USHER von Edgar Allen Poe
Eine Bearbeitung von Susanne Lietzow und Gerhard Grasböck
Projekttheater
Vorarlberg - Koproduktion mit dem Theater Rabenhof Wien
Es
spielen
Martina Spitzer
Peter Badstübner
Rainer Egger
Gerti Tröbinger
Adula Ibn Quadr
Textfassung
Susanne Lietzow
Gerhard Grasböck
Regie:
Susanne Lietzow
Musik live: Adula Ibn Quadr
Bühne: Roland Ploner
Kostüme: Susanne Lietzow, Sebastian Pass
Lichtdesign /Technik: Gerhard Grasböck, Bartek Kubiak
Assistenz: Sebastian Pass
Kritiken:
Mit
"Usher" wird im Rabenhof Edgar Allan Poe modern interpretiert
Tod mit wenig Schrecken
Von Klaus Huhold
Wohl
kaum eine Erzählung ist schwieriger auf die Bühne umzulegen als
"Der Untergang des Hauses Usher" von Edgar Allan Poe. Dialoge sind
äußerst rar, durch die ganze Geschichte zieht sich der Schrecken
des Ich-Erzählers, der dem Wahnsinn seines schwermütigen und nervösen
Freundes Usher und dem Untergang von dessen Schwester beiwohnt.
Susanne Lietzow und Gerhard Grasböck haben sich trotzdem an Poes Erzählung
aus dem Jahre 1839 herangewagt und dieser eine moderne Interpretation gegeben.
Die Handlung hat sich dabei von einem verfallenen Schloss in eine abgenützte
Wohnung verschoben, in der es aussieht wie in einer herabgekommenen Studentenwohngemeinschaft
(Bühne Roland Ploner).
Eine starre Sterbend
Usher
ist ein verschrobener Sonderling voller Macken, der die ständig Platitüden
quasselnde Nachbarin am liebsten vor der Tür lässt – wie die
gesamte Außenwelt. Die Diagnose für Ushers Schwester Madeline bleibt
die gleiche wie bei Poe: Sterben. Starr sitzt sie auf einem Sessel in der
Mitte der Bühne, hustet und röchelt dazwischen, wirft tagsüber
kurze Sätze ein, spricht länger nur in der Nacht. Und Ushers Jugendfreund
Sterneck taucht auf, wird Zeuge des Sterben Madelines.
Überragend in dieser Konstellation: Rainer Egger als Usher. Vom oft gebückten
Gang bis zum Wechsel der Tonlagen, die die Gedankensprünge dieses weltabgewandten
Eigenbrötlers flankieren, akzentuiert Egger beeindruckend die Verschrobenheit
dieser Figur, aber auch die Beklemmung, die diese auslösen kann. Das
Spiel von Martina Spitzer (Madeline) und Peter Badstübner (Sterneck)
ist phasenweise pointiert, phasenweise wirkt es aber auch ein wenig überzeichnet
– doch gewinnt man dabei den Eindruck, dass diese Überzeichnung
ein mangelndes Profil der Figuren wettmachen soll. Denn auch der Text erhält
durch den stark gezeichneten Usher seine besten Wendungen – sonst wabert
er oft vor sich hin.
Der
Tod begleitet dieses Stück, aber vom Schrecken und vom Wahn, die ihn
bei Poe umgeben, ist nicht viel geblieben. Stattdessen wird er im Laufe des
Stückes immer mehr zum Effekt. Es ist tatsächlich – wie in
der Ankündigung angegeben – ein Stück nach Poe. Dessen Erzählung
dient mehr als Absprungbrett denn als Bezugsrahmen.
Usher Nach Edgar Allan Poe Von Susanne Lietzow und Gerhard Grasböck Regie:
Susanne Lietzow Mit Rainer Egger u. a.
Donnerstag, 24. April 2008
Von der Einbauküche lebendig begraben
Kritik
– Der Rabenhof lässt Edgar Allan Poes Haus Usher gekonnt untergehen
Man kann überall lebendig begraben sein. Im schottischen Schloss oder
im Zinshaus in Erdberg. Wo der Teich nur ein dreckiges Aquarium ist. Und eine
neugierige Nachbarin ihre Kreise um den Sitz derer von Usher zieht. Sie wird
am Ende nach einer Sauf-Sex-Party im Fischbecken ihr Leben aushauchen. . .
Wie viel schwarzer Humor in der Schwarzen Romantik steckt, beweist Regisseurin
Susanne Lietzow mit ihrer "Usher" genannten Adaption von Edgar Allan
Poes "Der Untergang des Hauses Usher" im Wiener Rabenhof. Für
die Produktion des Projekttheaters Vorarlberg hat Lietzow mit Gerhard Grasböck
die Textfassung erstellt.
Geistreich witzig verweben die beiden Poe’sche Motive (Geisteskrankheit,
Geschwisterliebe, das Auferstehen von scheinbar Toten) mit seiner Biografie:
vom Enterbtwerden über Alkoholismus bis zum Selbstmordversuch.
Erzähler Sternegg (Peter Badstübner) rauscht mit einer Riesenpackung
"Merci" an, um Jugendfreund Usher (großartig kauzig: Rainer
Egger; allein dieses Wimmern, wenn sich jemand auf seinen Platz setzen will)
beizustehen. Bankierssohn Usher hat sich durch fehlende soziale Kompetenz
asozialisiert und wohnt, zwischen Einbauküche und wackeliger Sitzecke,
dem Verfall seines Besitzes und seiner Schwester bei.
Denn "Maddy" – Martina Spitzer, bösartig-beklemmend –
hat beschlossen, durch Nahrungsverweigerung aus dem Leben zu scheiden. Das
erscheint ihr gewaltlos und löst eine gewaltige Sadomaso-Show aus. Im
Bemühen, einander zur Vernunft zu bringen, treibt man einander in den
Wahnsinn. Oder ist alles Kalkül?
Ein Abend, so unterhaltsam, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Das Projekttheater Vorarlberg, 2006 mit dem "Nestroy" für die
beste Off-Produktion ausgezeichnet, hat ganze Arbeit geleistet.
KURIER-Wertung: Vier von fünf Punkten
Artikel vom 24.04.2008 | KURIER | Michaela Mottinger
Rabenhof: Lebst du noch, oder vegetierst du schon?
Das
Projekttheater Vorarlberg zeigt Edgar Allen Poes „Usher“, ein
packendes Psychodrama. Vom Original blieb nur das Gerüst.
Bloß 23 Seiten kurz ist E.A. Poes „Der Untergang des Hauses Usher“.
Als Master of Mystery and Suspense ist er bekannt. Weniger geläufig dürfte
sein, dass Poe (1809–1849) einer der Erfinder des atemlosen Stils war,
der die angelsächsische Literatur so erfolgreich macht: Eine Geschichte
muss so kurz sein, dass sie in einem Atemzug gelesen werden kann.
So sagte Poe. Seine Nachfolger, es sind unübersehbar viele, haben es
geschafft, diesen Grundsatz selbst bei Potter-Epen durchzuhalten. „Usher“
ist ein Klassiker der Schauerromantik. Geisteskrankheit, Inzest, lebende Tote,
eine lebendig Begrabene, Naturmystik sind hier verwoben mit einer Satire des
Amerikaners Poe auf die britische Upper Class. Das Vorarlberger Projekttheater,
wo ebenfalls die Spezialisten des Schaurigen daheim sind, versetzte die Story
nach Wien.
Inzest und Untote im Gemeindebau
Die Aufführung spielt in einem Gemeindebau, wo ein Geschwisterpaar sich
notdürftig über Wasser hält, nachdem der reiche Vater beim
Schwängern einer Minderjährigen ex gegangen ist. Der Beginn erinnert
stark an Christoph Marthaler: trübe Existenzen in trübem Ambiente.
Da hat man mit dem Abend schon fast abgeschlossen. Kein Poe und auch sonst
im Westen nichts Neues. Irrtum.
Das Psychodrama ist eine Domäne des heutigen Theaters, nichts, was nicht
verrückt uminterpretiert würde: Paranoia, Manie, Depression, Ticks.
Nur: Nirgends sieht man das derart überzeugend ausgeführt wie in
der Inszenierung von Susanne Lietzow, die mit Gerhard Grasböck die zwischen
Witz und Schrecken changierende Bearbeitung gemacht hat. Je nachdem, wie man
gestimmt ist, kann man hier atemlos mitbeten, dass es in der jeweils nächsten
Szene nicht noch schlimmer kommt als in der vorigen – oder das Entsetzen
hinweglachen, wofür sich das Premierenpublikum entschied.
Die Schauspieler sind hervorragend: der spitznasige Rainer Egger als Usher,
der am Schluss Gerti Tröbinger, die gutmütig-lästige Nachbarin
(„Witz kann ich nicht, aber ich kann zaubern!“), im Aquarium ertränkt,
Martina Spitzer, Ushers schwerkranke Schwester, und Peter Bad-stübner
als Archäologe, der den dunklen Irrsinnstümpel aufwühlt, aufgräbt
und selbst darin versinkt. Für die passende surreale Geräuschkulisse
sorgt auf der Geige Adula Ibn Quadr. Großartig. bp
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2008)