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Ein weißhaariger Greis mit dichtem Rauschebart und verschmitzten Augen erzählt: "Es war einmal ... Nein, Nein, so kann man doch nicht anfangen. Ihr würdet es für ein Märchen halten, und es ist doch keins. Natürlich sind märchenhafte Elemente dabei: Drachen, Elfen, Greife, Wichtel und so was. Und viel Zauberei. Aber damals, zu meiner Zeit, da war Zauberei noch weitaus verbreiteter ...

Das Beste ist, ich fange am Anfang an: Mit den schrecklichen Jahren der Finsternis ..." So beginnt MERLIN, die erfolgreichste Miniserie des US-Fernsehens bei jungen Zuschauern (18-49 Jahre) seit Beginn der NBC-Medienforschung im Jahre 1984.

Der amerikanische Fernsehsender NBC strahlte am 26. und 27. April dieses Jahres den phantastischen Zweiteiler MERLIN zur besten Sendezeit aus. Die Premiere des 30 Millionen Dollar teuren Starvehikels sahen unglaubliche 56 Millionen Amerikaner. Bekannte. Schauspieler wie der Neuseeländer Sam Neill in der Titelrolle, Traumfrau Isabella BLUE VELVET Rossellini, Kenneth FRANKENSTEIN Brannaghs neue Lebensgefährtin ,Helena Bonham-Carter, Rutger BLADE RUNNER Hauer und der kanadische Komiker Martin DIE REISE INS ICH Short hauchen den sagenumwobenen Figuren neues Leben ein. Insgesamt 500 Special Effects erwecken Kobolde, feuerspeiende Drachen und sprechenden Gebirgsformationen zum Leben.

Wer die alte Mär von Merlin, König Artus und den Rittern der Tafelrunde noch nicht kennt - hier ein kurzer Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Legende, auf die verschiedenen Verfilmungen und die wichtigsten Namen. Seit 1137 n.Chr. finden sich zahlreiche literarische Werke zum Thema zum Thema Artus und Merlin. Der bekannteste Zauberer neben Gandalf aus DER HERR DER RINGE war zunächst nur eine mysteriöse Randfigur der Sagen. In "Le Morte D'Arthur" von Malory aus dem Jahre 1485, dem wichtigsten Buch zum Thema Artuslegende, erfährt der Leser kaum etwas über den Lehrer des jungen Königs. Auch in den berühmten literarischen Werken der jüngeren Zeit von T.H.White (DER KÖNIG VON CAMELOT), Marion Zimmer-Bradley (DIE NEBEL VON AVALON) oder in Mark Twains Satire EIN YANKEE AM HOF KÖNIG ARTURS ist die Figur der grauen Eminenz des Herrschers nicht faßbar. So kommt es, daß die Drehbuchautoren David Stevans und Peter Barnes einzelne Versatzstücke aus verschiedensten Quellen zu einem ganz neuen Bild des Visionärs und Propheten Merlin zusammenfügten. Aber auch andere Figuren sind in dieser Form noch nie zu sehen gewesen. Die von Merlin über alles geliebte Nimue ist in der Urform der Legende keine eigenständige Person, sondern nur eine andere Manifestation der Herrin vom See. Artusforscher und Genauigkeitsfanatiker werden von diesen Neuerungen nicht begeistert sein.

Das Märchen vom edlen, jungen Helden, der mit Hilfe des alten, weisen Zauberers König über ein verwüstetes Land wird und durch gerechte Gesetze, Freundschaft und Mut ein blühendes Reich erschafft, hat durch die Jahrhunderte nichts von seiner Faszination verloren. Dabei spielt das letztendliche Scheitern der Helden durch uns allen bekannte menschliche Schwächen wie Gier, Lust, Haß, Ehrgeiz und Rache eine wichtige Rolle. Nichts ist besser für das eigene kleine Ego, als zu sehen, daß auch die Edlen, Schönen und Reichen nicht vom Unglück verschont werden.

Hollywood hat den unverwüstlichen Stoff bereits mehrfach erfolgreich verfilmt. Beispiele dafür sind DIE RITTER DER TAFELRUNDE (1953 mit Robert Taylor), PRINZ EISENHERZ (1954 mit Robert Wagner), DIE HEXE UND DER ZAUBERER (die lustige Disneyverfilmung von 1963, auch bekannt als MERLIN UND MIM), das Musical CAMELOT (1967 mit Richard Harris und Vanessa Redgrave), EXCALIBUR (die bis heute beste, gewalttätigste und erotischste Version mit Nicol Williamson und Helen Mirren aus dem Jahre 1980), DER ERSTE RITTER (1995 mit Sean Connery, Julia Ormond und Richard Gere), und zuletzt in diesem Mai der Warner-Zeichentrickfilm DAS MAGISCHE SCHWERT.

Wer sind die Helden, die in dem neuen Zweiteiler ein Viertel der US-Bürger vor den Fernseher gelockt haben? Die Hauptfigur ist Merlin (Sam EVENT HORIZON Neill), der Zauberer, der von einer Jungfrau geboren wurde. Er ist Berater der Könige Vortigern (Rutger Hauer), Uther (Mark Jax) und Artus und versucht sein Leben lang, die Menschen auf die Seite des Guten zu ziehen. Er scheitert aber immer wieder an deren Gier und Dummheit. Seine große Liebe ist Nimue, seine größten Feinde Mab, Morgan Le Fey und Mordred.

Mab (Miranda THE CRYING GAME Richardson), die Königin der Dunkelheit und Erschafferin Merlins, verkörpert mit ihrer heiseren Stimme und den furchterregenden Zauberkräften das Böse. Sie ist die Schwester der Herrin vom See (ebenfalls von der englischen Theatermimin gespielt), die ihrerseits Merlin hilft und ihm Excalibur aushändigt.

Artus, (Paul Curran in seiner ersten Hauptrolle), sagenhafter König der Briten, Schüler Merlins und unehelicher Sohn König Uthers, zerstört sein eigenes Reich durch den unbewußten Inzest mit seiner Halbschwester Morgan Le Fey.

Nimue (Isabella Rosselini), die Tochter eines Fürsten und ewige Geliebte des mächtigen Zauberers, wird durch Mabs Schuld entstellt und kämpft ein Leben lang um ihren Geliebten.

Der Gnom Frik (Martin Short) ist Mabs Diener und Erfüllungsgehilfe, der am Ende aber zu Merlins Glücksboten wird.

Der eiskalte Mordred (Jason DER ENGLISCHE PATIENT Done) bringt das Reich seines Vaters Artus zum einstürzen. Dabei helfen ihm seine Mutter Morgan Le Fey (Helena Bonham- Carter), Frik, Mab und unfreiwillig auch Artus' Frau Guinevere (Lena Heady) und ihr Geliebter Lancelot (Jeremy Sheffield), der Freund des Königs und von Merlin auserwählte Ritter.

Andere wichtige Namen sind Excalibur, magische, machtvolle Schwert des Königs, Camelot, die sagenumwobene goldene Herrscherstadt, Avalon, die Insel, auf die sich Nimue zurückzieht, und der heilen Gral, den Galahad (Justin Gurdler) schließlich findet und der der Welt den Frieden bringt.

 

Was ist für den unerwartet großen Erfolg des nicht gerade mit einer umwerfend neuen Geschichte aufwartenden Fernsehfilms verantwortlich ? Die mehr oder weniger gelungenen Anspielungen auf Kinoerfolge wie DIE UNENDLICHE GESCHICHTE (der Herr der Berge ist unschwer als Steinbeißerableger zu erkennen) oder DIE DREI MUSKETIERE (Frik scheint die Rolle als draufgängerischer Fechter sehr zu lieben) sind es nicht. Wichtiger ist die Besetzung kleiner Rollen durch Weltstars. Auch wenn Sir John Gielgud nur eine Minute zu sehen ist, lockt er doch das ältere Publikum an. Für die jungen Zuschauer wurden unverbrauchte Darsteller wie Paul Curran in Hauptrollen eingesetzt. Dank der Fantasywelle im TV, die mit XENA, HERCULES, ROBIN HOOD und Co. die ganze Fernsehwelt überschwemmt, und ihren vielen fanatischen Fans, ging die Rechnung der Produzenten auf.

Ein anderer Grund für das Interesse an mythologischen Stoffen gegen Ende des zweiten Jahrtausend liegt in dem Fehlen von akzeptablen Vorbildern in unserer realen Welt. Wenn Präsidenten ihren Praktikantinnen an die Wäsche gehen, Politiker mit geheuchelten Ehrenworten und Alkoholfahnen das Land regieren, Sportler vor lauter Chemie nicht mehr klar denken können und Jungstars ihre Erfolge mit Drogen zu verkraften suchen, dann sind die Helden aus längst vergangenen Zeiten die einzigen Idole, die noch bleiben. Oder wie es Isabella Rossellini empfindet: "In Zeiten des moralischen Verfalls treibt einem am Ende der Triumph des Guten die Tränen in die Augen."

Dazu trägt die Love-Story zwischen ihr und Sam Neill einiges bei. Diese Liebesgeschichte ist die auffälligste Neuerung in der Merlingeschichte des jungen Regisseurs Steve Barron (DIE ABENTEUER DES PlNOCCHIO/TURTELS). Sie steht im Mittelpunkt und drängt die altbekannte Artuslegende in den Hintergrund. Dafür erfährt man viel über den Zwiespalt, in dem Merlin sich sein Leben lang befindet: Soll er sich für die Liebe und Nimue oder für seine Pflicht gegenüber Artus und der gesamten Menschheit entscheiden? Sein langes Schwanken zwischen einem "Sklaven der Liebe" (Isabella Rossellini) und der Schlüsselfigur im Kampf zwischen Gut und Böse führt dazu, daß der letzte Druidenpriester fast alles verliert.

 

Neu ist auch der größere Handlungszeitraum. Die Geschichte beginnt mit der Geburt des Zauberers und endet in einer einsamen Hütte im Wald. Dazwischen liegen nicht Jahre sondern Jahrzehnte. Aber Alter und Aussehen sind im Lande der Magier nicht von großer Wichtigkeit.

 

Fünfzehn Emmy-Nominierungen beweisen, daß es in den USA niemand übel nahm, daß statt der düsteren, geheimnisvollen Atmosphäre früherer Verfilmungen im neuen Familienfilm MERLIN Gags und Tricks Vorrang haben. Die Neuinszenierung, die mehr an, KNIGHTRIDERS (Ed Harris 1981 als Motorradritter) und die laserschwertschwingenden Jediritter aus KRIEG DER STERNE erinnert, wird einigen Fernsehfreunden zu schablonenhaft und oberflächlich sein. Der unbefriedigende Schlußkampf zwischen Merlin und Mab und die Tatsache, daß die vielen Effekte sich mit dem mittelalterlichen Flair der ursprünglichen Sage überhaupt nicht vertragen, dürfte MERLIN in Deutschland nicht ganz so erfolgreich machen wie im Mutterland des Popcorns. Für die Fans von XENA und HERCULES wird der Zweiteiler mit viel technischem Schnickschnack, der auf große Erklärungen und geschliffene Dialoge verzichtet, aber ein absoluter Leckerbissen werden.

 

Am Ende will die Magierin Mab (Miranda Richardson)

Merlin mit allen Mitteln töten.

MERLIN

Farbe, USA 1998

2 Folgen a 90 Minuten

Regie: Steve Barron. Drehbuch: David Stevans & Peter Barnes. Story: Edward Khmara. Musik: Trevor Jones. Kamera: Sergei Kozlov. Schnitt: Colin Green. Ausstattung: Roger Hall. Visuelle Effekte: Tim Webber. Computeranimation: FrameStore. Animation der Tiere: Jim Henson's Creature Shop. Ausführender Produzent: Robert Halmi, Sr.. Produzent: Dyson Lovell. Co- Produktion: RTL. Produktion: Hallmark Entertainment Inc.

Darsteller: Sam Neill (Merlin), Isabella Rossellini (Nimue), Martin Short (Frik), Rutger Hauer (König Vortigern), Helena Bonham-Carter (Morgen Le Fey), Miranda Richardson (Mab/Herrin vom See), Paul Curran (Artus), Jeremy Sheffield (Lancelot), Lena Heady (Guinevere), Jason Done (Mordred), Billie Whitelaw (Ambrosia), Sir John Gielgud (König Constant), Mark Jax (König Uther), Rachel Colover (Lady Igraine)

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