Löpa Berlin: Linksökologische pazifistische Anarchisten

Nachbetrachtung

 

Erster Mai Kinderfrei!

Hier eine kurze Nachbetrachtung zum 1. Mai 2001 von uns pazifistischen Löpas.

Es ist ja schön und gut, dass Innensenator Werthebachs Strategie nicht aufgegangen ist: Ob nun 18 Uhr-Demo oder nicht, Krawalle gibt es so oder so.

Ob jedoch Steine gegen die panzerglasgesicherten Scheiben eines Wasserwerfers die Revolution entfachen können, ist mehr als zweifelhaft. Dass die BesitzerInnen der Fahrräder, die den Wannen entgegen geschleudert wurden, nun ein ökologisches Fortbewegungsmittel weniger haben, ist unstrittig. Das war schlicht und einfach gesagt scheiße. Bei Autos könnte mensch noch was faseln von "kapitalistischen Energiefressern" oder ähnliches, aber da könnte der Inhaber oder die Inhaberin aus Kreuzberg was ganz anderes erzählen.

Das nur vorweg.

Was uns am meisten und ganz entscheidend gestört hat, war die Mobilisierung der demonstrierenden Massen zum Mariannenplatz, auf dem ein Volksfest im Gange war. Einerseits war es natürlich Werthebachs Schuld, dass der Oranienplatz passé war, aber wieso zum Beispiel nicht einfach am Kottbusser Tor bleiben (oder für ganz Verwegene: zum Kanzleramt)?

Wir haben noch nie am 1. Mai so viele weinende Kinder gesehen! Ein türkischer Getränkeverkäufer auf dem Mariannenplatz schützte seinen weinenden Sohn wie der palästinensische Vater vor einigen Monaten sein Kind vor Geschossen. Eine Familie versteckte sich in den Büschen zwischen Mariannenplatz und Bethanienkrankenhaus. Ein Mädchen zog weinend ihre Mutter fort, das frisch angeschminkte Katzengesicht schon wieder verwaschen. Das war einfach scheiße! Erst was von Revolution und Gerechtigkeit brüllen und dann Steine in die eigene Menge. Oh Mensch, das war bitter mit anzusehen!

"Die Freiheit stirbt mit Sicherheit" war das Motto des Leittransparents? Wenn einige Steinewerfer zuviel Freiheit haben, scheint im Umkehrschluss auch die Sicherheit zu sterben.

Genauso wie wir die Berichte der B.Z. polemisch finden, in denen von Chaoten die Rede ist, finden wir es heuchlerisch, sich darüber aufzuregen, dass die Polizei die Kinderhüpfburg mit dem Wasserwerfer beschossen hat.

Wenn 1.-Mai-Aktionen, dann bitte fair. Für Kinder sind vermummte Autonome keine Volksfront zur Befreiung der Unterdrückten (beachte B.Z. "Es gibt keine Unterdrückung in Deutschland") sondern nur böse schwarze Männer. Die Überlegungen, die Demos oder jetzt Ersatzhandlungen nicht in Kreuzberg sondern in der Neuen Mitte abzuhalten, sollten wieder angestrengt werden. Auch die DGB-Demo findet jedes Jahr statt. Falls die Faschos sich ihre 1.Mai-Provokationen zur Gewohnheit machen sollten, gibt es noch mehr Wege, sie daran zu hindern. Unauffällig anziehen, um durch die Sperren zu kommen ist eine (wir meinen echt unauffällig). Ein anderer: Die Schleusungspunkte, von denen die Nazis mit S-Bahnen zur Demo gekarrt werden, sind so gut wie immer der S-Bhf Schönefeld und auch der Bahnhof Buch. Die Frankfurter hatten es dieses Jahr geschafft, eine U-Bahn mit Nazis zu stoppen, sollten wir dem nachstehen?

Also, sorgfältig planen für das nächste Jahr!
Weniger weinende Kinder, mehr Chaos!

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Als wir diesen Text über eine interne linke Mailingliste zur Diskussion stellen wollten, wurde uns dies verweigert und es entstand ein Briefwechsel, den wir in Auszügen dokumentieren wollen.

>Die armen Kinder - Tod dem deutschen Vaterland!!!

>Nun scheint ihr ja endlich im bürgerlichen Schoß der Agitation angelangt zu sein. In jeder
>"normalen Zeitung" ist zu lesen das die von euch so hochgeachtete Berliner Polizei die
>"Autonomen" in Richtung Mariannenplatz getrieben hat - es gab keine andere Richtung
>die noch möglich war.

erstens: an welcher stelle in unserer diskussionsmail zum 1. mai haben wir die polizei hochgelobt?
zweitens: "bürgerlicher schoß der agitation". blödsinn! was wir geschrieben haben, ist nicht auf dem mist "normaler zeitungen" gewachsen sondern aus unseren erlebnissen in der walpurgisnacht und speziell am mariannenplatz. klar, es ist so einfach, sich ausnahmsweise mal den massenmedien anzuschließen und nachzubeten, daß die armen autonomen ja zum mariannenplatz mussten. klar, es gab keine andere richtung, wenn du auf der oranienstrasse standest. aber vom mariannenplatz aus selber gab es mehrere wege nach draussen (die erst durch die krawalle eingeschränkt wurden), die ja auch normale festbesucher genutzt haben.
im nachhinein ist es hilfreich, auf renommierte zeitungen verweisen zu können und zu sagen "lest selber, die polizei hat es nicht anders gewollt"
wir glauben den zeitungen eh nicht alles und addieren unsere eigenen beobachtungen. mitglieder einiger gruppen des unabhängigen blocks, die im letzten jahr maßgeblich an der organisation des blocks auf der 18 uhr demo beteiligt waren, haben uns per mundpropaganda gebeten, zum mariannenplatz zu kommen, weil von dort "action" gemacht werden sollte. Am 1. mai oranienstrasse und schon auf dem kolle und im volxpark in der walpurgisnacht. die aab druckte flyer mit den mariannenplatzdaten und so weiter. wenn ihr uns weismachen wollt, allein die polizei ist dafür verantwortlich, dass es die ausschreitungen auf dem mariannenplatz gab, glauben wir das nicht.

>Außerdem scheint ihr nicht wirklich verstanden zu haben was am 1.Mai passiert - sind
>spontane Massenaktionen - die können nicht mal Anarchos regeln. Denn die meisten sind
>nicht organisiert - sondern nur unheimlich frustriert (berechtigt). Diese Mischung wird jedes
>Jahr von dem Innensenator und Polizeipräsident neu angeheizt und schon gibt es Bilder wie
>Feuer für die Medien.

aha.
erstens: wer sagt, dass anarchos alles regeln wollen? erst recht spontane massenaktionen?
zweitens: es stimmt, dass ein großer teil der leute, die an den krawallen teilnehmen, nicht organisiert sind. dass die organisierten leute denen aber die struktur erschaffen und sich von dem "insider-kreis" tragen lassen, blendet ihr aus. die frust der nichtorganisierten braucht sich aber nicht an fahrräder zu entladen. wir haben selbst zweifel, ob "bullen" wirklich das primäre ziel sind oder nicht nur stellvertretend für die mächtigen stehen, die sie eh nicht treffen können. der tritt von oben nach unten. Das ist genau das, was linke den rechten vorwerfen, am ersten mai praktiziert in reinform.

>Scheiben klirren - und ihr schreit
>Menschen sterben - und ihr schweigt!!!

ebenso interessante verabschiedung. wir haben nicht ob der zerbersteten bushaltestellenfenster gejammert, wir haben die gefährdung unbeteiligter beklagt. menschen sterben und wir schweigen. klaro.

>3. eure menschelnde art ist zwar nett - aber unpraktisch
>seht ihr ja selba an eurem Erfolg!

Beängstigend ist nur der Umkehrschluss: Unmenschlichkeit sei praktisch.

>>wir haben die gefährdung unbeteiligter beklagt.
>es gibt keine unbeteiligten Menschen - alle haben einen Teil zum
>bestehenden System beigetragen - ergo es gibt keine "Unschuldigen"

Na ja, das ist RAF-Philosophie, mit der auch der Mord an Putzfrauen gerechtfertigt wurde. Das ist aber wohl nur ein Beispiel der unterschiedlichen Gewaltdefinitionen.

>Wann habt ihr uns das letzte Mal eine Mail über Massaker an der
>Zivilbevölkerung in Kolumbien geschickt - noch nie - wie oft jammert
>ihr hier über die angebliche Gewalt der Autonomen Linken - nur!

Jetzt nicht übertreiben.
Wir können - ebensowenig wie ihr - uns aller Probleme weltweit annehmen. Dass wir "nur" über linke Gewalt jammern würden, stimmt auch nicht. Das war eine einmalige Mail.

 

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Diese Seite wurde zuletzt am 21.03.2004 aktualisiert.
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