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Seraphin VII.
Engel in Weiß
Halbgöttin in Weiß |
Vorgeschichte
Gestatten: Seraphin VII., Beruf:
Schutzengel von Michael. Für gewöhnlich fangen wir mit
dem Job an, wenn die Geburt kurz bevor steht, so in der
38. Schwangerschaftswoche. Als ich dann bei Michael schon
in der 28. anreisen mußte, habe ich bereits das
Schlimmste befürchtet. Michaels Mama sah gar nicht
schwanger aus und hatte seit Beginn der Schwangerschaft 7
Kilo abgenommen, weil ihr andauernd schlecht war. Ihre
Frauenärztin war der Meinung, Anke fehlten nur ein paar
Zusatzkalorien. Auch hatte sie in der letzten Zeit
Rückenschmerzen - nach meiner Ansicht eher
Nierenschmerzen. Das zahlreiche Eiweiß im Urin - ein
deutliches Zeichen für höchste Gefahr - außer für
ihre Ärztin. Und das alles nur, weil Ankes Schutzengel
gerade in Urlaub war...
Am 23. Januar 1996 - in der 30. Schwangerschaftswoche -
endete der Urlaub von Ankes Schutzengel, und nachdem der
Kerl die Geschichte so gründlich in den Dreck gefahren
hatte, fiel ihm nichts besseres ein, als bei Ihr sehr
starke Kopfschmerzen zu verursachen. Am folgenden Tag
waren diese Schmerzen immer noch da, und nachdem Michaels
Papa aus dem Büro kam, war es schon so spät, daß kein
Arzt mehr erreichbar war. Daher mußten die werdenden
Eltern in die Geburtsklinik. Der Arzt dort verstand sein
Handwerk und machte sofort ein Doppler-Ultraschall. Als
Fachmann erkannte er sofort, daß es Michael nicht gut
ging. Da sich Michas Eltern aber dummerweise den
Mutterpaß von der Gynäkologin hatten abnehmen lassen
("ich muß noch Untersuchungsergebnisse
nachtragen"), wußte man nichts genaues. Über Nacht
blieb Michaels Mama deshalb im Krankenhaus. Sie bekam
Lungenreifungsspritzen - leider reichte die Zeit nicht
für die komplette Viererserie - und war die ganze Nacht
im Kreißsaal an den Wehenschreiber angeschlossen. Am
nächsten Tag holte Michaels Papa den Mutterpaß von
Ihrer Ärztin ab. Nach einem kurzen Blick auf die letzten
Untersuchungsergebnisse wurde Anke direkt von der Klinik
in die nahegelegene Universitätsklinik gefahren. Hier
wartete eine gut ausgestattete Kinderintensivstation,
damit ich mich intensiv um den kleinen Michael kümmern
konnte. In der Uniklinik wurde noch ein Ultraschall
gemacht, eine Plazentainsuffizienz festgestellt und der
Entschluß gefaßt, sofort einen Kaiserschnitt zu machen.
Diagnose: Schwere Prä-Eklampsie. Bravo! Michaels Papa
wußte noch von gar nichts; er war noch am Morgen in der
Geburtsklinik gewesen und hatte den Mutterpaß
vorbeigebracht. Ein kurzer Anruf überzeugte ihn davon,
daß es besser sei, jetzt einmal schnell in der Uniklinik
vorbeizuschauen...
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Die Geburt - oder
besser: "Entbindung"
So wurde mein Schützling im
Beisein von Mama und Papa am 25. Januar 1996 um 16.35 Uhr
per Kaiserschnitt geholt. Er wog stolze 570 Gramm und war
30 cm groß; also echtes DIN A4-Format. Wie ich schon
wußte, hatte der arme Kerl die letzte Zeit im Mutterleib
gehungert. Man ließ ihn einen kleinen Quäker machen und
mußte Ihn dann sofort die künstliche Beatmung
anschließen. Es war der kleinste Beatmungsschlauch, den
es gab. Da hatte ich wieder einmal Maßarbeit geleistet.
Nach dieser "Intubation" ging es volle Pulle im
Transportbrutkasten auf die Kinderintensivstation.
Michaels Papa durfte später nachkommen; man zeigte ihm
den Kleinen und sagte, er hätte ein Drittel Chance,
geistig und körperlich gesund zu werden. Die restlichen
Drittel stünden für tot oder hirngeschädigt. Zum
Abschied gab's noch das nebenstehende Polaroid-Foto,
quasi als letzte Erinnerung. Aber da kannten die Ärzte
mich schlecht! Anke dagegen mußte die Nacht im
Kreißsaal verbringen; die Ärzte erwarteten jede Minute
ein akutes Nierenversagen. Gottseidank war ihr
Schutzengel nach dem langen Urlaub wenigstens erholt
genug, um die Nierenfunktion aufrecht zu erhalten.
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Michaels erstes Foto - 35KB
25.01.1996, 18:00 Uhr (unimttelbar nach der Entbindung) |
Im Brutkasten - 52KB
Eine Schwester kümmert sich um Michael |
Die ersten Tage auf
Erden
Michael lag die nächsten Tage
regungslos im Brutkasten. Die irdische Schwerkraft ist
halt ziemlich brutal. Trotzdem verlor er (wie alle
Neugeborenen) dabei sogar noch um die 40 Gramm Gewicht.
Ich hatte alle Hände voll zu tun, damit er in dieser
Zeit nicht aufgab. Schön war er übrigens zu diesem
Zeitpunkt nicht: Das Gesicht sah aus wie das eines
Hundertjährigen, sein Bauch dick, seine Arme und Beine
dünn, Hände und Füße klein. Die Augen waren, wie bei
Hundewelpen, vor dieser brutalen Welt fest verschlossen.
Sein Papa kam jeden Tag vorbei, um nach ihn zu sehen und
mit den Ärzten zu sprechen. Er hatte in dieser Zeit die
"übliche" Neugeborenengelbsucht, die mit
Lichttherapie behandelt wurde.
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Mutterfreuden...
Es dauerte mehrere Tage, bis
Michaels Mama zu ihm konnte. Am 26.1.96 waren enorme
Schneemassen gefallen, und abgesehen davon, daß ein
Rollstuhl nicht zur Kinderklinik durchgekommen wäre,
hätte die kalte Witterung den Tod bedeuten können.
Leider sind bei dieser Uniklinik Frauen- und Kinderklinik
getrennt. Der Blutdruck war übrigens auch jetzt noch
sehr hoch, das hieß: blutdrucksenkende Medikamente. Um
den Milchfluß nicht versiegen zu lassen, pumpte Anke
mehrmals täglich Muttermilch ab. Dies tat sie noch
ungefähr ein halbes Jahr, bis klar wurde, daß die Milch
wegen der Medikamente nie für den Kleinen brauchbar
würde.
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Mutter und Kind - 51KB |
Völlig erschöpft - 39KB |
Der erste Fortschritt
In dieser Zeit machten sich die
Ärzte sorgen, weil Michael noch nicht selbständig
verdaut hatte; man rechnete mit einem Darmverschluß und
war auf eine Notoperation vorbereitet. Zufällig hörte
ich davon, als Michaels Eltern zu Besuch waren und man
ihnen dies beizubringen versuchte. Ich arbeitete die
ganze Nacht daran, und am nächsten Tag konnte Michael
das erste "Kindspech" vorweisen. Was für ein
Kindsglück!
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Gerätemedizin pur
Michael bekam jede Menge
Medikamente und wurde weiterhin künstlich beatmet.
Elektroden verbanden ihn mit einem schicken Monitor, der
auf fünf verschiedene Arten (in Bild und Ton) anzeigen
konnte, daß es Micha schlecht ging. Öfters wurde auch
Blut abgezapft; wegen Blutarmut (zuwenig rote
Blutkörperchen) gab es dann hin und wieder Blut aus der
Konserve. Eine "Magensonde" und ein paar
Infusionen sorgte dafür, daß der Kleine genügend zu
futtern bekam, obwohl er wegen der Beatmung nicht selber
essen konnte.
Am meisten machte mir und den Eltern die vielen Alarme zu
schaffen - es hörte sich an wie in der Spielhalle.
Niemand kam und erklärte die Geräte - bei jedem Alarm
mußte man gleich das Schlimmste befürchten. Inzwischen
weiß ich, daß die meisten Alarme Fehlalarme sind, aber
das Gepiepe nervt trotzdem.
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Ganz viel Technik - 38KB |
Michael am 2.3.96, kurz vor dem ersten Atemversuch -
34KB
Michael am 14.3.96, kurz vor der neuen Beatmung - 35KB
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Atemversuch Nummer Eins
bis Drei
Am 02.03.1996 war die Kilogrenze
erreicht. Elf Tage kam Michael probeweise zum ersten Mal
von der künstlichen Beatmung ab. Ich hab ja gleich
gewußt, daß das nicht gut gehen konnte: Nach ein paar
Tagen wechselte Michael die Farbe ins Bläuliche, und die
Beatmung begann wieder. Am 22. März dann der 2. Versuch,
der auch nur eine kurze Unterbrechung der Beatmung
bedeutete. Die Ärzte gaben nicht auf: Am 29. März der
dritte Versuch. Mit meiner Unterstützung schaffte
Michael es zwei Wochen, in denen er sogar versuchte, aus
dem Fläschchen zu trinken. Am 14. April hatte Micha
seinen schlechten Tag und mußte wieder voll intubiert
werden. Die Langzeitbeatmung zeigte inzwischen ihre
Folgen: Eine bronchopulmonale Dysplasie (BPD) belastete
die Lunge. Als kleines Trostpflaster (ich hoffe, Micha
sieht das auch so) endete am 15. April die
Brutkastenzeit. Das Wärmebett war recht bequem, und
Micha gewöhnte sich gut ein. Seine Eltern, die noch
immer täglich zu Besuch kamen, freuten sich: War der
Kleine doch jetzt im wahrsten Sinne des Wortes
"zugänglich" geworden. Man konnte ihn viel
leichter auf den Arm nehmen und mit ihm
"Känguruh" probieren. Man sah, daß ihm das
wirklich gut tat.
Leider war ich zwischendurch krank, so daß Michael sich
in einem unbeobachteten Augenblick einen Leistenbruch
zuzog. Und den sogar beidseitig. Die Ärzte waren der
Ansicht, da es sich um wirklich riesige
"Bruchpforten" handelte, wäre eine Operation
noch nicht nötig.
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Atemversuch Nummer Vier
Der Bruch ist weg!
Am 25. Mai wurde mein inzwischen
48 cm langer Schützling wieder von der künstlichen
Beatmung abgenommen, zwei Tage später aber wegen eines
Atemkrampfes erneut intubiert. Da die Gelegenheit gerade
günstig war, konnte man am 31. Mai die Leistenbrüche
verschließen. Ein Virtuose des Skalpells operierte, und
heute sieht man die Narben fast gar nicht mehr.
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Michael kurz nach seiner Leistenbruchoperation - 36KB |
Im Juni darf ein noch mißtrauischer Michael erstmals
in sein Tragekörbchen - 60KB |
Atemversuch Nummer Fünf
Am 10. Juni kam die Beatmung
wieder ab (Ärzte sind ja sowas von hartnäckig), und an
Michaels hübschem Näschen wurde ein Sauerstoffschlauch
festgeklebt. Drei Tage später folgte der Umzug aus dem
Wärmebett in ein normales Kinderbett. Aufgrund des
großen Erfolges bat man seine Mutti, ruhig auch
außerhalb der regulären Besuchszeiten zu erscheinen.
Meine Rede: Das wichtigste im Leben des Frühgeborenen
ist, daß es sich angenommen fühlt. Am 9. Juli war ein
großer Tag: Michael durfte die Intensivstation
verlassen. Erst einmal auf die Frühchenstation, am
nächsten Tag auf die Kinderstation in ein
Drei-Bett-Zimmer. So viel Kontakt mit anderen Kindern war
wohl zuviel: In der Nacht zum 12. Juli kam es zum
Rückfall, die künstliche Beatmung wurde trotz
heftigster Proteste Michaels wieder eingesetzt. Immerhin
hatte der Kleine erreicht, was er wollte, und konnte
seine Kumpels auf der Intensivstation wieder besuchen.
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Atemversuch Nummer Sechs
Sechs Tage später konnten die
Schläuche wieder raus, nur noch Zusatzsauerstoff war
nötig. Inzwischen hatte er mit dem kleinen Nestflüchter
vom Januar nicht mehr viel gemeinsam (siehe Bild), nur
die Narbe unter linkem Auge (durch eine abgerutschte
krankenschwesterliche Schere) müßte nicht sein. Am 29.
Juli bekam Michael ein möbliertes Junggesellenzimmer auf
der Kinderstation, das er allerdings mit seiner Mutter
teilen mußte (Rooming-In). Leider zu früh gefreut: Am
7. August wurde eine Atelektase des linken Lungenflügels
festgestellt; das Ding war völlig verklebt und der Junge
mußte stündlich auf eine andere Seite gelagert werden.
Michael haßte diese Umlagerung; außer der flachen
Rückenlage lehnte er jede andere Lage als neumodischen
Schnickschnack ab. Am 19. August hatte er von dieser
Aktion genug und wollte wieder auf seine geliebte
Intensivstation.
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Michael und Anke auf der Kinderstation - 26KB |
Der erste Ausflug mit Michael, Mutter, Vater,
Krankenschwester und Sauerstoffflasche - 41KB |
Atemversuch Nummer
Sieben
Die Intensivstation wurde
Michael bald wieder zu langweilig, und am 3. September
zogen Michaels Mama, Micha (und ich) wieder in seine
Junggesellenbude. Der Beatmungsschlauch wurde gegen einen
Sauerstoffschlauch ausgetauscht, und Micha mußte von der
Intensivstation Abschied nehmen.
Der erste Spaziergang mit Mama, Papa, Krankenschwester am
7. September gefiel Michael überhaupt nicht. Das viele
Licht, die böse Sonne und die frische Luft sorgten
dafür, daß Micha die Augen erst wieder im vertrauten
Zimmerchen aufmachen wollte.
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Atemversuch Nummer Acht
Am 9. Oktober war es dann wieder
einmal soweit, daß Michael die Puste ausging:
Intensivstation Die Ärzte stellten eine vergrößerte
rechte Herzkammer fest; das kam durch die Mehrbelastung
bei BPD-Lunge. Mittlerweile hatte ich Michael wohl davon
überzeugt, daß dieses hin und her so nicht ewig
weitergehen konnte. In der Nacht zum 13. Oktober zog er
sich selbst den Beatmungsschlauch aus der Lunge und
mußte seitdem nicht wieder beatmet werden. Die
künstliche Beatmung wurde gegen eine
"Sauerstoffbrille" eingetauscht und der
Zeitpunkt für den nächsten Umzug abgewartet.
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Michael beim Lachunterricht - 39KB |
Herr Ober, noch 'ne Milch! - 34KB |
Wieder Kinderstation
Am 16. Oktober ging es wieder
mit Sack, Pack und Mutter in das Doppelzimmer. Nach
seinen ganzen Kapriolen trauten ihm die Ärzte nur noch
bedingt, und so dauerte es eine ganze Weile, bis Michael
alle davon überzeugt hatte, keinen Blödsinn mehr machen
zu wollen. Am 6. November bestellte die Klinik alle
nötigen Geräte um Michael auch zu Hause versorgen zu
können. In der Zwischenzeit wurde Michas Mutter alles
beigebracht, was man so zur Versorgung eines ehemaligen
Intensivkindes braucht. Das reichte von der
Gerätebedienung bis zu Notfallinstruktionen. Am
härtesten war allerdings der tägliche Kontakt mit den
Krankenschwestern. Leider fühlte sich manche
Oberschwester in Abwesenheit der Ärzte als
"Stationskönig" und kritisierte Maßnahmen,
die andere Schwestern geradezu empfohlen hatten. Da half
oftmals nur "Augen zu und durch".
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Going home
Die Entlassungsuntersuchungen
zogen sich hin, bis dann endlich - nach tränenreichem
Abschied von Intensiv- und Normalstation - am 16.
Dezember die Entlassung gefeiert werden konnte. Michael
hat den großen Moment allerdings glatt verpennt. Seitdem
gab es keinen kritischen Moment mehr. Hier endet meine
Erzählung, denn nach mehreren Monaten 24 Stunden Dienst
habe ich einen Urlaub dringend nötig. Die weitere
Geschichte werden deshalb Michaels Eltern erzählen. Und
Tschüß, Seraphin VII.
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Mit Leihkinderwagen, Sauerstoffflasche und
Pulsoximeter auf dem Weg in die Freiheit - 44KB |
Wo bin ich denn hier gelandet? - 50KB |
Endlich daheim
Als Michael endlich nach Hause
durfte, freuten wir uns in erster Linie riesig, aber wir
hatten auch Angst, ob alles so gut klappen würde. In den
ersten Wochen erhielten wir Unterstützung durch eine
Kinderkrankenschwester der Caritas, der wir an dieser
Stelle noch einmal herzlich danken möchten. Diese kam
zunächst täglich, um Michael Magensonden zu legen,
Pflaster zu erneuern , ihm das Essen beizubringen
(erfolglos ) und ihn zu wiegen. Mit der Zeit bekamen wir
diese Tätigkeiten aber immer besser selbst in den Griff,
so daß die Besuche der Krankenschwester immer weniger
wurden und nach zwei Monaten ganz aufhören konnten.
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Krankengymnastik
Die im Krankenhaus begonnene
Krankengymnastik (nach Bobath) wurde auch zuhause zweimal
wöchentlich weitergeführt. Der Erfolg läßt sich
sehen:
Zustand bei der Klinikentlassung:
Michael lehnt jede andere Lage außer der reinen
Rückenlage, in der er die letzten 11 Monate verbracht
hat, ab.
Zustand zuhause:
Am 5. Februar 1997 begann Michael erstmals, sich
freiwillig selbst auf den Bauch zu drehen. Am 4. Juni
setzt sich Michael das erste Mal selbst hin. Am 7. Juli
sind wir sehr erstaunt, als Michael sich plötzlich auf
alle Viere begibt und loskrabbelt in Richtung
Balkontüre. Gleichzeitig versucht der Junge, sich auf
die eigenen Beine zu stellen. Mitte August 1997 lernte Michael, sich auf eigene Beine zu stellen. Ein Jahr nach Entlassung aus der Klinik
schließlich kletterte Michael wie ein Profi Treppenstufen herauf; von Laufen allerdings konnte noch keine Rede sein...
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Ich bin fit - was sonst? - 39KB |
Diese Brille schmeckt mir nicht! - 38KB |
Kinderkrankheiten
An Krankheiten hatte Michael
bisher sehr wenige aufzuweisen. Es waren zu keiner Zeit kritische Momente aufgetreten.
In der ersten Zeit waren sich sein Kinderarzt, sein Ohrenarzt und die
Uniklinik uneinig, ob und auf welchem Ohr er einen
Paukenerguß (=Wasser im Ohr) hat. Wir haben uns jedoch geweigert, überstürzt operieren zu lassen.
Mit Erfolg: Das "Wasser im Ohr" war zur Jahresmitte 1997 von selbst weg. Mit dem Sehen war es nich so einfach. Trotz leichten
Schielens weigerte sich Michael standhaft, die ärztlich
verordnete Brille zu tragen.
Zähne hat Michael seit dem 7. Februar 1997; in kurzem Abstand vervollständigte sich das Gebiß.
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Die Lunge - das
wundersame Wesen
In Puncto Lungenentwicklung hat
Michael ebenfalls ein Tempo vorgelegt, das uns nur
staunen ieß. Bei der Entlassung hieß es noch, eine
Atmung ohne Zusatzsauerstoff wäre nach frühestens einem
halben bis spätestens anderthalb Jahren möglich. Nun,
bereits in der Nacht zum 31. Mai 1997 wagten wir es
aufgrund anhaltend guter Sauerstoffwerte (Pulsoximeter!),
nachts den Sauerstoff ganz abzuschalten. Dies schlug so
gut an, daß wir seit dem 17. Juni überhaupt keinen
Zusatzsauerstoff mehr gaben. Bei Stichproben stellten wir
jedesmal ideale Sauerstoffwerte fest, so daß wir Michael
die Sauerstoffbrille abnehmen konnten. So ein Gesicht
ohne das ganze Pflaster sieht doch gleich viel besser
aus! Bei Ausflügen nahmen wir zunächst eine tragbare
Sauerstoffflasche für Notfälle oder zumindest einen
Beatmungsbeutel mit. Diese Sicherungen wurden jedoch nie benötigt.
Die Herzuntersuchung Anfang Dezember 1997 zeigte ein völlig normales Kind, so daß genau ein Jahr nach Entlassung aus der Klinik
alle zur Entlassung erworbenen Geräte zurückgegeben werden konnten.
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Guck mal - ohne Sauerstoff! - 30KB |
Michael und Cousin - 47KB
Michael verabscheut Menschenansammlungen - 93KB |
Reaktionen anderer
Seitdem wir Michael zu Hause
haben, hat es uns immer wieder amüsiert, die Reaktionen
anderer auf Michaels Ausrüstung zu beobachten.
Insbesondere zu der Zeit, als Michael noch eine
Sauerstoffbrille benötigte, waren die Reaktionen sehr
stark zu beobachten. Eine Sauerstoffbrille wird mit
reichlich Klebeband im Gesicht festgeklebt und sieht im
Grunde schlimmer aus, als es ist. Das Kind ist damit
schon von weitem als schwerkrank identifizierbar. Die
Reaktionen waren je nach Alter unterschiedlich.
Kinder
Kinder bis etwa sechs Jahren hatten die wenigsten
Schwierigkeiten mit Michaels Aussehen. Die meisten Kinder
kamen völlig unbefangen auf Michael zu und meinten:
"Hat der Aua?". Haben Sie schon einmal einem
kleinen Kind zu erklären versucht, was eine
Sauerstoffbrille ist? Besonders kleine Mädchen zeigten
großes Interesse. Ab sechs Jahren trauten sich dann aber
die Kinder anscheinend nicht mehr, einfach zu fragen.
Jüngere Leute
Leute jüngeren und mittleren Alters sahen zunächst
desinteressiert auf das Kind, gingen weiter, erschraken
und warfen noch einen Blick in den Kinderwagen. Jetzt
konnte man genau sehen, wie sich die kleinen Rädchen im
Gehirn drehten: Was hat der Kleine? Was ist das im
Gesicht? Ist es ansteckend? Gottseidank haben meine
Kinder das nicht!
Ältere Leute
Leute jenseits der Sechzig trauten sich dann wieder
vereinzelt, nachzufragen. Vielleicht ist Medizintechnik
in diesem Alter wieder so alltäglich, daß nichts
medizinisches mehr schocken kann.
Diese Reaktionen sind nun fast ganz vorbei. Seitdem
Michael nur noch eine Magensonde benötigt, ist er nicht
mehr so sehr als krankes Kind erkennbar wie vorher, und
nur noch wenige Leute riskieren einen zweiten Blick in
den Kinderwagen. Seltsamerweise kommen jetzt auch weniger
Kinder auf Michael zu als vorher.
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Michael - im
Sauseschritt!
Der heisse Sommer 1997 war ein
echter Glücksfall für Michael. Bisher hatte sich der
kleine Halunke stets geweigert, irgend etwas zu sich zu
nehmen außer vielleicht ab und an einem kleinen Schluck
warmen Badewassers. Temperaturen über dreißig Grad im
Schatten ließen ihm aber keine andere Wahl, als
zusätzlich Flüssigkeit aufzunehmen. Am liebsten mochte
Michael lauwarmes Leitungswasser; zur Not tat es aber
auch gekühlter Sprudel. Zwar zog der Kleine dabei ein
Gesicht, als müßte er in eine saure Zitrone beißen,
aber letztendlich schluckte er doch. Auch flüssige
Nahrung nahm er nun zu sich. Leider sah er noch nicht
ganz den Sinn ein und hörte nach wenigen Schlucken auf...
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Ich bin niedlich - her mit dem Spielzeug! - 54K |
Ich liebe diese Pose! - 79KB |
Laufen oder essen - was klappt zuerst?
Im Herbst 1997 arbeitete Michael kontinuierlich alle Defizite auf. Er lernte, sich an allem
hochzuziehen, was greifbar war. Das konnten Stühle, Tische, Sofas oder auch Menschen sein. Im Dezember konnte
Micha noch nicht laufen, aber dafür mit affenartiger Geschwindigkeit klettern. Im Kaufhaus ließen wir ihn einmal
frei, als er partout nicht im Kinderwagen sitzen wollte. Bevor wir noch richtig wußten, was er vorhatte, war er schon über die
Treppe in den zweiten Stock geklettert!
Am 7.12.1997 bestellten wir das erste Mal eigens für Michael in einem Restaurant. Es handelte sich um eine wirklich gute, dicke
Tomatencremesuppe. Micha liebt Tomatencremesuppe! Eine Drittel Suppentasse ist wirklich beachtlich für Michas Verhältnisse. Mit dem
Löffel brauchten wir es übrigens gar nicht erst zu versuchen; Micha mochte seine Suppe nur direkt aus der Tasse.
Der 13.12.1997 war nun ganz im Gegensatz zum Datum kein Unglückstag, sondern der Tag, an dem Michael das erste Mal völlig
frei stand. Es war Abend, und er war schon relativ müde. Ohne sich etwas dabei zu denken, erhob er sich mustergültig aus den Knien
und stand ein, zwei Sekunden ganz alleine. Dann merkte er, was er getan hatte, und ließ sich schnell, aber problemlos wieder auf das Hinterteil
herab. Verstehe einer diese Kinder...
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Mai 1998 - Michael läuft!
Im März/April 1998 entdeckte Micha, daß es sich ganz angenehm läuft, wenn man nur den Finger eines
Erwachsenen erwischt. Fortan konnte sich niemand in seine Nähe begeben, ohne gleich einen Finger rausrücken zu
müssen. Das war auf Dauer schon ganz schön lästig...
Ende April nun empfahl uns Michas Krankengymnastin, uns nicht mehr am Finger herumführen zu lassen. Und
siehe da: zwei, drei Tage später, Anfang Mai 1998, begann Micha notgedrungen ganz alleine zu laufen! Dabei lief er
von Anfang an sehr sicher und stürzte praktisch gar nicht.
An der "Essensfront" tut sich dagegen bisher rein gar nichts. Der sture Kerl weigert sich kosequent, selbst zu essen. Und
bekommt natürlich in jedem Laden etwas angeboten. Ein Bonbon hier, die obligatorische Scheibe Fleischwurst dort,
und am Gem&ujml;sestand immer eine Banane. Das kann nicht so weitergehen. Also haben wir Michael im Einverständnis
mit seinem Kinderarzt bei einem Ergotherapeuten angemeldet, der angeblich Erfahrungen mit Eßstörungen hat.
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Diese wunderbaren Blumen... - 48KB |