Ballade von der Mäusefrau
Autor: François Villon
Kinskis Fassung basiert auf der Nachdichtung von Paul Zech:
Eine kleine Ballade von dem Mäuslein, das in Villons Zelle Junge bekam
Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein,
weil er da draussen so allein
Im Schneefeld bei den schwarzen Bäumen stand.
Ich habe ihm ein Kissen hingerückt,
damit er ruhen konnte, und er tats beglückt
sich untern Kopf. Dann legt ich ihm die Hand
schnell auf die Augen, und dann schlief er auch.
Mich aber plagte schlechte Luft im Bauch.
Sie plagte mich, bis eine Uhr schon zwölfe schlug.
Da hatte ich verdammt genug
und liess sie ab, die Luft. Davon ist zwar
der gute Mond nicht aufgewacht, doch in dem Fenstereck
die Mäusefrau. Sie hat im ersten Schreck
geboren, was noch gar nicht fällig war.
Die rosa Schnauzen piepsten da so nett,
dass ich sie zu mir nahm ins warme Bett.
Mein Gott, die winzigkleinen Dinger, noch ganz nackt
und blind dabei: Mich hat das Elend so gepackt,
dass mir was Nasses in die Augen kam.
Dabei hat manches Weib von mir so unverhofft
wie dieses Maustier ein Kind gekriegt.
Doch niemand nahm den Bastard auf.
Die armen Würmer kuschten sich
in meine Hand, als wäre ich ihr Vater Mäuserich.
Zuletzt war auch die Mäusefrau so zahm
geworden, dass sie schwänzelnd zu mir kam.
Die schwarzen Augen glänzten froh und gross
in mein Gesicht hinein.
Und plötzlich... plötzlich war ich auch so mäuseklein
wie dieses Weib und nahms auf den Schoss
und habe wohl die ganze Nacht bei ihr geruht.
Ich, Villon... ich war Blut von ihrem Blut.
Im milden Licht der Winternacht
hab ich mich zu den Mäusen aufgemacht.
Du aber fragst, warum denn nur?
Hör zu, es ist kein Tier so klein,
das nicht von dir ein Bruder könnte sein.
Ich weiss die Spur nicht erst seit gestern Nacht.
Mich hat schon manche Frau zum Tier gemacht.
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