Jodie Foster in tip - Berlin Magazin

Translation Period: Home for the Holidays 1995-96
Picture: Jodie Foster (not in original source)
Date: February, 1996
Interviewer: Gunter Goeckenjan (tip)
Description: Interview with Jodie Foster (JF) talking about directing Home for the Holidays.

Holly war mein Wunsch

"Home for the Holidays" ist der zweite Film, fuer den JODIE FOSTER hinter der Kamera stand. Im Wettbewerb der Berlinale wird der Star die hintergruendige Familienkomoedie selbst vorstellen. Unter dem Titel "Familienfest und andere Schwierigkeiten" kommt der Film anschliessend in unsere Kinos.

tip: "Home for the Holidays" ist der erste Jodie-Foster-Film ohne die Schauspielerin Jodie Foster. Haben Sie waehrend der Vorbereitungen jemals ueberlegt, eine Rolle zu uebernehmen?

JF: Nein! Holly Hunter war von Anfang an meine Wunschbesetzung. Wir schickten ihr eine der ersten Drehbuchfassungen, und sie reagierte sofort. Sie rief mich gleich am ersten Tag an und fragte: "Wann fangen wir an?"

tip: Warum wollten Sie diesmal vor der Kamera keine Rolle spielen?

JF: Wenn du beide Jobs gleichzeitig machtst, geht es dir ziemlich schlecht. Du bist nur erschoepft, und dann macht dir das, was du als Schauspielerin machst, ebensowenig Spass wie das, was du als Regisseurin tust.

tip: Wird ein Film schlechter, wenn die Hauptdarstellerin auch Regie fuehrt?

JF: Ich bin nicht ganz sicher. Auf jeden Fall ist es problematisch. Wenn man beide Rollen uebernimmt, erhaelt man keine zufaelligen Highlights, nichts bewegt sich in eine unvorhergesehene Richtung. Die gegenseitige Inspiration bleibt voellig aus. Du machst als Schauspieler, was du als Regisseur haben willst und gehst dann weiter zum naechsten Kapitel. Das reduziert die darstellerischen Moeglichkeiten. Man erhaelt keine ueberraschenden Leistungen und Wendungen.

tip: In "Das Wunderkind Tate" haben Sie Regie gefuehrt und eine Hauptrolle gespielt. Moegen Sie den Film nicht?

JF: Fuer einen Debuetfilm ist er ganz gut. Heute habe ich allerdings den Eindruck, dass ich alles zu sehr kontrolliert habe. Damals musste alles bis ins kleinste Detail geplant werden, und das beeinflusst natuerlich das Endergebnis. Fuer einen ersten Film war das ein angemessenes Vorgehen. Ein zweites Mal wollte ich das nicht noch einmal machen.

tip: "Das Wunderkind Tate" war linear und schematisch. Verglichen damit ist "Home for the Holidays" ein inzeniertes Chaos. Die Erzaehlstruktur fuegt hier die Szenen locker zusammen und erlaubt Umwege und das Verweilen bei den Kleinigkeiten.

JF: Fuer mich ist "Home for the Holidays" das Ergebnis eines Reifeprozesses. Denn das Erwachsenenleben ist chaotisch, so vieles in unserem Leben ergibt keinen Sinn. "Das Wunderkind Tate" dagegen wurde aus der Perspektive eines achtjaehrigen Jungen erzaehlt, der versucht, sich irgendwie ueber sein Leben klarzuwerden. Da war diese Erzaehlweise nicht ganz fehl am pPlatze.

tip: Waren die Dreharbeiten von "Home for the Holidays" auch spontan und chaotisch?

JF: Wenn man die magischen Momente, die Spontanitaet und die Qualitaeten freier Improvisation gewinnen will, muss man das Chaos zulassen. Man muss aber vermeiden, dass alles darin ertrinkt. Unsere Arbeitsweise koennte man ein organisiertes Chaos nennen.

tip: Hatten Sie ein fertiges Drehbuch?

JF: Wir haben lange an dem Drehbuch gearbeitet. Dann haben wir Lesungen mit den Schausoielern abgehalten. Waehrend dieser Phase wurde der Text weiter verbessert. Zwei Wochen vor dem Drehbeginn fingen wir an zu proben. Dadurch aenderte sich noch einmal sehr viel am Buch. Waehrend der Dreharbeiten hat dann vor allem Robert Downey Jr. seine Dialoge spontan veraendert: Bei jedem Take, den wir drehten, kam etwas vollkommen anderes aus seinem Mund. Das war ziemlich lustig.

tip: haben Sie ihn fuer diese Rolle genommen, weil Sie sein Improvisationstalent wollten?

JF: Allerding. Er ist einer der kreativsten und fruchtbarsten Schauspieler, die ich kenne. Mir war aber nicht klar wie brilliant er ist.

tip: Wie definieren Sie Iíhre Rolle als Regisseurin, was geben Sie in dieser Rolle?

JF: In all den JAhren im Filmgeschaeft habe ich gelernt, dass Regisseure eine aehnliche Funktion haben, wie gute Eltern. Jeder erwartet vom Regisseur, dass er oder sie Selbstsicherheit austrahlt und weiss, wo es lang geht. Der Regisseur muss praezise auf sein Arbeitsziel zusteuern. Dabei muss er den Schauspielern den Absprung ermoeglichen. Und er achtet darauf, dass sie ankommen. Wenn Schauspieler hier und da einen Fehler machen, ist das auch nicht schlimm. Dann versuchen sie es eben noch einmal. Aufpassen muss jemand, der sie unterstuetzt, der sie liebt und der gleichzeitig das Ziel nicht aus den Augen verliert. Das erlaubt ihnen, sich in neue Richtungen zu bewegen, und Gebiete zu erobern, Grenzen zu ueberstreiten, von denen sie vorher nichts wussten. Deshalb ist es wichtig, dass sie auch einmal etwas wirklich Dummes tun koennen. Schliesslich ist da jemand, der die Verantwortung traegt und den Film schon im Kopf hat.

tip: Wenn Sie eine Geschichte verfilmen, brauchen Sie als Regisseur eine Beziehung zu ihr, brauchen Sie eine emotionale Gemeinsamkeit mit den Charakteren darin?

JF: Auf jeden Fall. Natuerlich muessen das keine autobiografischen Situationen sein. Ich kann aber auch nicht verstehen, wie Regisseure Filme machen koennen, die von Erfahrungen ausgehen, welche sie selbst nicht nachvollziehen koennen. Waehrend der Dreharbeiten wird irgendwann einmal jemand fragen: "Traegt er jetzt eine gruene oder eine blaue Krawatte?" Wenn man keine innere Beziehung zu dem entsprechenden Charakter hat, kann man nicht einmal solche Kleinigkeiten entscheiden. Wenn ich eine Entscheidung am Set treffe, muss ich wissen, nicht raten.

tip: Ist Ihre Motivation aehnlich , wenn Sie eine Rolle uebernehmen?

JF: Nein. Ich suche mir die Filme, in denen ich spiele, nach anderen Kriterien aus, als die, bei denen ich mich als Regisseur engagiere. Als Schauspielerin geht es mir darum zu erfahren, wer ich vielleicht sein koennte. Meine Rollen sind Schatten meiner selbst, Leben, die ich nicht lebe. In die schluepfe ich fuer ein paar Monate, um zu sehen, wie die Welt aus dieser Perspektive aussieht. Mit den Geschichten, die ich als Regisseurin machen moechte, strebe ich nach Leichtigkeit. Das Gegenteil davon suche ich als Schauspielerin. Da bewege ich mich eher in Richtung Drama. Wenn ich Regie fuehre, brauche ich eine gute Geschichte, die etwas von meinen Ideen und Standpunkten ausdrueckt. Wenn ich eine Rolle spiele, dann erwarte ich, dass diese Person ganz anders ist, als ich es bin. Ich will von dieser Person etwas lernen.

tip: Und was lernen Sie von den Charakteren, die Sie spielen

JF: Durch "Nell" habe ich beispielsweise erfahren, wie es ist, emotional voellig offen zu sein. Durch meine Figur in "Sommersby" konnte ich erkunden, wie es ist, wenn Menschen sich selbst betruegen.

tip: Welchem der Charaktere in "Home for the Holidays" fuehlen Sie sich am naechsten?

JF: Ich selbst erkenne mich auf die eine oder andere Weise in jedem der drei Kinder wieder. Ich glaube aber, dass man das so noch nicht erlebt haben muss, um sich in die Personen hineinversetzen zu koennen.

tip: Was bedeuten Familienfeste fuer Sie persoenlich?

JF: Ich liebe Feiertage. Ich koche gern und meine Schwestern auch. Bei Thanksgiving und Ostern geht es bei uns, mehr als bei den anderen Festen, ums Essen. Fuer mich bedeuten sie sonst nichts. Natuerlich ist mir auch der Druck solcher Tage nicht fremd. Ich finde es sehr hart, mit der Familie um den Tisch zu sitzen, sie bei den Haenden zu fassen und zu sagen: "Dies sind die Leute, fuer die ich sterben wuerde! Das ist der Kreis derer, die ich bedingungslos liebe!" Warum sollte ich an einem bestimmten Kalendertag bestimmte Gefuehle haben? Die meisten Thanksgiving-Tage mit meiner Familie waren ganz okay. Ich erinnere mich aber an ein Thanksgiving mit der Familie eines Freundes. Bei denen war es eines dieser bizarren Rituale weisser Amerikaner. Alle fuenf Minuten wurde ein Witz ueber eine andere Gesellschaftsschicht oder eine andere Rasse gemacht. Gefeiert wurde das grosse Wir. Aber was hatte ich mit diesem Wir-gegen-die-anderen zu tun? Ich war nicht zu Wir geworden. Fuer diese Leute war Thanksgiving dazu da, sich selbst zu bestaetigen, dass sie die menschliche Rassen waren. Damit will ich nichts zu tun haben, selbst wenn es nur einmal im Jahr gefeiert wird. Ih wollte mich nicht von denen, die sich selbst als Insider feiern, vereinnahmen lassen, nur weil ich die gleiche Haarfarbe habe, wie sie. Ich fuehle mich viel mehr zu den Aussenseitern hinzugezogen.

tip: Im Gegensatz zu den ueblichen Familienfilmen der Traumfabrik zeigt Ihr "Home for the Holidays" die Familie nicht als Ort der Harmonie.

JF: An irgendeinem Punkt des Erwachsenwerdens erkennt jeder Amerikaner, dass der amerikanische Traum sehr weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Amerika ist auf eine hoffnungsvolle Art auf einen Traum aufgebaut. Darin kann jeder aussehen wie Morgan Fairchild, darin kann jeder 70 Millionen Dollar in einer Gameshow gewinnen. Darin haelt die Liebe ewig, und Kinder sind den Eltern so wichtig wie ihre Augaepfel. Leider ist all das nicht wahr.


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