Dirndl und Tracht

Deutsche Trachten

von
Uwe Karsten

 

In zahlreichen deutschen Landstrichen haben sich Volkstrachten bis heute lebendig erhalten.

Tracht das ist die aus Wirtschaft und Sitte in landschaftlicher, ständischer oder auch beruflicher Eigenart entstandene Kleidung des Volkes. Die Bezeichnung Volkstracht stammt aus der Zeit der Romantik, welche die bäuerliche Tracht für die dem Landvolk ureigene und von ihm selbst geschaffene Kleidung von alters her hielt. Erst später erkannte man, daß auch die Volkstracht einem Wandel unterliegt, der sich jedoch nur langsam und bedingt vollzieht. Die ersten bäuerlichen Trachten trifft man bereits im 16. Jahrhundert an. Vorher, im Mittelalter, unterschied sich die bäuerliche Tracht vom Kleid der Stadt nicht durch den Zuschnitt, sondern nur durch das gröbere Material, den mangelnden Schmuck und die vorwiegend graue Farbe sowie durch derbere Kopf und Fußbekleidung.

Die Neuzeit brachte eine verschärfte soziale Abstufung Edelmann, Bürger, Bauer mit sich.
Durch die Kleinstaatenbildung im Deutschen Reich nach dem Dreißigjährigen Krieg verstärkten sich die lokalen Unterschiede in der Kleidung zunehmend. Der Bürger war mehr als früher bestrebt, sich durch das Gewand vom Bauern abzuheben, der Hofbeamte erst recht von den beiden vorgenannten. Scharf umrissen traten die Gegensätze zwischen ländlicher und städtischer Tracht erst zutage, nachdem die Französische Revolution ( 1789) alle ständischen Unterschiede in der Tracht zugunsten einer einheitlichen Modetracht aufgehoben hatte. Diese Gleichstellung in der Kleidung bewirkte ein Erstarren der Formen und Farben der Volkstracht, die, soweit sie nicht im Laufe des 19. Jahrhunderts überhaupt aufgegeben wurde, sich nur noch im Zuschnitt ein wenig der Mode anglich.

Die Volkstracht folgt ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit und gestaltenden Kraft, und somit nur bedingt der Mode. Landschaft, Klima und Stammeszugehörigkeit wirken viel stärker formbildend auf die Volkstracht als irgendwelche kurzlebigen Zeitströmungen. Folgende Kleidungsstücke unterliegen besonders dem eigenen Ausdruckswillen der Volkstracht: Brusttuch, Leibchen oder Goller, Halskrause, Halstuch, Haube, Hemd, Hose, Hosenträger, Hut, Jacke, Kappe, Kittel, Kopftuch, Mantel, Mieder, Rock, Schuhe, Schürze, Stiefel, Strümpfe. Ein unabkömmlicher Bestandteil der Volkstracht ist der Schmuck.

Von großem Einfluß auf die farbige Wirkung der Tracht ist das Brusttuch der Frau, das als Batist, Musselin oder Spitzenfichu über dem tiefen Ausschnitt die Mode von den letzten Jahrzehnten des 1 8.Jahrhunderts bis 1 840 beherrscht.

Dreieckig gefaltet, bisweilen Schultern und Oberarm mit bedeckend, liegt es vorn übereinander geschlagen über dem Mieder oder verschwindet in dessen Ausschnitt. Bunt gestickte Blumenmuster ziehen sich den Rand entlang oder füllen das ganze Tuch, das am Rand häufig noch Fransen schmücken. Bisweilen war jede Hälfte des Tuches andersartig bestickt, so daß das gleiche Tuch sowohl als Fest wie als Trauertracht benutzt werden konnte. Der Vorgänger der Männerweste ist das Brusttuch des Mannes, das sich noch in mehreren alpenländischen Trachten erhalten hat. Die ältere Form, deren modisches Vorbild vielleicht in spätmittelalterlichen Kostümformen zu suchen ist, ist in den Alpen und Schwarzwaldtrachten überkommen. Sie zeigt ein aus zwei gleichen Teilen zusammengesetztes ärmellosem Oberkörpergewand, das an der linken Seite geschlossen wird. Die anderen Trachten haben als vielleicht schon von der Weste übernommene Neuerung vorne einen mit Knöpfen verschlossenen Schlitz. Das Material des Brusttuches ist Wolle, seine Farbe zumeist rot.

Das den südwestdeutschen, schweizerischen und "österreichischen Frauentrachten eigene Leibchen oder Goller entstammt der Modetracht des frühen 16. Jahrhunderts. Damals bedeckte es als breiter, runder Schulterkragen oder eng anliegen der, viereckiger und unter den Achseln zusammengefaßter Kragen, der wie eine kurze, enge Jacke wirkt, den tiefen Kleiderausschnitt. Diese letzte Form ist stark verkürzt in den Volkstrachten erhalten geblieben. Es liegt als schmaler viereckiger Kragen aus schwarzem Samt, besticktem oder mit Spitze besetztem Leinen, Tüll oder Mull, oder aus farbiger Seide mit Bortenbesatz um den Hals und wird mit Bändern unter den Armen festgebunden.

An den Frauenhauben zeigt sich die bäuerliche Gestaltungs- und Umbildungsfähigkeit am eindringlichsten. Wenn das bürgerliche Vorbild des 1? und 18. Jahrhunderts auch meist leicht erkennbar ist, so sind doch bei ebenso vielen Hauben die Beziehungen zur Mode bereits so gelockert und die Zutaten aus eigener Phantasie oft so bedeutend, daß das Ganze fast einer Neubildung gleichkommt. Ferner hat gerade die bürgerliche Tracht des 1? und 18. Jahrhunderts, vor allem in den Reichs und Freien Städten, eine Fülle eigener Frauenhauben hervorgebracht, die von der höfischen Modetracht ebenso weit entfernt sind wie die bäurischen, auf die sie wiederum einwirkten. In den niederdeutschen Hauben leben meist niederländische Formen des 1? Jahrhunderts nach, hauptsächlich die spitzenbesetzte Leinenhaube, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem unter der schwarzen Haube hervorsehenden Strich zusammenschrumpft. Die deutliche Abschnürung eines runden oder ovalen Haubenbodens, über die Ohren hinausgreifende Laschen sowie eine spitze oder zungenförmige Stirnschnebbe finden sich ebenfalls bei den Hauben des 18. Jahrhunderts, so daß etwa die Urbilder der schwäbischen Backenhauben sowie der Schnebbenhauben auch in jener Zeit zu suchen sein werden.

Die süddeutschen Florhauben dagegen gehen auf die den Kopf fest umschließende und mit einer Spitzenkrause besetzte Dormeuse des 18. Jahrhunderts zurück, deren kleines Halsband bei den alemannischen Hauben zur großen Schleife wurde. überhaupt ist der reiche Bänderschmuck bäuerliche Zutat, der bei den modischen Vorbildern nur schwache Andeutungen entsprechen. Er nimmt erst im 19. Jahrhundert größere Ausmaße an, wie auch viele Haubenformen erst dann ihre größte Ausdehnung erreichen. Die früher streng innegehaltene Unterscheidung zwischen Frauen und Mädchenhauben ist im Laufe des 19.Jahrhunderts vielfach aufgehoben worden. Früher war die Haube Abzeichen der verheirateten Frau wie dies in den Ausdrücken, „Haubentanz", „Haubenwein", „unter die Haube kommen", zu erkennen ist. In manchen Gegenden hatte die Haube eine magische Bedeutung. Wie der Mann die Zipfelmütze, nahm die Frau die Haube mit ins Grab.

Der Hut ist die festtägliche Kopfbedeckung des Bauern und hat vielfach modische Formen längst vergangener Trachten bewahrt. In dem in Oberbayern noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen Hut mit kegelförmigem Kopf und schmaler gerader Krempe lebt der spanische Hut des 16. Jahrhunderts weiter. Auch der plissierte Stoffbezug auf der Unterseite oder um den Hutkopf, der sich auch bei dem Südtiroler Hut findet, entstammt der gleichen Zeit.

Den Dreispitz des 18. Jahrhunderts behält der Bauer auch im 19.Jahrhundert bei. In einigen Gegenden wie in Franken oder Westfalen nimmt er besonders große Dimensionen an und nähert sich in Hessen schon der scharfkantigen Form des Zweispitzes. In dieser Zeit findet auch der Zylinder Eingang in die Volkstracht, die an dessen verschiedenen Entwicklungsstadien noch festhält, nachdem die Mode sie längst überholt hat. Schließlich ist auch der flache runde Hut des späten 18. Jahrhunderts erhalten geblieben. Farbige Filzhüte, zumeist in grau, braun oder grün, haben in erster Linie die Gebirgstrachten. Sonst herrscht überall der schwarze Filzhut vor. Strohhüte sind selten. In der Frauentracht wird der schon im 16.ahrhundert von der Bäuerin getragene flache, breite Strohhut noch im 19. Jahrhundert beibehalten (Ostfriesland, Elsaß). Die graziöse Linienführung des Rokoko zeigen noch die Schwingerhüte der Schwarzwaldtrachten. Hier lebt auch der Zylinder der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts fort, während in Norddeutschland die Strohschute der Biedermeierzeit sich vielfach bis in die Gegenwart als der beste Sonnenschutz bei der Feldarbeit erwiesen hat.

Die Kappe und Mütze ist die ursprünglichste, an keine Mode gebundene Form der Kopfbedeckung. Die Kappe ist meist aus Leder, aus einem einzigen Stück geschnitten oder aus mehreren keilförmig zugespitzten Teilen zusammengesetzt. Sie hat sich im Südwesten erhalten, wo sie eine bestickte oder aus dem Leder ausgeschnittene Randborte ziert. Die Mütze begegnet als Zipfelmütze, aus Wolle oder Leinengarn gestrickt, mit farbigen Zwickeln. Sie ist bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die typische Haustracht des Bürgers und Bauern und wird noch unter dem Hut aufbehalten. Die Burschentracht zeichnet sich meist durch eine auf die Husarenmütze um 1800 zurückführende Pelzmütze mit farbigem Tuchspiegel aus. Um einiges älter sind die gewölbten oder zylindrischen Pelz oder Wollmützen der Frauentrachten (Oberbayern), die vereinzelt noch heute getragen werden.

Das Kopftuch ist seit dem 15. Jahrhundert, wo es für die Bäuerin die hauptsächliche Kopfbedeckung ist, nicht mehr aus der ländlichen Tracht wegzudenken. Es wird von der Frau auch im Haus getragen, unter Hut oder Pelzmütze oder darüber geknotet. Als charakteristisch geknüpfte oder gesteckte Kopftracht tritt es hinter der festen Haube zurück, deren Stelle es bei einigen Trachten im 19. Jahrhundert wieder einnimmt (Inselfriesen). Bei manchen Trachten ist ein weißes Kopftuch auch Ausdruck der Trauer.

Mehrere Trachten haben die Halskrause des 16. und frühen 17. Jahrhunderts als modischen Überrest bewahrt. Als einzige Männertracht kennt sie die Hauensteiner Tracht in der Übergangsform von der Mühlsteinkrause zum flachen Kragen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. In der Frauentracht findet sich die leinene Halskrause, die auch von der Mode des frühen 19. Jahrhunderts wieder aufgenommen wird, sowohl in Norddeutschland wie im äußersten Süden.

Das leinene oder seidene Männerhalstuch, der Vorläufer unserer Krawatte, ist meist schwarz. Es wird um den Hemdkragen geknüpft und hängt über die Weste herab oder verschwindet in ihrem Ausschnitt. Farbige, gemusterte oder an den Ecken bestickte Halstücher sind selten. Das den unbedeckten Hals schützende Halstuch der Frauentracht wird bald im Nacken geknotet, wie das rotgemusterte der Schwälmerin, bald hängt es lose herab, wie das gestreifte der Vierländerin, oder die Enden werden durch die Achselträger des Mieders gezogen, wie das noch über dem weißen Leibchen sitzende Halstuch der alpenländischen Trachten.

Für den Zuschnitt des Hemdes ist als Grundmaß stets die gleichbleibende Breite der selbstgesponnenen Leinwand genommen worden. In der Hauensteiner Tracht lebt noch das Renaissancehemd des 16. Jahrhunderts weiter, bei dem die Ärmel nicht an der Achsel eingesetzt, sondern mit ihrer ganzen Stoffbreite bis an den Halsausschnitt geführt sind. Als Folge der größeren Stoffülle ergibt sich hierbei eine besonders enge Fältelung um den Hals. Der im übrigen immer wiederkehrende Hemdausschnitt setzt sich aus zwei gleichen, durch Achselstücke verbundenen Bahnen zusammen, in die die langen, am Handgelenk mit einem Bündchen abschließenden Ärmel eingesetzt sind. Ein Schlitz vorne ermöglicht das Hineinschlüpfen. Den Halsausschnitt umgibt ein hochstehend oder umgelegt getragener Kragen. Das Oberhemd der Frauentracht entspricht im Zuschnitt im wesentlichen dem Männerhemd, ist aber faltiger, da die gleiche Stoffmenge hier auf eine kleinere Figur verteilt werden muß. Statt des Kragens hat es meist einen mit Spitze oder Stickerei geschmückten Ausschnitt. Oft sitzt auch die zur Tracht gehörende Halskrause gleich am Hemd. Die Ärmellänge ist verschieden. Die Form des Renaissancehemdes kehrt auch bei der Frauentracht wieder. Das häufig unter dem meist kurzen Ärmelhemd angelegte Achselhemd, das sich aus Trägerleibchen und angekraustem oder durch Keile erweitertem Rock zusammensetzt, läßt sich sogar bis in das späte Mittelalter zurückverfolgen. Als spitzenbesetztes Tanzhemd erreicht es oft eine Weite von mehr als drei Metern.

Das Mieder ist das Kernstück der Rumpftracht. Ursprünglich zweiteilig, wurde es unter römischem Einfluß einteilig und so blieb es bis ins Mittelalter. Die burgundische und die spanische Mode bewirkten später erneut eine Zweiteilung. Das Mieder als enganliegendes, weit ausgeschnittenes Oberkörpergewand, das mit dem Kleiderrock noch fest verbunden ist, begegnet zum erstenmal in der Tracht um 1500. Dann löst es sich vom Rock und entwickelt sich zum Korsett, spielt aber auch weiterhin als Bestandteil des Kleides eine Rolle. Als selbständiges Kleidungsstück wird es zum wichtigen Bestandteil der bäuerlichen Frauentrachten. Die breite Schnürung über der Brust und der daruntersitzende durch Pappe gesteifte Stecker gehen auf die Mode des späten 17. und 18.ahrhunderts zurück. Zu Beginn des 19.ahrhunderts paßt es sich häufig der stark verkürzten Taille der Empiremode an und macht dann meist den ganzen modischen Formenwandel des 19.ahrhunderts mit. Den Schmuck des vorwiegend schwarzen Mieders bilden schwarzsamtene oder farbige Umrandung, Stickerei und Blendenverzierung längs der Nähte, Achselschleifen statt der schmalen Schulterteile und besonders die farbigen Schnürbänder oder die schweren mit Münzen behängten Silberketten der bayrischen Tracht. Der farbige Hauptreiz geht von dem buntbestickten, mit Band, Litze oder Flittern benähten, keilförmigen weichen Brustlatz oder gestreiften Stecker der Festtracht aus, der unter der Schnürung bisweilen hoch hinaufreicht.

Der knielange, leinene Kittel, die wesentliche Arbeitskleidung des Landmannes und der Fuhrleute, hat die gleichen Maße und denselben Schnitt wie das Hemd. Er ist auf den Achselstücken bestickt, häufig auch noch um die Halsöffnung und längs des von einer Schnur zusammengehaltenen vorderen Schlitzes. Seine Farbe war ursprünglich weiß mit weißer Stickerei. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts wird sie blau, während die Stickerei weiß bleibt oder auch in Schwarz oder Rot gehalten ist. Gleichzeitig wird der Kittel beträchtlich kürzer. Die Feiertags und Ausgangstracht des Bauern ist der ROCK, der fast allgemein von der Mode des 18.ahrhunderts stammt. Nur wenige Röcke gehen in ihrem Schnitt auf ältere Kostümformen zurück. Von der Mode des frühen 18. Jahrhunderts bewahrt der Rock meist die faltigen Schoßteile, die in Westfalen und Schaumburg in Anlehnung an die Empiremode besonders hoch ansetzen, die oft durchgehende Knöpfung und das Fehlen des Kragens. Das Länger- und Engerwerden des Rockes sowie das Aufkommen der Revers und des Kragens deutet bereits auf modische Einflüsse des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts hin, die häufig mit älteren Formen verschmolzen werden. Erst dem 19.ahrhundert gehört der lange zweireihige Schoßrock der Weizackertracht und der bis zu den Knöcheln reichende der schlesischen Tracht an. Als letzte Neuerung dringt mit der langen Hose der Gehrock in die ländliche Tracht ein und wird heute bei allen festlichen und feierlichen Gelegenheiten getragen. Den Frack kennt nur die den modischen Einflüssen sehr zugängliche rheinländische Tracht.

Der dunkle Männerrock besteht fast stets aus Tuch. Die bevorzugte Farbe ist dunkelblau, häufig mit rotem Futter und Aufschlägen, in Anlehnung an den Uniformrock des 18. Jahrhunderts. Daneben begegnet bei älteren Trachten auch ein schwarzer Tuchrock und bei einigen ein weißer Leinenrock mit rotem Futter.

Der Frauenrock ist ein weiter Wollrock seidene Festtagsröcke sind selten, der meist oberhalb der Knöchel abschließt, bei einigen Trachten bis zum Wadenansatz oder nur bis in die Kniekehle reicht. Zumeist ist die von der Schürze bedeckte Vorderbahn glatt, der andere Teil in dichte Falten gelegt, die bisweilen unterhalb des Rockbundes mehr als handbreit enger gereiht sind. Häufig ist das Mieder oder ein darunter getragenes Leibchen dem Rock angearbeitet. Als Schmuck dient der Randbesatz, der bei vielen Trachten ein letzter farbiger Rest ist. Er ist in den einzelnen Landschaften verschieden und vielfach noch nach den Lebensaltern abgestuft. Die oft zahlreich unter dem Kleiderrock getragenen Unterröcke aus dickem Fries, die auf dem Hüftwulst des Leibchens ruhen, haben ihre kräftige Farbe beibehalten. Der Rock ist Abzeichen der Frau wie die Hose das des Mannes. In Luxemburg hängte die Frau eine blaue Hose vors Haus, wenn der Mann über Nacht nicht heimkam. Das galt als Einladung an die Nachbarin zu einem Kaffeebesuch. Wenn umgekehrt der Mann allein blieb, hängte er eine blaue Schürze hinaus.

Statt des feiertäglichen Schoßrockes wird über Hemd und Weste auch die Jacke, (Janker, Joppe, Kamisol) gezogen, die bei vielen Trachten außerdem das besondere Kennzeichen der Burschentracht ist. Ihr Schnitt entspricht der Mode der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Nur Einzelheiten wie Rückenschößchen, dichte Knopfreihe, Fehlen des Kragens, zurück springende Ecken erinnern an das 18. Jahrhundert. Selbst die in ihrer Form auf das 1? Jahrhundert verweisenden Lodenjoppen der alpenländischen Trachten sind im 19. Jahrhundert vielfach rückwirkend von der an sie angelehnten Gebirgsschützenuniform beeinflußt worden. Die Jacke stimmt häufig mit der Weste überein, ist gerade geschnitten, meist zweireihig, mit Stehkragen oder Aufschlägen und hat in vielen Fällen die verkürzte Taille des frühen 19. Jahrhunderts beibehalten. Auch die Ärmeljacke der Frauentracht zeigt mehr als jedes andere Kleidungsstück die Einwirkung der Mode des 19. Jahrhunderts. Sowohl das kurze Jäckchen der Empirezeit (Dachau), wie die bis über die Hüften reichende lose Jacke der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Schlesien) sind in die Volkstracht eingedrungen. Die Ärmel geben, vom Schinkenärmel der Biedermeierzeit angefangen, fast alle modischen Wandlungen wider. Die Jacke ist dunkelfarbig, meist schwarz, aus Wolle, Samt oder Seide. Der Schmuck besteht in farbiger Umrandung (Schlesien), farbigem Futter (Schwarzwald) oder Stickerei und Knopfbesatz an Ärmeln und Vorderteilen (Vierlande, Altes Land).

Die Schürze gehört so sehr zum festen Bestand der Volkstracht, daß bei der Festkleidung ganz besonderer Wert auf sie gelegt wird. Sie ist gewöhnlich fast so lang wie der Rock. Wie dieser ist sie bisweilen eng gefältelt (hessisches Hinterland, Schwaben, Schwarzwald) oder in ihrem oberen Teil dicht gereiht (Vierlande). Das Material der Alltagsschürze ist einfarbiges (häufig blaues) oder gestreiftes Leinen. Die Festtagsschürze besteht aus schwarzer oder gemusterter Seide, belebt durch farbige Randborten oder bunte Stickerei, oder aus feinem, weißen Leinen, besticktem Tüll oder Mull mit Weißstickerei und Spitzen an den Einsätzen. Weiß ist häufig auch die Abendmahlschürze im Gegensatz zur bunten Festtracht.

Die Pluderhose des 16. Jahrhunderts ist die älteste Hosenform, die sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten hat. Als dicht gefältelte, bis zu den Knien reichende Hose begegnet sie in der älteren Hauensteiner Tracht. Auch die Pumphose des 1? Jahrhunderts lebt noch, seit 1800 stark verengt, in der Altenburger Tracht. Die meisten Trachten aber haben bis zu ihrem Absterben an der Kniehose des 18. Jahrhunderts mit Hosenlatz und Schnürung oder Riemen am Knie festgehalten. Stickerei oder Knopfbesatz längs des Latzes, der Taschenränder oder am Hosenbund schmückt die Hose. In Süddeutschland und den Alpenländern, wo sie kniefrei ist, wird sie von Hosenträgern gehalten. Im 19. Jahrhundert dringt dann die lange Hose bereits als Überleitung zur städtischen Mode vereinzelt in die Volkstracht ein, am frühesten wohl im Elsaß. Unabhängig von der Mode ist die fußfreie weite Hose der Küstenbewohner als Arbeitstracht; ihr Material ist meist Leinen. Ebenso ist die Pluderhose aus Leinen, während die Pump und Kniehosen aus Leder bestehen. Im 19. Jahrhundert tritt mit Ausnahme der Alpentrachten Wolle an die Stelle des Leders. Wo nicht die Naturfarbe des Leders überwiegt, sind die Hosen von dunkler Farbe, blau, braun, seltener grün. In manchen Gegenden herrscht die weiße Leinenhose vor. Die Hose der Festtracht ist meist schwarz.

Die Unterhose ist bei Männern seit dem 12. Jahrhundert gebräuchlich, bei Frauen seit dem 16. Jahrhundert. Der einfachen Landbevölkerung war sie jedoch bis in die jüngste Zeit entbehrlich. Bei der weiblichen Bevölkerung hat sich erst der billige und praktische städtische „Schlüpfer"® allgemein durchgesetzt.

Fruchtbarkeitsbedeutung hat die Hose, wenn vor oder bei der Aussaat die Körner oder Bohnen durch eine Hose geschüttet oder gesät werden. Als Abzeichen des Mannes und der Männlichkeit ziehen Konfirmanden und Firmlinge die erste lange Hose an. Zu sympathischer Kraftübertragung oder zur Dämonentäuschung liegt die Hose des Mannes auf dem Wöchnerinnenbett. In Schwänken und Fastnachtsspielen ist oft vom Hosenstreit die Rede. Oft heißt es: „Sie hat die Hosen an".

Während die städtische Mode die Hosenträger erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts kennt, kamen sie in der bäuerlichen Kleidung Süddeutschlands schon fast ein halbes Jahrhundert früher in Gebrauch. Meist bestehen sie aus zwei langen Lederriemen mit einem Quersteg über der Brust. Seltener ist die ältere, aus einem breiten Lederstreifen geschnittene Form mit der Querverbindung auf dem Rücken, die sich bei den Südtiroler Trachten findet. Als dritte Art bildeten sich die dreiteiligen Hosenträger mit der Y-förmigen Verstärkung heraus, die die schweren Bocklederpumphosen der Altenburger Tracht halten mußten. Der Schmuck besteht in bunter Stickerei, in den Alpenländern oft aus Federkielstickerei.

Der einfachste Mantel ist der „Kotzen" der Alpenbewohner, der mit einem Knopfloch versehene, rechteckige Überwurf aus grobem Loden. Ebenso zweckentsprechend wie einfach ist der in seiner Grundform aus dem Kreissegment entstandene ärmellose Mantel von verschiedener Weite und Länge, der sich vom Altertum bis in die Gegenwart bewährt hat und auch vom Bauern übergehängt wurde. Daneben tritt als Mantelform des frühen 19. Jahrhunderts der Kragenmantel, die Verbindung von Ärmelrock und Umhang mit annähernd gleicher Länge.

Auch der Frauenmantel ist ein ärmelloser Umhang, in dessen Zuschnitt und dichter Fältelung vielfach die Heuke des 15. und 16. Jahrhunderts nachlebt, am deutlichsten erkennbar in der schwarzen, als Trauertracht über den Kopf gezogenen Friesenhoike. Dem einfachen Wetterschutz der Älpler läßt sich das vor allem in Nord und Ostdeutschland noch heute nachweisbare leinene Regentuch an die Seite stellen, das beim Kirchgang zusammengerollt unter dem Arm getragen wird.

Den Handschuh kannten schon Perser, Griechen und Römer. Die Germanen hatten Fäustlinge. Im 11. Jahrhundert gehört der Handschuh jedoch schon zur Tracht der Vornehmen auf Reise und Jagd. Er wird ein wichtiger Teil der Ritterrüstung und hat symbolische Geltung (Belehnung, Botenzeichen, Herausforderung). Handschuhe zum liturgischen Gebrauch der Kirche sind seit dem 12. Jahrhundert üblich. Die Herstellung von Handschuhen war besonders in Frankreich hoch entwickelt. Vertriebene aus Grenoble brachten Ende des 1? Jahrhunderts die verfeinerte Kunst nach Deutschland. Auf Bildern deutscher Volkstrachten finden wir den Handschuh selten, doch hat er besonders in norddeutschen Landschaften liebevolle Gestaltung erfahren.

Der Strumpf ist für die farbige Gesamterscheinung der Tracht von großer Bedeutung, da die Kniehose sowie der knöchel- oder wadenfreie Rock einen beträchtlichen Teil des Beines unbedeckt lassen. Erst im Lauf des 19. Jahrhunderts werden vielfach die bis dahin weißen oder blauen Strümpfe durch den modischen schwarzen Strumpf ersetzt. Die Frauentracht kannte außerdem noch rote Strümpfe oder solche mit reicher, bunter Stickerei auf dem Fußblatt, während die Männerstrümpfe höchstens einen farbigen Zwickel aufweisen. Bis ins 18. Jahrhundert waren die Strümpfe der Männer größtenteils noch genäht, im Sommer aus Leinen, im Winter aus gewalkter Wolle. Häufig wurden dunkelblaue oder weiße, der Uniform der friderizianischen Zeit entlehnte Leinen oder Tuchgamaschen über den Strumpf geknöpft. Bei einigen Frauentrachten waren auch farbige Knöchelbinden in Gebrauch (alte friesische Tracht) oder in den Alpentrachten sogenannte Beinhöserln, die etwa den aus grauer oder grüner Wolle gestrickten, von den Knöcheln bis zum Knie reichenden Stutzen oder Loferln der kniefreien alpenländischen Männertrachten an die Seite zu stellen sind.

Der Schuh ist unmittelbar dem Charakter der Landschaft angepaßt. So trifft man in den Küsten und Moorgebieten häufig den Holzschuh an, den genagelten Schuh in Gebirgsgegenden. Die meisten Trachten haben den weit ausgeschnittenen, flachen Lederschuh vom Anfang des 19. Jahrhunderts beibehalten, d en gelegentlich auch bei der Männertracht eine Schleife schmückt. Die Frauenschuhe sind gewöhnlich reichlich damit versehen. Ältere Trachten haben den breiten, den Spann bedeckenden Schnallenschuh des 18. Jahrhunderts bewahrt, ihn aber im 19. Jahrhundert meist modernisiert. Die Schwälmerin trägt heute noch den hohen Schnallenschuh mit aufrecht stehender Lasche. Neben dem Schuh gehört zu allen Bauerntrachten, mit Ausnahme der alpenländischen, der militärische hohe Schaftstiefel. Er taucht meist erst gegen 1800 auf und hat deshalb stets den geraden engen Schnitt jener Zeit, häufig mit dem Ausschnitt in der Kniekehle. In der Frauentracht begegnet nur selten der halbhohe Schnürstiefel.

Jede Tracht wäre ohne den Trachtenschmuck unvollständig. Der erhaltene Schmuck stammt zumeist aus der Zeit von 1750 bis 1850. Nur der Schmuck reicher friesischer Bauern stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die ärmere Bauernschicht trug erst ab 1700 Schmuck. Der Trachtenschmuck unterscheidet sich vom modischen Schmuck dadurch, daß Art, Form und Ausführung für ein bestimmtes Gebiet typisch werden und späterhin nur noch dort anzutreffen sind. In benachbarten Teilen Nordwestdeutschlands dient als Halsschmuck die Bernsteinkette, der Tönnchenschmuck und nicht weit von beiden das „Halsgeschirr" (Kettchen verbinden filigranbesetzte Platten zum Halsband). Eine Besonderheit des Trachtenschmuckes ist weiter das zähe Festhalten an überlieferten Formen und Symbolen. Die Form überdauert mitunter den Gedanken, der einst die Form schuf. Meist wirkt der Trachtenschmuck mehr durch Größe und Fülle als durch sorgsame Arbeit und gediegenes Material. Die schwierige Behandlung des Werkstoffes schließt Laienarbeit aus. Im Nordwesten und Norden Deutschlands saßen auch in kleineren Ortschaften, wie Stade, Bergedorf, Elmshorn, Krempe und Schönberg selbständige Goldschmiede. Kleine, aber scharf umrissene Verbreitungsgebiete sind ein besonderes Kennzeichen norddeutschen Schmucks. Im Süden beherrschen Industrieerzeugnisse aus Schwäbisch-Gmünd und anderen großen Städten die Jahrmärkte. Infolgedessen sind dort Grenzen der Typengebiete verwischter, die Silberlegierungen schlechter. Hier wäre die Verwendung der Initialen der Braut und der Jahreszahl der Hochzeit als Ornament unmöglich, da nicht auf Einzelbestellung hin gearbeitet wird.

Der beliebteste Werkstoff ist Silber, nur Friesland und auch Teile Schlesiens verwenden Gold. Der ärmere trägt vergoldetes Silber, versilbertes Kupfer, statt Filigran diesem nachgegossenen Schmuck. Edelsteine (bevorzugt werden rote) werden oft durch farbiges Glas ersetzt. übermäßigen Gebrauch solcher Glassteine von oft unverhältnismäßiger Größe machte man in der holsteinischen Geest. Auf Ringen, Spangen und Broschen sind häufig klare Glassteine zu finden, die mit Miniaturmalerei unterlegt sind, führend hierin war Schlesien. In Westfriesland und in den Elbmarschen verlangte der Bauer echte Steine (Granaten, Türkise). Ketten aus Granaten oder Korallen werden häufig in den an die Schweiz und Österreich angrenzenden Gebieten getragen. Herzförmige Spangen aus Horn oder Bernstein schnitzen die ostpreußischen Burschen ihren Mädchen. In Pommern reihte man die Bernsteinstücke zu Ketten aneinander. In der Braunschweiger und der Bückeburger Gegend waren die Bernsteinstttcke so groß wie Hühnereier. Im Alten Lande tauschte die Frau zum Zeichen der Trauer ihre Silberkette mit einer Kette aus undurchsichtigem, knochigem Bernstein aus. Im Gegensatz zum Alten Lande bevorzugte man in Braunschweig klaren und leuchtend rotbraunen Bernstein. Noch heute heißt im Handel diese Sorte „Braunschweiger Klar".

Wie in ganz Europa ist auch in Deutschland Filigran die beliebteste Technik des Trachtenschmuckes. Gekerbte und daher körnig aussehende Drahtstückchen werden zu Ranken oder Spiralen gebogen und zusammengelötet. Das Drahtwerk kann einem Blech aufliegen oder ganz frei und durchbrochen sein. Jeder Filigranschmuck muß notwendig, aus seiner Technik heraus, aus geschwungenen Linien bestehen und kann unmöglich naturalistische Formen zeigen. Trotz dieser starken Beschränkung der Ausdrucksmöglichkeiten ist das Drahtwerk verschiedener Gegenden klar voneinander zu trennen. In Norddeutschland bleibt das Filigran immer in einer Fläche, während es im Süden mehrschichtig werden und zu knolligen Gebilden anschwellen kann. Das ost- und westfriesische Drahtwerk, meist aus Gold, ist besonders fein und zierlich, holsteinisches derber, in der Anordnung besonders klar, bis zur Nüchternheit. In Hannover und Westfalen sind neben einfarbigen Stücken solche mit einem Wechsel von Gold und Silber beliebt. In diesen Gegenden werden dem Drahtwerk plastische, gestanzte Buckel und Ornamente aufgelötet. Auf süddeutschen Miedersteckern und Kettenschließen ist die Anordnung der Drähte weniger streng, zwischen dem Draht sitzen ganze Reihen kleiner Perlchen. Das Gravieren, auf Knöpfen und Kettenschließen oft angewandt, läßt eine naturalistische Darstellung durchaus zu, fuhrt aber bei ständiger Wiederholung leicht zu kaum deutbaren Abkürzungen. Der Guß, in Sandformen gefertigt, ist für gegenständliche Darstellungen geeignet. Gegossener Trachtenschmuck zeigt eine körnige Oberfläche, da er meist nur leicht überarbeitet wurde. Münzen wurden oft zu Schmuckstücken umgearbeitet, Mißtrauen gegen Güte der Legierung mag hierzu beigetragen haben. Das Verwenden großer Silberstücke führte leicht zur Protzerei. Bayrische Münzen mit dem Bild der Maria wurden gerne als Knöpfe gebraucht, die Friesin hing an ihre Miederkette große Medaillen.

Auf Ringen des 19. Jahrhunderts sieht man unter einem großen Glasstein Doppelherzen, flammende Herzen auf Altären und sonstige Symbole der Liebe. Auf bayrischen Silberreifen wachsen aus Herzen barocke Ranken. Verschlungene Händepaare gehörten in der Husumer Gegend zur Ausschmückung des Trauringes. Auch das Schlößchen mancher feinen Halskette ist als Händepaar gestaltet. Von Braunschweig bis ins Schweizerische waren mit Hirschgrandeln besetzte Ringe verbreitet, die beiden Grandelringe sind häufig mit einem kleinen Schlößchen und zwei Schlüsselchen behängt als Sinnbild treuer Liebe. Von Tieren werden am häufigsten Vögel dargestellt, meist Tauben. Mit oder ohne Lebensbaum sitzen sie auf den herzförmigen und runden Spangen und den Kettenschließen aus Niederdeutschland. Mit Fischen und mit Schiffen ist das Helgoländer Herz behängt, Pferde sind häufig auf Knöpfen und Miederkettenanhängern, Kühe krönen die Herzschnallen des Sennen. Die als Sinnbild in der Volkskunst oft gebrauchte Eichel wird als Anhängsel häufig zur Quaste umgebildet. Die Weintraube hängt von trapezförmigen schwäbischen Kettenschlössern herab. Die Schmuckplatte süddeutscher Ringe wird oft von Trauben gehalten.

Der „Schumer", der bei der Käsebereitung gebrauchte große Holzlöffel, hängt in Silber nachgebildet im Ohr des Sennen. Von religiösen Symbolen findet sich in Norddeutschland nur das Kreuz, welches im Spreewald das einzige metallene Stück des Schmuckes ist, der sonst aus einer großen Anzahl von Glasketten besteht. In Süddeutschland tragen Ringe die Mutter Gottes und andere Heilige. Die Schmuckplatte badischer Ringe wird mitunter von zwei Kruzifixen gehalten. Nur selten spürt man beim deutschen Trachtenschmuck die jedem Schmuck ursprünglich zukommende Abwehrkraft.

Trachten in Bayern: Kaum eine deutsche Volkstracht ist so allgemein bekannt wie die oberbayrische Gebirgstracht. Wie die Kleidung der Küstenbewohner zeigt auch sie die geographische Bedingtheit ganz deutlich. Der Älpler trägt kurze Lederkniehosen und Mantel und Jacke aus grobem Loden. Seine Strümpfe lassen das Knie frei. Grüne Stickerei schmückt die Hose am Latz, an den Taschen und am verschnürten Knieschlitz. Die graue oder braune Lodenjoppe mit Hirschhornknöpfen, die im Sommer durch die blaue Leinenjacke ersetzt wird, hat ebenfalls grüne Knopflochumrandung, grüne Aufschläge und einen grünen Stehkragen. Auch die Tuchweste mit Silberknöpfen ist meist von grüner Farbe. Sie wird nur halb geschlossen, damit die bestickten Lederhosenträger mit Quersteg zu sehen sind. Die Frauentracht hat seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch Aufnahme städtischen Formengutes an Ursprünglichkeit eingebüßt. An die Stelle des kurzen dunklen Faltenrockes mit farbigem Rand und des Ärmelhemdes mit dem Mieder darüber ist ein aus Rock und langärmliger Taille bestehendes Kleid getreten, über das das schwarze Samtmieder gezogen wird, das vorne das silberne „Geschnür" schmückt, lange, oft mit schweren Silbermünzen behängte Silberketten, die kreuzweise über die silbernen Miederhaken gelegt werden. Im Miederausschnitt steckt das buntgemusterte Brusttuch.

Im Dachauer Moos nordwestlich von München hat sich bis heute die ländliche Tracht erhalten, von der sich besonders die Frauentracht durch ihre hohe Taille ein altertümliches Aussehen bewahrt hat.

Im Süden bayerisch Schwabens entwickelte sich eine besondere Haube mit einem breiten fächerförmigen Rand aus mit Perlen und Goldfäden besticktem und über ein Drahtgestell gespanntem Tüll. Die Radhaube, in Bayern Reginahaube genannt, war im ganzen deutschen und Schweizer Bodenseegebiet verbreitet. Das Gegenstück zur Radhaube bildet die kleine, deckelförmige, um Regensburg beheimatete Riegelhaube.

Die prächtigste der drei fränkischen Trachten ist die des Ochsenfurter Bezirkes in Unterfranken. Besonders schön ist das unter den Armen tiefer als vorn und hinten ausgeschnittene Mieder sowie die Ärmeljacke aus geblümtem Samt oder Damast mit ihren faltigen Keulenärmeln. Die Farbenpracht der über mehrere Unterröcke gezogenen dunkelroten und rotbraunen Faltenröcke mit blauem oder grünem Rand verstärkt die bunte seidene Festtagsschürze. Die kegelförmige schwarze Seidenmütze mit langen Nackenbändern war in ganz Unterfranken weit verbreitet.

Vielfältig sind die Trachten Badens, denn fast jedes Tal des Schwarzwaldes hat seine Besonderheit entwickelt. Sehr reizvoll wirkt die schwarze Gutachtaler Tracht. Ihre offene enge Ärmeljacke mit kleinem Rückenschößchen läßt das kräftig rote Futter sehen sowie das bunt bestickten Goller und die rote Miederschnürung. über der schwarzen Florhaube mit Nackenschleife und schmalen Kinnbändern sitzt der mit Gips gestärkte Bollenhut aus matt gelbem Stroh, eine der beiden charakteristischen Hutformen, die der Schwarzwald hervorgebracht hat. Den Kopf dieses ovalen Hutes mit leicht geschwungener Krempe schmücken faustgroße Wollbälle, bei Mädchen rot, bei Frauen schwarz. Die zweite selbständige südwestdeutsche Kopftracht ist die alemannische Schleifenhaube.
Unter den württembergischen Trachten nimmt die von Betzingen bei Reutlingen durch ihre Farbenfreudigkeit eine besondere Stellung ein.
Von den hessischen Trachten hat sich die Marburger Tracht als die jüngste am meisten mit der Mode vermengt, während die Schwälmer Gegend und das hessische Hinterland als besonders trachtenpflegende Gebiete anzusehen sind.

Vornehm wirkt die in schwarzweiß gehaltene Tracht der Friesen mit dem zarten Gold oder reichen Silberschmuck.

Besonders in den letzten Jahren ist wieder ein Aufleben der Trachten zu beobachten. Teilweise werden Trachtenelemente in die Alltagsmode übernommen, wie die lichtgrauen kurzen Joppen mit breiter grüner Einfassung, Lederhosen oder Filzhüte. Dabei kommen immer wieder Abänderungen vor; die Tracht darf nie mit einer starren Uniform verglichen werden. So lange sie wirklich lebt, wird es immer Entwicklungen und Veränderungen geben. Aber es bleibt eben doch noch ein gewaltiger Unterschied zwischen gewissen enger begrenzten, langsam vor sich gehenden Anpassungen und einer blinden, alles Modische nachäffenden Gesinnung.

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