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Es liegt in der Familie?!
von Painkillergal

Geisteskrankheiten sind erblich. Ja klar, stimmt schon, aber in unserer Familie hat es so was noch nie gegeben.

Family

Anfang September 1999 saß ich eines Nachmittags mit meiner Mutter im Wohnzimmer und sah fern. Wie immer starrte ich mit trübem Blick durch das Fernseh Gerät hindurch, ohne von den darin flackernden Bildern Notiz zu nehmen. Ich war in Gedanken versunken. An jenem Tag hatte ich mich entschieden mich innerhalb der nächsten Woche umzubringen, sollte ich keine Hilfe bekommen. Ich wusste dass ich an einer Depression litt, aber ich hatte den Mut mit meinen Eltern darüber zu reden bis dahin nicht aufgebracht.,

Als ich stockend zu reden begann wurde meine Mutter sauer. "So etwas hat es in unserer Familie noch nie gegeben." sagte sie.

Später bekam ich dann doch Hilfe. Anfangs fiel es meinen Eltern schwer zu akzeptieren das ich an einer Krankheit litt und nicht einfach zu viel Zeit damit verbrachte über mich selbst nach zu denken.

Ich glaube den Satz "So etwas hat es in unser Familie noch nie gegeben" bekommt fast jeder zu hören. Diese Worte lassen einen sich fühlen als wäre man ein Aussätziger oder eine Missgeburt die im Zirkus ausgestellt werden sollte, als wäre man jemand für den man sich schämen muss.
Trotzdem ist dieser Satz meistens falsch.

Niemand redet gerne über Geisteskrankheiten und in der Familie will sie natürlich keiner haben. Selbstverständlich gibt es immer irgend einen schrulligen Onkel, oder eine sehr stille Tante, die immer wieder komische Kommentare darüber abgibt dass sie lieber tot wäre. Aber Depressionen sind das nicht, sie ist eben nur ein bißchen egozentrisch.

Auf einer englischen Webseite habe ich einmal eine Liste von Anzeichen dafür gefunden, dass jemand in der Familie an Depressionen oder manischen Depressionen leidet.
Ich werde meine Übersetzung hier anfügen:

Treffen mehrer der unten angeführten Eigenschaften auf ein Mitglied deiner Verwandtschaft zu, ist es wahrscheinlich dass du nicht der erste mit seelischen Problemen in deiner Familie bist:

  • Alkoholismus
  • Angst oder Panikattacken
  • Arthritis ähnliche Symptome (chronische Müdigkeit)
  • Zwanghaftes Verhalten (zB wenn man immer mit dem rechten Fuß zuerst aufsteht, weil es sonst "falsch" wäre)
  • Kindesmißbrauch, oder Mißbrauch/Gewalt in der Ehe
  • Chronische Schmerzen
  • Chronische Kopfschmerzen, Migräne
  • Spielsucht
  • Kaufrausch
  • kriminelle Aktivitäten
  • Depressionen (ohne ersichtlichen Auslöser)
  • Essstörungen
  • exzentrisches Verhalten
  • plötzliche unvorhersehbare Wut, unnatürlich langer Zorn
  • Hyperaktivität
  • Hypersensitivität gegenüber Licht, Geräuschen, Berührung, Menschenmaßen
  • Kleptomanie
  • Stimmungsschwankungen
  • Frühere Behandlung(en) in Psychiatrie
  • Pedophilie
  • Zerstörungswut
  • Religiöse Fixierung ("bigott" sein)
  • S.A.D. Herbst Depressionen
  • Selbstverletzung (z.B. Schneiden, kratzen, brennen, Kopf gegen etwas schlagen)
  • Schlafstörungen
  • Selbstmord oder Selbstmord Drohungen
  • wie aufgezogen reden (sehr schnell, sehr lang)
  • ungewöhnliche Reaktionen auf Medikamente
  • Angst vor kleinen Räumen (Räume bei denen schlechter Fluchtweg besteht)

Mir persönlich hat diese 'Checkliste' sehr weiter geholfen. Denn sie hat mich erkennen lassen, dass ich keienswegs die erste in meiner Familie bin die "nicht alle Tassen im Schrank hat".

Jeder 2. leidet mindestens ein mal in seinem Leben an einer Depression, es ist also kein Wunder dass es solche Fälle in den meisten Familien gibt. Nicht jeder "Geisteskranke" ist ein Fall für die Psychiatrie und selbst wenn man stationär behandelt werden muss, hat niemand das Recht über diese Person zu richten. Seelische Kranke sind keine Aussätzigen.

Sie leiden an einer Krankheit die behandelt werden kann und muss. Ich glaube ich ziehe jedenfalls meine Depression Asthma oder Diabetes vor.

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