Der fragmentar. Charakter seines Werkes, betonte Zeitbezogenheit, polem. Akzentuierung und funktionale Brauchbarkeit hat zu widersprüchlichen Interpretationen geführt. M., der mit seiner 11. These über FEUERBACH: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt darauf an, sie zu verändern", einer Epoche die Losung gegeben und ein neues Selbstverständnis des Menschen formuliert hat, geht aus von der Kritik an der Philosophie HEGELS. Wahr und wirklich ist nach M. nicht der "Weltgeist". Die "eigentlich Tätigen" sind die konkreten, lebenden, aber leidenden und in Abhängigkeiten um ihr Wesen gebrachten Menschen. Weder das vermeintlich Vorhandene noch das spekulativ als Idee Gesetzte, weder das naiv Hingenommene noch das theoretisch nur Betrachtete ist menschlich, sondern die revolutionäre Praxis. Unter Veränderung versteht M. deshalb die Hervorbringung einer neuen menschl. Welt durch die "Emanzipation" und Selbstverwirklichung des Menschen. Dieser "reale Humanismus" gründet darin, daß das menschliche Leben als gesellschaftl. Leben wesentlich praktisch ist. Weil der Mensch die "Geburt" seiner selbst ist, wird die Kritik an allem, was dieser Veränderung widersteht und zu seiner "Entfremdung" führt, vornehmlich am "Kapital", an den Produktionsverhältnissen und an den von den Klassenverhältnissen abhängigen "Ideologien", unumgänglich. Da "die Wurzel für den Menschen der Mensch selbst ist", entfällt die Bindung an überzeitliche Imperative und an ein zeitloses "Jenseits". Geschichte ist die Welt, die und in der sich der Mensch praktisch durch Arbeit, Philosophie durch ihre Verwirklichung aufhebend, selbständig erschafft.
Werke. Zur Kritik der Hegelsehen Rechtsphilosophie (1843/ 1844); ökonomische Philosoph. Manuskripte (1844); Die hl. Familie oder Kritik der krit. Kritik (1845, zus. mit F. ENGELs); Die dt. Ideologie (1845. zus. mit dems.); Das Elend der Philosophie (1847); Das Kapital, 1 (1867). -Werke, Schriften, Briefe, bg. v. H. J. LIEBER, P. FURTH u. B. KAUTSKY, 7 Bde. (1963-69).
F.MEHRING: K. M. (l923, Neuausg. 1960); A. CORNU: KM. und F. Engels, 3 Bde. (1954-68); L. SCHWARZSCHILD; Der rote Preuße (a.d. Engl., 1954); J. BERLIN: K. M. (a.d.Engl.,1959); G. HILLMANN; M. und Hegel (1966); H. GEMKOW: K. M. (1968); J. LEWIS: K. M. (1968); M. RUBEL: M. Chronik (a.d.Französ., 1968); E. BLOCH: Über K. M. (1968); R. GARAUDY: Die Aktualität des M.schen Denkens (a.d. französ., 1969); H. FLEISCHER: M. und Engels (1970).
Marx Brothers, "Brüder Marx", musikaI. Komiker des amerikan. Vaudeville-Theater und Films, Leonard, gen. Chico (*New York 22.3.1891 + Hollywood 11.10.1961), Arthur, gen. Harpo (* New York 23.11.1893, + Hollywood 28.9.1964, Julius, gen. Groucho (* New York 2.10.1895). Die M.B. traten anfangs mit ihren weniger bedeutenden Brüdern Gummo (Milton M.) und Zeppo (Herbert M.) u. a. Familienmitgliedern auf. Ihre Filmkomödien (darunter "Animal crackers", 1930; "Monkey business" 1931; "A night at the opera"; dt. "Skandal in der Oper" 1935; "A night in Casablanca", 1946) zeigen schwarzen Humor, surrealist. und dadaistische Handlungselemente sowie frivole Karikierung der Gesellschaft.
Marxismus, zusammenfassende Bezeichnung für die von K. Marx und F. Engels entwickelten Gesellschafts-, Wirtschafts- und Staatstheorien. Innerhalb der Systeme des SoziaIismus tritt der M. als wissenschaftl. Sozialismus auf. In streng methodischer Weise analysiert und kritisiert er die kapitalist. Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und sucht darüber hinaus die sozialökonom. Entwicklungsgesetze aufzudecken.
Politisch wirksam wurde der M. in der Sozialdemokratie, in deren Rahmen auch die ersten grundlegenden Diskussionen um die Interpretation der Marxschen Lehren und ihre Anwendung in der polit. Praxis stattfanden. Als gemäßigte Richtung innerhalb der dt. Sozialdemokratie entwickelte sich der Revisionismus, gegen den sich mit besonderer Schärfe der Austromarxismus wandte. Rosa Luxemburg vertrat eine eigene Konzeption des revolutionären M. In Rußland entwickelte Lenin den M. weiter. Seit der Oktoberrevolution wurde dieser als M.-Leninismu verbindlichen Staats- und Gesellschaftslehre aller kommunist. Parteien, zugleich zu einer Weltbewegung und zu einer politischen Macht (Kommunismus). Nach Lenins Tod wurde der M.-Leninismus entscheidend von Stalin geprägt. Gegenüber Stalin suchten Trotzkij und Bucharin eigene Vorstellungen zu entwickeln. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es innerhalb des M.-Leninismus voneinander abweichende Richtungen. Die größten Unterschiede bestehen zwischen den Auffassungen der sowjet., chines., jugoslaw. und italien. KP. In Auseinandersetzung mit dem M.-Leninismus sowjetischer Prägung und mit der neueren Sozialdemokratie entstand, bes. in den westl. Industrieländern, eine Neue Linke. Unter besonderer Berücksichtigung der Frühschriften von Marx bemühen sich ihreTheoretiker, die Ziele des M. neu zu formulieren.
DIE LEHREN VON MARX UND ENGELS
Grundlage der Lehren von Marx und Engels ist der Historische Materialismus.
Geschichtstheorie
Grundgesetze der Geschichte. Nach Marx ist die produzierende Gesellschaft Träger, die Produktion die Grunderscheinung der Geschichte. Die Produktion beruht einerseits auf den Produktivkräften (l. der über bestimmte Fertigkeiten verfügende Mensch 2. die Produktionsmittel: Werkzeuge und Maschinen) und andererseits auf den Produktionsverhältnisses (Wechselbeziehung zwischen den gesellschaftlich produzierenden Menschen). Aus den Produktionsverhältnissen, die sich nach dem Besitz an den Produktionsmitteln bestimmen, entstehen die Klassen. Mit jeder Stufe der Entwicklung der Produktivkräfte hängt ein bestimmtes Produktionsverhältnis, eine bestimmte Klassenstruktur, zusammen, Da sich die Produktivkräfte ständig fortentwickeln, die Produktionsverhältnisse jedoch relativ stabil bleiben, kommt es zu innergesellschaftlichen Spannungen, die in Klassenkämpfen ihren Ausdruck finden und in Revolutionen ("qualitative Sprünge") münden.
Das Studium der polit. Geschichte Frankreichs und der wirtschaftl. Entwicklung Englands zeigte Marx die "typische" Evolution europäischer Gesellschaften, Das Zeitalter des von der Agrarwirtschaft und ihrer Produktionsweise bestimmten Feudalismus wurde geprägt zunächst vom Gegensatz zwischen den privilegierten Schichten des grundbesitzenden Adels und des Klerus und den von ihnen abhängigen privilegienlosen Bauern, Mit der Entwicklung des Fernhandels und der Entstehung der neuen industriellen Produktionsweise (Manufaktur, Fabrikbetrieb) trat neben den alten Gegensatz von Adel und abhängigem Bauerntum der neue gcscllschaftl. Konflikt zwischen Adel und Bourgeoisie. Die in der Industriellen Revolution gipfelnde ökonom. Entwicklung stärkte die Bourgeoisie wirtschaftlich und ermöglichte dieser in England bereits im 17., in Frankreich am Ende des 18. Jährh. (Fränzösische Revolution) die Übernahme der polit. Macht, Die unterschiedl. Schichten und Interessen von Teilen der Bourgeoisie werden von Marx dabei nicht überschen. Die bürgerl. Revolution (z. B. Französ. Revolution) vereinfacht jedoch nur die Klassenunterschiede, schafft sie aber nicht ab. An die Stelle von jurist. Differenzen zwischen den privilegierten Schichten des Adels und des Klerus auf der einen Seite und dem Dritten Stand auf der anderen Seite traten die ökonom. Unterschiede zwischen den Produktionsmittelbesitzern (Kapitalisten) und dem Rest der Bevölkerung. Dieser wird zunehmend auf den Stand bloßer Lohn- und Gehaltsempfängerherabgedrückt; so gliedert sich die kapitalist. Gesellschaft in die kleine Gruppe der Kapitalisten und die große des Proletariates.
Die Notwendigkeit der proletar. Revolution
Nach der Lehre des M. führt die innere Dynamik der kapitalist. Produktionsweise zu einer immer schärfer werdenden Zuspitzung der gesellschaftl. Widersprüche zwischen den Klassen. Es tritt in dieser Entwicklung eine Situation ein, in der eine vom Proletariat getragene Revolution gegen die kapitalist. Gesellschaftsordnung möglich wird. Diese Revolution wird das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufheben, die letzte Ausbeuterklasse beseitigen und damit eine klassenlose Gesellschaft schaffen. Der die Geschichte bis dahin bestimmende Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen wird damit verschwinden
Basis und Überbau
Die polit. Institutionen und die jeweils herrschenden Ideen (der Überbau) sind nur abhängige Variable (veränderliche Größen) der realsoziolog. und ökonom, Grundlagen (der Basis). Das bedeutet nicht, daß Staat, Rechtsordnung und weltanschaul. Uberzeugungen oder Wertsysteme unwirksam oder gar unwirklich sind. Sie gehören zur Totalität der sozialen und menschl. Wirklichkeit, können aber nicht als unabhängige Triebkräfte der Geschichte angesehen werden, Wenn sie sich gegen die Tendenz der ökonom. Entwicklung zu stemmen suchen, erweisen sie sich auf die Dauer als ohnmächtig. Stimmen sie mit ihr überein, so können sie die Entwicklung fürdem. Es kann jedoch ohne Mobilisierung politisch- organisatorischer Momente zur Erstarrung der gesellschaftl. Entwicklung kommen.
Das Verhältnis der sozialökonom. Basis zum polit. und ideolog. "Überbau" ist in der Geschichte des M. unterschiedlich interpretiert worden. Die von K. Kautsky formulierte und von der Zweiten Internationale vertretene Interpretation des M., die die Entwicklung zum Sozialismus als eine gesetzhaft notwendige betrachtet, wird von ihren Kritikern als eine fatalist. und determinist. Auffassung der gesellschaftl. Entwicklung gekennzeichnet. Diese Deutung führe in der Praxis der gesellsehaftl. Umformung zum "Abwarten der Katastrophe", in der die bestehenden Klassengegentätze die Revolution auslösen.
Anthropologie
Der Mensch verwirklicht sich selbst durch die schöpferische Umgestaltung der Natur. Er kann nur in einer vermenschlichten Umwelt leben, die er arbeitend erzeugt. In der kapitalist. Produktionsweise wird nun in extremer Form die für den Menschen spezifische Aktivität - die Arbeit - zum bloßen Mittel für den Erwerb seines Lebensunterhalts. Sie erscheint dem einzelnen als "fremd, äußerlich und feindlich". Das Produkt seiner Arbeit wird nicht als Vergegenständlichung des eigenen Wesens erfahren. Da in der kapitalist. Produktion alle Güter tendenziell zu Waren werden, erfährt der einzelne im "Geld" als dem Inbegriff aller Waren die Macht der Produzenten als eine ihm fremde Kraft. Seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Produzierenden ist ihm verborgen und kommt in dem Bewußtsein einer allgemeinen Abhängigkeit vom Geld zutage. Marx spricht daher von der Selbstentfremdung des Menschen durch die Lohnarbeit. Selbstverwirklichung ist dem Menschen erst dann wieder möglich, wenn das Privateigentum an den Produktionsmitteln abgeschafft und die Warenzirkulation verschwunden ist. Erst dann können sich die Individuen als Teil der assoziierten Produzenten erfahren und die Produkte als Schöpfungen ihrer eigenen kollektiven Kraft.
Kritik der politischen Ökonomie
Das Kernstück des M. ist seine Kritik des Kapitalismus, Es handelt sich nicht um eine neue Wirtschaftstheorie, sondern um eine Kritik sowohl der ökonom. Praxis als auch der Theorie des Kapitalismus.
Ware und Profit. Im Mittelpunkt der kapitalist. Produktion steht die Ware. Produkte sind Waren, soweit sie nicht für den persönt. Gebrauch, sondern für die Erzielung von Profit auf Märkten erzeugt werden; sie werden im Durchschnitt zu ihrem Wert getauscht; sie repräsentieren Wert, soweit sie Ergebnis "abstrakt allgemeiner Arbeit" sind. Zugleich ist jede Ware als Ergebnis konkreter und besonderer Arbeit ein spezif. Gebrauchswert. Diese Eigenschaft ist erforderlich, weil sich sonst kein Käufer finden würde.
Der Mehrwert. Profit und die von ihm abhängigen Formen arbeitslosen Einkommens, Zins und Grundrente, werden möglich durch die Erzeugung von Mehrwert mit Hilfe der Ware Arbeitskraft. Da in der kapitalist. Gesellschaft alles zur Ware wird und die Nichtbesitzer von Produktionsmitteln keine eigenen Produkte als Waren zu Markte bringen können, müssen sie ihre eigene Arbeitskraft als Ware anbieten. Sie wird ihnen zu ihrem Tauschwert abgenommen. Der Mehrwert ist nun die Differenz zwischen dem Gebrauchäwert und dem Tauschwert der Arbeitskraft; dabei ist ihr Gebrauchswert gleichzusetzen mit der in der Gesamtarbeitszeit hergestellten Gütermenge (oder deren Gegenwert in Geld); der Tauschwert der Arbeitskraft (Lohn) ist gleichzusetzen mit der zur Erhaltung der Arbeitskraft eines Arbeiters notwendigen Gütermenge (oder deren Gegenwert in Geld). Der Mehrwert spiegelt nun die Mehrarbeitszeit wider; sie ist die zeitt, Differenz zwischen der vom Arbeiter geleisteten Gesamtarbeitszeit und dem Teil seiner Arbeitszeit, in dem er seinen Tauschwert reproduziert.
Beispiel: Der Tauschwert der Ware Arbeitskraft beträgt an einem Tag sechs Stunden; der Arbeitstag eines Arbeiters währt acht Stunden. In diesem Falle hat der Arbeiter während sechs Arbeitsstunden den Tauschwert seiner eigenen Arbeitskraft reproduziert und während der zwei weiteren Stunden zusätzlichen Wert, den Mehrwert, erzeugt. Die Mehrwertrate (Mehrarbeitszeit) beträgt 2/8 oder 25% der geleisteten Gesamtarbeitszeit. Marx hat das "eherne Lohngesetz", das von der Annahme ausgeht, es würde stets nur ein Lohn zur Bestreitung des reinen Lebensunterhaltes gezahlt, aufs schärfste kritisiert, denn der Tauschwert der Ware Arbeitskraft ist ja nach der kulturellen Tradition und den veränderten Konsumgewohnheiten verschieden; er stellt kein absolutes Minimum dar. Der Mehrwert fällt dem Besitzer der Produktionsmittel, dem Kapitalisten, zu. Die kapitalist. Erzeugungsweise beruht also auf der Aneignung unbezahlter Arbeit, auf der Ausbeutung des Arbeiters.
Um möglichst viel Mehrwert zu erzielen, suchen die Kapitalisten zunächst den Arbeitstag zu verlängern (absoluter Mehrwert), ein Versuch, der schließlich an die physischen Leistungsgrenzen stößt oder durch organisierte Gegenmaßnahmen der Arbeiter (Gewerkschaftsbewegung) abgewehrt wird. Dadurch wird der Kapitalismus gezwungen, die Mehrwertrate durchVerkürzung der "notwendigen Arbeitszeit" heraufzusetzen oder wenigstens zu halten (relativer Mehrwert). Es muß also in kürzerer Zeit der Gegenwert der Ware Arbeitskraft erzeugt werden, deren Wert selbst damit fällt. Der einzelne Arbeiter muß in weniger Stunden seinen Wert reproduzieren und bei gleicher oder sogar verkürzter Gesamtarbeitszeit doch länger Mehrwert schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen und um zugleich zusätzlichen (individuellen) Mehrwert zu erzielen, fördern die Unternehmer den Ausbau der Technik. Immer mehr Maschinen und industrielle Anlagen, immer mehr Rohstoffe werden von einer einzelnen Arbeitskraft für die Warenherstellung in Bewegung gesetzt. Dies bewirkt eine ständige Freisetzung von Arbeitskräften. Es entsteht eine "industrielle Reservearmee" (Arbeitslose), die durch das Überangebot an freier Arbeitskraft einen ständigen Druck auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Lohnhöhe ausübt. So kommt es zu einer zunehmenden Verelendung der Massen (Verelendungstheorie). Wenn nun aber Mehrwert und damit Profit ausschließlich aus der menschl. Arbeitskraft entspringt, dann muß bei wachsendem Kapitalaufwand für industrielle Anlagen die Profitrate fallen; denn sie entspricht dem Verhältnis zwischen Mehrwert und Gesamtaufwand (u. a. für Arbeitskraft, Maschinen, Rohstoffe, Hilfsstoffe) und liegt daher stets erheblich unter der Mehrwertrate. Dieser Zusammenhang drängt nun zusammen mit anderen Faktoren zu immer weitergehender Konzentration der bereits durch Akkumulation gewachsenen Betriebe. Nur der Großbetrieb kann auch bei verringerter Profitrate noch eine ausreichende Profitmasse erwirtschaften. Mit dem tendenziellen Fall der Profitrate, dem allerdings eine Anzahl von Faktoren entgegenwirken kann (bes. die koloniale Expansion), erlahmt aber die Dynamik der kapitalist. Produktionsweise. So kommt das wirtschaftl. Wachstum schon zu einem Zeitpunkt zum Stillstand. zu dem die realen Bedürfnisse der Bevölkerung noch keineswegs vollständig erfüllt sind.
Zyklische Krisen der kapitalist. Produktion
Die fehlende Planung in der kapitalistisch orientierten Wirtschaft führt zu Disproportionen in der Warenherstellung. Bezogen auf die "zahlungsfähige Nachfrage" haben diese eine Überproduktion von Waren, im Hinblick auf die mangelnde Massenkaufkraft eine zu geringe Abnahme (Unterkonsumtion) von Waren zur Folge. Zyklische Krisen sind für die kapitalist. Wirtschaftsordnung kennzeichnend. Sie hat zwar einmal die gewaltigste Revolution der menschl. Produktionsweise bewirkt, ist aber inzwischen unfähig geworden, die gesellschaftl. und ökonom. Entwicklung weiter voranzutreiben. Die "Expropriation der Expropriateure", d. h. die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und ihre Vergesellschaftung erscheint daher als dringende Notwendigkeit.
Staats- und Gesellschaftslehre des M.
Der Staat als Instrument der herrschenden Klasse. Der Staat in der Zeit vor der Revolution des Proletariates ist für den M. ein Herrschaftsinstrument, das dazu dient, die ökonom. Vorteile der besitzendes Klassen zu verteidigen. Die polit. Formen, durch die besitzende (oder privilegierte) Klassen ihre lnteresses verteidigen, ändern sich im Laufe der Geschichte. In der Feudalgeselltchaft waren polit. und ökonom. Macht noch direkt und sichtbar miteinander verbunden. In der bürgerl. Gesellschaft übernimmt ein "Ausschuß", gebildet aus Politikern der herrschenden Klasse, die Leitung der polit. Geschäfte. Dieser Ausschuß kann aus Angehörigen der Bourgeoisie bestehen, aber auch aus Mitgliedern anderer Klassen und Schichten (z.B. des Adels oder der Bürokratie). Entscheidend ist, daß diese Politiker die bestehende Eigentumsordnung verteidigen und die Wachstumsbedingungen kapitalist. Wirtschaft herstellen und erhalten. Diese können wiederum je nach dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft im Vergleich zu den Konkurrenten auf dem Weltmarkt verschieden beschaffen sein. In einer Anfangsphase ist eine Schutzzollpolitik notwendig. Bei entsprechender wirtschaftl. Stärke wird eine Politik der "Offenen Tür" an deren Stelle treten.
Die proletarische Revolution Die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und die Vergesellschaftung der Betriebe kann nach Auffassung des M. nur durch eine polit. Revolution gewährleistet werden. Das Proletariat muß den Staatsapparat erobern und zu einem Instrument der Verwandlung der Eigentumsordnung machen. Erst nachdem diese Aufgabe im Rahmen der Diktatur des Proletariats erfüllt ist, kann der Staatsapparat "absterben" und an die Stelle der Herrschaft über Personen die "Verwaltung von Sachen" treten.
Die nachrevolutionäre Gesellschaft. Marx unterscheidet zwei Phasen der nachrevolutionären Gesellschaft, deren erste, der Sozialismus, den Grundsatz "jeder nach seinen Fähigkeiten jedem nach seiner Leistung" verwirklicht. Die zweite Phase, der Kommunismus, richtet sich aus nach dem Prinzip "jedem nach seinen Bedürfnissen". Erst in dieser zweiten Phase, in der es keinen Mangel mehr geben wird, kann der Staat absterben und die gesellschaftl. Selbstverwaltung "unpolitisch" werden.
Verfassungsmodelle
Marx hatte 1871 die Verfassung der Pariser Kommune als die "endlich gefundene politische Form" der Diktatur des Proletariats gefeiert. Diese Verfassung sah die vollständige Abschaffung der Beamtenschaft und des stehenden Heeres vor und übergab die gesamte legislative und exekutive Gewalt an gewählte Räte, die jederzeit abgerufen werden konnten. Niemand soll nach dieser Verfassung für ein Amt mehr Entschädigung erhalten als den Lohn eines Arbeiters. Ganz Frankreich sollte aus föderierten Gemeinden und Provinzen bestehen, die von einem Rat der Räte als oberstem Organ zusammengehalten würden. Engels hat später die parlamentarische Demokratie als polit. Form für die Diktatur des Proletariats empfohlen.
DER MARXISMUS-LENINISMUS
M.-Leninismus heißt die von Lenin vorgenommene Anpassung der Lehren von Marx und Engels an die sozialen und polit. Verhältnisse Rußlands im frühes 20. Jahrh. Der Begriff Leninismus hebt dabei die über die Theorien des M. hinausgehenden Aussagen des M.-Leninismus hervor. Seine Anhänger bezeichnen den M.-Leninismut als den Marxismus des 20. Jahrh.
Lehren des Leninismus
1. Der Leninismus vertritt über die Lehren des M. hinaus die Theorie vom Eintritt des Kapitalismus in ein imperialist. Stadium und die Lehre von der "ungleichmäßigen Entwicklung" der verschiedenen, am kapitalist. Weltmarkt teilnehmenden Gesellschaften. Während Marx annahm, daß die proletar. Revolution von den hochindustrialisierten Staaten Mittel- und Westeuropas ausgehen würde, folgert der Leninismus aus den genannten Thesen die Wahrscheinlichkeit des revolutionären Durchbruchs in einem relativ rückständigen, agrarischen Land am "Rande des kapitalist. Weltsystems" (wie in Rußland 1917). Der Führer der chines. Kommunisten, Mao Tse-tung, berief sich bei der Durchführung der chines. Revolution (1949) auf diese Theorie.
2. Lenin formulierte die Lehre von der "Partei neuen Typs", die als "klassenbewußte Vorhut des Proletariats" die Führung und Erziehung der werktätigen Massen zu übernehmen hat. Die Betonung der aktiven Rolle der führenden Partei wird von vielen als Leninscher "Subjektivismus" kritisiert, erklärt sich aber aus den Verhältnissen im vorrevolutionären Rußland und aus analogen sozialen Bedingungen z. B. in China. Die Auseinandersetzung zwischen Lenin (bewußte zentrale Führung der Massen durch eine marxist. Elitepartei) und Rosa Luxemburg (Aktivierung der Spontaneität der Massen) geht auf die unterschiedl. Verhältnisse in Mittel- und Osteuropa zurück. Durch die sowjet. Vormachtstellung in der Komintern wurde die Organisationstheorie Lenins für alle kommunist. Parteien verbindlich.
3. Die Nachfolger Lenins bauten den M.-Leninismus zu einer obligator. Weltanschauungslehre aus, in deren Mittelpunkt der Dialektische Materialismus steht. Dieser Entwicklung leistete Lenin durch seine Schrift "Materialismus und Empiriokritizismus" (1908) Vorschub.
Die Entwicklung des Leninismus seit 1917
Der Leninismus ist aus den verschiedenen theoret. und prakt. Bestandteilen des Leninschen Werkes erst unter Stalin zu einer Lehre geformt worden. Als die Konkurrenz anderer Parteien wegfiel, wirkte sich die Theorie von der Partei neuen Typs und die Forderung nach strenger innerparteilicher Disziplin militärischen Charakters (Demokratischer Zentralismus) dahin aus, daß nicht nur wie 1921 aufdem X. Parteitag der Bolschewiki die Bildung von Fraktionen, sondern darüber hinaus auch die von Plattformen der Mitglieder des Parteitags und des ZK verboten wurde. Damit verloren die meisten Parteigremien ihre kontrollierende Funktion gegenüber den jeweiligen Führern. Die von Lenin 1917 in "Staat und Revolution" skizzierte Theorie des nachrevolutionären Staates als einer Räteorganisation ohne Berufsarmee und Beamtenschaft erwies sich als unrealisierbar, obgleich sie an die 1917 spontan entstandenen Sowjets (russ., Räte) anknüpfte. Statt dessen entwickelte sich bald in Partei und Staat ein neues bürokratisch-diktator. System. Hauptursache dieser Entwicklung der sozialist. Demokratie war die ökonom. Rückständigkeit des Landes und die Notwendigkeit, möglichst rasch eine starke Industrie aufzubauen. Der bürokrat. Staatsapparat handelte daher an Stelle der fehlenden kapitalist. Unternehmerklasse. Durch bürokrat. Planwirtschaft und administrativen Zwang tollte in kurzer Zeit das nachgeholt werden, was auf dem Wege der kapitalist. Marktwirtschaft und durch ökonom. Zwang in den großen nichtkommunitt. Industrienationen erreicht worden war. Diese Aufgabe sowie die kapitalistische "Einkreisung" und Hitlers Überfall auf die Sowjetunion dienten Stalin zur Rechtfertigung des diktator. Herrschafttsystems.
Im Rahmen der 1956 eingeleiteten "Entstalinisierung" wurde in der Sowjetunion zwar der bürokrat. Apparat erneuert, jedoch nicht demokrat. Kontrolle unterworfen oder abgebaut. Der Versuch einer Demokratisierung der Staats- und Parteiorgane zur Erleichterung der wirtschaftl. Reformen 1968 in der Tschechoslowakei wurde von der Sowjetunion und anderen kommunist., im Warschauer Pakt vereinigten Ländern unterdrückt.
Ideologische Auseinandersetzungen
Die chinesischen Kommunisten behaupten, in der Kulturrevolution ein Mittel zur Überwindung des Partei- und Staatsbürokratitmus gefunden zu haben. Sie werfen der sowjet. Führung vor, eine neue Staatsbourgeoisie zu vertreten.
Die Unterschiede zwischen der sowjet. und der chines. Version des M.-Leninismus treten vor allem in der Frage der Zukunft der Weltrevolution und bei der Beurteilung der "Friedlichen Koexistenz von Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung" (Koexistenz) zutage. Die chines. Leninisten setzen ihre revolutionären Hoffnungen in erster Linie auf die agrar. Völker der Dritten Welt. Sie hoffen, daß von dort aus die Revolution in die kapitalistisch organisierten Industrienationen getragen wird. Sie übertragen das Modell, das in China zum Sieg des Kommunismus führte, auf eine globale Ebene. Die sowjet. Leninisten sehen zwar auch die große Bedeutung dieser "nationalen Befreiungsbewegungen", stellen aber die proletar. Massen der Industrieländer gleichbedeutend neben sie.
Die voneinander abweichende Bewertung der Friedlichen Koexistenz hängt mit der unterschiedlichen Beurteilung der Revolutionsperspektive zusammen. Die sowjet. Leninisten erblicken in der Friedensbewegung innerhalb der industrialisierten kapitalist. Staaten den Keim der auf revolutionäre Veränderung drängenden Koalition von Arbeitern, Kleinbürgern und Intellektuellen. Sie glauben, daß sich bei Abbau des kalten Krieges und der Rüstungslast der sich in Paktsystemen gegenüberstehenden Staaten die Möglichkeiten sozialist. Transformation kapitalist. Gesellschaften verbessern. Die chines. Kommunisten setzen dagegen in erster Linie auf die Not und die revolutionäre Ungeduld der hungernden bäuerl. Massen der DrittenWelt.
Letztlich läßt sich die verschiedene Bewertung der Perspektiven der proletar. Revolution und ihrer mögl. Träger aus den unterschiedl. ökonomisch-techn. Verhältnissen in China und der Sowjetunion erklären.
Das sowjet. Parteiprogramm von 1961 nennt als Vorbedingung für den Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus die erfolgreiche Umerziehung der Menschen, bes. in ihrer Einstellung zur Arbeit. Erst wenn zumindest die große Mehrheit der Werktätigen aus moralischen Impulsen heraus für die Gemeinschaft arbeite, sei der Weg offen zu einer den Bedürfnissen des einzelnen entsprechenden Versorgung mit Konsumgütern. Bis dahin wird die "persönl. materielle Interessiertheit" als unentbehrlicher Faktor beibehalten. Die chines. Kommunisten dagegen behaupten, schon jetzt auf diese "bürgerlichen" Motivationen z.T. verzichten zu können. Auch wenn der "große Sprung nach vorwärts" und die Volkskommunen sich wirtschaftlich als Fehlschlag erwiesen haben, erheben die chines. Kommunisten den Anspruch, auf dem Weg zum (Voll-) Kommunismus zu sein.
Gegenüber dem ideolog. und polit. Führungsanspruch der UdSSR vertraten die jugoslaw. Kommunisten nach 1945 unter Berufung auf Lenin das Recht eines jeden kommunist. Staates, seinen eigenen Weg zum Sozialismus und Kommunismus zu suchen. Tito und Theoretiker wie M. DJILAS und E. KARDELJ übten zugleich Kritik an den Verhältnissen in der Sowjetunion und entwickelten ein eigenes gesellschaftspolit. Modell.
Nach ihrer Auffassung hat die Übernahme des Eigentums an den Produktionsmitteln durch den Staat in der Sowjetunion zur Entstehung eines Staatskapitalismus geführt, der die entfremdete Beziehung des Arbeiters zur Arbeit nicht aufheben konnte. Dabei sei eine "Bürokratenkaste" entstanden, die im eigenen Interesse unkontrolliert über die Produktionsmittel verfüge. Um die Tatsache des "Kollektivbesitzes" an den Produktionsmitteln für den Arbeiter zu einer erfahrbaren Realität zu machen und um die Entstehung einer neuen Klasse zu verhindern, suchten die jugoslaw. Kommunisten durch die Schaffung gewählter Arbeiterräte die Arbeiter an der Leitung der Betriebe unmittelbar zu beteiligen. Damit sollte Schritt fürSchritt das Staatteigentum in Gesellschaftseigentum überführt, die zentralistisch-bürokrat. Lenkung der Betriebe durch genossenschaftl. Selbstverwaltung abgelöst werden.
Die italienischen Kommunisten haben sich unter dem Hinweis auf die entwickelteren sozioökonom. Verhältnisse ihres Landes seit etwa 1960 unter ihrem Gen.-Sekretär P. Togliatti bis zu einem gewissen Grade von dem sowjet. Muster gelöst. Sie beriefen sich dabei auf das Prinzip Lenins, daß sich eine kommunist. Partei an die konkreten histor. Umstände anpassen muß, unter denen sie arbeitet. Für ihre inneritalien. Politik entwickelte sie das Konzept einer "friedlichen Durchdringung" des parlamentarisch-demokrat. Staates nach den Regeln der pluralist. Gesellschaft. Im Rahmen des Wellkommunismus vertritt sie im Anschluß an das genannte Leninsche Prinzip die These, daß der M.-Leninismus nicht nur ein Zentrum, sondern viele Zentren hat (- Polyzentrismus).
Im Unterschied zu den genannten Richtungen des M. besteht H. Marcuse darauf, daß eine wirklich freie kommunist. Gemeinschaft eine repressionsfreie Kultur schaffen müsse, in der Arbeit, Mühe und Unterdrückung der individuellen Libido überflüssig geworden sind. Voraussetzung einer solchen Kultur ist, daß alle Werktätigen die Möglichkeit befriedigender schöpferischer Entfaltung und Betätigung haben. Nicht Verinnerlichung der sozialen Arbeitsmoral, sondern Abschaffung der Arbeit (wie beim frühen Marx) und Überwindung des "Realitätsprinzips" (das zu Triebverzicht im Dienste der naturbeherrschenden Arbeit zwingt) lautet Marcuses These.
DER MARXISSMUS HEUTE
Als Verbindung von wissenschaftl. Thesen und Einsichten mit Anweisungen zum revolutionären Handeln hat der M. entscheidend daran mitgewirkt, die polit. und sozialen Verhältnisse im 20. Jahrh. zu verändern. Während es der Grundgedanke von Marx und Engels war, den Menschen aus wirtschaftl., sozialen und kulturellen Zwängen zu befreien, ist der M. wiederholt zum Instrument diktator. Herrschaft in der Hand bürokrat. Eliten geworden. Andererseits bilden die ursprüngl. humanist. Ansätze die Grundlage jener radikalen Kritik. die marxist. Intellektuelle sowohl am parlamentarisch-demokrat. wie am kommunist. System üben.
Der Glaube an eine zukünftige zwangsfreie und menschenwürdige Gesellschaft gibt dem M. eine optimistische Grundnote. Als eine Art "säkularisierter Heiltlehre" hat er seine Anziehungskraft bewahrt, wenn auch viele der Marxschen Voraussagen nicht eingetroffen sind. Die ökonom. Theorie von Marx ist nach dem ersten Weltkrieg nur wenig weiterentwickelt worden. Erst in jüngster Zeit unternehmen einzelne Wissenschaftler in westl. Ländern den Versuch, das Marxsche ökonom. Denken neu zu interpretieren und auf seine Aktualisierbarkeit zu prüfen. Auch die Geschichtstheorie von Marx hat sich als weniger global und anspruchsvoll erwiesen, als es die meisten Marxisten behauptet haben. Marx selbst hatte es ausdrücklich abgelehnt, den "Universalsehlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosoph. Theorie" geliefert zu haben.
Während in China und der Sowjetunion die krit. Theorie von Marx noch immer Bestandteil einer umfassenden Weltanschauung ist, wird sie von Sozialwissenschaftlern und Anhängern der Neuen Linken als Instrument krit. Analyse verstanden.
Stichwörter: Arbeiter, Arbeiterbewegung, Dialektischer Materialismus, historischer Materialismus, Humanismus, Kommune, Kommunismus, Lenin, Mao Tse-tung, Karl Marx, Neue Linke, Revisionismus, Sowjetunion, Geschichte, Sozialdemokratie, Sozialismus, Stalin,Tito, Togliatti, Trotzkij.
F.A. Brockhaus, Wiesbaden (Band 12 Mai-Mos) ISBN 3 7653 0000 4 1971
Für die frühen Kommunisten bestand der K. in der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit oder christl. Nächstenliebe mittels herrschaftsfreier Gesellschaftsordnung F. N. (GRACCHUS) BABEUF (1760-97) forderte zur Durchsetzung der kommunist. Gesellschaft eine Volksdiktatur. Der Begriff K. taucht zuerst 1839 in den polit. Geheimgesellschaften Frankreichs auf. E. CABET (1788-1875), der sich seit 1840 als Kommunist bezeichnete, entwarf in seinem utopischen Roman "Voyage en Icarie" (1840) den Plan einer Gütergemeinschaft, die er als Verwirklichung des wahren Christentums bezeichnete. Er wollte nur durch das Vorbild, etwa durch Musterkolonien, wirken. W. WEITLING (1808-71) entwarf (erstmals 1838/39) eine geld- und eigentumslose Gesellschaftsordnung auf der Grundlage einer zentralist. Produktions- und Konsumtionsplanung, in der nicht mehr regiert, sondern nur verwaltet werden sollte. Er wollte die neue Gesellschaft durch revolutionäre Organisation des Proletariats verwirklichen. M. HESS (1812-75) war der erste, der sich nicht nur um eine ökonom., sondern auch um eine philosoph. Begründung des K. bemühte, indem er ihn als logische Folge des deutschen Idealismus interpretierte.
Marx und Engels. Für K. MARX (1818-83) stand der Weg zum K. im Zeichen der Philosophie, in der er bes. an F. Hegel und A. Feuerbach anknüpfte. Er verstand unter K. mehr als nur die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, nämlich die Aufhebung jeglicher Entfremdung des Menschen gegenüber der Natur als auch gegenüber dem Mitmenschen; er ist damit für ihn die Voraussetzung für den Beginn der eigentl. menschl. Geschichte. Da er in der ökonom. Entfremdung in Gestalt des Privateigentums an den Produktionsmitteln die allen anderen Formen der Entfremdung (religiöse, philosoph., polit., soziale) zugrunde legende Erscheinung erblickte, war die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln auch die Forderung, die ihn mit seinen kommunist. Zeitgenossen verband. Marx betonte ausdrücklich, daß der K. das wirkliche, für die nächste geschichtl. Entwicklung notwendige Moment der menschl. Emanzipation und Wiedergewinnung, nicht aber als solcher das Ziel der menschl. Entwicklung sei.
F.ENGELS (l820-95) erwartete in der zukünftigen kommunist. Gesellschaft eine maximale und optimale Moralisierung des Menschen, worin ihm später Lenin folgte. An die Stelle der bürgerl.Gesellschaft sollte eine Assoziation treten. Diese, die in der die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln Ausbeutung damit Klassengegensätze unmöglich macht, erlaubt jedem Individuum die volle Entfaltung seiner Anlagen. Dies führe, da die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis wird und jeder dank polytechn. Erziehung alles kann, zur Aufhebung der Arbeitsteilung im herkömmlichen Sinne. Eine polit. Ordnung werde überflüssig. Immerhin sprachen Marx und Engels davon, die "Assoziation der Zukunft" die Produktivkräfte durch einen zentralen Plan leiten werde. Jeder solle nicht nur nach seinen Fähigkeiten arbeiten, sondern es damit auch die Produktion gesteigert werden, so die Bedürfnisse aller befriedigt werden können. Dieser Gegensatz von zentraler Planung und individueller Freiheit ist zum entscheidenden Problem kommunist. Zukunftsplanung geworden.
Die frühe Sozialdemokratie. Im Sinne von Marx und Engels hat sich die dt. Sozialdemokratie niemals offiziell zu detaillierten Zielvorstellungen im Sinne einer sozialist. Gesellschaft bekannt. Begriffe wie Volksstaat, Zukunftsstaat spielten allerdings eine gewisse Rolle. Vor allem A.BEBEL (1840-1913) und gelegentlich auch K.KAUTSKY (1854-1938) haben den Zukunftsstaat beschrieben: Die ökonomische Entwicklung fordere genossenschaftliche, d.h. kommunistische Produktion, in der an die Stelle der Warenproduktion für den Verkauf die Produktion für den Selbstbedarf tritt. Als einzig möglicher Rahmen einer solchen Genossenschaft erschien ihnen der Staat. Die sozialistische Gesellschaft sollte ein einziger industrieller Betrieb sein, mit planmäßiger Produktion und Verteilungsformen, die dem Grundsatz "Jedem nach seinen Bedürfnissen" entsprechen sollten. Eine Gegenposition bezog in der dt. Sozialdemokratie E. BERNSTEIN (1850 bis 1932). Er betonte, daß der Grundsatz jeder Wissenschaft die Erfahrung sein müsse, daß sich die sozialist. Zielvorstellungen jedoch der streng wissenschaftl. Feststellung entzögen. Er wandte sich ausdrücklich gegen die "Utopisterei" von Marx und Engels, d.h. ihre Prognosen über die weitere Entwicklung der kapitalist. Gesellschaft sowie über die Notwendigkeit der Revolution und der Diktatur des Proletariats. Das Bekenntnis zum Sozialismus als einer Sache der Gegenwart und nicht der Zukunft hat die weitere Geschichte der nicht vom Leninismus erfaßten sozialist. Parteien geprägt. Eine erfolgreiche reformist. polit. Praxis setzte den Verzicht auf kommunist. Zukunftsvorstellungen voraus. (siehe: Sozialdemokratie)
Die Anarchisten. Für die staatenlose Zukunft erwartete der kollektivist, Flügel der Anarchisten, vor allem M. A. BAKUNIN (1814-76), die Bildung freier industrieller und landwirtschaftl. Assoziationen auf der Grundlage derVergesellschaftung der Produktionsmittel. Da aber Anarchisten wie C. CAFIERO, E. MALATESTA, E. RECLUS, und P. KROPOTKIN im Verlauf der 70er Jahre zu der Überzeugung kamen, daß die Berechnung des Tauschwerts der Güter sowie der geleisteten Arbeitszeit doch wieder zu übergeordneten Autoritäten führen werde und daß Freiheit und Gleichheit nur bei voller Gütergemeinschaft gesichert seien, begann man, im kommunist. Grundsatz "Jedem nach seinen Bedürfnissen" das dem Anarchismus entsprechende Prinzip zu sehen. Der bedeutendste Vertreter des kommunist. Anarchismus wurde P. A. KROPOTKIN (1842-1921).
Die russischen Sozialisten. Im Sinne A. FOURIERS, wonach eine Neuordnung der Gesellschaft bei besserer Organisation der Gemeinde ansetzen müsse, sahen die russ. Revolutionäre in der russ. Dorfgemeinde (mir oder obscina) eine Einrichtung, die zur Weiterentwicklung in sozialistisch-kommunist. Bahnen geeignet erschien. Diesen russ. Sozialismus hat A. I. HERZEN (1812-70) populär gemacht. N. G. TSCHERNYSCHEWSKIJ (1828-89) sah die einzige Chance in einer Revolution, die Rußland den Kapitalismus ersparen und den direkten Durchbruch zum Sozialismus sichern sollte. Die Narodniki haben diese Idee übernommen. Die angestrebte Zukunftsgesellschaft sollte nach den Vorstellungen L. LAWROWS (1823-1900) aus Volksföderationen bäuerlicher Gemeinden und handwerklicher Assoziationen (Arteli) bestehen. Die russ. Marxisten, bes. G. W. PLECHANOW (1856-1918), erklärten jedoch den Kapitalismus in Rußland für so stark, daß alle Hoffnungen auf eine sozialist. Umformung der Dorfgemeinde illusionär seien.
Lenin und Bucharin. LENIN (1870-1924) nahm Begriff und Konzeption des K. wieder auf, um sich von der reformist. Politik der westeurop. Sozialisten abzusetzen. 1917 schlug er vor, die Bolschewiki sollten ihre Organisation Kommunist. Partei nennen. In Anlehnung an Marx, der zwischen einer niederen und einer höheren Stufe des K. unterschieden hatte, bezeichnete Lenin 1917 die niedere Stufe als Sozialismus, der im Zeichen der Diktatur des Proletariats, der Verteilung nach dem Leistungsprinzip stehen werde, die höhere Stufe als K. Er solle durch das Absterben des Staates und eine Verteilung nach dem Bedürfnisprinzip charakterisiert sein. Die Benennung der bolschewist. Parteiorganisation als Kommunistische Partei besagt seiner Meinung nach aber nur, daß man den vollen K. wolle. N. I. BUCHARIN (1888-1938) stellte sich die kommunist. Gesellschaft als eine riesige Arbeitsgenossenschaft vor und erwartete als Ergebnis umfassender Planung und zentralisierter Produktion in Großbetrieben eine entsprechende Überproduktion. Nach zwei bis drei Generationen vom Sozialismus geprägter Menschen solle auch die Diktatur des Proletariats in den K. übergehen, d.h. der Staat und mit ihm die ständige Beamtenschaft verschwinden.
Das bolschewist. Rußland. Rußland
war der erste Staat, in dem Kommunisten zur Macht kamen. Seit 1917 ist
daher die Entwicklung des K. eng mit der Sowjetunion verbunden. Der K.
siegte nicht in den hochentwickelten Industriestaaten, wie es Marx voraussagte,
sondern in einem rückständigen Agrarland. Als die Bolschewiki
1917 die Macht an sich rissen, lebten über vier Fünftel der Bevölkerung
auf dem Lande, während sich die Großindustrie auf wenige Zentren
beschränkte. Die kommunist. Ansätze einer neuen Wirtschaftsorganisation
verwandelten sich zunächst in improvisierte Notmaßnahmen zur
Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse von Armee und Bevölkerung;
das Rätesystem wurde von einer bürokrat. Zwangsverwaltung abgelöst;
die Arbeiterorganisationen entwickelten sich zu Exekutivorganen der Parteiführung.
Da es unmöglich war, von diesem System des {siehe:} Kriegskommunismus
sofort zur klassenlosen Gesellschaft überzugehen, versuchten die Bolschewiki
einen Umweg: die {siehe:} Neue Ökonomische Politik (NEP). Diese z.T.
marktwirtschaftlich orientierte Politik wurde wegen einer andauernden Getreidekrise
und wegen des Zunehmens sozialer Spannungen gegen Ende der zwanziger Jahre
aufgegeben. Nach erbitterten Fraktionskämpfen (u. a. {siehe:} Trotzkij,
{siehe:} Sinowjew, {siehe:} Bucharin), aus denen STALIN als Sieger
hervorging, wurden 1929 die forcierte Industrialisierung sowie die Zwangskollektivierung
von rd. 27 Millionen Bauernhöfen und damit eine radikale sozialökonom.
Umwandlung des Landes eingeleitet. In kürzester Frist und um jeden
Preis versuchte man eine eigene Schwerindustrie aufzubauen. Mit Hilfe von
Massenterror und Propaganda wurde die widerstrebende Bevölkerung für
dieses Ziel mobilisiert. Das polit. Leben stand unter der Kontrolle der
Geheimpolizei.
Das stalinist. System, in dem Industrialisierung und Sozialismus gleichgesetzt
wurden, blieb (mit Ausnahme der Äußeren Mongolei) bis zum zweiten
Weltkrieg auf die Sowjetunion begrenzt. Das Ende der revolutionären
Nachkriegssituation in Europa hatte zu einer nationalen Selbstbeschränkung
des russ. Sozialismus geführt. Bereits 1924 hatte Stalin die Lehre
vom "Sozialismus in einem Lande" entwickelt, die den sozialist. Aufbau
legitimierte, ohne den Sieg der Welt- revolution abzuwarten. Die (siehe:)
Komintern geriet zunehmend in den Sog der sowjet. Machtpolitik.
Die Ausweitung des sowjet. Herrschaftssystems. Erst in der Periode der dt.-sowjet. Zusammenarbeit, die mit dem Abschluß eines Nichtangriffspaktes (1939) einsetzte, konnte die Sowjetunion ihren Machtbereich erweitern. Sie besetzte die poln. Ostgebiete, Estland, Lettland, Litauen, Bessarabien und die Nordbukowina. Nach 1944/45 annektierte sie eine Reihe kleinerer Gebiete (finnisches Territorium, einen Teil Ostpreußens, die Karpato-Ukraine). Die eigentliche Expansion geschah über die Bildung von (siehe:) Volksdemokratien zwischen 1945 und 1948. Das stalinistische System wurde auf Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Albanien und schließlich auch auf die Sowjet. Besatzungszone Dtl.s übertragen. In Jugoslawien setzte sich der K. ohne direkte Hilfe der Sowjetunion durch. Im Fernen Osten zwang die Sowjetunion Nationnalchina, seinen Anspruch auff das Gebiet der Mongol. Volksrepublik aufzugeben und ihr eine Reihe von Privilegien auf chines. Territorium einzuräumen. Außerdem besetzte sie einige kleinere japan. Territorien und errichtete in Nord- Korea eine Volksdemokratie. Im Nahen und Mittleren Osten blieben die sowjet. Expansionsversuche in dieser Zeit erfolglos. Die sowjet. Truppen mußten im Mai 1946 Nord-Iran räumen. Der Sieg des K. in China und die Errichtung einer Volksrep. führte zu einer entscheidenden Ausdehnung des kommunist. Machtbereichs. Gleichzeitig hinderte er aber eine weitere Ausdehnung der sowjet. Herrschaft in Asien.
Konflikte im kommunist. Machtbereich 1948-53. In Europa stieß die sowjet. Politik bald auf größere Schwierigkeiten. Jugoslawien war nicht bereit, das stalinist. System vorbehaltlos zu übernehmen. Nach längerem Konflikt begann es, eine selbständige Innen- und Außenpolitik zu verfolgen (1949). Als sich die übrigen Volksdemokratien von der drückenden sowjet. Bevormundung zu befreien suchten, wurden sie mit Hilfe von Schauprozessen und polit. Säuberungen brutal unterdrückt. Eine Milderung der Diktatur sowohl in der Sowjetunion wie in den Volksdemokratien trat erst nach dem Tode Stalins (1953) ein.
Seit Stalins Tod erkannte die neue Sowjetführung, daß das
bestehende polit. Regierungssystem nicht länger mit dem wirtschaftl.
Fortschritt und der gesellschaftlichen Differenzierung zu vereinbaren waren.
Die Oberschichten wünschten eine gewisse Sicherheit und ein Mitspracherecht
bei wirtschaftl. und polit. Entscheidungen. Die Masse der Bevölkerung
verlangte eine Besserung ihrer Lebensbedingungen. Die Sowjetführung
versuchte, den Herrschaftsapparat den Bedürfnissen der wirtschaftl.
Entwicklung anzupassen und damit der sozialen Gärung den Boden zu
entziehen. Als jedoch N. S. CHRUSCHTSCHOW auf dem 20. Parteitag der KPdSU
(1956) Stalins persönliche Diktatur ungewöhnlich scharf kritisierte
und entsprechende innenpolit. Maßnahmen einleitete ({siehe:}
Entstalinisierung), löste er polit. Erschütterungen im gesamten
Ostblock aus. In Ungarn und Polen kam es noch im gleichen Jahr zu revolutionären
Erhebungen, in denen Studenten, Intellektuelle und Arbeiter eine Rückkehr
zu den ursprünglichen Zielvorstellungen der Oktoberrevolution, d.h.
einen humanen Sozialismus, forderten. Während die ungarische Erhebung
von sowjet. Truppen niedergeschlagen wurde (November 1956), war man gezwungen,
die neue politische Entwicklung in Polen zunächst zu tolerieren. Die
Entwicklung der Volksrepublik China unter Führung MAO TSE-TUNGS geriet
immer mehr in Gegensatz zu den sowjetischen Interessen. Als die chinesische
Parteiführung seit 1951 versuchte, durch die Gründung von Volkskonmmunen
das kommunist. Endziel in einem "großen Sprung nach vorn" zu erreichen,
wurde sie von der sowjet. Führung kritisiert. In den 60er Jahren kam
es zum offenen Konflikt, der zeitweise kriegerische Formen anzunehmen drohte.
Die wichtigste Herausforderung der Sowjetunion bildete der Versuch der
tschechoslowak. Kornmunisten, einen eigenen Weg zum Sozialismus zu finden.
Die sozialist. Wirtschaftsfonrm sollte durch marktwirtschaftliche Elemente
ergänzt und das polit. Leben demokratisiert werden. Damit sah man
in Moskau die kommunist. Machtausübung grundsätzlich in Frage
gestellt und schritt zur militär. Intervention, die am 21.8.1968 in
der Tschechoslowakei die Rückkehr zum Neostalinismus einleitete, wie
er sich seit dem Sturz Chruschtschows in der Sowjetunion herausgebildet
hatte.
Im Hinblick auf die Erreichung der endgültigen kommunist. Gesellschaftsordnung
erweiterten die Nachfolger Lenins (bes. Stalin) die Formationstheorie um
mehrere Zwischenstufen. Der XVIII. Parteitag (1939) verkündete den
allmählichen Übergang vom Sozialismus zum K. Auf dem XXI. Parteitag
(1959) sprach Chruschtschow vom Anbruch der Epoche des K., der Periode
des entfalteten Aufbaus des Sozialismus. Der Beschluß der KP Chinas,
mit Hilfe der {siehe:} Volkskommunen den Aufbau des Sozialismus vorzeitig
zu beenden und den Übergang zum K. einzuleiten, stieß auf den
Widerspruch der sowjet. Parteiführer und bildete eine der Ursachen
des Konfliktes zwischen Moskau und Peking.
Das Schicksal des Weltkommunismus hängt immer noch weitgehend
von der innersowjet. Entwicklung ab. Die Sowjetunion hat jedoch ihre Funktion
als einheitliches Führungszentrum verloren. Viele kommunistische Parteien
orientieren sich heute an den Prinzipien der Kommunistischen Partei Chinas,
Kubas (besonders in Lateinamerika), Jugoslawiens oder Italiens. Dieser
Differenzierungsprozeß geht trotz aller gegenläufigen Bemühungen
der Sowjetführung weiter. Von den rd. 160 Parteien, Gruppen und Zirkeln,
die sich z.Z. zum K. bekennen, gehören 90 bis 100 zur kommunist. Weltbewegung.
In 14 Staaten üben kommunist. Parteien - auf unterschiedliche Weise
- die Macht aus.
Die Entwicklung seit Stalins Tod hat das geschlossene Bild des K. stark
verändert. Die Bindung an die Sowjetunion ist für viele Kommunisten
gelockert oder sogar gelöst worden. Den sowj. K. trifft vielfach der
Vorwurf, die tragenden Ideen seiner Theorie durch Bürokratisierung,
Institutionaisierung und sowjet. Großmachtpolitik verfälscht
zu haben. Die kommunist. Parteien W-Europas nehmen neuerdings eine selbständigere
Haltung ein, die bis zur offenen Kritik an der Sowjetunion führt.
Ihrerseits werden sie von revolutionären und anarchist. Gruppen kritisiert,
die ihnen mangelnden revolutionären Eifer vorwerfen. Im Kampf um die
Vormachtstellung im kommunist. Lager unterstützt die KP Chinas alle
gegen die Sowjetunion gerichteten Bestrebungen. Eine eigene Note bringt
der kuban. Kommunismus.
Im Westen hat sich die betont antikommunist. Haltung eher abgeschwächt.
Nicht nur das Auftreten der {siehe:} Neuen Linken, sondern auch die Hoffnung
auf eine "friedliche Koexistenz" haben hierzu beigetragen.
Auch bei den christl. Kirchen läßt sich diese Tendenz
feststellen: Die Kath. Kirche, die den K. früher bedingungslos verurteilte,
lehnt ihn zwar weiterhin ab, soweit er materialistisch und atheistisch
ist, läßt jedoch Anlauf der Suche nach einem Dialog erkennen,
daß ein weltanschaulich neutraler K. mit der kath. Glaubens- und
Sittenlehre vereinbar sein könnte (Konzilsdekret (siehe:) Gaudium
et spes, 1965; Gründung des Sekretariats für die Nichtglaubenden,
1965; Enzyklika (siehe:) Progressio populorum, 1967). Innerhalb der evang.
Kirchen dienen zahlreiche Institutionen dem Dialog mit dem K. (Studienkommission
der Evang. Akademien, Marxismus-Kommission der Evang. Studiengemeinschaft),
ebenso Publikationen ("Marxismus-Studien", bisher 6 Folgen). Polit. Auswirkungen
dieser Arbeit sind allerdings noch kaum zu spüren.
1918-1933. In Dtl. entstand während des ersten Weltkrieges der (siehe:) Spartakusbund, der sich zeitweise der USPD anschloß. Im Dezember 1918 trennte er sich unter Führung von KARL LIEBKNECHT und ROSA LUXEMBURG von dieser und bildete sich zusammen mit den "Bremer Linksradikalen" zur Kommunist. Partei Dtl.s (KPD) um. Auf dem Gründungsparteitag (30.12.1918-1.1.1919) wurde das von R. Luxemburg entworfene Programm angenommen, dessen Ziel eine "einheitliche deutsche sozialist. Republik" mit Räteverfassung und sozialisierter Gesellschaft war. Bis 1923 trat die Partei, von der Komintern unterstützt, vorwiegend mit Aufstandsplänen sowie entsprechenden Aktionen hervor, so bes. in Berlin (Januar 1919), in München (April 1919; Ausrufung der Räterepublik), im Ruhrgebiet (März/April 1920), in Thüringen und im Vogtland (März 1921 unter M. HÖLZ), in Thüringen, Sachsen, Hamburg (1923). Obgleich die KPD in dieser Zeit wuchs, scheiterten die Aufstandsversuche, geriet sie in schwere Konflikte innerhalb ihrer Führung und in ihrem Verhältnis zur Komintern. Deren Leitung unterwarf sie sich erst allmählich in den 20er Jahren. Den wenig erfolgreichen Parteiführern P. LEVI, E. MEYER, BRANDLER, die als "Rechte" einer "Einheitsfront" mit der SPD zuneigten, folgte 1924 die "Linke" unter A. MASLOV und RUTH FISCHER. Damit begann die "Bolschewisierung" in enger Beziehung zu G. SINOWJEW. Doch erlag die "linke" Parteiführung seit 1925 der Stalinschen Gleichschaltung, durch die E. THÄLMANN an die Spitze der Partei kam. Im Rahmen einer "ultralinken" Taktik, die für die Jahre der Wirtschafts- und Staatskrise (1929-34) maßgebend blieb, wurden die Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" zum Hauptfeind erklärt. Damit wurde bewußt ein Zuaummengehen der KPD mit den demokrat. Parteien angesichts des aufsteigenden Nationalsozialismus verhindert. Die KPD stieg bis Ende 1932 auf fast 6 Mill. Wähler (16,9 %) und über 300000 Mitgl.(1924 etwa 150000), 1924 wurde der Rote Frontkämpferbund gegründet.
1933-45. Nach dem Reichstagsbrand vom 27.2. 1933 wurde die KPD von der nat.-soz. Reg. aufgelöst, ihre Funktionäre verhaftet. Die Partei formierte sich illegal, von der Inlandsleitung in Berlin und der Emigrationsfführung in Prag und Paris angeleitet. Durch Verhaftungswellen dezimiert (1936/37: fast 20000), gab es seit 1938 nur noch kleine kommunist. Zirkel. Die Parteilinie war bereits auf der "Brüsseler Konferenz" (1935 in Moskau) geändert worden: Unter Aufgabe der "ultralinken Taktik" strebte sie eine Zusammenarbeit mit allen Antifaschisten an. Statt eines Sowjetdeutschland forderte die Partei eine demokrat. Republik. An Stelle des inhaftierten Parteiführers E. Thälmann wurde W. PIECK Partei-Vors. Einflußreich im Politbüro war W. ULBRICHT. Die "Berner Konferenz" (1939 bei Paris) befürwortete eine Einheitspartei aller Sozialisten. In Dtl. bildeten sich nach 1941 wieder starke kommunist. Widerstandsgruppen. Diese unabhängig von Moskau operierenden KPD-Gruppen wurden 1944/45 von der nat.-soz. Reg. zerschlagen, ihre Führer hingerichtet.
Die KPD seit 1945. In den westl. Besatzungszoren Dtl.s wurde 1945 die KPD von den Besatzungsmächten lizenziert; in mehreren Landes-Reg. war Sie vertreten, ebenso in den Entnazifizierungskammern. Sie verlor jedoch mehr und mehr an Einfluß. Die KPD (Erster Sekretär seit 1949 M. REIMANN) wandte sich scharf gegen die Gründung der Bundesrep. Dtl. und verlegte ihre Tätigkeit zunehmend in Tarnorganisationen. Im ersten Bundestag war sie mit 15 Abg. vertreten Mit 2,2 % der Stimmen beiden Bundestagswahlen 1953 scheiterte sie an der 5%-Klausel des Wahlgesetzes. Das Bundes-Verf.-Gericht erklärte am 17.8.1956 die KPD für verfassungswidrig und aufgelöst. Zugleich wurde verboten, Ersatzorganisationen zu schaffen. Seitdem führte die KPD nur in der Dt. Dem. Rep. in Abhängigkeit von der SED im Exil ein Schattendasein. Am 26.9.1968 konstituierte sich in der Bundes- rep. Dtl. eine Deutsche Kommunistische Partei (DKP), ohne daß von führenden Politikern der verbotenen KPD die Forderung nach Wiederzulassung ihrer Organisation fallen gelassen wurde.
In der sowjet. Besatzungszone Deutschlands schlossen sich am 22.4.1946
unter starkem Druck auf die Sozialdemokratie SPD und KPD zur (siehe:) Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands zusammen.
In Österreich hatte die KP 1919-34 keinen stärkeren Anhang, da die Sozialdemokratie die sozialrevolutionären Kräfte an sich zu binden verstand. Auch nach der Neugründung der seit 1934 verbotenen Kommunist. Partei Österreichs (KPÖ) 1945 blieben dem K. stärkere Erfolge versagt. Der tschech. Reform-K. und die Sowjet. Militärintervention in der Tschechoslowakei führten zu schweren innerparteil. Auseinandersetzungen (Ausschluß des Parteitheoretikers E.FISCHER).
In der Schweiz wurde 1921 eine KP gegründet. Nach ihrem Verbot (1940-45) entstand sie als "Partei der Arbeit" (PdA) neu, blieb aber ohne Bedeutung.
Die KP der Tschechoslowakei (KPC {Ccaron}) entstand 1921 in Prag auf dem Vereinigungskongreß "linker Gruppierungen". Unter dem Vorsitz von B. SMERAL {Scaron} (bis 1924), J. HAKEN (bis 1929) und K. GOTTWALD (bis 1953) konnte sie sich bei den Parlamentswahlen stets über 10% der abgegebenen Stimmen sichern. 1938 verboten, wuchs sie nach 1945 von 26000 Mitgl. auf 2,42 Mill. (1948). Am 25.2.1948 übernahm sie die alleinige Macht in der CSSR{Ccaron}. Säuberungen ({siehe:} Slánský, Verurteilung der slowak. "bourgeonisen Nationalisten") erschütterten die Partei in den 50er Jahren. Unter dem Eindruck der seit dem XX. und XXII. Kongreß der KPdSU eingetretenen Veränderungen setzten sich seit 1963 langsam Liberalisierungstendenzen durch, die im Januar 1968 nach dem Rücktritt des ersten Sekretärs A. NOVOTNY (1953-68) unter A. DUBCEK {Ccaron} in das kurze Experiment des "humanitären Sozialismus" mündeten.
Unter dem neuen ersten Sekretär G. HUSÁK (seit April 1969) haben die "konservativen", ideologisch strikt nach Moskau ausgerichteten Kräfte in der Partei die Oberhand gewonnen.
In Polen schlossen sich 1918 die {siehe:} Sozialdemokratie des Kgr. Polen und Litauen und die polnische sozialist. Partei-Linke zur Kommunist. Arbeiterpartei Polens zusammen. 1920 wandte sich diese gegen den Krieg mit Sowjetrußland, rief 1926 den Generalstreik aus und begünstigte den Staatsstreich J. PILSUDSKIS {Lslash}. Durch Verhaftungen und Prozesse dezimiert, wurde sie 1938 von der Komintern aufgelöst. 1942 wurde sie im Untergrund als Polnische Arbeiterpartei wiedergegründet. Über das {siehe:}Lubliner Komitee konnten die Partei und die ihr angeschlossenen Organisationen bis Juli 1945 mit Unterstützung der Sowjetunion den bestimmenden Einfluß erringen. 1948 wurde Gen.-Sekretär W. GOMULKA {Lslash} (seit 1943), der für größere Selbständigkeit von Partei und Staat gegenüber der Sowjetunion eintrat, auf Betreiben der Gruppe um Staatspräs. B. BIERUT abgesetzt. Bierut, der sich für enge Anlehnung an die Sowjetunion einsetzte, wurde Gen. Sekr. der KP und übernahm danach die Führung der Polnischen Verein. Arbeiterpartei (Zusammenschluß der KP und der {siehe:}Polnischen Sozialist. Partei). Nach dem Posener Aufstand wurde W. Gomulka {lslash}1956 wieder Gen.-Sekretär der Partei. Die an seine Person geknüpften Hoffnungen auf Liberalisierung des innenpolit. Lebens erfüllten sich nicht.
In Ungarn wurde 1918 die KP von einer aus Rußland heimgekehrten Gruppe unter Führung von B.KUN gegründet. Sie übte in der Ungar. Räterepublik (21.3. bis 1.8.1919) die Regierungsgewalt aus. Nach deren Zusammenbruch arbeitete die KP illegal. Im zweiten Weltkrieg war sie Kern der Widerstandsbewegung ({siehe:}"Märzfront"), doch wurde sie 1943 auf Geheiß Moskaus aufgelöst. Im Sept.1944 wurde die MKP (Ungar. Kommunist. Partei) unter Führung M. RÁKOSIS organisiert und gewann mit Hilfe der sowjet. Besatzungsmacht eine führende Rolle bei der staatl. Neuordnung. Bei den Wahlen 1946 und 1947 erhielt sie rd. 20 % der Stimmen. Sie beseitigte 1947-48 die Opposition und zwang 1948 die Sozialdemonkraten zur Fusion im Rahmen der MDP (Ungar. Partei der Werktätigen). Diese wurde diktator. Einheitspartei stalinist. Prägung; eine mögliche innerparteil. Opposition wurde in den Prozessen gegen L. RAJK u. a. 1949-50 beseitigt. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU mußte RÁKOSI 1956 die Parteiführung einem ebenso dogmat. Stalinisten, E. GERÖ, übergeben. Der Aufstand vom 23.10. bis 5.11.1956 zerstörte die MDP. Am 31.10.1956 wurde eine neue KP von I. NAGY, G. LUKÁCS, J. KÁDÁR u. a. gegründet: die MSzMP (Ungar. Sozialist. Arbeiterpartei), die nach Wiederherstellung des Einparteiensystems unter J. Kádár zur Regierungspartei wurde. Sie zählte 1961 über 480000 Mitglieder.
Die 1920 gegr. jugoslaw. KP wurde noch im gleichen Jahr mit 58 Mandaten drittstärkste Partei, wurde jedoch 1929 verboten. In der Illegalität stieg 1937 J. BROZ TITO zum Gen.-Sekretär auf. Im zweiten Weltkrieg führte er die kommunistisch gelenkte Nationale Befreiungsfront zum Siege über die innenpolit. Gegner. 1952 in Bund der Kommunisten Jugoslawiens umbenannt, hat die Partei (Januar 1967) 1,1 Mill. Mitglieder. In M. DJILAS und E. KARDELJ hat sie bedeutende Theoretiker hervorgebracht.
Die 1921 gegründete KP Rumäniens wurde schon 1924 verboten. Als Splittergruppe lenkte sie die 1944 gebildete Nationaldemokratische Front. Im Februar 1948 erzwang sie ihren Zusammenschluß mit den Sozialdemokraten in der Rumän. Arbeiterpartei. 1965 wieder in KP umbenannt, umfaßt sie (1967) 1,7 Mill Mitglider. Gen.-Sekretär G.GHEORGIU-DEJ(1945-65) zielte mit seinem polit. Kurs auf größere Unabhängigkeit im Rahmen des Ostblocks. Diese Politik wurde von seinem Nachfolger N.CEAUSESCU {1st S is Scedilla} fortgesetzt.
1919 gegründet, hatte die KP Bulgariens durch die Verbindung mit der Agrarunion STAMBULJISKIS großen Einfluß, wurde aber nach dem September-Aufstand 1923 verboten. Seit 1938 unter der Tarnbezeichnung "Arbeiterpartei", bildete sie 1942 mit anderen Gruppen die "Vaterländische Front", die im September 1944 durch einen Putsch an die Macht kam. 1948 wieder in KP umbenannt, verdankt sie ihr internationales Ansehen G. DIMITROW (Gen.-Sekretär 1948 bis 1949). Seit 1962 steht T.SCHIWKOW an der Spitze der Partei (1966: 615000 Mitgl.).
In Albanien wurde die KP mit Unterstützung durch jugoslaw. Kommunisten gegründet. Im zweiten Weltkrieg lenkte sie die "Nationale Widerstandsbewegung" und schaltete unter ihrem Gen.-Sekretär E.HOXHA alle polit. Gegner aus. Im Streit zwischen der KPdSU und der KP Chinas unterstützte sie China. Seit 1948 in "Albanische Partei der Arbeit" umbenannt, zählte sie 1966 : 63000 Mitgl.
In Frankreich spalteten sich die Sozialisten nach Gründung der
Komintern (1919). Unter dem Einfluß M. CACHINS beschloß der
sozialist. Kongreß in Tours (1920) die Gründung einer KP. 1930
wurde M. THOREZ Gen.-Sekretär, neben ihm stieg J. DUCLOS zu einem
der führenden Politiker auf. Nach dem Beschluß der Kom intern
(1935), die scharfe Frontstellung gegen Parlamentarismus und gemäßigte
sozialist. Gruppen zugunsten einer Volksfrontpolitik aufzugeben, traten
die Kommunisten 1936 in das Volksfront-Kabinett L. BLUM (Sozialist) ein.
Sie errangen im gleichen Jahr 72 Mandate in der Kammer.
Als sich die Partei 1939 im Hinblick auf den dt.sowjet. Nichtangriffspakt
gegen den "kapitalist. Krieg" Frankreichs wandte, wurde sie verboten. Nach
den dt. Angriff auf die Sowjetunion (1941) stießen die Kommunisten
zur Widerstandsbewegung und spielten in ihr eine immer stärkere Rolle.
1943 wurden sie in die provisor. Regierung DE GAULLES aufgenommen. Zu Beginn
der IV. Republik stieg die Zahl der Mandate stark an (1946: 28,6% der Stimmen,
163 Sitze). Min.Präs. P.RAMADIER schloß unter dem Druck des
Ost- West-Konfliktes die kommunist. Minister aus seinem Kabinett aus. Seither
blieb die KPF innenpolitisch isoliert. Mit dem wirtschaftl. Aufstieg nach
1945 sank der Stimmanteil der KPF, um sich bei etwa 20% zu stabilisieren.
Das ungünstige Wahlrecht führte bes. seit 1958 zu starker Reduzierung
ihrer Parlamentssitze (u.a. 1958:10 Sitze, 1967:73, 1969:34). Während
die Partei nach Gründung der V. Republik die französ. Außenpolitik
bes. gegenüber den kommunist. Staaten unterstützte, bekämpfte
sie innenpolitisch das gaullist. Regierungssystem. Sie unterstützte
die {siehe:} Linksföderation F. MITTERANDS. Bei den Mai-Unruhen 1968
ging sie auf die revolutionären Ziele student. Gruppen nicht ein.
Seit 1964 steht sie unter Führung des Gen.- Sekretärs WALDECK-ROCHET.
Die KP Belgiens (gegr. 1921) und die KP der Niederlande (gegr. 1919) waren im zweiten Weltkrieg innerhalb der Widerstandsbewegung gegen die dt. Besatzungsmacht aktiv. Unmittelbar nach 1945 gewannen sie kurzfristig größere innenpolit. Bedeutung.
In Großbritannien ist die KP organisatorisch schwach (weniger als 50000 Mitgl.). Doch hat der Kommunismus einen gewissen Rückhalt in den linksradikalen Teilen der Gewerkschaftsbewegung.
In Italien bildete sich am 30.11.1920 innerhalb der sozialist. Partei
eine kommunist. Fraktion. Auf dem Parteikongreß in Livorno schieden
die Komministen aus und begründeten die Kommunist. Partei Italiens.
Erster Parteiführer wurde BORDIGA, dem 1924 A. GRAMSCI folgte. Die
Partei wurde 1926 von der faschist. Regierung verboten, lebte aber illegal
weiter und hatte an der Widerstandsbewegung gegen den Faschismus und am
Partisanenkrieg (1944/45) großen Anteil. Im Comitato di Liberazione
Nazionale (CLN) arbeitete sie eng mit anderen antifaschist. Parteien
zusammen ({siehe:}Italienische Geschichte). Die von PC.TOGLIATTI
nach Kriegsende zunächst verfolgte Befriedungspolitik (Beteiligung
an den ersten Nachkriegskabinetten; Anerkennung der Lateranverträge
von 1929) ging im Mai 1947 mit dem Ausschluß aus der Regierung zu
Ende. Der Versuch legaler Machteroberung im Bündnis mit den Sozialisten
scheiterte bei den Wahlen vom April 1948. Die weitere Entwicklung wurde
durch langsamen, aber regelmäßigen Anstieg der Wählerstimmen
gekennzeichnet (1953:22,6 %; 1958: 22,7%; 1963: 25,3%; 1968: 26,9%), bei
gleichzeitigerAbnahme der Mitgliederzahlen (1948: 2,3Mill.; 1968: 1,5Mill.,
damit immer noch weitaus mitgliederstärkste KP außerhalb des
Ostblocks). Durch die allmähliche Hinwendung der Sozialisten zu den
Parteien der Mitte und deren Eintritt in die Regierung geriet die KPI aber
immer mehr in Isolierung. Erst der von JOHANNES XXIII. mit ihr begonnene
Dialog öffnet neue Perspektiven.
Im Weltkommunismus verfolgt die italien. KP seit Beginn des Konflikts
zwischen Moskau und Peking zunehmend eine eigene Linie (Togliattis Schlagwort
von der Einheit in Vielheit, Polyzentrismus); Parteisekr. ist seit
1964 L. LONGO.
Die KP Griechenlands (gegr. 1920), erstmals 1926, dann wieder 1936 verboten, löste 1944 mit der 1941 geschaffenen Widerstandsonrganisationn, der {siehe:} E. A. M., den Bürgerkrieg aus. 1947 erneut verboten, wirkte sie seit 1951 bis zum Militärputsch 1967 in der Verein. Demokrat. Linken.
In Finnland versuchte die KP (1918 gegr.) im Bürgerkrieg (1918)
vergeblich, die neue unabhängige Regierung des Landes mit Hilfe der
russ. Bolschewiki zu stürzen. 1930-44 verboten, nimmt sie seitdem
in der finn. Innenpolitik eine bedeutende Stellung ein. Im Reichstag ist
sie durch die VolksdemokraL Union vertreten. Sie gewann u.a. 1951: 45,
1961: 50, 1966:
41 Sitze (von 200). Zwischen 1948 und 1966 war sie politisch isoliert.
ln den Verein. Staaten ist die 1919 gegr. KP unbedeutend (höchste Mitgliederzahl 1944: rd. 80000). Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise und des Bündnisses der Verein. Staaten mit der Sowjetunion im zweiten Weltkrieg fand der K. bes. unter den Intellektuellen Anhänger, was ihm eine gewisse Infiltration in Regierungskreise ermöglichte. Enthüllungen und Spionagefälle führten seit 1950 zu einer Verfolgungswelle ({siehe:} McCarthyismus). Untersuchungen durch FBI und die ordentl. Gerichte wie auch durch parlamentar. Ausschüsse (Senat- Unterausschuß für unamerikan. Tätigkeiten unter J. McCarthy) führten zur Entfernung Tausender von angeblichen Kommunisten ("Sicherheits-Risiken") aus dem öffentl. Leben. Gesetze vou 1940, 1951 und 1954 sollten eine strenge Kontrolle des K. ermöglichen und bildeten die Grundlage für den Ausschluß konmmunistisch infiltrierter Gewerkschaften aus dem Gewerkschaftsbund AFL/CIO.
Der K. erhält in Lateinamerika Gewicht, wo er mit dem meist gegen die Verein. Staaten gerichteten Nationalismus der einzelnen Staaten verschmilzt, z. B. in Kuba. Dort entwickelte er sich zu einer nationalen Sonderform (Castrismus). Frühere Versuche, kommunistisch geführte Staaten zu errichten (z. B. die Forderug der KP Perus 1931 nach der Bildung selbständiger Aimara- und Ketschua-Republiken oder der Plan einer Sowjetrepublik Chile 1931/32) sind gescheitert. Eine gewisse Bedeutung erlangte die KP Brasiliens in den 20er Jahren unter C.L.PRESTES. Seit dem zweiten Weltkrieg dient bes. Uruguay als Basis kommunist. Infiltration in die Nachbarrepubliken.
In Schwarzafrika trat der K. erst nach 1945 in Erscheinung. Die Groupes
dEtudes Communistes spielten in einigen französ. Konlonnien (Senegal,
Elfenbeinküste) eine Rolle bei der Gründung der nationalen Befreiungsbewegungen.
Auch gehörten die meisten Gewerkschaften in Französisch-Schwarzafrika
bis 1955 über die kommunistisch orientierte französ. Gewerkschaftsorganisation
CGT dem kommunist. Weltgewerkschaftsbund an. In Kamerun wandte sich
die Union des Populations du Cameroun (UPC) nach ihremVerbot 1955
dem K. zu. In Senega1 gründeten kommunist. intellektuelle 1957 den
Parti Africain de lIndépendance; er ist seit 1961 verboten.
In Nigeria bestand 1963-66 die kommunist. Workers and Farmers Party.
In den meisten arab. Staaten sind die kommunist. Parteien verboten.
Der Einfluß der Sowjetunion verstärkte sich jedoch bes. in den
sozialistisch Orientierten Staaten.
In Indien wurde 1920 eine KP von M. N. ROY gegründet, doch entstand erst 1932 die eigentl. KP. Der zweite Weltkrieg war für die Kommunisten zunächst ein "imperialistischer Krieg", der erst mit dem dt. Angriff auf die Sowjetunion zum "Volkskrieg" wurde. Die ind. Kommunisten arbeiteten nun mit der brit. Kolonialmacht zusammen, was sie politisch isolierte. Nach 1945 verfolgten sie vorübergehend eine radikale Linie (Bauernaufstände), versuchten dann aber, auf parlamentar. Wege zur Macht zu kommen (1952: 3,5 Mill., 1957, 1962 und 1967 jeweils 10-12 Mill. Stimmen). 1957 gelang es der KP, in {siehe:}Kerala erstmalig eine Landesregierung zu bilden. Der chines. Angriff auf Indien und der chinesisch-sowjet. Konflikt führten 1964 zu einer Spaltung: Neben der alten Partei entstand die Communist Party of lndia (Marxist).
In Indonesien bildete sich 1947 eine KP. Der kommunistisch gelenkte Madiun-Aufstand (1948) in Ost-Sumatra führte zum Verbot der Partei und zur Verfolgung vieler ihrer Mitgl. Nach ihrer Wiederzulassung konnte die KP unter ihrem Gen.-Sekretär D.N.AIDIT (1951-65) eine führende Stellung innerhalb der "Gelenkten Demokratie" des Präs. Sukarno erringen. Sie stieg im Laufe weniger Jahre von 4000 auf 2,5 Mill. Mitgl. Die Stärke der von ihr beeinflußten Massenorganisationen (Frauen-, Jugend-, Bauern- Verbände u. a.) betrug 1965 rd. 10 Mill. Im Streit zwischen Moskau und Peking neigte die Partei China zu, suchte aber zu vermitteln. Der kommunist. Putseh vom 30.9.1965 wurde von der Armee niedergeschlagen. Die Organisation der Partei wurde vernichtet. Armee und antikommunist. Moslemorganisationen töteten Tausende von Kommunisten.
Vietnam. 1930 gründete HO SCHI MIN in Hongkong die KP Indochinas. Im Rahmen der Liga der Verbände für die Unabhängigkeit Vietnams ({siehe:} Vietmin) führte sie einen erfolgreichen Guerilla-Krieg gegen die französ. Kolonialmacht in Indochina. 1951 in Lao Dong (Partei der Vietnames. Werktätigen) umbenannt, ist sie seit 1954 die staatstragende Partei Nord-Vietnams. Sie unterstützt seitdem die kommunistisch bestimmte Nationale Befreiungsfront Süd-Vietnams. Im Streit zwischen Moskau und Peking suchte Ho Schi Min eine vermittelnde Stellung einzunehmen.
{siehe:}Chiliasmus - China - Dialektischer Materialismus - Engels - Historischer Materialismus - Internationale - Komintern - Kommunistisches Manifest - Lenin - Marx - Marxismus - Sowjetunion - Stalin - Utopie.
E. BUCHARIN u. E. PREOBRASCHENSKY: Das ABC des K. (1920);
M. DJILAS: Die neue Klasse (1957); ders.: Gespräche mit Stalin (1962);
T. RAMM in: Marxismusstudien, 2. F. (1957); Hb. des Welt-K., hg. v. M.
BOCHENSKI (1958); R. FISCHER: Die Umformung der Sowjetgesellschaft (1958);
E. NOHARA: Der K., Dokumente (1958); R. N. C. HUNT: Books on communism
(London 1959); P. WILES in: Osteuropa, 10. Jg. (1960); Z. K BRZEZINSKI:
Der Sowjetblock (1962); B. MEISSNER: Das Parteiprogramm der KPdSU 1903-1961
(1962); ders.: Die Breschnew Doktrin (1969); H HAMM u. J. KUN: Das rote
Schisma (1963); R.LÖWENTHAL Chruschtschow und der Welt-Kommunismus
(1963); E.S.SALTER u S.THOMAS: Tb. des Kommunismus (1963); H WEBER: Konflikte
im Welt-K. (1964); ders.: Die Kommunistische Internationale (1966); Der
Sowjet Kommunismus, Dokumente hg v H.J.LIEBER u. K.H.RUFFMANN (1963/64);
J.STAMMHAMMER: Bibliographie des Sozialismus und K., 3 Bde, 1893-1909 (1963-64);
Communism in Europe, hg v. W.E.GRIFFITH (1964); H. MARCUSE: Die Gesellschaftslehre
des Sowjet Marxismus (1964); K. in Gesch. und Gegenwart, hg. v. K.-H.RUFFMANN
(1964, 1966); H.SETON-WATSON: Nationalism and communism (London 1964);
M.FAINSOD: Wie Rußland regiert wird (1965); ...