Vor vier Jahren lernte ich Sad kennen, ein nettes, aufgeschlossenes
Mädchen, selbstsicher und stark. Wir waren in einer Klasse und ich
bewunderte immer ihre faszinierende Art den anderen ihre Meinung
zu sagen, ohne sie dabei zu verletzen. Sie wurde sofort als Klassensprecherin
gewählt und einige unserer Mitschüler waren manchmal neidisch auf
sie, weil sie so gut mit den Lehrern umgehen konnte. Sie wusste,
wie man mit ihnen reden musste, um seinen Willen durchzusetzen,
nie aber war sie uncharmant oder frech.
Sie machte den Eindruck,
nichts könnte sie verletzen, sie war für alle da, eine wahnsinnig
gute Zuhörerin, hatte immer einen guten Rat. Mir fiel auf, dass
sie niemals über sich selbst sprach, aber, egoistisch, wie ich war,
dachte ich, sie hätte keine Sorgen. Jetzt merke ich, dass ich immer
abgeblockt habe, wenn sie versucht hat, mit mir zu reden. Ich war
einfach nicht für sie da. Ich nicht und kein anderer sonst. Ich
habe sie das erste Mal weinen sehen, als sie ihre große Liebe verloren
hatte. Kurz darauf ihre besten Freunde. Und mir fiel nicht auf,
dass sie den Versuch, mit mir zu reden, aufgegeben hatte.
An einem Tag wollte ich sie spontan besuchen. Ihre Mutter öffnete
mir die Tür. Als ich vor ihrer Zimmertür stand, hörte ich die wunderschöne
Musik, die aus den Lautsprechern ihrer Stereoanlage kam: sie hörte
Beethovens Mondscheinsonate. Klassik. Traurig und wunderschön. Ich
öffnete die Tür. Sad lag auf ihrem Bett und bewegte sich nicht.
Ich dachte, sie schlief, aber als ich sie länger beobachtete, sah
ich ihre feuchten Augen, die irgendeinen Punkt in ihrem Zimmer fixierten.
Ein starrer Blick, blank vor Verzweiflung. Sie trug nur Unterwäsche
und da sah ich zum ersten Mal, wie dünn sie geworden war. Neben
ihr lag ein Messer und ich bemerkte die tiefen Schnitte in ihrem
linken Arm.
Sie strahlte pure Verzweiflung aus. In dem Moment wusste
ich, sie hatte ihre Hoffnung, ihren Glauben und ihre Liebe verloren.
Und ich hatte nie etwas gemerkt.
Von Stella, einer Freundin von Sad