© Neues Elsaß-Lothringen, 1998 - Nationalforum Elsaß-Lothringen |
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"Bitte nicht lachen!"
Absolut unerhört! Die französi-sche gaullistisch - sozialistische Führung, allen voran Staatspräsi-dent Jacques Chirac und Fi-nanzminister Dominique Strauss-Kahn, haben beim letz-ten Gipfel um die Ernennung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) erneut bewie-sen, wie sehr sie rückwärts und widerwillen nach Europa tendie-ren. Wenn alle andere Regie-rungs- und Staatschefs sich einig waren, daß vor allem das Kriteri-um der Kompetenz in der Wahl wiegen sollte und somit den Nie-derländer Wim Duisenberg be-vorzugten, der von den Zentral-banken selbst vorgeschlagen wor-den war, kamen sie jedoch mit stinkchauvinistischen Kriterien da, und verlangten, so Chirac wörtlich, daß "der ZEB-Präsident möglichst schnell ein Franzose sei..." und konnten sogar von ih-ren Partnern und Herrn Duisen-berg erpressen, daß letzterer sich im voraus öffentlich verpflichte sich spätestens nach vier Jahren zurückzuziehen, um dem franzö-sischen Kandidat Jean-Claude Trichet endlich Platz zu ma-chen...
Da dies eine Verletzung des Masstrichter Vertrags darstellt, der die Unabhängigkeit der EZB vorsieht, wurde Herr Dui-senberg soweit gedemütigt, daß er in seiner Erklärung mehrmals betonen sollte, "es sei seine eige-ne Entscheidung, vorzeitig zu-rückzutreten", obwohl er noch ein paar Tage davor erklärt hatte, daß er nur für einen vollen Mandat an der Spitze der EZB in Frage kä-me.
Chirac selbst war natürlich be-wußt, wie peinlich jenes französi-sche Getue eigentlich war, denn er sollte bei seiner Pressekonfe-renz, wo er über seinen "Erfolg für Frankreich und Europa" be-richtete, die Journalisten bitte, nicht darüber zu lachen, wenn es hieß, Herr Duisenberg möge nun wirklich absolut freiwillig nach vier Jahren zurücktreten.
Diese erste von Frankreich verur-sachte grobe Verletzung des Maa-strichter Vertrags wirkt schon als Präzedenzfall und läßt nicht zu sehr auf eine reibungslose Ver-wirklichung einer europäischen Wirtschafts- und Sozialeinheit hoffen. Daß der deutsche Bun-deskanzler Helmut Kohl sich den Franzosen nachgiebig zeigte, könnte ebenfalls bei den Bundes-tagswahlen im kommenden Sep-tember um so schwerer wiegen, als die kritischen Stimmen nun auch aus Reihen der Union zu hö-ren sind.
Jedenfalls ein harter Schlag Frankreichs gegen den europäi-schen Geist.
Karl Goschescheck
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