Mein kleines Zigeunermädchen
Autor: François Villon

Kinskis Fassung basiert auf der Nachdichtung von Paul Zech:
Die Liebesballade für ein Mädchen namens Leyla



Als man mich verstiess ins Unbekannt,
da warst du, schwarzes Tier, mein Vaterland.
Leg mir deine Wurzelhand aufs Haar,
reich mir deinen roten Muschelmund;
dass ich herrenloser Strassenhund
wieder weiss, was ich vor Jahren war,
Dichter manchmal, manchmal auch Soldat,
den die Welt wie einen Wurm zertrat.

Viele Tiere sind mit rotem Blut
durch mein Ich geschwommen, bis die Flut
überlief von mir. Wer kann dafür,
dass er nicht in jeden Stiebel passt?
Wenn ich jetzt den Menschen so verhasst
und verekelt bin wie ein Geschwür:
Kleines schwarzes Luder du, komm, komm her,
deine Liebe wiegt Jahrtausend schwer.

Waisenkinder sind wir beide jetzt,
angespien und herumgehetzt.
Aber unser Blut ist noch so rot,
dass wir tanzen müssen, wenn es wild
durch die Adern schwillt und, nie gestillt,
uns im Traum noch quält bis auf den Tod.
Im lauen Wind der Mitternacht,
hab ich dir im Kraut ein Bett gemacht.

Und der Mond, der brennt auf deinen Bauch,
dass du in dem heissen Silberschein
in den weissen Anemonen da,
schöner aufblühst, Stern von Afrika!
Stern!

Mein Stern, der mir noch manche Sommernacht
leuchten möchte, mir zum Glück gemacht.
Über uns ist nur das Kraut erbaut
mit den weissen Lämmerwolken drin.
Und das Gras, das reicht uns bis zum Kinn,
bis dass unsre Leiber auch sich zu Kraut
schon verwandelt haben, hier im Wald:
Du und ich schon ein Jahrtausend alt.

Hier, von aller Kümmernis entflohn,
ist auch dieser Wald ein Gottessohn,
der die Hände uns zusammenlegt.
Und wie manchmal aus dem grauen Staub
auferhoben wird das rote Laub,
treiben wir vom Morgenwind bewegt,
durch die breiten Flüsse in das Meer,
wo kein Grund mehr ist und keine Wiederkehr.


Klaus Kinski 1926-1991 | E-Mail (c) Michael 1998-1999
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