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Zum aktuellen Forschungsstand des fötalen Alkoholsyndroms

von

Annika Drozella





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1. Einleitung

2. Alkohol und Schwangerschaft

3. Über die Fähigkeiten eines Menschen mit FAS oder FAE

4. Umwelt eines Menschen mit FAS/FAE

5. Leistungsfähigkeit in den verschieden Lebensabschnitten

6. Mögliche Unterstützungen für Menschen mit FAS/FAE in den verschiedenen Lebensabschnitten

7. Schlußfolgerungen

8. Literaturliste

9. Anhang

 

  1. Einleitung

Bei der Übernahme des Themas "Zum aktuellen Forschungsstand des fötalen Alkoholsyndroms" habe ich zwei Kinder mit dem fötalen Alkoholsyndrom vor Augen gehabt, die ich im Rahmen meines Praktikums für die Zusatzausbildung in Frühförderung getroffen habe.

Das kleine Mädchen ist hörbehindert, trägt eine Brille mit dicken Gläsern und ist in ihrer Entwicklung nicht altersgemäß. Den Jungen und seine Besonderheiten kannte ich schon aus Erzählungen, da er zur Familie meiner Freundin gehört, ehe ich ihn wenige Tage im Kindergarten erleben konnte. Die beiden Kinder haben mich damals lange Zeit beschäftigt, ihre zahlreichen gesundheitlichen Probleme, ihre Unruhe und die Ursache für ihre Behinderung. Gibt es genaue Symptome und Kennzeichen für das fötale Alkoholsyndrom?

Die Adoptivmutter der Kleinen sprach sehr negativ über die leibliche Mutter. Sie war sehr wütend über die Frau, die schon pränatal dem Leben ihrer Tochter eine von anderen Kindern abweichende Richtung gegeben hat.Was sind das für Mütter, die ihr Kind durch den Alkoholkonsum schädigen?

Beide Kinder sind als geistigbehindert bezeichnet worden. Bedeutet das fötale Alkoholsyndrom automatisch, daß eine geistige Behinderung bei dem betroffenen Menschen vorliegt? Anders gefragt, ist es nur ein Thema für die Geistigbehindertenpädagogik oder sind auch andere pädagogische Bereiche mit diesem Syndrom konfrontiert?

Wie wird der Lebensweg dieser Kinder aussehen? Werden sie später alleine wohnen können, arbeiten und ein gesellschaftlich integriertes Leben führen können?

An diese Fragen aus meiner Praktikumszeit habe ich mich bei der Vorarbeit zu diesem Thema wieder erinnert, ich werde versuchen sie zu bearbeiten.

 

 

1.1 Bearbeitung des Themas

Bei der Bearbeitung des Themas "Zum aktuellen Forschungsstand des fötalen Alkoholsyndroms" will ich mich am AAMR-Konzept (s. Kapitel 1.2) orientieren, stellt die Leistungsmöglichkeiten eines Menschen mit geistiger Behinderung als Zusammenspiel seiner persönlichen Fähigkeiten mit der Umwelt und individuellen Hilfen darstellt.

Die Informationen für die Bearbeitung dieses Thema habe ich mir auf vielfältige Weise beschafft. Zum einen habe ich eine Online-Recherche in der Universitätsbibliothek durchgeführt; in "Medline", "Bibliodata" und "Psyndex" habe ich zahlreiche deutschsprachige Artikel und Buchangaben finden können, andere anhand der Literaturangaben der Autoren im Anhang an ihre Texte.

Auch im Internet sind zahlreiche Literaturangaben und Informationen zum Thema des fötalen Alkoholsyndroms zu finden, der größte Teil davon aus Nordamerika.

 

Ich habe schon beim Lesen der Literatur festgestellt, daß man leicht in die Versuchung geraten kann, die Individualität der Menschen mit Alkoholschädigung zu vernachlässigen, wenn man ihre gemeinsamen Besonderheiten beschreiben will. Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß alle später dargestellten Symptome und Verhaltensweisen auftreten können, es aber nicht müssen, und das sie nur Teil der individuellen Persönlichkeit eines Menschen mit Alkoholschädigung sind, denn es besteht leicht die Gefahr nur noch diese Schädigung zu sehen, nicht aber den einzelnen mit all seinen Stärken und Schwächen.

Aus diesem Grund habe ich im Rahmen meiner Vorbereitungen eine Familie mit vier betroffenen Kindern und Jugendlichen in Hamburg besucht, so daß ich immer verschiedene Individuen im Hinterkopf habe.

 

 

1.2 Kurze Vorstellung des AAMR-Konzeptes

Die American Association On Mental Retardation (AAMR, 1992) definiert "geistige Behinderung" folgendermaßen:

"Mental retardation refers to substantial limitations in present functioning. It is characterized by significantly subaverage intellectual functioning, existing concurrently with related limitations in two or more of the following applicable adaptive skill areas: communication, self-care, home living, social skills, community use, self-direction, health and safety, functional academics, leisure, and work. Mental retardation manifests before age 18."

 

Diese Definition erklärt "geistige Behinderung" als eine signifikante Einschränkung in der konzeptionellen, praktischen und sozialen Intelligenz eines Menschen, andere Dimensionen ( z.B. Gesundheit oder Temperament) müssen nicht betroffen sein. Die deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit wird bei einem IQ-Durchschnitt von ca. 70-75 oder darunter angesetzt. Die intellektuellen Einschränkungen treten gemeinsam mit denen in sozialer Kompetenz (Kommunikation, Wohnen im Haushalt, Selbststeuerung, usw.) auf, letztere muß in zwei oder mehr Teilbereichen betroffen sein. Die Bewertung der sozialen Kompetenz und der intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen muß auf der Grundlage seiner kulturellen Umwelt geschehen. Die geistige Behinderung wird vor dem 18. Lebensjahres eines Menschen offenkundig.

In der unteren Graphik ist die allgemeine Struktur der Definition von "Geistiger Behinderung" abgebildet.

Die Graphik zeigt, daß ein Mensch mit geistiger Behinderung nicht isoliert als ein Mensch mit begrenzter Leistung betrachtet werden darf. Sie zeigt vielmehr, daß neben den Fähigkeiten eines Menschen, auch seine Lebensumwelt (Environemt) und dem Bedarf angepasste Hilfen (Supports) die individuelle Leistungsfähigkeit bestimmen.

 

 

Capabilities = Fähigkeiten (Intelligenz – soziale Kompetenz)

Environments = kulturelle Gegebenheit (Zuhause – Arbeit/Schule – Gemeinschaft)

Functioning = Leistungfähigkeit

Supports = Unterstützungen

 

 

1.3 Zur Geschichte der Entdeckung des fötalen Alkoholsyndroms

Die heute gültige medizinische Erstbeschreibung des fötalen Alkoholsyndroms (FAS) erfolgte 1968 durch den Kinderarzt P. Lemoine et al. in Nantes / Frankreich, obwohl zuvor in den sechziger Jahren schon einige Fälle dargestellt worden waren (Löser 1995, 91; Majewski 1980, 8).

 

Gleichzeitig mit Lemoine stellte Jones et al. ohne Kenntnis der Arbeit von Lemoine im Jahre 1973 in Seattle (USA) das Syndrom vor und führte den Begriff "Fetal Alcohol Syndrom" ein (dt. fötales Alkoholsyndrom, auch fetales Alkoholsyndrom oder Alkoholembryopathie). Erst durch diese Veröffentlichung wurde die weltweite Aufmerksamkeit auf das Syndrom gezogen.

 

Die Folgen des mütterlichen Alkoholkonsums rückten erst zu diesem relativ späten Zeitpunkt verstärkt in das Bewußtsein der Ärzte und der Öffentlichkeit, denn zuvor stand der Alkoholismus des Vaters im Blickpunkt der Wissenschaft (Löser 1995, 92). Es gab aber durchaus frühere Beschreibungen der Folgen des mütterlichen Alkoholkonsums.

 

Majewski (1980, S.2) schreibt, daß vermutlich aus der Zeit der "Gin-Epidemie" in den Jahren 1720-1750 in England die ersten Berichte über Kinder mit Alkoholembryopathie (AE) stammen. In dieser Zeit wurden Destillierverbote aufgehoben, um Getreideüberschüsse für den Adel absetzbar zu machen; während gleichzeitig ein Einfuhrverbot für Alkoholika aus Frankreich bestand. Durch die, auf diese Weise entstehenden Mengen an billigen Alkohol, also selbstgebranntem Gin, in allen sozialen Schichten, geriet England in eine Krise. Diese konnte erst durch eine Gesetzesänderung im Jahre 1751 beendet werden. In den vorherigen Jahren war der Verbrauch an Alkohol auf 1 Million Gallonen im Jahr gestiegen. "Eine Petition des "College of Physicians" an das Parlament in London stellte 1726 fest, daß die Kinder trunksüchtiger Eltern schwach, dumm und geistig gestört seien." (Löser 1995, 95).

 

Die Folgen des Alkoholüberflusses hielt William Hogarth in einem Kupferstich (1751) fest (s. Anhang). Sein Bild "Gin-Lane" trug mit zu der Verabschiedung des Gesetztes, das zum Ende der "Gin-Epidemie" führte, bei. Paditz (1993, 145) beschreibt, daß auf diesem Bild ein Kind mit Alkoholembryopathie zu erkennen ist. Seiner Meinung nach, weist das stürzende Kind im Bildmittelpunkt für die Alkoholembryopathie typische Gesichtszüge auf, wie: "tiefliegende Augen mit antimongoloider Lidachsenstellung, eingesunkene hypoplastische Nasenwurzel und nach vorne aufgeworfene Nasenöffnungen, die an die typische "Steckdosennase" erinnern".

 

Die Erfahrungen der "Gin-Epidemie" von 1720-1750 scheinen dann in Vergessenheit geraten zu sein (Majewski (1980, 3), da ähnliche Epidemien auf dem europäischen Festland nicht auftraten (Löser 1995, 97).

Auch waren die Fälle des fetalen Alkoholsyndroms wahrscheinlich nicht so häufig wie heute, da bis "zum zweiten Weltkrieg das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Alkoholkranken etwa 10:1 betrug, während es heute etwa 3:1 beträgt" (Löser 1995, 97+102).

 

Der Gefängnisarzt W. C. Sullivan untersuchte 1899 in einem Liverpooler Gefängnis 600 Geburten von 120 alkoholkranken Frauen. Er stellte fest, daß sich die Überlebensfähigkeit der Kinder mit Dauer und Intensität des mütterlichen Trinkens verringerte. Von diesen Kindern starben über die Hälfte vor dem dritten Lebensjahr (Majewski 1980, 4). Sullivan schrieb, "Der Einfluß der mütterlichen Trunkenheit (drunkeness) ist eine so prädominante Kraft, daß der väterliche Faktor fast zu vernachlässigen ist" (Löser 1995, 4).

 

 

Die Geschichte des fötalen Alkoholsyndrom ist ausführlicher in "Untersuchungen zur Alkoholembryopathie", 1980 von F. Majewski, bzw. in "Alkoholembryopathie und Alkoholeffekte" von H. Löser , in den Beiträgen von Paditz (Zur Geschichte der Alkoholembryopathie in Kinderkrankenschwester 1993, Nr.4: 144-147 / Ansätze der Prävention der Alkoholembryopathie bereits vor 3000 Jahren? In Kinderärztliche Praxis 1989; 57 H.11: 565-570) dargestellt.

 

 

1.4 Klärung der Begrifflichkeiten

Für das, durch mütterlichen Alkoholkonsum bedingte, toxische, polydystrophe Fehlbildungssyndrom, beim Kind mit unterschiedlicher Ausprägung, gibt es keine weltweit einheitliche Bezeichnung.

 

In Deutschland spricht man von der Alkoholembryopathie bzw. dem fötalen (fetalen) Alkoholsyndrom (FAS) und den Alkoholeffekten (FAE). Die Alkoholembryopathie wird nach dem Schweregrad der Ausprägung in drei Formen unterteilt.

 

In den USA wird zwischen dem Fetal Alcohol Syndrome (FAS), den Alcohol-related birth defects (ARBD) und den Alcohol-related neurodevelopmental disorders (ARND) unterschieden, letztere werden in der gängigen Literatur als fetal Alcohol Effects (FAE) bezeichnet.

 

 

Die wichtigsten Kennzeichen für das Syndrom sind:

  1. prä- und postnatale Gedeihstörungen (Dystrophie)

  2. Störungen des zentralen Nervensystems

    Neurologie

    Intelligenz

    Verhalten

  3. Kraniofaziale Dysmorphie

  4. Andere somatische, kleinere und größere Fehlbildungen, z.B. Herz, Gehirn, Nieren

  5. Anamnese des mütterlichen Alkoholkonsums

 

 

Die beiden Bezeichnungen für die Alkoholschädigung des Kindes betonen den Schwerpunkt der Schädigung zu unterschiedlichen Zeiten der Schwangerschaft anders. Der Begriff "Alkoholembryopathie" drückt aus, daß in der Embryonalzeit die Gefahr für eine Schädigung am größten ist. Die Bezeichnung "fetales Alkoholsyndrom" macht deutlich, daß auch zu späteren Zeitpunkten, in der Fetalzeit, noch Alkoholschäden enstehen können.

 

Majewski (1980, 35) unternahm den Versuch einer Einteilung der Alkoholembryopathie in drei verschiedene Schädigungsgrade. Die Übergänge zwischen diesen sind fließend, ebenso der Übergang zum "Normalen".

Nach dem Ausmaß der cerebralen Schädigung und der kraniofazialen Dysmorphie wurden die betroffenen Kinder und Jugendlichen den Schädigungsgraden I – III, d.h. in schwach, mittel und stark betroffen, zugeordnet .

 

Es wurde eine Wertung von 26 wesentlichen Symptomen nach Punkten vorgenommen. In der folgenden Tabelle kann man die Punkte der einzelnen Symptome ablesen, sowie die Häufigkeit der einzelnen Symptome, auf die z.T. später noch genauer eingegangen wird (s. Kapitel 2.3.1 – 2.3.8).

 

 

Punkte nach Majewski

 

 

Symptome

 

 

Häufigkeiten, Literaturangaben

4

Intrauteriner Minderwuchs, Untergewicht

88% (Lö), >80% (Cl), 83% (Maj)

-

Postnatale Wachstumsverzögerung

86% (Maj)

-

Vermindertes subkutanes Fettgewebe

ca. 80% (Lö)

 

Kraniofaziale Dysmorphie

 

4

Mikrocephalie

82% (Lö), 72% (Sp), 81% (Maj)

2

Haaraufstrich im Nacken

ca. 35% (Lö)

3

Verkürzter Nasenrücken

51% (Maj), 52% (Sp)

1

Nasolabialfalten

67% (Maj), 48% (Sp)

1

Schmales Lippenrot, dünner Lippenwulst

65% (Maj), 69% (Sp)

-

Fehlendes / flaches / verlängertes Philtrum

95% (Lö)

-

Fehlender Cupidobogen

20% (Lö)

-

kleine Zähne / Zahnanomalien

31% (SP), 28% (Maj)

2

Hypoplasie der Mandibel, fliehendes Kinn

65% (Maj), >50% (Cl), 82% (Sp)

2

Hoher Gaumen

27% (Maj), >80% (Cl), 69% (Sp)

4

Gaumenspalte

7% (Maj), 7% (Sp), 4,4% (Lö)

-

Dysplastische, tief ansetzende Ohren

59% (Sp), 26-50% (Cl), 31% (Maj)

 

Augenfehlbildungen

 

-

Myopie / Hyperopie / Astigmatismus

25% (Lö)

-

Strabismus

23% (Lö), 20% (Maj), 27% (Sp)

-

Spaltbildungen

ca. 5% (Lö)

-

Opticusaplasie / - Hypoplasie

ca.10% (Lö)

-

Microphthalmie / Mikrocornea

5% (Lö), 3% (Maj)

2

Epikanthus

54% (Maj), 68% (Sp), 26-50% (Cl)

2

Ptosis

36% (Maj), 26-50% (Cl),, 14% (Sp)

2

Blepharophimose

24% (Maj), 49% (Sp)

-

Antimongoloide Lidachsen

34% (Maj), 49% (Sp)

2 / 4

Genitalfehlbildungen

32% (Lö), 39% (Sp), 40% (Maj)

4

Nierenfehlbildungen

9% (Bra), 10% (Maj), 8,0% (Sp)

4

Herzfehler

29% (Lö), 30% (Maj)

-

Alkoholkardiomyopathie

3% (Lö)

-

Haemangiome

10% (Maj), 8,3% (Lö), 11,1% (Sp)

 

Extremitäten / Skelettfehlbildungen

 

3

Anomale Handfurchen

7% (Maj), 52% (Sp)

-

Flaches Handlinienrelief

ca.15% (Lö)

2

Brachy- / Klinodactylie

38% (Maj), 65% (Sch), 61% (Sp)

2

Kamptodactylie

13% (Maj), 6,8% (Sch), 8,5% (Sp)

1

Hypoplasie der Endphalangen / Nägel

14% (Maj), 11% (Sch), 10% (Sp)

2

Radioulnare Synostose / Supinationshemmung

14% (Lö), 11% (Sp), 11% (Maj)

2

Hüftluxation / -dysplasie

11% (Maj), 14% (Sp), 7% (Sch)

-

Skoliose

7% (Lö), 3% (Maj)

-

Trichterbrust (pectus excavatum)

12% (Lö), 20% (Maj), 17% (Sp)

-

Kielbrust (pectus gallinaceum)

6% (Lö), 7% (Sp), 1-25% (Cl)

-

Rippenanomalien

10% (Lö), 10% (He)

-

Wirbelanomalien

5% (Sch)

 

Weitere Fehlbildungen

 

2

Hernien

12% (Lö), 25% (Sp), 1-25% (Cl)

-

Bindegewebsschwäche

ca.25% (Lö), 42% (Maj)

1

Fovea coccygea

51% (Maj), 59% (Sp)

 

Neurologische, mentale, psychopathol. Störungen

 

2 / 4 / 8

Geistige Entwicklungsverzögerung

89% (Lö), 83% (Maj), 93% (Sp)

-

Sprachstörungen

80% (Shaywitz et al. 1984)

-

Hörstörungen

ca.20% (Lö)

-

Eß- und Schluckstörungen

ca.30% (Lö)

-

Schlafstörungen, Pavor nocturnus

ca.40% (Lö)

2

Muskul. Hypotonie, Muskeldysplasie

57% (Maj), 65% (Sp)

-

Verminderte Schmerzempfindlichkeit

ca.20% (Lö)

-

Feinmotorische Dysfunktion

ca.80% (Lö)

-

Krampfanfälle

6% (Lö)

 

Verhaltensstörungen

 

4

Hyperaktivität, Hyperexzitabilität

72% (Lö), 72% (Sp), 74% (Maj)

-

Distanzlosigkeit, Vertrauensseligkeit

ca.50% (Lö)

-

Erhöhte Risikobereitschaft, Waghalsigkeit

ca. 40%

-

Autismus

3% (Lö)

-

Aggressivität, dissoziales Verhalten

ca.3% (Lö)

-

Emotionale Instabilität

ca. 30%

 

Punkte

10 – 29 Punkte:

Schädigungsgrad I (leicht) der Alkoholembryopathie

 

30 – 39 Punkte:

Schädigungsgrad II (mäßig)

 

> 40 Punkte:

Schädigungsgrad III (schwer)

Abkürzungen: Bra= Brachmann (1987), CL= Clarren und Smith (1978) (?), He= Hermann et al. (1980), Lö= Löser (1991 + 1992) (?), Maj= Majewski (1988 + 1993), Sch= Schubert (1988) (?), Spohr (1989 (?) + 1990)

(Tabelle übernommen aus Löser 1995, 7-8)

 

 

In der mittleren Spalte der Tabelle sind die möglichen Symptome der Alkoholembryopathie abzulesen. Der rechten Spalte kann entnommen werden, wie häufig diese Symptome von den verschiedenen Autoren gefunden worden sind.

Die Einteilung der Schädigungsgrade der Alkoholembryopathie nach Majewski (1980, 35) erfolgt nach der Punktbewertung der Symptome in der linken Spalte:

 

 

Schädigungsgrad I: weniger als 30 Punkte

Die leichte Form der Alkoholembryopathie ist oligosymptomatisch. Das Gesicht kann uncharakteristisch sein, die Entwicklungsparameter sind unter dem Durchschnitt bzw. unter der Norm. Geistig sind diese Kinder geringfügig subnormal. Die Alkoholkrankheit der Mutter muß bekannt sein (Majewski 1980, 35, Löser 1995, 15), um eine Diagnose stellen zu können.

 

Schädigungsgrad II: 30 – 39 Punkte

Bei der mittelschweren, moderaten Form sind die Gesichter der Kinder mit Alkoholembryopathie auffällig. Die Kinder sind intrauterin minderwüchsig, untergewichtig und mikrozephal. Sie haben mäßige neurologische Auffälligkeiten. Es besteht eine geistige Minderbegabung, innere Fehlbildungen sind selten (Majewski 1980, 35, Löser 1995, 14).

 

Schädigungsgrad III: 40 Punkte und mehr

Bei der starken Form zeigen die betroffenen Kinder fast alle in der Tabelle angeführten Symptome auf. Sie weisen erhebliche Wachstumsverzögerungen, Mikrozephalie, typische kraniofaziale Anomalien, Muskelhypotonie, eine erhebliche geistige Behinderung und zahlreiche innere Fehlbildungen auf (Löser, 1995,14; Majewski 1980, 35).

 

Diese Schweregradeinteilung der Alkoholembryopathie ist grob und wenig differenziert, es bestehen fließende Übergänge und die Punktebewertung ist eine subjektive. Auch können einige andere Syndrome zu einer hohen Punktebewertung führen, z.B. das Dubowitz- oder das Cornelia de Lange-Syndrom (Spohr 1991, 294).

 

Die oben schon erwähnten Alkoholeffekte (Fetal Alcohol Effects, FAE) prägen sich hauptsächlich am Gehirn aus (Löser 1995, 19). Bei den körperlichen Symptomen werden nach Majewski nicht mehr als 10 Punkte erreicht. Besonders wichtig für eine Diagnosestellung ist bei den Alkoholeffekten die gesicherte mütterliche Alkoholanamnese. Die Alkoholeffekte können sich auch bei Kindern manifestieren, deren Mütter einen relativ geringen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft hatten. Die Alkoholeffekte beruhen auf Teilleistungsstörungen des Gehirns, die durch psychometrische, psychologische und verhaltensbezogene Untersuchungen erfaßt werden können (Löser 1995, 20). Es handelt sich um eine embryotoxische Enzephalopathie, da jede Hirnregion vom Alkohol betroffen wird (Löser 1991, 33).

 

Gerade bei den Alkoholeffekten wird die Schwierigkeit einer Diagnosesicherung deutlich, es gibt keine typische neurologische oder psychatrische Besonderheit, auch wenn einige Teilleistungsstörungen, Hyperaktivität und distanzloses Verhalten gehäuft auftreten.

Die meisten Testverfahren können die Alkoholeffekte nicht in den ersten Lebensjahren aufdecken. Es kann nur ein Verdacht geäußert werden, da Angaben zum Alkoholkonsum während der Schwangerschaft nur schwierig zu erhalten sind, oder dieser verharmlost oder verheimlicht wird bzw. die Mütter nicht befragt werden können.

Bei fehlenden Angaben zum Alkoholkonsum der Mutter muß von möglichen Alkoholeffekten gesprochen werden (Löser 1995, 20).

 

Neben dem Alkohol können noch zahlreiche andere Faktoren die Entwicklung des Kindes während der Schwangerschaft beeinflußen, z.B.: Nikotin, Drogen, Medikamente, Streß, Ernährung (Löser 1995, 12 / 16).

 

 

Die in den USA gültigen Definitionen für die Auswirkungen des Alkohols auf das sich entwickelnde Kind während der Schwangerschaft, sind in der untenstehenstehenden Tabelle angeführt.

 

Diagnostic Criteria for Fetal Alcohol Syndrome (FAS) and Alcohol-Related Effects ( Stratton 1996, 76-77)

Fetal Alcohol Syndrome

  1. FAS with confirmed maternal alcohol exposure

  1. Confirmed maternal alcohol exposure

  2. Evidence of a characteristic pattern of facial anomalies that includes features such as short palpebral fissures and abnormalities in the premaxillary zone (e.g., flat upper lip, flattened philtrum, and flat midface)

  3. Evidence of growth retardation, as in at least one of the following:

  • low birth weight for gestational age

  • decelerating weight over time not due to nutrition

  • disproportional low weight to height

  1. Evidence of CNS neurodevelopmental abnormalities, as in at least one of the following:

  • decreased cranial size at birth

  • structural brain abnormalities (e.g., microcephaly, partial or complete agenisis of the corpus callosum, cerebellar hypoplasia)

  • neurological hard or soft signs (as age appropiate), such as impaired fine motor skills, neurosensory hearing loss, poor tandem gait, poor eye-hand coordination
  1. FAS without confirmed maternal alcohol exposure

    B, C, and as above

  • Partial FAS with confirmed maternal alcohol exposure

  1. Confirmed maternal alcohol exposure

  2. Evidence of some components of the pattern of characteristic facial anomalies

    Either C or D or E

  3. Evidence of growth retardation, as in at least one of the following:

  • low birth weight for gestational age

  • deceleration weight over time not due to nutrition

  • disproportional low weight to height

  1. Evidence of CNS neurodevelopmental abnormalities, as in:

  • decreased cranial size at birth

  • structural brain abnormalities (e.g., microcephaly, partial or complete agenesis of the corpus callosum, cerebellar hypoplasia)

  • neurological hard or soft signs (as age appropiate) such as impaired fine motor skills, neurosensory hearing loss, poor tandem gait, poor eye-hand coordination

  1. Evidence of a complex pattern of behavior or cognitive abnormalities that are inconsistent with developmental level and cannot be explained by familial background or environmentalone, such as learning difficulties; deficits in school performance; poor impulse control; problems in social perception; deficits in higher level receptive and expressive language, poor capacity for abstraction or metacognition, specific deficits in mathematical skills, or problems in memory, attention, or judgement

Alcohol-Related Effects

Clinical conditions in which there is a history of maternal alcohol exposure, and where clinical or animal research has linked maternal alcohol ingestion to an observed outcome.

There are two categories, which may co-occur. If both diagnoses are present, then both diagnoses should be rendered:

  1. Alcohol-related birth defects (ARBD)

    List of congenital anomalies, including malformations and dysplasias

     

    Cardiac Atrial septal defects Aberrant great vessels

    Ventricular septal defects Tetralogy of Fallot

    Skeletal Hypoplastic nails Clinodactyly

    Shortened fifth didits Pectus excavatum and carinatum

    Radioulnar synostosis Klippel-Feil syndrome

    Flexion contractures Hemivertebrae

    Camptodactyly Scoliosis

    Renal Aplastic, dysplastic, Ureteral duplications

    Hypoplastic kidneys Hydronephrosis

    Horseshoe kidneys

    Ocular Strabismus Refractive problems secondary

    to small globes

    Retinal vascular anomalies

    Auditory Conductive hearing loss Neurosensory hearing loss

    Other Virtually every malformation has been described in some patients with FAS. The etiologic specific of most of these anomalies to alcohol teratogenesis remains uncertain.

  • Alcohol-related neurodevelopmental disorder (ARND)

Presence of:

  1. Evidence of CNS neurodevelopmental abnormalities, as in any one of the following

  • decreased cranial size at birth

  • structural brain abnormalities (e.g., microcephaly, partial or complete agenesis of thecorpus callosum, cerebellar hypoplasia)

  • neurological hard or soft signs (as age appropriate), such as impaired fine motor skills, neurosensory hearing loss, poor tandem gait, poor eye-hand coordination

and / or

B. Evidence of a complete pattern of behavior or cognitive abnormalities that are inconsistent with developmental level and cannot be explained by familial background or environment alone, such as learning difficulties; deficits in school performance; poor impulsive control; problems in social perception; deficits in higher level receptive and expressive language; poor capacity for abstraction or metacognition; specific deficits in mathematical skills, or problems in memory, attention, or judgement

 

 

1.5 Die Häufigkeit von FAS und FAE

Für die USA wird die Häufigkeit von FAS mit 1:500–700 und für FAE mit 1:300-350 Geburten angegeben (Davis 1994, 4). Das bedeutet, daß über 40.000 Babies mit Alkoholschäden im Jahr in den USA geboren werden (Mc Intyre-Palmer 1995, 63).

 

Die Angaben für Deutschland liegen bei "2200 Kindern mit Alkoholembryopathie (Grad I-III) pro Jahr bei einer Inzidenz von 1:300 Neugeborenen", doch die Alkoholeffekte treten um ein Vielfaches häufiger auf (Löser 1995, 4).

 

Durch die zuvor genannten Zahlen wird deutlich, daß die Alkoholembryopathie bzw. das FAS eine führende Rolle in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen einnehmen. In der folgenden Tabelle ist die Häufigkeit des Auftretens einiger anderer Behinderungsarten abzulesen:

 

 

Häufigkeit von anderen Behinderungen:

Down-Syndrom

1: 600-900 (Neuhäuser ?, 165)

1,2: 1000 (Spohr 1990, 39)

Cerebralparese

1: 833 (Spohr 1990, 39 )

Spina Bifida

1: 700 (George 1996, 8)

 

Die oben genannten Zahlen für die Häufigkeit des Auftretens der FAS sind nur grobe Richtwerte. Innerhalb einer Bevölkerung ist das Risiko sehr unterschiedlich. In Indianerreservaten in den USA und Kanada beträgt die Häufigkeit z.T. sogar 1:100 (in Majewski 1987 (a), 106) bzw. an einem bestimmten Ort sogar 1:8 (Robinson 1987, 203). In Frankreich liegt die Häufigkeit in der Stadt Roubaix bei 1:212 (in Majewski 1986, 1127). Die höchste Inzidenz wurde in Süd-Dakota (USA) in einem Indianerreservat mit einer Häufigkeit von 1:4 Geburten (Löser 1995, 5) bestimmt.

 

Die zu Beginn des Kapitels genannten Zahlen beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung. Es ist jedoch sinnvoller, das Risiko für das Auftreten von FAS / FAE genauer zu differenzieren. Abel (1995, 437.) unterscheidet zwischen der Häufigkeit des Auftretens von FAS in der Durchschnittsbevölkerung, (0,97:1000) und dem bei "heavy drinkers", das bei 4,3 % liegt. Abel führt aus, daß das Vorkommen in den USA 20mal höher ist (1,95:1000) als im Vergleich zu Europa und anderen Ländern. Seiner Meinung nach, steht das Risko für das Vorkommen von FAS in enger Korrelation zum sozioökonomischem Status einer Bevölkerungsgruppe. Die Armut bestimmter Bevölkerungsgruppen bedingt gemeinsam mit hohem Alkoholkonsum zahlreiche Faktoren, z.B. Nikotinabusus, schlechter Allgemeinzustand, Mangelernährung, Streß und den Mißbrauch von Drogen und Medikamenten. Abel vermutet, daß all diese Faktoren den Effekt des starken Alkoholmißbrauches verstärken, so daß das FAS gehäuft auftritt.

 

Die Häufigkeitsangaben für die Alkoholembryopathie sind nicht einheitlich, was z.T. schon durch den obigen Abschnitt erklärt worden ist. Die Ergebnisse einer Untersuchung der Inzidenz hängt stark von der untersuchten Gruppe ab, auch ist die uneinheitliche Eingrenzung der Alkoholembryopathie (Löser 1995, 3) und der gleitende Übergang zu den Alkoholeffekten erschwerend für eine exakte Angabe des Vorkommens.

 

Die Häufigkeit der Alkoholeffekte genau zu ermitteln ist nicht möglich, da sie zumeist erst im Kleinkindalter bzw. Schulalter erkennbar werden. Viele Fachleute denken bei Verhaltens- und/ oder Lernschwierigkeiten nicht an die Möglichkeit einer Hirnschädigung durch Alkohol während der Schwangerschaft. So beruhen die Zahlen der Häufigkeit der Alkoholeffekte auf Schätzungen. Sie sind um ein Vielfaches häufiger als die Alkoholembryopathie (Löser 1995, 5). Lösers Aussage beruht auf der Angabe der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) (1985), "daß mehr als 80% der Mütter in der Schwangerschaft mehr oder weniger Alkohol trinken und nur 6% der Frauen vollständig abstinent leben", die Löser zitiert ( in Löser 1995, 5).

 

Im folgenden Teil der Arbeit werde ich der Einfachheit halber nur noch von dem fötalen Alkoholsyndrom (FAS) und den fötalen Alkoholeffekten (FAE) schreiben, außer es erscheint für die Verdeutlichung einer Aussage als wichtig, auf die Einteilung der Schädigungsgrade bei der Alkoholembryopathie (AE) einzugehen.

 

 

2. Alkohol und Schwangerschaft

In diesem Kapitel werden die Gründe für Alkoholabhängigkeit bei Frauen, deren Alkoholkonsum und dessen Auswirkungen auf ihre sich entwickelnden Kinder dargestellt.

 

2.1 Alkoholkonsum, besonders von Frauen in Deutschland

In unserer Gesellschaft ist Alkohol eine legale Droge, die bei vielen Anlässen nicht wegzudenken ist, und an der der Staat durch Steuern gewinnt (Broschüre der DHS 1996, Löser 1995, 140).

Im Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol liegt Deutschland im Ländervergleich in der Spitzengruppe (10 Liter und mehr) (Feuerlein 1997, 81). Der Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol in den einzelnen Ländern im Jahre 1992 ist in der kommenden Tabelle abzulesen:

Land

Alkohol-Pro-Kopf-Verbrauch

Liter

Deutschland

12,0

Frankreich

11,8

Spanien

10,9

Dänemark

10,3

Schweiz

10,1

Österreich

10,0

Belgien

9,6

Italien

8,9

Tschechien

8,8

Niederlande

8,1

Argentinien

7,6

Autralien

7,6

Finnland

7,2

Großbritannien

7,2

USA

6,9

Polen

6,3

(aus Jahrbuch Sucht 1995, in Feuerlein S. 80).

 

Es sind in den letzten Jahren in Deutschland pro Kopf (Männer und Frauen) ca. 160 l alkoholische Getränke konsumiert worden (Statistisches Jahrbuch 1996).

Im Jahr 1995 lag der Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol bei 11,2 Litern, was in etwa dem Alkoholgehalt von ca. 285 Litern Bier oder 180 Litern Wein entspricht (Broschüre der DHS 1996, s. Kapitel 6.5.1).

 

Die folgende, aus mehreren anderen zusammengesetzte, Tabelle soll verdeutlichen, daß das Konsumniveau alkoholischer Getränke auch bei Frauen in Deutschland sehr hoch ist

 

Westdeutschland

Ostdeutschland

 

1990

1995

1990

1992

1995

Bierkonsum in %

Nie

30,9

34,4

42,0

44,1

46,1

Höchstens einmal pro Monat

32,4

36,3

28,6

26,9

32,3

Höchstens einmal pro Woche

23,2

18,5

14,2

14,1

13,8

Mehrmals pro Woche

11,3

9,5

6,7

8,8

5,7

Weinkonsum in %

Nie

12,2

15,5

5,9

5,4

6,4

Höchstens einmal pro Monat

45,9

50,5

37,6

40,8

46,1

Höchstens einmal pro Woche

31,4

26,8

44,1

44,1

40,6

Mehrmals pro Woche

8,8

6,5

7,5

6,7

6,7

(Tabelle: Alkoholkonsumfrequenz alkoholischer Getränke 18-39jähriger Frauen (1990-1995) zusammengestellt aus dem Jahrbuch Sucht 1998 von der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren S. 116+117)

 

Löser (1995 S. 5) gibt zu bedenken, daß gerade für die Häufigkeit der Alkoholeffekte bedeutsam ist, daß "mehr als 80% der Mütter in der Schwangerschaft mehr oder weniger Alkohol trinken und nur 6% der Frauen vollständig abstinent leben (DHS, 1985)".

 

 

2.2 Alkoholabhängigkeit bei Frauen

Alkoholismus ist eine schwere chronisch verlaufende Krankheit, die zu großen sozialen Folgeschäden führen kann.

Diese Definition ist sehr unscharf, differenzierter beschreibt Jellinek die Krankheit Alkoholismus.

Jellinek (in Schmidt 1988,?) stellte auf Grund einer Befragung von alkoholkranken Menschen ein Phasenmodell zur Typologie auf. Es wurden Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta, später auch noch Epsilon-Alkoholiker abgegrenzt.

 

Trinktypen nach Jellinek

1. Alpha-Alkoholismus

Problem- und Erleichterungstrinken

Psychisch abhängig, Aufhören möglich

2. Beta-Alkoholismus

Gelegenheitstrinker mit periodischem Alkoholmißbrauch (Trinksitten)

Weder seelisch noch körperlich abhängig, Aufhören möglich

3. Gamma- Alkoholismus

"süchtige" Trinker (zumeist hochprozentige Getränke, Rausch jedoch nicht die Regel

Seelisch abhängig, Kontrollverlust,

4. Delta-Alkoholismus

Gewohnheitstrinker

Körperliche Abhängigkeit, Entzugserscheinungen beim Absetzen, reichlicher Konsum über den ganzen Tag verteilt (Spiegeltrinker), selten Rauschzustände, Unfähigkeit zu abstinieren

Epsilon-Alkoholismus

Periodische Trinker ("Quartalssäufer")

In regelmäßigen Abständen kommt es zu seelisch-körperlichen Krisen mit Unruhe, depressiven Verstimmungen, zwanghaftem Denken an Alkohol und nachfolgendem Alkoholexzess mit Kontrollverlust über mehrere Tage

(Tabelle nach Neumann 1996, 12)

 

Die Gamma-Alkoholismus wird weiter unterteilt in die voralkoholische, die Prodominal-, die kritische und die chronische Phase.

3.Gamma-Alkoholismus

3.1 voralkoholische Phase

Erleichterungstrinken, Toleranzabnahme für seelische Belastungen, Alkohol als Kompensationsmittel, zunehmend als Stimmungsregulans, Alkoholtoleranz nimmt zu

3.2 Prodomialphase

Beginnt mit retrograden Amnesien (Palimpsesten), Erinnerungslücken nach Alkoholgenuß, in Konfliktsituationen wird getrunken, alleine und heimliches Trinken, Fehlen von Rauschzuständen, Alkohol als psychische Regulans

3.3 Kritische Phase

Kontrollverluste, Entstehen von sozialen Konflikten und Diskriminierung, Alkoholexzesse

3.4 Chronische Phase

Regelmäßiges morgendliches Trinken, tagelange Räusche, fortschreitender seelischer, körperlicher und sozialer Abbau, Konzentrations-und Merkfähigkeitsverlust, Abnahme der Alkoholtoleranz, in Trinkpausen schwerste Entzugserscheinungen, Alkoholkonsum ist wichtiger als Nahrungsaufnahme

(Nach Schmidt1988, ?)

Das Maximum für eine Gefährdung alkoholabhängig zu werden, liegt bei Frauen zwischen dem 20. und 49. Lebensjahr (Trube-Becker 1987, 23). In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der Frauen in der Gruppe der Alkoholiker erheblich gestiegen (Löser 1995, 102-103).

 

Gründe dafür, daß heute Frauen mehr trinken als früher (Meulenbelt 1998, 9), sind z.B. das vermehrte Anlaßtrinken bei der Arbeit, bei Familienfeiern oder in der Freizeit. Der leicht erhältliche Alkohol wird von Frauen als Kompensationsmittel oder Alltagsmedizin benutzt. Auch die häufige Doppelbelastung durch Beruf und Familie lassen Frauen zum Alkohol greifen (Meulenbelt 1998, 21-30, Schmidt 1986, ?).

 

Die auslösenden Faktoren für das Trinken bei Frauen sind zum großen Teil Partnerschafts- und Familienkonflikte, häufig auch ein mangelhaftes Selbstwertgefühl (Schmidt 1986, ?; Meulenbelt 1998, 26).

Alkoholikerinnen leben häufiger alleine als trinkende Männer. Meist kommen in ihrer Biographie Gewalterfahrungen vor, oder sie entstammen Alkoholikerfamilien (Schmidt 1986, ?; Meulenbelt 1998, 86).

 

Frauen trinken allein und heimlich. Was vor allem dadurch begründet ist, daß in unserer Gesellschaft eine trinkende Frau weniger akzeptiert ist als ein betrunkener Mann. Sie wird diskriminiert und verachtet (Meulenbelt 1998, 13; Schmidt 1986, ?). Ein anschauliches Beispiel hierfür ist vom 6.1.1998 die Talk-Show "Sonja", , mit dem Thema: "Frauen, die trinken sind widerlich".

Die körperlichen Folgen der Alkoholabhängigkeit treten bei Frauen früher auf als bei Männern (Schmidt 1986, ?) .

 

Weitere Ausführungen zur Alkoholabhängigkeit bei Frauen sind bei Meulenbelt (1998) oder bei Trube-Becker (1987, 1990) zu finden.

 

 

2.3 Auswirkungen des passiven intrauterinen Alkoholkonsums

Die teratogene Wirkung des Alkohols während der Gestation ist in zahlreichen Tierversuchen nachgewiesen worden. An dieser Stelle wird auf die Artikel von S. Sandor: Die tierexperimentelle Alkoholblastopathie (S. 66–77), H.L.Spohr: Die Alkoholembryopathie im Tierexperiment (S. 79-88), B.Volk: Klinisch-neuropathologische Befunde und experimentelle Untersuchungen zur Alkoholembryopathie (S. 89-101) in "Die Alkoholembryopathie" herausgegeben von F.Majewski, 1987 verwiesen. Weitere Artikel sind in dem Buch "Fetal Alcohol Syndrome from mechanism to prevention" herausgegeben von E.L. Abel und in dem Buch: "Alcohol, pregnancy and the developing child", herausgegeben von H.L. Spohr zu finden. Auch ein Kapitel des Buches "Untersuchungen zur Alkoholembryopathie" von F.Majewski, 1980 behandelt die Entstehung von Schäden beim sich entwickelnden Fötus/Embryos durch den mütterlichen Alkoholkonsum.

 

 

Alkohol und sein Abbauprodukt, Azetaldehyd führt zu dem polydystrophen Fehlbildungssyndrom (Löser 1989, 764). Die toxische Wirkung des Alkohols äußert sich in Form von Hypoplasie und Hypotrophie der Zellen und Organe der sich entwickelnden Organismen. Betroffene Kinder werden körperlich, in Hirnfunktionen und dem Verhalten beeinträchtigt.

 

Der Alkohol kann ungehindert die Plazentaschranke passieren, so daß er als zytotoxische und mitosehemmende Substanz physikalisch und biochemisch in viele Stoffwechselvorgänge des Fötus/Embryos eingreifen kann. Pathophysiologische Erklärungen für die Entstehung des FAS stützen sich aus diesem Grunde auf die direkte und indirekte Wirkung des Alkohols, z.B.: Beeinflussung des Sauerstoffverbrauches und des Energiehaushaltes, Veränderungen im Protein-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel, auch Veränderungen der Elektrolyte, der Spurenelemente und des Vitaminhaushaltes (Löser 1995, 83).

 

Alkoholabhängige Frauen haben häufig organische Leberschäden, zeigen Unterernährung, ein geändertes Ernährungsverhalten, eine Änderung der Elektrolyte und Spurenelemente sowie eine gesteigerte Einnahme von Genußmitteln (Kaffe, Nikotin), Drogen und Medikamenten (Löser 1995, 83), auch diese Faktoren können die Entwicklung des Fetus/Embryos beeinflußen.

 

Der mütterliche Alkoholkonsum bewirkt zahlreiche Veränderungen in der Entwicklung des Embryos bzw.Fötus. In den folgenden Kapiteln sollen nun die verschieden physischen und psychischen Auswirkungen genauer dargestellt werden.

 

 

2.3.1 Zur Größe von Kindern und Jugendlichen mit FAS /FAE

Der von der Mutter während der Schwangerschaft konsumierte Alkohol wirkt sich auf die körperliche Entwicklung des betroffenen Kindes aus. Größe, Gewicht und Kopfumfang liegen bei Kindern mit FAS unter der zehnten Perzentile (Kopera-Frye 1995, 521). Schon der Konsum von zwei oder mehr Drinks täglich verursacht ein verringertes Geburtsgewicht (Larroque 1992, 9) bei den Neugeborenen.

 

Die prä- und postnatale Gewichtsverminderung ist bedingt durch die hypotrophe Skelettmuskulatur und eine mangelhafte Entwicklung des subkutanen Fettgewebes (Löser 1995, 32). Diese Dystrophie kann bei Schwachformen oder bei einer Diabeteserkrankung der Mutter nicht beobachtbar sein (Löser 1995, 32)

Der Kopfumfang der Kinder ist vermindert, es besteht eine Microzephalie (Löser 1995, 32).

Die Kinder sehen sehr schmächtig und jünger aus, als sie es sind (Abkarian 1992, 226).

Im Jugendalter nähert sich das Gwicht der Norm an, Mädchen können sogar etwas dicklich werden (Streissguth 1994 (c), 69)

 

 

2.3.2 Auffälligkeiten des Gesichtes bei Kindern und Jugendlichen mit FAS/FAE

Bei der Alkoholembryopathie Schweregrad III (s. Kapitel 1.4) sind die Gesichter von Neugeborenen und Kleinkindern typisch verändert, so daß auch schon ohne Kenntnis des mütterlichen Alkoholismus eine Verdachtsdiagnose gestellt werden kann (Majewski 1987 (a), 109). Bei den schwächeren Formen (Schweregrad II und I) können die Veränderungen des Gesichtes weniger gut erkennbar ausgeprägt sein bzw. bei den Alkoholeffekten fehlen sie gänzlich.

 

 

Zusammenfassende Darstellung der typischen kraniofazialen Veränderungen (Löser 1995, 37)

 

Die möglichen Gesichtsveränderungen werden von Löser (1995, 32-37) wie folgendend beschrieben. Das Philtrum ist kaum ausgeprägt, kann eventuell auch verlängert sein (über 12mm). Das Oberlippenrot ist insgesamt verschmälert. Der Cupido-Bogen kann fehlen. Der Musculus orbicularis oris ist hypoplastisch, deutlicher an der Oberlippe als an der Unterlippe. Die Mundspalte kann klein, aber auch breit sein. Ein fliehendes Kinn kann ausgebildet sein. Eine Hypoplasie der Mandibel, die sich im höheren Alter fast immer zurückbildet, ist zu beobachten. Die Sinus maxillares ist gering ausgebildet, dadurch entsteht der Eindruck eines abgeflachten schmalen Mittelgesichtes. Der Nasenrücken ist verkürzt. Die Narinen stehen im Säuglingsalter nach vorne und die Nasolabialfalten können tief ausgeprägt sein. Bei Säuglingen ist die Stirn vorgewölbt.

 

Die typischen Gesichtsmerkmale bilden sich mit dem Älterwerden zurück. Im Erwachsenenalter kann eine Verdachtsdiagnose nicht mehr auf Grund der Gesichtszüge gestellt werden (Löser 1995, S.124).

 

Die Zähne sind klein, zwischen ihnen sind häufig vergrößerte Zwischenräume. Der Zahnschmelz ist unregelmäßig und z.T. mangelhaft. Der Gaumen ist hoch, während der Oberkieferbogen eliptisch statt parabol ist (Löser 1995, 35).

 

Die Ohren eines betroffenen Kindes stehen tief, sie sind nach hinten rotiert und in der Größe unterschiedlich. Sie sind häufig malformiert (Löser 1995, 35). 75 % der Kinder mit FAS haben nach einer Untersuchung von Rössig (Rössig 1994, 245) eine periphere Hörstörung. Verursacht wird diese zumeist durch eine seröse Otitis media. Löser geht dagegen davon aus, daß bei 20% der Kinder eine Innenohrschwerhörigkeit vorliegt bzw. deren akustische Perzeption durch auditive sensorische Störungen beeinträchtigt ist (Löser 1990 (a), 332).

 

Aus den oben beschriebenen Hörschwierigkeiten, ergibt sich, daß die Kinder mit FAS Schwierigkeiten in der Aufnahme akkustischer Reize aus der Umwelt haben (s. Kapitel 3.1.1). Diese Hörprobleme können sie in ihrer Entwicklung (z.B. der Sprache) und in der Interaktion mit Anderen beeinträchtigen.

 

 

2.3.3 Besonderheiten an den Augen

Die Betroffenen haben schmale Lidspalten, d.h. diese sind auffällig und meßbar verkürzt. Die Lidachsen fallen zur Seite hin ab ("antimongoloid"). Die Oberlider können hängen, in schweren Fällen bis über die Pupillen . Ein Epikanthus ist in den meisten Fällen ausgeprägt (Löser 1995, 37).

 

Bei 90% der Kinder mit FAS sind Augenveränderungen zu beobachten (Strömland in Hinzpeter 1992, 33). Häufig kommen Tortuositas der retinalen Arteriolen und eine Hypoplasie der Papille (Strömland s.o.) vor. In der Untersuchung von Strömland (1996, 849) fanden sich bei 76% der untersuchten Kinder mit FAS eine Hypoplasie des Sehnerves. Bei 92% wurden verschiedene Anomalien des Sehapparates, wie z.B. am Augapfel, den vorderen und mittleren Segmenten, der Netzhaut oder des Sehnerves entdeckt.

 

Die oben beschriebenen Augenprobleme können Schwierigkeiten in der Verarbeitung der visuellen Reize führen. Diese Schwierigkeiten können ein Kind in seiner Entwicklung (z.B. Lernen) beeinträchtigen (s. Kapitel 3.1.1).

 

 

2.3.4 Haut, Handlinien und Haaren

Im Säuglingsalter ist die Haut auf Grund der allgemeinen Hypoplasie dünn, faltig und etwas vermehrt dehnbar, die Venen scheinen durch und "die subcutane Kapillar- und Gefäßverteilung ist gehäuft, im Sinne der marmorierten Hautveränderungen, inhomogen" (Löser 1995, 52).

 

Die Haut- und Tastleisten auf den Fingerkuppen und die Handlinien der betroffenen Kinder sind häufig gering ausgebildet. Löser (1995, 53) zeigt eine Abbildung einer Hand mit Dreifingerfurche bei Alkoholembryopathie. Aus der Bildunterschrift geht hervor, daß er diese Dreifingerfurche als typisch für die Alkoholembryopathie ansieht. Im Gegensatz dazu steht die Untersuchung von Eissing (1989, 32). In seinem Vergleich der Häufigkeit der Dreifingerfurche bei Studenten, Menschen mit dem Down-Syndrom und Menschen mit einer Alkoholembryopathie, zeigte sich, daß deren Häufigkeit zwar erhöht ist, aber trotzdem nicht als Hauptsymptom gesehen werden kann, dies wird durch die Tabelle noch einmal verdeutlicht.

Studenten

% n

Patienten (mit AE)

% n

Down-Patienten

% n

a DFF 18,3% 38

25,4% 143

23,2 26

Standardabweichung 2,68

1,69

4,0

a Dff= aberrante Dreifingerfurche (Tabelle aus Eissing 1989)

 

Der Haarwuchs ist bei einigen Kindern nicht gleichmäßig bzw vermindert. Ca. 35% der Menschen mit einer Alkoholembryopathie haben einen Haaraufstrich im Nacken (Löser 1995, 55).

 

 

2.3.5 Skelett und Muskulatur

Mehr als 80 % der Kinder mit FAS haben, im weiteren Sinne, orthopädisch bedeutsame Störungen an Bindegewebe und Gelenken, dabei überwiegen Fehlbildungen an Händen und Armen (Schubert 1989, 112; Löser 1995, 47).

Häufig diagnostizierte Fehlbildungen sind z.B.:

Brachy-Klinodaktylie

Kurzfingrigkeit, skelettbedingte seitlich-winklige Abknickung des Fingergliedes

64,8% Schubert

Pectus excavatum

Trichterbrust

31,8% Schubert

Supinationshemmung

Supination= Auswärtsdrehen der Hand bzw. des Fußes

11,4% Schubert

Nagel-Endgliedhypoplasie

Hypoplasie= Unterentwicklung

11,4% Schubert

Rippenanomalien

 

10,2% Schubert

radioulnare Synostosen

Knöcherne Verwachsungen benachbarter Knochen

10-50% Löser 1995, 49

(Erklärungen aus Roche Lexikon Medizin 1987)

 

"Eine schwere knöcherne Mißbildung, definiert als Anomalie, die im Sinne einer funktionellen Behinderung oder einer starken kosmetischen Beeinträchtigung der Lebensqualität führte, zeigten 22,7%" (Schubert 1989, 1).

Ein für die Alkoholembryopathie typisches Fehlbildungsmuster kann nicht ermittelt werden (Schubert 1989, 1).

 

Der Alkohol kann beim Embryo zu Strukturveränderungen der Skelettmuskulatur führen, dies erklärt warum der Muskeltonus hypoton sein kann (Löser 1995, 39).

 

 

2.3.6 Herzfehler

Die Untersuchung über die vorkommenden Herzfehler bei einer kleinen Gruppe von 35 Kindern mit Alkoholembryopathie von Kofidou (1988, 38) zeigt, daß mehr als die Hälfte (60%) der Kinder mit einer AE einen Herzfehler haben. Ein Ventrikelseptumdefekt tritt, dicht gefolgt vom Vorhofseptumdefekt am häufigsten auf.

Giewald (1987, 63) nennt neben den oben schon erwähnten Herzfehlern noch die Fallot‘ sche Tetralogie.

In der Untersuchung von Löser an 216 Kindern mit einer gesicherten Alkoholembryopathie I-III wiesen 63 Kinder einen Herzfehler auf, das sind 29,1% (Löser 1995, 40).

 

Löser gibt die Häufigkeit der Herzfehler auch nach dem Schweregrad der AE an:

Alkoholembryopathie I: 21% (13 Kinder)

Alkoholembryopathie II: 38,0% (24 Kinder)

Alkoholembryopathie III: 41% (26 Kinder)

 

Die Diskrepanz zu der von Kofidou genannten Zahl könnte sich aus seiner geringen Anzahl von Patienten ergeben, auch ist der Schweregrad der AE in seiner Untersuchung nicht genannt.

Auch Löser nennt den Ventrikelseptumdefekt, gefolgt vom Vorhofseptumdefekt und der Fallot’schen Tetralogie.

 

In der Art der Herzfehler und deren Häufigkeit sind sich die Autoren einig.

 

Bei Kindern mit Alkoholeffekten konnte Löser in 11% der Fälle angeborene Herzfehler nachweisen. Er vermutet daher, daß der Alkohol einen wesentlichen "Cofaktor in der multifaktoriellen Genese des Herzfehlers darstellt" (Löser 1995, 42). Aus diesem Grund fordert Löser (1987 (a), 132) bei jedem Verdacht auf einen Herzfehler, routinemäßig nach Alkohol in der Schwangerschaft zu fragen.

 

Die Dystrophie und die bei dem FAS auftretende Wachstumsverzögerung kann durch einen der oben genannten Herzfehler noch verstärkt werden. Aber auch weil Herzfehler so häufig bei dem FAS vorkommen, wäre es sinnvoll, bei allen Kindern mit Alkoholembryopathie nach Herzfehlern zu suchen (Löser 1987 (a), 132).

 

 

2.3.7 Fehlbildungen des Urogenitalsystems

Es gibt kein für das FAS typisches Fehlbildungsmuster bei dem Urogenitalsystem.

 

Beispiele für häufiger auftretende Anomalien der Niere und ableitenden Harnwege bei Menschen mit FAS sind:

Eine Doppelniere, eine einseitige Malrotation der Niere, eine einseitige Agenesie, eine Hypertrophie der Niere, Hufeisennieren oder Anomalien der ableitenden Harnwege (Löser 1995, 46).

 

Nach Majewski (1980, 33) beträgt die Häufigkeit für Harnwegsfehlbildungen 10% bei Kindern mit FAS. In der Untersuchung von Brachmann ( 1987, 124) wird die Häufigkeit mit 13,63% angegeben.

 

Beispiel für häufiger auftretende Anomalien des Genitalsystems bei betroffenen Menschen sind: eine Klitorishypertrophie bei Mädchen (4,4%), Maldeszensus testis (gestörter Hodenabstieg) (13%), eine Hypospadia glandis (Fehlmündung der Harnröhre) (49%), eine Penishypoplasie (2,5%) oder eine einseitige Hydrocele testis (Flüssigkeit in einem Hoden) (2%) (Löser 1995, 46).

 

Brachmann (1987, 1) fand bei 27 von 88 Kindern mit Alkoholembryopathie Fehlbildungen des Genitalsystems, d.h. bei 30,68% der betroffenen Kinder. Majewski geht von einer Häufigkeit von 49% (1980, 33) aus.

 

Die Häufigkeit, daß sowohl die Niere und die ableitenden Harnwege als auch das Genitalsystem bei einem Kind mit FAS betroffen sind, liegt laut Brachmann bei 4,5% (1987, 124).

 

Auf Grund der hohen Fehlbildungsrate des Urogenitalsystems fordert Brachmann (1987, 125) eine Routineuntersuchung des Urogenitalsystems bei Kindern mit Alkoholembryopathie, um Spätfolgen einer lange nicht erkannten Fehlbildung zuvorzukommen.

 

 

2.3.8 Auffälligkeiten am Gehirn

"Das Gehirn reagiert durch die geringe Alkoholtoleranz am stärksten auf die toxische Wirkung, sowohl in der Organogenese, in der Histogenese wie auch in der funktionellen Ausreifung" (Löser 1989 (a), 815). Es gibt kein typisches Schädigungsbild.

Löser stellt in seinem Artikel (s.o.) die neuropathologischen Schäden des Zentralnervensystems, die durch Alkoholmißbrauch in der Schwangerschaft auftreten können, dar:

 

Mattsson, Jernigan und Riley (1994; 49-52) haben die Gehirne von Kindern/Jugendlichen mit einem diagnostizierten FAS , mit denen von Kindern/Jugendlichen, die während der Schwangerschaft hohen Dosen von Alkohol ausgesetzt waren und denen "normaler" Kinder/Jugendlicher verglichen. Mit Hilfe der Kernspinresonanztomographie untersuchten sie die verschiedenen Hirnregionen. Nach ihren Ergebnissen sind die Gehirne von Jugendlichen mit FAS ca. 25% kleiner als die der Jugendlichen aus der Kontrollgruppe ohne Alkoholeinwirkung während der Schwangerschaft.

Die Basalganglien sind in der Größe reduziert, ebenso das Volumen des Dienzaphalon. Es wird auch von Auffälligkeiten am Corpus callosum berichtet, der Brücke zwischen den beiden Hirnhemispähren, die für den Informationsfluß zwischen den Hirnhälften sorgt. Eines der untersuchten Kinder mit FAS hatte kein Corpus callosum, bei anderen war dieses in Teilen kleiner als in der Kontrollgruppe.

 

Information über die durch Alkoholschädigung in der Schwangerschaft entstandenen Hirnschäden kann Eltern, Betreuern und Lehrern von betroffenen Kindern, deren Verhaltens- und Lernschwierigkeiten besser verstehen und akzeptieren helfen (s. Kapitel 3).

 

 

2.4 Korrelation zwischen Trinkmenge/ -dauer und dem Ausmaß der Schädigung beim Kind

Bisher ist keine sichere Dosis–Wirkung–Beziehung für die Entstehung des FAS gefunden worden. Es scheint keine sichere Schwellendosis zu geben.

Es gilt allgemein, daß Kinder mit dem Vollbild des FAS von Müttern in der kritischen oder chronischen Phase des Alkoholismus geboren werden (Ilse, 1990 5). Für Alkoholikerinnen, die während der Schwangerschaft weiter trinken, besteht ein 32-43%iges Risoko ein Kind mit FAS zu gebären (Kopery-Frye 1995, 157).

Doch auch der durchschnittliche Alkoholkonsum bzw. das gelegentliche exzessive Trinken kann das Kind in Form von Alkoholeffekten schädigen (s. Kapitel 1.4).

 

Die Schwere der Schädigung des Ungeborenen im Sinne des FAS, durch den Einfluß des Alkohols, wird durch die Phase der mütterlichen Alkoholkrankheit, den Blutalkoholspiegel in den kritischen Phasen der Organogenese des Kindes, der Alkoholtoleranz und der mütterlichen Stoffwechselleistung der Leber bestimmt. Die genannten Einflußfaktoren werden im Folgenden genauer dargestellt.

Die Schwere der Schädigung des Kindes durch den Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft wird bestimmt durch:

 

Wie schon gesagt, tritt das Vollbild des FAS nur auf, wenn die Mütter alkoholkrank sind. ( Löser 1995, 2). Majewski stellte fest, daß Mütter in der chronischen Phase signifikant mehr Kinder mit dem Schädigungsgrad III der AE zur Welt brachten als Mütter in der prodominalen, bzw. kritischen Phase der Alkoholkrankheit (s. Kapitel 2.2) (Majewski 1980, 71). Diese These wird unterstützt durch die Beobachtung, daß jüngere Geschwister zumeist stärker geschädigt sind (Majewski 1986, 1137; Löser 1995, 79).

 

Der Grad der Schädigung hängt von dem Zeitpunkt der Einwirkung der Noxe Alkohol auf das sich entwickelnde Ungeborene ab. Die verschiedenen Organsysteme entwickeln sich in zeitversetzten und unterschiedlichen langen Perioden, wie in der untenstehenden Abbildung abzulesen ist.

 

 

(Abbildung aus Thews 1991, 48)

In der Abbildung ist deutlich zu sehen, daß gerade das ZNS am anfälligsten für schädliche Einflüsse ist, da seine Entwicklung die gesamte Schwangerschaft andauert. Der Schädigungsgrad eines FAS hängt wahrscheinlich davon ab, in welchen Phasen der Organogenese der Blutalkoholspiegel erhöht wird. Die sensiblen Phasen der Organogenese sind individuell verschieden lang, und setzen zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Der Alkoholkonsum im ersten Drittel der Schwangerschaft führt zu stärkeren Veränderungen beim Ungeborenen als in späteren Phasen der Schwangerschaft. Am sensibelsten sind die ersten zwei Wochen nach der Befruchtung, da in dieser Zeit die inneren Organe und Extremitäten angelegt werden (Neumann 1996, 11).

 

Die Alkoholempfindlichkeit bzw. -verträglichkeit ist bei Mutter und auch beim Kind, auf Grund der persönlichen Stoffwechselarbeit, individuell verschieden. So gibt es Kinder, die trotz eines extremen Alkoholkonsums der Mutter nicht oder nur wenig geschädigt sind, während andere Kinder schon bei geringeren Alkoholmengen Symptome des FAS zeigen. (Löser 1995, 74).

 

Der Alkohol überwindet ungefiltert die Plazentaschranke , so daß der Blutalkoholspiegel des Ungeborenen genauso hoch wie der mütterliche ist. Die Leber des Ungeborenen ist zu unreif, um den Alkohol selbstständig abzubauen (Spohr 1990), so daß alle Zellen des Fetus im Alkohol "baden", ehe die Mutter ihren Alkoholspiegel abzubauen beginnt. Die Zellen des Ungeborenen sind auf Grund ihrer hohen Entwicklungs- und Wachstumsgeschwindigkeit ganz besonders anfällig für schädigende Einflüsse. Der Alkohol des Ungeboren diffundiert dann auf Grund des Konzentrationsgefälles langsam wieder zurück in das mütterliche Blut. Damit ist deutlich, daß die Entgiftung bzw. die Zeitdauer der Alkoholschädigung des Ungeborenen von der Abbauleistung der mütterlichen Leber abhängt. Im Schnitt baut die Mutter unabhängig vom Blutalkoholspiegel 0,15 Promille in der Stunde ab (Neumann 1996, 13). Doch in späteren Phasen der Alkoholkrankheit nimmt die Stoffwechselleistung der Leber ab, so daß das Ungeborene längere Zeit der Noxe Alkohol ausgesetzt ist. Dieser Umstand erklärt auch, warum die meistens die jüngeren Kinder einer alkoholkranken Mutter stärker geschädigt sind als die älteren (Löser 1995, 79).

 

2.5 Zur Diagnosestellung einer Schädigung durch den mütterlichen Alkoholkonsum

Bei der Entbindung kann den Geburtshelfern auffallen, daß das Fruchtwasser nach Alkohol riecht (Mc Intyre-Palmer 1994, 70; Dorris 1994, 227). Dies könnte ein erster Hinweis auf eine mögliche Schädigung des Kindes sein, wenn bis dahin der Alkoholismus der Mutter nicht bekannt sein sollte.

Nur bei schwerergradigen betroffenen Kindern (s. Kapitel 1.4) ist die Diagnose leicht zu stellen, da die Veränderungen des Gesichtes charakteristisch sind. Doch darf die Diagnose niemals "prima vista" gestellt werden, da es auch andere Syndrome mit ähnlichen Veränderungen und Symptomen gibt (s. in Kapitel 1.4). Bei leichter betroffenen Kindern ist es schwerer die Diagnose zu stellen, sie sollte erst nach einer sorgfältigen Anamnese der Mutter und einer gründlichen Ganzkörperuntersuchung des Kindes gestellt werden. "Die Diagnose gründet sich nie allein auf körperliche Merkmale, sondern auf mehrere Säulen:

  1. die Anamnese der Mutter und des Kindes

  2. die körperliche Untersuchung

  3. die Untersuchung des geistigen und intellektuellen Status

  4. die Untersuchung und Beobachtung des Verhaltens und der sozialen Entwicklung" (Löser 1995, 11).

 

3. Über die Fähigkeiten eines Menschen mit FAS oder FAE

Nachdem zuvor die medizinischen Gesichtspunkte der pränatalen Alkoholschädigung dargestellt worden sind, sollen nun im folgenden Kapitel die kognitiven Fähigkeiten, hier besonders die Informationsverarbeitungsprozesse dargestellt werden. Auch das mögliche Verhalten eines Menschen mit FAS/FAE wird aufgezeigt. Ein Kapitel behandelt die erhöhte Suchtgefährdung.

 

3.1 Zum schulischen Lernen

An dieser Stelle werden die Besonderheiten der kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, die mit dem schulischen Lernen verbunden sind, dargestellt.

 

Bei Kindern, die pränatal dem Alkohol ausgesetzt waren, wurden von Coles (1993, 255-263) Defizite in der kognitiven Entwicklung, Schulleistung und Aufmerksamkeit gefunden.

Eine verkürzte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne wird auch von Streissguth (1987, 158) beschrieben.

 

Der mittlere Intelligenzquotient bei Menschen mit erheblicher pränataler Alkoholexposition beträgt, laut Streissguth, 68. Der niedrigste von ihr gemessene Intelligenzquotient war 20, der höchste 105 (1991 (b), 1964). Aufgeteilt in FAS und FAE ergibt sich folgende Verteilung der IQ-Werte:

FAS: mittlerer IQ-Wert bei 66

FAE: mittlerer IQ-Wert bei 73

Nach der AAMR-Definition (1992, s. Kapitel 1.2) liegt eine geistige Behinderung bei einem IQ von ca. 70 bis 75 oder darunter vor.

Löser (1990 (a), 335) gibt zu bedenken, daß es schwierig ist, reale Angaben zu den IQ-Werte bei Menschengruppen mit FAS/FAE zu erhalten, da die Zahlen meist nicht bei unausgewählten Menschen erhoben werden. Die Werte werden auch durch die ungenügende Mitarbeit der Kinder auf Grund der "Hyperaktivität" (s. Kapitel 3.3) verfälscht (Neumann 1996, 4).

 

Integrative Denkprozesse, Abstraktionen, Symbolisationen, Erlernen von Regeln und Erfassen von Sinnzusammenhängen oder Konzeptbildungen sind bei Menschen mit FAS/FAE erschwert oder unmöglich (Neumann 1996, 4; Löser 1995, 62; Löser 1990 (a), 335).

Häufig haben Menschen mit FAS/FAE ausgeprägte Rechenschwächen (Streissguth 1991(b), 1964, Löser 1990 (a), 335, Carmichael , Streissguth 1994 (b), 96, Spohr 1991, 298) und es bestehen große Schwierigkeiten mit Abstraktionen (Spohr 1991, 298), wie z.B. Zeit und Entfernungen, Ursache und Wirkung oder der gedanklichen Übertragung von einer Situation auf eine andere (Streissguth 1991 (b), 1964).

Michael Dorris ( 1994, 254) schreibt über seinen Adoptivsohn mit FAS, "Adam hatte ständig Schwierigkeiten mit bestimmten Abstraktionen: größer als – kleiner als, vorausplanen; Geld sparen."

 

Lesen und Schreiben wird verzögert erlernt (Löser 1995, 61). Die Fähigkeit zum Buchstabieren ist gut, es besteht aber laut Streissguth nur geringes Interesse am Lesen (1991 (b), 1964).

 

Es besteht eine Verminderung der Erinnerungsleistungen im Kurz- und Langzeitgedächtnis (Streissguth 1991, 1965; 1994 (b) 96, Carmichael ).

 

Menschen mit FAS/FAE erscheinen manchmal kompetenter als sie es sind, da ihre kognitiven Einschränkungen durch häufig sehr gute verbale Fähigkeiten überdeckt werden können (Streissguth 1991 (b), 1966; Carmichael).

 

 

3.1.1 Zu Informationsverarbeitungsprozessen bei Menschen mit FAS/FAE

Wie schon in Kapitel 2.3.8 beschrieben, wird ganz besonders das Gehirn durch den pränatal konsumierten Alkohol geschädigt, deutlich wird dieses bei den Informationsverarbeitungsdefiziten bei Menschen mit FAS/FAE. Ein Kind mit FAS/FAE kann z.B. den Auftrag bekommen, das Licht vor der Haustür anzumachen. Entweder geht es jetzt auch zum Hauseingang, kann sich dann aber nicht mehr an Grund für sein Kommen erinnern, oder es geht in einen anderen Raum und macht dort das Licht an. Das Kind hätte den Auftrag aber vielleicht korrekt wörtlich wiedergeben können (Beispiel aus Morse 1993, 31). Bei Menschen mit FAS/FAE ist die Umsetzung des verbalen Auftrages bzw. einer Information in eine konkrete Handlung nicht immer möglich, es bestehen Informationsverarbeitungsdefizite (Morse 1993, 32).

 

 

 




 

Erklärung des Modells der Informationsverarbeitung:

Mit Input ist die Aufnahme von Informationen aus der Umwelt gemeint. Diese Informationsaufnahme wird beeinflußt von der Aufmerksamkeit, der Vigilanz, der Reizoffenheit und der Gedächtnisleistung einer Person. Der Informationsverarbeitungsprozeß (Prozessing) besteht aus der Informationsverarbeitung (Integration) und der Informationsspeicherung (Memory). Im Prozeß der Integration wird die eingehende Information interpretiert in Bezug auf die Art der Information, der Situation und der Bedingungshintergründe und mit anderen verknüpft. Dann werden die Informationen für einen späteren Abruf gespeichert (Memory), also geordnet abgelegt.. Mit Output ist die angemessene Reaktion, d.h. z.B. die Anwendung von sprachlichen und motorischen Fähigkeiten gemeint.

 

Bei Menschen mit FAS/FAE scheinen alle Stufen der Informationsverarbeitung beeinträchtigt zu sein. Sie haben Schwierigkeiten in der Aufnahme (s. Kapitel 2.3.2 und Kapitel 2.3.3), Interpretation, Informationsverknüpfung, Auffinden von schon gespeicherter Information und der Anwendung von Wissen (George 1993, 26; Morse 1993, 32).

 

Es kann auch vorkommen, daß gespeicherte Informationen an einem Tag zur Verfügung stehen, an einem anderen aber nicht (Morse 1993, 32/35).

 

Bei Menschen mit FAS/FAE bestehen Schwierigkeiten, Informationen von einer Situation auf eine andere zu übertragen oder Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen (Shaskin 1994, 7; Morse 1993, 33). Diese Schwierigkeit erklärt auch, warum Kinder keine Unterschiede zwischen Fremden und Familienangehörigen machen. Sie erkennen die Unterschiede zwischen diesen Menschen nicht (Morse 1993, 33).

 

Die Schwierigkeiten in der Informationsverarbeitung können auch erklären, warum Menschen mit FAS/FAE nicht aus ihren Fehlern zu lernen scheinen (Morse 1993, 33). Sie sind oft nicht fähig zu verallgemeinern, Gemeinsamkeiten und Unterschiede einer Situation zu sehen. Zum Beispiel kann ein Kind sich daran halten, nicht auf der Straße vor dem Haus mit dem Fahrrad zu fahren, in der Nachbarstraße fährt es aber. Es sieht nicht, daß das Verbot mit dem Fahrrad auf der Straße zu fahren für alle und nicht nur für die konkrete Straße, auf der das Verbot ausgesprochen worden ist, gilt (Morse 1993, 33).

So schreibt Michael Dorris (1994, 281) über seinen Adoptivsohn: "Und doch lernte er [Adam] nicht aus seinen Fehlern, die oft so lästig waren und einen schier verrückt machen konnten. Er klammerte sich an eine einmal aufgestellte Ordnung und weigerte sich, auf Veränderungen in seiner Umgebung einzugehen".

 

 

3.1.2 Konzentrationsfähigkeit

Menschen mit FAS/FAE sind leicht ablenkbar, ihre Reaktionszeiten sind verlängert und sie haben wenig Geduld (Löser 1995, 61).Die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit ist psychometrisch meßbar verkürzt (Streissguth in Löser 1995, 61).

 

 

3.1.3 Wahrnehmungsstörungen

Ganz allgemein gesagt, ist die Aufnahmefähigkeit bei Menschen mit FAS/FAE beeinträchtigt (Löser 1995, 61 zit. Coles). Die Fähigkeit zur Figurenerkennung, zur Raum- und Formwahrnehmung, sowie die Worterkennung ist eingeschränkt. "Die Erkennungsstörungen können bis zu einer kognitiven Konfusion gesteigert sein" (Lö 1995, 61).

Es bestehen visuelle und akustische Perzeptionsstörungen beim FAS, inwieweit derartige oder andere Wahrnehmungsstörungen bei den Alkoholeffekten vorkommen, ist laut Löser (1995, 62) noch nicht genauer bekannt.

 

 

3.2 Kommunikationsfähigkeiten

Es besteht eine große Diskrepanz zwischen den augenscheinlichen kommunikativen Fähigkeiten eines Menschen mit FAS/FAE und den wirklichen Kompetenzen (Abkarian 1992, 226). Es bestehen Schwierigkeiten im Entschlüsseln von verbalen Botschaften und die Fähigkeiten zum Aufbauen einer effektiven sozialen Kommunikation (Abkarian 1992, 226) sind eingeschränkt.

Löser (1995, 62) gibt eine Untersuchung von Streissguth (1989) wieder, nach der 90% der Kinder mit FAS/FAE eine gestörte Sprachentwicklung zeigten, während in einer Kontrollgruppe nur 20% der Kinder eine solche aufwiesen. In seiner eigenen Untersuchung trat bei einigen Kindern Stottern, oder Stammeln auf. Löser stellt weiter eine Arbeit von Shaywitz (et al 1981) dar, in der über eine Verzögerung beim Erwerb des Wortschatzes, der Artikulation, der Syntax, des Redeflusses und des Sprachantriebes berichtet wird.

 

Abkarian (1992, 226) gibt die Beschreibung von Streissguth et al. (1986 ?) wieder, diese beschreibt die Sprache von Vorschulkinder mit FAS/FAE als redselig, aufdringlich, mit fehlendem Sprachreichtum und mangelnder grammatischer Komplexität.

 

Nach einem Vergleich von verschiedenen Publikationen zur Sprachkompetenz von Menschen mit FAS/FAE kommt Abkarian (1992, 231) zu dem Schluß, daß diese in folgenden Punkten übereinstimmen:

Menschen mit FAS/FAE sind "intrusive" (aufdringlich), "loquacious" (geschwätzig), und "over-inquisitive" (überneugierig). Bei ihnen besteht eine Diskrepanz zwischen hohen verbalen Fähigkeiten und einer ineffektiven Kommunikationsfähigkeit.

 

Bei Kindern mit FAS/FAE besteht die Gefahr, daß eine eventuell verzögerte Sprachentwicklung verspätet bemerkt werden könnte, weil sie körperlich nicht altersgerecht entwickelt sind (s. Kapitel 2.3.1) (Abkarian 1992, 226).

 

 

3.3 Zur Hyperaktivität

Kinder mit Alkoholembryopathie sind antriebsvermehrt, unruhig, leicht ablenkbar und wechseln häufig die Interessenlage. Ihre Bewegungen sind weitgehend unkontrolliert und überschießend (Löser 1995, 65).

Bei 72% der Kinder mit FAS sind "hyperaktive Verhaltensmuster" zu beobachten, bei 42% der Kinder sind diese hochgradig. Für Kinder mit Alkoholeffekten liegen keine Zahlen vor (Löser 1995, 65).

Gleichzeitig mit der "Hyperaktivität" tritt auch Impulsivität und mangelnde Impulssteuerung auf (George 1993, 26 / McIntyre-Palmer 1994, 118). Die Handlungen der Kinder wirken überstürzt, planlos und ziellos (Löser 1995, 65), wobei die Kinder in ihrem Überschwung aber nicht aggressiv anderen gegenüber werden (Löser 1995, 65).

Die soziale Reife wird, nach Meinung Lösers (1995, 67), zum großen Teil durch das "hyperaktive Verhalten" bestimmt.

 

 

Keiner der Autoren, der Kindern mit FAS/FAE Hyperaktivität zuschreibt, definiert genauer, ob er unter diesem Term mehr als die umgangssprachliche Bezeichnung für motorische Unruhe versteht. Wenn man aber alle erläuterten Verhaltensweisen der Kinder mit FAS/FAE berücksichtigt, scheint bei ihnen wirklich gehäuft ein Hyperkinetisches Syndrom (HKS) vorzuliegen. Myschker (1993, 334) gibt die zentralen Merkmale des HKS nach der Beschreibung von Steinhausen wieder. Die folgenden Merkmale müssen für die Diagnosestellung HKS beachtet werden:

"Hyperaktivität

ziellose Aktivität, kann nicht still sitzen, ständig in Bewegung, Zappeligkeit, starker Rededrang

Aufmerksamkeitsstörung

kurze Konzentration, wenig Ausdauer in Arbeit und Spiel, schneller Wechsel der Beschäftigung, leicht ablenkbar, hört nicht genügend zu

Impulsivität

unvorhersehbares Verhalten, mangelnde Steuerung des Verhaltens im häuslichen wie im schulischen Bereich

Erregbarkeit / Irritierbarkeit

unvorhersehbare Affektschwankungen, Wutanfälle aus relativ unbedeutendem Anlaß, empfindlich gegenüber Kritik, niedrige Frustrationstoleranz, Störanfälligkeit

Emotionale Störungen

Geringes Selbstwertgefühl, häufiges Weinen, Verleugnen von Schwierigkeiten

Dissoziales Verhalten

Destruktivität, Unbeliebtheit, Streitigkeiten, Schlägereien, Necken, Disziplinschwierigkeiten in Haus und Schule, Ungehorsam, Lügen

Lernstörungen

Schlechte Leistungen in der Schule, isolierte Lernstörungen in Rechnen, Lesen, Schreiben etc."

 

Ursache für das HKS kann eine Hirnschädigung, wie z. B. eine "Minimale Cerebrale Dysfunktion" (MCD) (Myschker 1993, 333, Neuhäuser ?, 70) sein, es besteht auch die Möglichkeit, "daß mangelnde Anregung im Sinne von sensorischer und sozialer Deprivation zu der Symptommanifestation beiträgt" (Neuhäuser ?, 70). Genauer sind die "Störungen der Aufmerksamkeit, der Aktivität und des Sozialverhaltens" im Diagnostischen und Statischen Manual Psychischer Störungen DSM-IV ab Seite 115 dargestellt.

 

 

3.4 Über die Emotionen

Kinder mit Alkoholembryopathie sind überwiegend in gehobener Gemütsverfassung. Sie sind fröhlich, zugewandt, kontakt- und mitteilungsfreudig. Nur sehr selten sind sie depressiv, introvertiert oder autistisch (Löser 1995, 68).

 

Die Gefühlsäußerungen sind häufig instabil, d.h. Lachen und Weinen können schnell wechseln. Bei 42% der Kinder mit FAS gibt es Hinweise, daß die Wechsel in der Stimmungslage zu leicht und zu wenig motiviert einsetzen. Die Affekte können nicht selbstständig kontrolliert werden (Löser 1995, 68).

 

Bei Erwachsenen besteht eher eine mürrisch-verdrießliche und trotzige Grundstimmung (Löser 1995, 68).

 

Steinhausen berichtet, daß überdurchschnittlich häufig Gesichtsticks, Nägelkauen, stereotype Bewegungen, Haarausreißen, Jaktationen und diverse Erziehungsprobleme auftreten (Steinhausen 1984 in Löser 1995, 68).

 

 

3.5 Suchtgefährdung für Menschen mit FAS/FAE

Bei Kindern mit dem fetalen Alkoholsyndrom muß davon ausgegangen werden, daß eine erhöhte Gefahr der Suchtentwicklung besteht (Löser 1995, 116; Löser 1990 (b), 157 ; Davis 1994, 128 ; Löser 1994 (b), 73).

Nach Löser ist die höhere Wahrscheinlichkeit eine stoffgebundene Sucht zu entwickeln, durch folgende Faktoren zu begründen:

 

 

 

 

Aber auch in einer Pflege – oder Adoptivfamilie kann das Kind den, in unserer Gesellschaft, recht sorglosen Umgang mit Alkohol erfahren, denn wie häufig wird auf Familienfeiern Kindern Alkohol zum Probieren gegeben.

 

 

Der Wunsch zu einer Gruppe Gleichaltriger dazu zugehören, sowie ihre eingeschränkte Selbststeuerung kann sie zu Alkohol- und Drogenkonsum führen (Davis 1994, 138; s. auch Beispiel in Kapitel 5.3).

 

Aus den zuvor genannten Gründen schätzt Löser das Risiko für eine Suchtentwicklung bei Kindern mit FAS auf 20-30%. Zum Vergleich dazu, die Suchtentwicklung in der Durchschnittsbevölkerung beträgt nach Angaben der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) etwa 5% (in Löser 1995, 118).

 

Doch sind Kinder mit FAS nach Löser (1995, 119) nicht als "trockene Alkoholiker" anzusehen, bei denen der einmalige Genuß von Alkohol sofort zur Abhängigkeit führt. Es scheint vielmehr, daß sich nach längerfristiger Gewöhnung und Mißbrauch, die Phasenentwicklung nach Jellinek (s. Kapitel 2.2) rascher als bei Erwachsenen vollzieht.

 

 

3.6 Risikobereitschaft bei Menschen mit FAS/FAE

Kinder mit Alkoholembryopathie verhalten sich im Spiel riskant und waghalsig. Sie können Gefahren für sich, Andere und Sachen nicht einschätzen (Löser 1995, 67).

 

Es könnte möglich sein, daß die vermehrte Risikobereitschaft im Zusammenhang steht, mit einer gehäuft bei Menschen mit FAS/FAE auftretenden, verminderten Schmerzempfindlichkeit, im Sinne einer Hypästhesie oder einer Hypalgesie, steht (Löser 1995, 68).

 

 

3.7 Zum Freizeitverhalten

Löser ist im Rahmen einer Befragung auch auf das Thema Freizeitgestaltung und Hobbies bei Kindern und Jugendlichen mit FAS/FAE (n=31) eingegangen:

 

Mehr als 50% der befragten Menschen mit FAS/FAE haben keine oder nur wenige Interessen. Sie werden von ihren Sorgeberechtigten als "initiativlos", "antriebsarm" mit wenig Spontanität" und als "schwer motivierbar"beschrieben. Fernsehen, Musikhören, Basteln, Spielen am Computer, Interesse für Natur und Tiere oder Wandern waren die am häufigsten genannten Freizeitaktivitäten (>70%).

Ca. 30% der von Löser untersuchten Kinder und Jugendlichen betrieben in ihrer Freizeit Sport, wie z.B. Schwimmen, Tischtennis (im Verein: 1) oder Tanzen.

"Weitergehende Beschäftigung mit Intelligenz erfordernden Ansprüchen wurden gemieden" (Löser 1995, 131), damit ist das Lesen von Bücher, eigenes Musizieren, die Beschäftigung mit dem Computer oder eine Phantasie erfordernde Tätigkeit gemeint. Nur eine der befragten Personen konnte in diese letzte Gruppe eingeordnet werden, wobei diese Befragung nicht unbedingt als repräsentativ angesehen werden kann, da die befragte Gruppe sehr klein ist.

 

Ein Beispiel dafür, daß ein Mensch mit FAE durchaus auch zu künstlerischer Tätigkeit fähig sein kann, ist in dem, von Judith Kleinfeld und Siobhan Wescott (1993) herausgegebenen, Buch nachzulesen. Anne Ruggles Gere (S. 55-68) berichtet von ihrer Tochter Cindy mit FAE, die malt. Cindy Gere hat sogar einen Abschluß am Institute of American Indian Arts gemacht.

 

 

3.8 Fähigkeiten zur sozialen Interaktion

Kinder mit FAS/FAE werden von "anderen Kindern" auf Grund ihrer starken Ablenkbarkeit, Ungeduld, ungehemmten Lautheit und wegen der, als dissozial empfundenen, Durchbrechung der Spielregeln abgelehnt (Löser 1995, 67), dabei werden sie aber nicht aggressiv.

Löser vermißt bei den Kindern mit FAS/FAE das Feingefühl im Umgang mit Erwachsenen. Einige von ihnen zeigen distanzloses Verhalten im Umgang mit Fremden (s. Dorris S. 254-255).

 

 

3.8.1 Distanzlosigkeit, Verführbarkeit

Kinder mit FAS/FAE sind kontaktfreudig, sie versuchen mit anderen Kindern in Beziehung zu treten. Doch sie werden von ihrer Peer-group häufig abgelehnt (s. Kapitel 3.8). Deshalb haben die Kinder bereits im Kindergarten, und auch später in der Schule, wenige Freunde und geraten leicht in eine Außenseiterposition (Löser 1995, 67).

Nach Streissguth (in Löser 1995, 67) ist bei einem hohem Prozentsatz der Kinder die soziale Akzeptanz, die Flexibilität der Kinder im Sozialverhalten, das Taktgefühl und die Kooperationsfähigkeit vermindert.

 

Sie zeigen nur sehr selten wirklich dissoziales, aggressives Verhalten (Löser 1995, 67).

Kinder mit FAS/FAE zeigen nur ein geringes Distanzgefühl, sie suchen in anschmiegsamer Weise den Kontakt zu Erwachsenen. Sie scheinen keine Fremdenangst zu haben (s.Kapitel 3.1.1,). Ihre Sorglosigkeit im Umgang mit fremden Menschen kann zu sozialen Problemem führen (Löser 1995, 67), z.B. mit ihnen mitgehen oder distanzloses Verhalten.

Die betroffenen Kinder können leicht von Anderen beeinflußt werden und zu problematischen Handlungen veranlaßt werden. Kritiklos erfüllen sie dann die Erwartungen der Anderen, ohne eigenen Nachteil oder Schäden bei Dritten bzw. Gegenständen antizipieren zu können. Leicht können sie zu kriminellen Taten verführt werden bzw. zum Konsum von Suchtmitteln (s. Kapitel 3.4).

 

In seinem Bericht über seinen Adoptivsohn Adam schreibt Michael Dorris (1994, 244) auch über dieses Verhalten seines Sohnes. "Einige Teenager aus der Belegschaft [vom Pizza Hut, wo Adam arbeitet] hatten bald spitzgekriegt, daß man Adam leicht an der Nase herumführen konnte, daß er mit allem einverstanden war, was sie ihm vorschlugen. So wiederholte er ohne weiteres dem Chef gegenüber obszöne Worte, die er nicht verstand."

 

Ähnliches berichtet eine Mutter über ihren zwölfjährigen Adoptivsohn mit FAS (Lutke 1993, 71). Er wird von anderen Jungen angeregt mit ihnen ein Mädchen durch Worte zu ärgern ("I want to f----- you."). Nachdem die anderen Jungen längst weggelaufen sind, folgt er dem Mädchen bis zu ihrem Haus, selbst das Erscheinen des Vaters bringt ihn nicht von seinem Rufen ab.

 

 

3.9 Zum Wohnen von Erwachsenen mit FAS/FAE

Keiner der von Streissguth untersuchten Menschen mit FAS/FAE konnte unter den Gesichtpunkten Housing und Income unabhängig leben (Streissguth 1991 (b), 1966).

 

Aus der Untersuchung von Löser (1995, 130) ergab sich, daß nur 3 (7%) von 43 Menschen mit FAS/FAE "selbständig in Beruf und Lebensführung, ohne beschützende Umgebung und unabhängig von der zuletzt betreuenden Familie" leben konnten. Doch von 21 (49%) ist eine Selbständigkeit zu erwarten, während für 19 Menschen (44%) mit FAS/FAE eine beschützende Umgebung erforderlich ist.

 

 

3.10 Arbeitsfähigkeit

Je nach Schulabschluß stellt sich die Frage, ob eine Arbeitsstelle auf dem freien Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gesucht werden muß.

 

Auf Grund der guten verbalen Fähigkeiten und des freundlichen Wesens, fällt es Menschen mit FAS/FAE relativ leicht eine Arbeitsstelle zu finden. Problematisch ist es dann für sie, diese auch zu behalten. Sie können Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, also mit Kollegen oder Kunden, bekommen. Im Rahmen einer Arbeitsstelle kann ihrem Bedürfnis nach Routine häufig auch nicht gerecht werden.

 

 

In der Untersuchung von Löser (1995, 130) zeigt sich, daß nur ein kleiner Teil der Menschen mit FAS/FAE in der Lage sind, einen Beruf auszuüben. In der folgenden Tabelle ist abzulesen, wieviele der von Löser befragten Menschen mit FAS/FAE einen Beruf bzw. welche Art von Beruf ausüben können.

 

 

Beruf (n=51)

Ohne Berufsfähigkeit:

11 (22%)

Bisher ohne Beruf:

16 (31%)

Fragliche Berufsfähigkeit:

(Berufswünsche: Weberei, Gärtnerin; Tierpflegerin, Kauffrau (2), Hausfrau (7), Krankenpflege)

Beschützende Werkstatt (8)

13 (25%)

Im Beruf tätig:

Kaufmänn. Lehre (2), Köchin, Bäcker, Arzthelferin, Krankenpfleger,-schwester, Altenpflege, Schlosser, Mechaniker, Dachdecker

11 (22%)

 

n=51 (100%)

 

Die Schwierigkeiten für einen betroffenen Menschen eine Arbeitstelle zu behalten, beschreibt Michael Dorris in seinem Bericht über seinen Adoptivsohn Adam (1994, ab 346). Nachdem für Adam endlich eine Arbeitstelle als Gärtnergehilfe für den Sommer gefunden worden war, bekam er sie trotz der Motivation und des Wohlwollens der Mitarbeiter im nächsten Jahr nicht wieder, da er ohne ständige Aufsicht nicht arbeiten konnte. Später verliert Adam auch seine feste Stelle als Tellerwäscher (S. 364).

 

 

4. Umwelt eines Menschen mit FAS/FAE

Die Entwicklung eines Kindes mit FAS/FAE hängt nicht nur:

  1. vom Ausmaß der toxischen Schädigung durch den Alkohol

  2. von begleitenden Fehlbildungen oder

  3. von erblichen Faktoren

    sondern ganz besonders auch

  4. von den sozialen Umfeldbedingungen ab (Löser 1991, (b) 8).

Das Aufwachsen bei einer alkoholsüchtigen Mutter, kann z.B. die emotionale und intellektuelle Entwicklung der betroffenen Kinder noch zusätzlich negativ beeinflussen (Muntau 1990, 26). Während leichter betroffene Kinder in einer interessierten und auf Förderung bedachten Familie einen positiveren Entwicklungsverlauf zeigen können (Löser 1987 (c), 614).

 

Es muß also unterschieden werden, ob das Verhalten (s. Kapitel 3.3 + 3.8), z.B. die "Hyperaktivität", eines Kindes wirklich nur durch den vorgeburtlichen Alkoholkonsum zu erklären ist, oder ob diese primäre Schädigung durch soziale Deprivation überlagert wird. Bei sozialer Deprivation zeigt ein Kind ähnliche Verhaltensweisen wie ein Kind mit FAS/FAE (Neuhäuser ?, 70 ).

Diese Differenzierung kann auch bei der Entscheidung nach dem für das Kind beste Zuhause helfen, wenn eine derartige Entscheidung getroffen werden muß. Doch die meisten Kinder mitFAS/FAE, die in den Herkunftsfamilien leben, werden nicht erkannt, wenn sie nicht übermäßig auffallend sind (Löser 1995, 9).

 

 

4.1 Die Herkunftsfamilie

In der mir vorliegenden Literatur über Alkoholismus und Familie wird davon ausgegangen, daß der Mann der Alkoholkranke ist, während die Frau die Co-Abhängige ist. Diese Arbeit behandel die Folgen des mütterlichen Alkoholismuses, deshalb wird hier von der Süchtigen und dem Co-Abhängigem geschrieben. In diesem Kapitel werden die Folgen von Alkoholismus in der Familie für alle Kinder, also für von FAS/FAE betroffene und nicht betroffene, beschrieben.

 

Eine Familie, in der ein oder mehrere Mitglieder alkoholkrank sind, ist eine "schwer gestörte Familie" (Bertling 1993 (b), 53), d.h. das gesamte soziale System dieser Familie ist betroffen. Die Kommunikation innerhalb der Familie aber auch mit der Umwelt ist gestört, die Familienatmosphäre ist gespannt und das Verhalten der Eltern ist für die Kinder nicht berechenbar, bzw. ambivalent (Bertling 1993 (b), 54).

 

Die Kinder in einer Familie mit Alkoholismus werden auf verschiedene Weise von ihren Eltern beeinflußt (vonGontard 1990, 88; Steinhausen 1993, 208). Die teratogene Wirkung des mütterlichen Alkoholkonsums ist im oberen Teil der Arbeit (s. Kapitel 2.3 - 2.4) ausführlich beschrieben worden, auch die genetische Disposition eine Sucht zu entwickeln wurde erwähnt (s. in Kapitel 3.5). Im folgenden soll kurz auf die psychosozialen Faktoren innerhalb einer alkoholkranken Familie eingegangen werden.

 

 

 

toxische genetische familiäre/psychosoz.

Faktoren

 

 


Protektive Faktoren

 

(Abbildung nach Gontard 1990, selber verändert)

 

Die Alkoholikerfamilie besteht aus der Abhängigen und den Co-Abhängigen, den übrigen Familienmitgliedern. Diese Rollen sind fest verinnerlicht und jeder versucht den anderen nicht "aus seiner Rolle fallen zu lassen" (Bertling 1993 (b), 59). Die Suchtkranke in der Familie leidet an einer chronischen Vergiftung durch das Rauschmittel, die ihre Wahrnehmung und ihr Bewußtsein verändert, und die zum Abbruch oder zur Veränderung der "nüchternen Beziehungen", führt (Salloch-Vogel 1987, 14).

Die Co-Abhängigen in der Familie versuchen alles, um die Alkoholsucht nicht öffentlich werden zu lassen (Bertling 1993 (b), 59). Sie entschuldigen das Verhalten der Süchtigen und versuchen ihr Probleme aus dem Weg zu räumen. Die eigenen Bedürfnisse des Co-Abhängigen werden zurückgestellt, alles in der Familie dreht sich um die Suchtkranke (Bertling 1993 (b), 59).

Für die Kinder in Familien mit Alkoholkrankheit treten zahlreiche Belastungskriterien auf:

(Liste nach Schwoon in Brakhoff 1993 (b), 60; in Arenz-Greivinger 1994, 37)

 

Die familiären Probleme werden nach außen hin geleugnet (vonGontard 1990, 93). Das Kind darf nicht über die familiären Probleme sprechen, auch innerhalb der Familie findet kein Austausch darüber statt (Bertling 1993 (b), 63).

Der nicht-alkoholkranke Partner versucht häufig sich mit dem Kind gegenüber der Kranken zu verbünden (vonGontard 1990, Bertling 1993 (b), 70), was zu Loyalitätskonflikten führen kann. Das Kind weiß dann nicht mehr, zu welchem Elternteil es bei Konflikten halten soll. Auch sind die Gefühle zu dem einzelnen Elternteilen sehr unterschiedlich. Einerseits liebt das Kind die alkoholkranke Mutter, andererseits macht deren unberechenbares Verhalten ihm Angst, es kann die Mutter sogar für ihre Sucht hassen, andererseit sind auch die Gefühle zu dem co-abhängigen Vater gespalten (Bertling 1993 (b), 68).

 

Die oben beschriebenen Belastungen haben Folgen für die Kinder:

 

Die Kinder in einer Familie mit Alkoholismus versuchen immer wieder das gefährdete Familiengleichgewicht zu erhalten (Brakhoff 1987, 73; Arenz-Greiving 1994, 39). Um diese bewerkstelligen zu können übernehmen sie unbewußt feste Rollen innerhalb der Familie, z.B. die Rolle des Helden, die des schwarzen Schafes, die des stillen Kindes oder die Rolle des Clowns. In einer großen Familie sind die Rollen manchmal doppelt besetzt, während in einer kleineren Familie ein Kind auch mehrere Rollen übernehmen kann (Brakhoff 1987, 74-77; Arenz-Greivinger 1994, 39-40). "Diese Rollen überfordern ständig ihre eigene, sich gerade entwickelnde Persönlichkeit" (Arenz-Greiving 1994, 39).

 

Viele der Schwierigkeiten dauern bis ins Erwachsenenalter an. Viele Nachkommen aus Familien mit Alkoholismus erreichen keinen Schulabschluß, haben eine schlechtere Ausbildung, haben Verhaltensprobleme, einen häufigeren Arbeitsplatzwechsel und Partnerschaftsprobleme. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko für Depressionen oder Ängste, es können auch ein niedriges Selbstwertgefühl oder Ohnmachtsgefühle auftreten(vonGontard 1990, 93).

 

Doch nicht alle Kinder von alkoholkranken Eltern zeigen eine ungünstige Entwicklung. Die Entwicklung des Kindes kann durch internale und externale protektive Faktoren positiv beeinflußt werden (vonGontard 1990, 92).

Unter internalen protektiven Faktoren ist z.B. ein Temperament, das positive Aufmerksamkeit hervorruft, zu verstehen. Auch eine durchschnittliche Intelligenz und eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit im Lesen und Schreiben kann dem Kind helfen, ebenso, wenn es eine innere Leistungsorientierung, eine verantwortliche, sorgende Einstellung und ein positives Selbstwertgefühl hat. Weitere internale protektive Faktoren sind ein interner "locus of control" und ein Glaube an die Selbsthilfe.

Externale protektive Faktoren sind z.B. viel Aufmerksamkeit und keine längeren Trennungen von den Bezugspersonen im Kleinkindalter. Wenn in den ersten beiden Lebensjahren keine weiteren Geschwister geboren werden und es auch nicht zu schweren elterlichen Konflikten kommt, kann dies auch eine positive Entwicklung des Kindes begünstigen

 

 

4.1.1 Einfluß der leiblichen Mutter auf das betroffene Kind

In dem vorherigen Kapitel ist der Einfluß der Familie mit Alkoholismus auf das Kind beschrieben worden. Doch da viele Frauen, die alkoholkrank sind, alleine leben (s.u.), soll auf dieser Stelle noch einmal genauer auf die alkoholkranke Mutter eingegangen werden.

 

In einer Untersuchung von Löser waren nur 33% der Mütter verheiratet, 26% waren geschieden und von 41% wurde die Partnerschaft als gestört beschrieben (Löser 1995, 30).

Die Schwangerschaft ist bei alkoholsüchtigen Frauen zumeist nicht beabsichtigt, wird erst spät bemerkt und weckt Schuldgefühle gegenüber dem Kind, da vielen Frauen die mögliche Schädigung ihres Kindes durch Alkohol bewußt ist. (Arenz-greiving 1994, 29).

Die Mutter hat auf Grund ihrer Sucht nicht die Ruhe und Ausgeglichenheit, um schon während der Schwangerschaft eine positive Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, denn sie lebt im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Normen und Werten. Der Streß und die Schuldgefühle verhindern den Aufbau eines unbeschwerten pränatalen Mutter-Kind-Dialoges (Arenz-Greiving 1994, 29).

 

Die Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen nehmen viele alkoholabhängige Frauen nicht wahr (Löser 1995, 135).

 

Das Verhältnis des ungeborenen Kindes zu seiner Mutter ist aber nicht nur ein emotionales, sondern auch ein Rechtsverhältnis. Obwohl das Bürgerliche Gesetzbuch in § 1912, Abs.2 eine Fürsorgebeziehung der Eltern zum Ungeborenen festsetzt, die als Vorwegnahme der elterlichern Sorge gilt, "erfährt in der Praxis der Embryo in Abhängigkeit von seinen mütterlichen Umfeldbedingungen keinen ausreichenden strafrechtlichen und familienrechtlichen Schutz" (Löser 1995, 109). Eine Schwangere, die ihr Ungeborenes durch ihr Verhalten oder ihren Genußmittelkonsum schädigt, wird bisher nicht für die entstehenden Schäden bei ihrem Kind zur Verantwortung gezogen. Nach Lösers (Löser 1995, 109) Meinung wird sich dieses in Zukunft ändern können. Der Embryo kann dann "als menschliches Wesen, unabhängig von der leiblichen Mutter, Rechte der Unversehrtheit nach dem Grundgesetz einfordern". "Das Deutsche Verfassungsgericht hat für den Embryo nicht nur das fundamentale Recht auf Leben bestätigt (Art. II, 2 des Grundgesetzes), sondern auch dessen besonderen strafrechtlichen Schutz vorgesehen (§ 218 StGB). Die primäre Verantwortlichkeit für das Wohl und die Fürsorge des Embryos ist nach §1912, 2 BGB den Eltern zuerkannt" (Löser 1995, 109).

Viele Frauen verbinden mit dem Wunsch nach einem Kind oder dem Entdecken einer Schwangerschaft auch die Hoffnung, ihre Abhängigkeit zu überwinden (Arenz.Greiving 1994, 26). Sie leben aber in "dem kaum lösbaren Konflikt, sich einerseits ein Kind zu wünschen und die Schwangerschaft auszutragen und andererseits mit Selbstvorwürfen der Schädigung des Kindes gegenüberzustehen" (Löser 1996, 70).

 

Es besteht kein Zweifel, "daß alkoholkranke Mütter ihre Kinder nicht ebenso lieben, betreuen und versorgen möchten" wie nicht abhängige (Löser 1995, 112). Doch das Mutter-Kind-Verhältnis ist vom Alkohol überschattet. "Das Kind ist abhängig von der Mutter, diese aber abhängig vom Alkohol" (Löser 1996, 69). Die Gedanken der Mutter sind vom Alkohol bestimmt, er ist der Mittelpunkt ihres Lebens und beeinträchtigt ihre Vigilanz, ihr Bewußtsein, ihren Antrieb, ihre Umsicht und ihre Responsivität (Löser 1996, 69). Das Kind wird deshalb unregelmäßig versorgt und unterliegt den mütterlichen alkoholbedingten Stimmungsschwankungen (Löser 1996, 69; 1995, 112; Arenz-Greiving 1994, 27).

Das Kind kann die Stimmungsschwankungen der Mutter nicht verstehen, es wird durch die Unberechenbarkeit des mütterlichen Verhaltens stark verunsichert und Ängst können entstehen (Löser 1995, 112; 1996, 69; Arenz-Greiving 1994, 27).

 

Das Kind läuft immer wieder Gefahr in seinen Grundrechten (Recht auf Leben, Anspruch auf Pflege, zwischenmenschliche Zuwendung, uneigennützige Liebe, Sicherheit, Geborgenheit, Erziehung und Bildung) verletzt zu werden, wenn es in einem akut alkoholkranken Umfeld aufwächst (Grünberg 1995, 36). Grünberg stellt in seinem Artikel "Alkoholismus der Mutter im Kontext mit dem neugeborenen Leben" (1995, 36) fest, daß ein konstruktives Zusammenleben von Mutter und Kind nur mit deren stabiler Nüchternheit möglich ist. Seiner Meinung nach entscheidet sich die alkoholkranke Mutter, indem sie sich für das erste Glas Alkohol entscheidet, automatisch gegen das Kind. Auch darf das Kind nicht als therapeutisches Hilfsmittel für den Entzug und das abstinente Leben der Frau benutzt werden. Im Vordergrund muß immer das Wohl des Kindes stehen (Löser 1995, 111; Grünberg 1995, 37).

 

Grünberg schließt seinen Artikel mit den Worten, "daß ein Betroffener niemals für jemand anderen abstinent / nüchtern werden wird, sondern, wenn überhaupt nur für sich selber".

 

 

4.1.2 Rolle des leiblichen Vaters eines Kindes mit FAS/FAE

Der Einfluß des leiblichen Vaters kann sich indirekt auf den Grad der Schädigung des Kindes durch den mütterlichen Alkoholkonsum auswirken, da viele Frauen zum Trinken durch Männer verleitet werden. Die Frauen trinken dann auf Grund des Drängen oder aus Sympathie mit, in entsprechend höheren, weniger verträglichen Dosen (Löser 1995, 108).

4.2 Fremdplazierung

Kinder mit FAS/FAE benötigen günstige Lebensbedingungen, Pflege, Zuwendung und Förderung , die eine alkoholkranke Mutter häufig nicht bieten kann (Löser 1995, 113; Grünberg 1995, 37; Steiner 1990, 11). Auch besteht eine erhöhte Möglichkeit der Suchtentwicklung, wenn es bei der trinkenden Mutter aufwächst (s. Kapitel 3.5). Es besteht die Gefahr einer psycho-physischen und sozialen Vernachlässigung und Fehlentwicklung bei bereits bestehender Vorschädigung. Wenn also das Jugendamt erfährt, daß das Kind von der Mutter vernachlässigt wird, muß nach einer alternativen Unterbringung gesucht werden.

 

Wenn die Entscheidung ansteht, wo ein Kind mit FAS/FAE am Besten aufwächst, dann sollte bedacht werden, daß das Kindeswohl , nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1984, Vorrecht vor dem Elternrecht hat (Grünberg 1995, 37; Löser 1995, 111).

Die Frage nach der Unterbringung ist "im Spannungsfeld von rechtlichen, sozialen und familiären Aspekten nicht allgemein zu beantworten", sie kann nur individuell gefällt werden (Löser 1995, 111).

 

Die Chancen von Kindern mit FAS/FAE eine Pflege-/ Adoptivfamilie zu finden sind eher gering (Huber 1990, 217). Zukünftige Adoptiveltern wünschen sich zumeist ein jüngeres gesundes Kind. Die Aufnahme eines Kindes mit Behinderung wird auch dadurch erschwert, daß gerade beim FAS/FAE die Entwicklung des Kindes nur schwer voraussagbar ist.

 

4.3 Mögliche Zuschreibungen der Umwelt auf den betroffenen Menschen

Die Kinder fallen ihrer Umwelt durch ihren Kleinwuchs, die typischen Gesichtszüge und den kleinen Kopf schnell auf. In der Schule werden sie mitunter von den Mitschülern gehänselt ("Spargeltarzan", "dürre Ziege", "Zwergnase") (Löser 1996, 72).

 

Wenn die betroffenen Kinder noch bei ihrer leiblichen Mutter wohnen, können sie auch die Vorurteile gegenüber Familien mit Alkoholproblemen treffen. Die Umwelt wertet die alkoholkranke Mutter ab, über die Familie wird gesprochen, sie wird diskriminiert und der Sozialstatus wird ihr aberkannt (Bertling 1993 (b), 128). Es kann für das Kind zu einer sozialen Vereinsamung (s. Kapitel 4.1.) kommen, die durch das beim FAS/FAE vorkommende Verhalten noch verstärkt wird. Auch die medizinische Bezeichnung für die Schädigung des Kindes birgt Gefahren in sich, da sie explizit auf die Ursache, den Alkohol hinweist. Das Kind könnte mit Zuschreibungen , wie z.B. "Säuferkind", belegt werden.

 

Ein Menschen mit Behinderung, dessen Behinderung durch den Alkoholkonsum der eigenen Mutter verursacht ist, und der die beschriebenen Schwierigkeiten im Lernen und Verhalten aufweist, ist von sozial-strukturellen Gewalt noch stärker als unbehinderte Kinder von Alkoholikern betroffen (Bertling 1993 (b), 130).

 

 

5. Leistungsfähigkeit in den verschieden Lebensabschnitten

In diesem Kapitel werden die Auffälligkeiten in der Entwicklung der Menschen mit FAS/FAE in den einzelnen Lebensabschnitten vorgestellt.

 

5.1 Besonderheiten in der Säuglings- und Kleinkinderzeit

Die Geburt kann vorzeitig erfolgen. In diesem Falle können zu den schon beschriebenen Problemen der Schädigung durch den embryo-fetalen Alkoholkonsum auch noch die für Frühgeborene typischen Schwierigkeiten auftreten, wie z.B. Hypothermie, Atemstörungen, Frühgeborenenretinopathie, Hirnblutungen, Leberunreife, Trinkschwächen usw. (Vgl. Müller-Rieckmann).

 

Es können kurz nach der Geburt Symptome eines Alkoholentzuges beim Kind auftreten. Anzeichen hierfür sind, z.B. Unruhe, leichte Irritierbarkeit, Durchfälle und Erbrechen, Schwitzen, Zittern, unregelmäßige Herztöne, Schlafstörungen, ein schwaches Saugen und ganz allgemein Gedeihstörungen (George 1993 (b), 12).

Diese Entzugssymptome können innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Entbindung auftreten, sie können stärker oder auch schwächer ausgeprägt sein, die Intensität kann schwanken. Während der gesamten ersten sechs Lebensmonate können Phasen mit Entzugssymptomen bei den Kindern auftreten (George 1993, 11).

Größe, Gewicht und Kopfumfang der Säuglinge sind ungewöhnlich gering (McIntyre-Palmer 1994, 65; Löser1995, 32).

 

Die Säuglinge sind unruhig, weinen ausdauernd, sind leicht reizbar und sehr nervös (George 1993 (b), 17).

 

Im Kleinkindalter sind die Kinder unaufmerksam und impulsiv. Sie scheinen keine Angst zu haben, besonders fehlt die Fremdenangst, sie gehen mit Jedem mit (vgl. Kapitel 3.8).

 

Es bestehen rezeptive und expressive Sprachverzögerungen. Sie haben Schwierigkeiten im Verstehen von sozialen Vorgängen. Die Kinder besitzen selber keine adäquate soziale Fertigkeiten. Die Kinder können nicht angemessen auf verbale Anweisungen reagieren.

 

Die Defizite in der Informationsverarbeitung (s.Kapitel 3.11.) beeinflussen das Lernen und Handeln der Kinder. Sie benötigen eine klare Struktur, um den Anforderungen des Alltages gerecht zu werden.

 

Bei nahezu 30% der Kinder treten in den ersten zwei Lebensjahren Saug-, Eß- und Schluckstörungen auf (Löser 1995, 69; Davis 1994, 10; McIntyre-Palmer 1994, 65), ähnlich wie bei zerebral gestörten Kindern kann es zu erheblichen Fütterungsschwierigkeiten kommen. Es ist nur ein schwacher Saugreflex ausgebildet (McIntyre-Palmer 1994, 65; Davis 1994, 10). Die Kinder ermüden leicht beim Füttern, so daß die Notwendigkeit häufigerer Mahlzeiten besteht. Einige Säuglinge vermeiden die Nahrungsaufnahme überhaupt, sie scheinen keinen Appetit zu haben.

 

Motorische Störungen treten vor allem bei höhergradiger Alkoholschädigung auf. Gekennzeichnet sind diese motorischen Auffälligkeiten durch ungleichförmige und zielunsichere Bewegungsabläufe, so ist z.B. die Ausdrucksmotorik gestört. Die Kinder wirken ungeschickt (Löser 1995, 69). Diese motorische Störung wird von Löser (1995, 69) als eine neuromotorische, kortikale, subkortikale und zerebellare Bewegungsstörung bezeichnet, die zumeist nur diskret ausgeprägt ist, besonders ist die Feinmotorik betroffen.

Bei Kindern, die stärker durch den mütterlichen Alkoholkonsum betroffen sind, kann an den Händen und Fingern ein grobschlägiger Tremor, ähnlich dem "Flapping-Tremor" eines erwachsenen Alkoholikers (Davis 1994, 10; Löser 1995, 69) beobachtet werden. Entwicklungsverzögerungen der Grobmotorik äußern sich in verzögerten Beginn mit dem Krabbeln oder Gehen.

 

Bei vielen Kindern mit FAS/FAE ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört (Löser 1995, 8; George 1993, 19; McIntyre-Palmer, 66). Sie haben Einschlafschwierigkeiten und wachen sehr leicht wieder auf. Einige benötigen nur sehr wenig Schlaf, andere mehr als Gleichaltrige.

 

Viele Kinder haben Schwierigkeiten Berührungen auszuhalten. Auch andere Reize können rasch zu einer Überstimulation führen (George 1993, 19). Dieses weist schon frühzeitig auf Schwierigkeiten in der Informationsverarbeitung hin. Einige Kinder können nur eine Reizart zur Zeit verarbeiten. Es kann sie schon überfordern, wenn die Bezugsperson sie anschaut und zu ihnen spricht. Sie müssen erst langsam an mehrere gleichzeitige Reize gewöhnt werden. Es fällt ihnen auch schwer Veränderungen einer gewohnten Routine zu ertragen oder von einer Aktivität zu einer anderen zu wechseln.

 

Kinder mit FAS/FAE sind zu einem großen Teil "hyperaktiv" (s. Kapitel 3.3). Sie können leicht von Reizen überflutet werden. Im Vorschulalter werden Schwierigkeiten eine Bindung einzugehen bzw. eine Trennung auszuhalten, deutlich. Es fällt ihnen schwer sich selber wieder zu beruhigen und zu entspannen. In diesem Alter fallen auch die eingeschränkten sozialen Fähigkeiten und Spielfertigkeiten auf (s. Kapitel 3.7 + 3.8).

 

Kinder mit FAS/FAE sind sehr leicht frustriert, die Impulskontrolle gelingt ihnen nicht, die emotionalen Zustände wechseln sehr schnell (Löser 1995, 8, 59, 68; George 1993, 26; Davis 1994, 11).

 

Die Kinder versuchen in Interaktion mit Erwachsenen zu treten, während die Beziehungen zu Gleichaltrigen sehr schwierig sind. Vielfach werden die Kinder als äußerst, nahezu überfreundlich und vertrauensselig beschrieben (George 1993, 26; Dorris 1994, 254-255; Löser 1995, 67).

 

Schon in diesem Alter fällt die kurze Aufmerksamkeitsspanne auf (Löser 1995, 59 + 61; Davis 1994, 11; McIntyre-Palmer 1994, 73; George 1993, 26), die Kinder lassen sich leicht ablenken. Auch werden hier schon die Besonderheiten in der Informationsverarbeitung (Davis1994, 11-12; McIntyre-Palmer 1994, 65; George 1993, 26) deutlich (s. Kapitel 3.1.1):

 

Die Sprachentwicklung ist auffällig (McIntyre-Palmer 1994, 66). Trotz eventueller guter expressiver Sprache ist das Sprachverständnis eingeschränkt (s. Kapitel 3.2 u. 3.8).

 

Bei einigen Kindern kann die Reizempfindlichkeit herabgesetzt sein, sie fühlen dann weder Kälte, Hitze, Schmerz, Hunger oder die Notwendigkeit eine Toilette aufzusuchen. Andererseits kann die Berührung eines anderen Menschen für sie sehr unangenehm sein (George 1993, 26; Davis 1994, 10).

 

 

5.2 Besonderheiten im Schul- und Jugendalter

Gabi Neumann (1996) hat für ihre Dissertation die "Schulentwicklung und schulischen Leistungen bei 98 Kindern mit Alkoholembryopathie und Alkoholeffekten" untersucht. Die Schulkinder entstammten den Patienten der Universitätsklinik Münster aus dem Zeitraum von 1977 bis 1994.

Die beschriebenen Schüler sind unterschiedlich schwer durch den mütterlichen Alkoholkonsum geschädigt:

 

Grad der Alkoholembryopathie nach Majewski (s. Kapitel 1.4)

Grad I

Grad II

Grad II

Alkoholeffekte

28 % (37)

29% (28)

19% (19)

14% (14)

 

40 (40%) der Schüler besuchten eine Regelschule, 37% (37) eine Schule mit sonderpädagogischen Aufgaben ("Sonderschule"), über 16 (16%) der untersuchten Kinder und Jugendlichen konnten keine Angaben gemacht werden und fünf (5%) waren laut dieser Untersuchung nicht bildungsfähig, die Autorin schreibt, daß bei ihnen "geistige Entwicklungsdefizite in dem Maß, daß jegliche Schulbildung unmöglich war" bestanden. Dies verwundert, da "die Negation der Bildungsfähigkeit, der Begriff der Bildungsunfähigkeit, in der Pädagogik keine Berechtigung mehr hat" (Dupuis 1992, 96).

 

Die verbleibenden 77 Schüler mit unterschiedlicher Schwere der Alkoholembryopathie, bzw. der Alkoholeffekte besuchen folgende Schularten:

Grundschule

22

Hauptschule

16

Realschule

2

Gymnasium

0

Oberschulen

0

Sonderschule für Lernbehinderte

17

Sprachheilschule

5

Sonderschule für Körperbehinderte

5

Sehschule

1

Sonderschule für Hörgeschädigte

0

Sonderschule für Geistigbehinderte

9

 

 

 

Aufgeteilt in die Schwere ihrer Beeinträchtigung (Grad der Alkoholembryopathie nach Majewski (s. Kapitel 1.4) ergibt sich folgende Tabelle:

Grad I

Grad II

Grad III

Alkoholeffekte

Schule für geistig Behinderte (n = 9)

3 Schüler = 33%

1 Schüler = 11%

5 Schüler = 56%

-

Schule für Lernbehinderte (n = 17)

2 Schüler = 12%

11 Schüler = 64%

3 Schüler = 18%

1 Schüler = 6%

Hauptschule (n = 16)

9 Schüler = 56%

4 Schüler = 25%

-

3 Schüler = 19%

Realschule (n = 2)

 

1 Schüler

 

1 Schüler

Grundschule (n = 22)

7 Schüler = 32%

5 Schüler = 23%

4 Schüler = 18%

6 Schüler = 27%

Sprachheilschule (n = 5)

2 Schüler = 40%

1 Schüler = 10%

-

2 Schüler = 40%

Sehschule (n = 1)

-

1 Schüler

-

-

Sonderschule f. Körperbehinderte (n = 5)

2 Schüler = 40%

2 Schüler = 40%

1 Schüler = 20%

-

 

In den Regelschulen, also in der Realschule und der Hauptschule sind häufiger Schüler mit milderen Formen der Alkoholembryopathie bzw. mit Alkoholeffekten zu finden. Es scheint also eine Beziehung zwischen dem Grad der Alkoholschädigung und den geistigen Anforderungen der Schulform, die das Kind besucht zu geben (Neumann 1996, 102 ).

 

Die folgende Abbildung veranschaulicht "die schulische Entwicklung der Patienten von der Einschulung bis zum Zeitpunkt der Untersuchung" (Neumann 1996, 38). Die Pfeile in der Abbildung weisen mit Zahlen auf Schülerzugänge in die jeweilige Schulform hin (Neumann 1996, 38). 18 der Schüler haben den "normalen Bildungsweg" (vier Jahre Grundschule, dann Wechsel in eine Hauptschule, Realschule oder Gymnasium) erfolgreich beendet. "22 Schüler besuchten zum Untersuchungszeitpunkt die Grundschule. Die Schullaufbahn von 37 Schülern wich von der Norm ab" (40). Die Autorin unterscheidet zwischen einer Abweichung schon bei der Einschulung, während der Grundschulzeit und nach der Grundschulzeit.

Gleich in eine "Sonderschule" eingeschult wurden 17 der Kinder. Von der Grundschule wechselt in der 1. Klasse ein Schüler zur Sonderschule für Lernbehinderte, einer zur Schule für Körperbehinderte und drei Schüler wechseln zur Sprachheilschule.

Ein Schüler wechselte von der Hauptschule in die Sonderschule für Lernbehinderte.Von der Sonderschule für Lernbehinderte wechselten drei in die Schule für geistig Behinderte.

 

 


0 = 0%


2


 

16



1








11


5



3


2 3


 

4


1



1

 


6



(Abbildung verändert nach Neumann 1996, 39)

 

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, besuchen 48% der Schüler mit FAS/FAE eine Sonderschule. Die Normalverteilung nach Angaben des Schulamtes Münster auf die einzelnen Schularten im Jahre 1993 sieht folgendermaßen aus:

Sonderschule für geistig Behinderte = 0,3%

Sehschule = 0,2%

Sonderschule für Körperbehinderte = 0,3%

Sprachheilschule = 0,2%

Sonderschule für Lernbehinderte = 1,2%

Regel-Grundschule = 21%

Hauptschule = 6%

Realschule = 9%

Gymnasium / Oberschule = 24%

(Zahlen vom Schulamt Münster 1993; n=42.900 in Löser, 1996)

 

 

Der erfolgreiche Besuch einer Regelschule wird durch die kurze Aufmerksamkeitsspanne und die Konzentrationsschwierigkeiten erschwert (McIntyre-Palmer 1994, 72; Davis 1994, 11; George 1993 (b), 38). Die Probleme im Erwerb der Kulturfähigkeiten können in den ersten beiden Grundschuljahren eventuell noch nicht auffallen, aber mit zunehmenden Anforderungen im Problemlösen und im abstrakten Denken werden die Schwierigkeiten deutlicher (George 1993(b), 38). Ganz besonders im Mathematikunterricht werden die Probleme offenkundig (McIntyre-Palmer 1994, 72).

Oft ist es für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht möglich, so zu handeln, wie es von der Umwelt auf Grund des gemessenen Intelligenzquotienten erwartet wird (McIntyre-Palmer 1994, 73) . Eine große Rolle spielen hier auch die schon beschriebenen Gedächtnisprobleme (s. Kapitel 3.1.1).

 

Dadurch, daß ein Schüler mit FAS/FAE nicht im Unterrichtsstoff wie die anderen folgen kann, könnte er Verhaltensprobleme entwickeln, um von seinen Defiziten abzulenken (McIntyre-Palmer 1994, 73; Davis 1994, 11-12). Dies kann die schon beschriebenen Verhaltensprobleme verstärken und verfestigen (s. Kapitel 3.).

 

Trotz der guten verbalen Fähigkeiten und einem überfreundlichen Verhalten kommt es zu keiner Einbindung in die Gruppe Gleichaltriger. Die Kinder und Jugendlichen mit FAS/FAE werden häufig zu sozialen Außenseitern. Häufig versuchen sie auf unangemessen Weise, nämlich durch Körperkontakt eine Beziehung zu anderen herzustellen, z.B. durch Schubsen (George 1993 (b), 39). Ihre soziale Isolation können sie nur überwinden, in dem sie sich anderen Jugendlichen anschließen, die ebenfalls nicht sozial eingegliedert sind. Diese können die betroffenen Kinder und Jugendlichen einfach zu dissozialem Verhalten, zu kriminellen Handlungen oder Drogenkonsum verführen (McIntyre-Palmer 1994, 73; Davis 1994, 12; George 1993 (b), 39). Doch auch die eingeschränkte Fähigkeit zu Antizipieren kann zu Lügen, Stehlen, Ungehorsam, Trotz, Wutanfällen, also zu unangemessenen Verhalten führen. Ein Mensch kann mit FAS/FAE kann die Folgen seines Handels nicht vorwegnehmen, er handelt impulsiv (s. Kapitel 3.3 + 3.8.1).

 

Kinder und Jugendliche mit FAS/FAE haben Schwierigkeiten in ihrer Impulssteuerung und sie sind emotional labil (Löser 1995, 59), d.h. "daß Wechsel in der Stimmungslage zu leicht und zu wenig motiviert einsetzen und die Affekte nicht kontrolliert werden können" (Löser 1995, 68).

 

Die Schere zwischen den betroffenen Jugendlichen und den nicht betroffenen öffnet sich immer weiter in den Punkten der kognitive Entwicklung, der Unabhängigkeit und der Identitätsfindung. Wenn ein betroffener Jugendlicher dies bemerkt, kann er verletzt und verwirrt sein. Er kann sich zurückziehen, apathisch, unflexibel oder aggressiv werden (McIntyre-Palmer 1994, 73).

 

Auch in diesem Alter brauchen die Jugendlichen mit FAS/FAE noch gelegentliche Pausen, um sich von Reizüberflutung zu erholen (McIntyre-Palmer 1994, 72, George 1993 (b), 38).

 

Im Jugendalter wird allmählich an Gewicht zugelegt, einige Mädchen können sogar übergewichtig werden (Streissguth 1994(a), 75) (s. Kapitel 5.2 + 2.3.1). Doch bei den meisten Jugendlichen bleibt der Kopf klein.

 

 

5.3 Besonderheiten im Erwachsenenalter

Die Retardation in der Kognition und der Entwicklung dauern lebenslang an, die Defizite werden nicht überwunden, die Schwierigkeiten in der Bewältigung des Lebens, wie oben (s. Kapitel 3.5 + 3.1.1) beschrieben, bleiben bestehen (Streissguth 1994 (c), 69; Streissguth 1994 (a), 75). Das Unverständnis von abstrakten Begriffen, von Ursache–Wirkung oder Übertragungen von Kenntnissen dauert an.

 

Im Erwachsenenalter wirken die Gesichter nicht mehr so charakteristisch (Streissguth 1994 (a), 76-77; Spohr 1996, 211). Erwachsene mit FAS bleiben zwar klein und der Kopf ist häufig microzephal, aber das Gewicht nähert sich der Norm an. Frauen können sogar dicklicher werden (Streissguth 1994 (c), 69; 1994 (a), 76).

 

Die soziale Isolation, die im vorhergehendem Kapitel beschrieben worden ist, dauert an (McIntyre-Palmer1994, 74). Ein erwachsener Mensch mit FAS/FAE hat also eventuell außer seinen Bezugspersonen aus der Kinderzeit, keine näheren Kontakte.

 

Streissguth konnte in ihrer Untersuchung keinen betroffenen Erwachsenen benennen, der finanziell selbständig leben und unbetreut wohnen konnte (Streissguth 1994 (c), 143).

Nur 3 von 43 von Löser untersuchten Menschen mit FAS/FAE konnten eigenständig in Beruf und Lebensführung, ohne beschützende Umgebung und unabhängig von der zuletzt betreuenden Familie leben (Löser 1995, 130).

 

Selbständigkeitsentwicklung (n=43)

 

bisher selbständig lebend:

3 (7%)

beschützende Umgebung erforderlich:

19 (44%)

Selbständigkeit zu erwarten

21 (49%)

 

n=43 (100%)

 

Ein erwachsener Mensch mit FAS/FAE benötigt in individuellem Maße Hilfe und Unterstützung im Alltag (McIntyre-Palmer 1994). Er braucht also Begleitung bei der Einteilung seiner Finanzen, der Gesundheitserhaltung, beim Wohnen und Arbeiten. Dies kann bedeuten, daß er zwischen wenigen Stunden und ganztägig betreut werden muß.

 

Es ist auf Grund der mangelnden sozialen Fähigkeiten und der fehlenden Impulssteuerung schwierig, eine Arbeit zu finden und dann auch zu behalten (Davis 1994, 137). Auch während der Arbeit benötigen die Erwachsenen mit FAS/FAE eine enge Betreuung, stete Struktur und Routine (Davis 1994, 137). Es fällt ihnen schwer sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und sich nicht ablenken zu lassen. Dieses beschreibt auch Michael Dorris ( 1994, 348)bei seinem Adoptivsohn:

"Aber es war wie sooft zuvor – wie bei seinen Leistungen in der Schule , bei seinem ersten Job im Pizza Hut in Northfield: Wenn eine Autoritätsperson Adam auf die Finger sah und ihm jeden einzelnen Tag alles und jedes sagte, was es zu tun gab, folgte er den Anweisungen. Sobald er aber sich selbst überlassen war, ließ er sich ablenken, ging weg, verlor das Interesse. Wann immer er ohne Aufsicht war, setzte er seine Brille ab und konnte deshalb mit dem Rasenmäher nicht akkurat mähen. [...] Mehr als einmal versuchte Adam, sich vor einem Arbeitsauftrag zu drücken, indem er sich hinter einem Baum versteckte. [...] Auch Adams zweiwöchentliche Gehaltsüberweisungen waren kein Anreiz."

 

Die psychische Lage der Menschen mit FAS/FAE kann sich verändern. Es können Depressionen, Selbstmord oder sexueller Mißbrauch auftreten (McIntyre-Palmer 1994, 73+74). In einer Untersuchung von 415 Menschen mit FAS/FAE stellte Fr. Streissguth fest, daß 94% an psychischen Problemen litten, 45% dieser Untersuchungsgruppe zeigten ein unangemessenes sexuelles Verhalten, 43% verließen die Schule frühzeitig und 42% der Menschen waren mit dem Gesetzt in Konflikt geraten. Erfahrungen in einer psychiatrischen Klinik zu leben, hatten 28% (Streissguth Internet ). Fr. Streissguth schließt aus ihrer Untersuchung, daß FAE eher als FAS und ein Intelligenzquotient über 70 eher als ein niedrigerer zu Folgeproblemen, wie den oben beschriebenen, führen kann.

 

Wie schon in dem Kapitel (3.5) über die Suchtgefährdung beschrieben worden ist, besteht für Erwachsene und Jugendliche ein deutlich erhöhtes Risiko, eine stoffgebundene Sucht zu entwickeln.

Trotz Warnungen und Erziehung zur Abstinenz, kann es dazu kommen, daß ein Jugendlicher mit FAS/FAE Alkohol konsumiert.

Michael Dorris fragt seinen Sohn Adam (1994, 364):

"Was ist das Gute dran, 21 zu werden?" Er drehte sich zu mir um und grinste. Es gab etwas Gutes daran. "Naja", antwortete er, "die Jungs in der Arbeit sagen jetzt, ich bin alt genug, um zu trinken." Seine Worte aus heiterem Himmel waren wie Tritte in den Magen. Sie verdrängten jeden Gedanken aus meinem Kopf." Michael Dorris versucht im Folgenden seinen Sohn, wie schon des Öfteren, vor dem Alkoholkonsum zu warnen, indem er ihm die Ursache für dessen Behinderung, den Alkoholkonsum der leiblichen Mutter, zu verdeutlichen versucht. Er warnt Adam auch, daß sich der Alkohol nicht mit dessen Medikamenten gegen seine Epilepsie vertragen würden, aber :"Der Tod war keine Bedrohung, kein ernsthafter Grund, seinen ersten Drink abzulehnen."

 

Eine Mutter von vier Adoptivkindern mit FAS berichtete mir, daß ihre Tochter, die die Förderschule zur individuellen Lebensbewältigung besucht, auf einer Klassenfahrt gemeinsam mit ihren Lehrern Wein getrunken hat. Sie war recht verärgert darüber, daß dieses ohne ihr Wissen geschehen ist, da sie selber versucht, ihre Tochter von Alkohol fernzuhalten.

 

 

6. Mögliche Unterstützungen für Menschen mit FAS/FAE in den verschiedenen Lebensabschnitten

In den folgenden Kapiteln werden einige Hinweise für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, aber auch Tips für die Unterstützung von Erwachsenen gegeben. Diese Hinweise sind nicht unbedingt FAS-spezifisch, d.h. sie sind auch bei anderen Menschen mit ähnlich gelagerten Besonderheiten gültig.

Unter anderem weil es nicht "Die" speziellen Hilfen, Behandlungen oder Bedürfnisse für Menschen mit FAS/FAE gibt, hat sich die deutsche Elterninitiative (s. Kapitel 6.4.1) zum Thema vor wenigen Wochen aufgelöst.

Im Anhang an die Arbeit ist eine Liste mit "Educational Techniques" zu finden, die von der Universität in Süd-Dakota aufgestellt worden ist. Sie zeigt Schwerpunkte für Arbeit gemeinsam mit Menschen mit FAS/FAE.

 

6.1 Hilfen für die Säuglings- und Kleinkindzeit

Viele Babys mit FAS/FAE neigen dazu, häufig und andauernd zu schreien, sie sind dann nur schwer wieder zu beruhigen. Beim Hochnehmen machen sie sich steif und werden auch durch den Körperkontakt nicht ruhiger. Das häufige und lange Schreien kann eine große Belastung für die Eltern des Kindes sein (s. Kapitel 5.1).

Es kann helfen, daß Baby fest in eine Decke zu wickeln, so daß es bequem und sicher verpackt ist, so erfährt es Halt. Die Decke erleichtert für das Kind auch, den sonst eventuell eher unangenehmen Körperkontakt auszuhalten. Helfen könnte auch das vertikale Schaukeln des Babys auf dem Arm, Autofahren, Gehen mit dem Baby auf dem Arm, leises Singen oder Sprechen (George 1993 (b), 17).

 

Säuglinge und Kleinkinder mit FAS/FAE haben häufig Schlafstörungen. Sie haben Einschlafstörungen und Durchschlafstörungen, sie wachen bei der kleinsten Unruhe wieder auf. Es kommen schnelle Wechsel von festem Schlaf und verzweifeltem Schreien vor (s. Kapitel 5.1).

Es kann dem Kind helfen, wenn sein Bett in einem ruhigen, abgedunkeltem Raum, etwas entfernt vom übrigen Geschehen im Haus steht. Der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus des Kindes sollte unbedingt unterstützt werde. Das Einschlafen wird dem Kind durch eine jeden Tag gleiche Routine vor der Bettzeit erleichtert. Das Einschlafritual kann aus einem Bad, einer sanften Massage oder einem Lied bestehen.

Auch das Füttern kurz vor der Bettzeit kann das Einschlafen unterstützen (Morse 1992, ?; George 1993 (b), 19)

 

Einige Säuglinge reagieren sehr sensibel auf Umweltreize, was durch die beschriebenen Schwierigkeiten in der Informationsverarbeitung ( s. Kapitel 3.1.1) zu erklären ist. Einige Kinder können nur einen Stimulus zur Zeit verarbeiten, mehrere zur gleichen Zeit führen zu einer Reizüberflutung, die sie verwirren und zu, für die Umwelt, unerwarteten Reaktionen bringen können. Es ist wichtig zu erkennen, welche Reize das einzelne Kinder verarbeiten und aushalten kann, um es nicht zu überfordern. Dennoch benötigen Kinder Reize aus der Umwelt, damit sie lernen und sich entwickeln können. Reize sollten dem Kind nur angeboten werden, wenn es ruhig ist. Sobald es Anzeichen für eine Überstimulation zeigt, sollte es wieder beruhigt werden. Zeichen für eine Reizüberforderung könnten z.B. das Vermeiden von Blickkontakt oder Weinen sein. Auch auf bestimmte Kleidungstoffe kann das Kind sehr sensibel reagieren, so daß es für neue Reize nicht mehr aufnahmefähig ist. In diesem Fall sollten die unangenehmen Stoffe vermieden werden, Socken können auf links getragen werden und die Kleiderschilder entfernt werden. Das Kind muß langsam an mehrere gleichzeitige Stimuli gewöhnt werden ( George 1993b (b), 19-20; Morse 1992, ?).

 

Viele Säuglinge und Kleinkinder mit FAS/FAE haben Probleme bei der Nahrungsaufnahme. Diese äußern sich, wie schon oben (s. Kapitel 5.1) beschrieben, in Saug-, Eß- und Schluckstörungen (Löser 1995, 69). Auch eine eventuelle Sensibilitätsstörung kann das Essen erschweren. Die betroffenen Kinder mögen dann das Gefühl der Brustwarzen, des Saugers, eines Löffels oder bestimmter Nahrungsmittel nicht im Mund (Morse 1992, ?). Bei einigen Kindern muß die Ernährung in der ersten Zeit sogar über eine Sonde erfolgen (Löser 1995, 70).

Hilfreich für die Kinder ist eine ruhige entspannte Atmosphäre beim Essen. Die Nahrung sollte in der für sie akzeptablen Form sein, d.h. nicht zu weich und nicht zu klumpig sein (Morse 1992, ?). Bei älteren Kindern sollte auch auf ein bequemes Sitzen am Tisch geachtet werden, d.h. der Körper sollte durch Armlehnen und eine Fußbank so gestützt sein, daß die motorische Unruhe nicht durch hängende Extremitäten gefördert wird (Morse 1992, ?). Dem Kind sollte es aber auch erlaubt werden, den Tisch zu verlassen, wenn es nicht meht still sitzen kann.

 

6.2 Unterstützung für Schulkinder und Jugendliche

Bei Schulkindern mit FAS/FAE sind die Kommunikationsfähigkeiten eingeschränkt (s. Kapitel 3.2 u. 5.2).

Jedes Gespräch mit dem betroffenen Kind sollte mit seinem Namen begonnen und der Augenkontakt gesucht werden, so daß man sich der Aufmerksamkeit des Kindes gewiß ist (Shaskin 1994, 9 ; Morse 1992, ?).

Eine Anrede an mehrere Personen wird das Kind nicht auf sich beziehen, es sollte immer persönlich angesprochen werden (Shaskin 1994, 9; Morse 1992, ?), damit es merkt, daß es gemeint ist.

Mit dem Kind sollte langsam gesprochen werden. Die Sprache wird für das Kind leichter entschlüsselbar, wenn sie durch Gesten, Mimik, Variationen im Tonfall und der Lautstärke unterstützt wird (Shaskin 1994, 9; Morse 1992, ?).

Es ist auch sinnvoll das Sprachverständnis durch visuelle Hilfen zu unterstützen (Shaskin 1994, 9). Zwischen kurzen Sätzen sollten Pausen sein, die es dem Kind erlauben, das Gesagte zu verarbeiten (vgl. Prozessing, s. Kapitel 3.1.1). Informationen sollten wiederholt werden, bei Bedarf neu und klarer strukturiert.

Es sollten auch immer die gleichen Bezeichnungen für Vorgänge und Gegenstände benutzt werden, um dem Kind die Orientierung in der Umwelt zu erleichtern (Shaskin 1994, 9).

 

Um lernen zu können, muß sich ein Kind oder Erwachsener mit FAS/FAE sicher in einer Routine und Struktur einer Umwelt, sei es die Familie oder ein Heim, eingebunden fühlen. Erst dann können die neuen Reize des zu lernenden Gegenstandes aufgenommen und verarbeitet werden (George 1993, 27).

Die neuen Informationen müssen klar und einfach strukturiert sein. Ein Vorgang muß in mehrere kleine Schritte gegliedert werden, damit ein Lernen erfolgreich sein kann (Shaskin 1994, 8 ; Morse 1992, ?). Neben den verbalen Informationen, eine visuelle Hilfe zur Unterstützung anzubieten ist sehr wichtig (Morse 1992, ?). Computer und Recorder sind eine gute Hilfe bei Gedächtnisproblemen (Morse 1992, ?; McIntyre-Palmer 1994, 103).

 

Fr. McIntyre-Palmer beschreibt in ihrem Buch "Two sides of the coin" das Lernen mit dem Computer. Die Vorteile des Computers beruhen auf seinen vorwiegend visuellen Anforderungen, und er wiederholt Informationen und Anweisungen geduldig je nach Bedarf. Die beständige Wiederholung, die Anerkennung von richtigen Antworten und das emotionslose Aufdecken von Fehlern, bietet den Kindern und Jugendlichen mit FAS/FAE die Möglichkeit zu erforschen, zu entdecken und von Erfahrungen zu lernen, in dem sie nach dem "trial and error"-System vorgehen.

Die Bezugspersonen sollten dennoch die Schüler nicht allein am Computer lassen, da gerade die soziale Interaktion für Menschen mit FAS/FAE wichtig ist.

 

Eine klare Struktur in der Schule bzw. im Klassenzimmer erlaubt es den betroffenen Schülern, den Überblick über ihre Umgebung und deren Anforderungen an sie zu behalten (Murphy 1993, 193). So sollte das Klassenzimmer in klare Bereiche geteilt sein und jedes Kind seinen eigenen Stuhl an einem bestimmten Ort stehen haben. Der Tagesablauf sollte routiniert sein, Änderungen den Schülern rechtzeitig mitgeteilt werden. Trotz alledem darf die Spontanität nicht verlorengehen, damit die Schüler auch "Überraschungen des Alltags" aushalten können.

 

Das häufig vorkommende HKS (s. Kapitel 3.3) schränkt die Kinder ein, es wirkt sich auf die geistige Entwicklung des Kindes aus (Löser 1995, 67). Es kann sich nicht konzentrieren und hat keine Geduld, um eine Aufgabe zum Ende zu bringen. Der Erfolg des Kindes in der Schule und in seiner sozialen Entwicklung wird zu großen Teilen vom HKS bestimmt.

 

Wie schon bei dem Absatz über die Gefahr der Überstimulation (s. Kapitel 5.1) beschrieben, ist es auch in Bezug auf das HKS des Kindes wichtig, es genau zu beobachten und zu eruieren, welche Umwelteinflüsse die "Hyperaktivität" begünstigen bzw. welche sie verringern.

 

Die Kinder sollten Situationen meiden, in denen sie mit zu hellem Licht, zu viele Bewegung, Lärm, Spielzeug, Farben, Aktivitäten oder Menschenmengen überfordert werden, da dieses ihre Unruhe und Unkonzentriertheit verstärken könnte.

 

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FAS/FAE folgende Punkte für Leben und Lernen wichtig sind:

 

(Sashkin 1994, 8)

 

 

6.3 Hilfen für Erwachsene

Ein großes Augenmerk in der Erziehung und Unterstützung Jugendlicher und Erwachsener mit dem FAS/FAE ist die Suchtprävention. Wie schon in Kapitel 3.5 beschrieben worden, ist ihre Gefahr eine Abhängigkeit zu entwickeln recht groß.

Löser (1995, 119-121) macht folgende Vorschläge zur Vorbeugung der Alkoholkrankheit:

 

Bei dem Versuch Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FAS/FAE zu einem abstinenten Leben zu erziehen, wird es natürlich nicht zu vermeiden sein, daß diese trotz der Warnungen, Alkohol oder Drogen konsumieren. An diesen Punkten ist es wichtig, daß die Betreuer oder Eltern nicht das Vertrauen der Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen verlieren, in dem sie drastische Konsequenzen folgen lassen. Wichtig ist es in Gesprächen immer wieder auf die Gefahren von Drogen und Alkohol hinzuweisen, aber trotzdem das Vertrauen zueinander aufrechtzuerhalten, um keine Trotzreaktion hervorzurufen.

Mit den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit FAS/FAE könnten Situationen durchgespielt werden, in denen sie mit Alkohol oder Drogen konfrontiert werden können, so daß sie auf solche angemessen vorbereitet sind.

Wichtig ist aber auch, daß die nähere Umwelt den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit FAS/FAE als Modell den erwünschten Umgang mit Alkohol und Drogen zeigt.

 

Die Schulen zur individuelle Lebensbewältigung sollten, meiner Meinung nach, auch auf das Thema "Umgang mit Genußmitteln" eingehen. Denn wenn im Rahmen des Normalisierungsprinzips gefordert wird, daß Menschen mit geistiger Behinderung ein Leben ermöglicht wird, das dem der durchschnittlichen Bevölkerung weitgehend ähnlich ist (vgl. Adam 1994, 9-20), dann gehört dazu auch ein für den betreffenden Menschen individuell angemessener Umgang mit Genußmitteln, in diesem Fall mit Alkohol. Doch weder in den KMK-Empfehlungen 1980, noch im Lehrplan für den Unterricht in der Schule für geistig Behinderte oder im Lehrplan für die Werkstufe der Schule für Geistigbehinderte 1989 wird auf dieses Thema eingegangen.

 

Die Einbeziehung des Themas Drogen in die Gesundheitserziehung von Menschen mit geistiger Behinderung wird auch von Lee Ann Christian und Alan Poling (1997) gefordert. In einem Rückblick über die letzten 15 Jahre beklagen sie, daß es keinerlei Fortschritte in der Prävention bei Menschen mit geistiger Behinderung in den USA gegeben hat, obwohl das Thema "Drogenmißbrauch" im Zuge der Integration immer aktueller wird.

 

 

Für den Fall, daß ein Jugendlicher oder Erwachsener mit dem FAS/FAE regelmäßig Alkohol konsumiert bzw. diesen mißbraucht, empfiehlt Diane Davis (1994, 139) eher eine stationäre Behandlung als eine ambulante. Bei dieser Behandlung ist es wichtig, daß die Therapeuten über die Lern- und Verhaltensbesonderheiten eines Menschen mit FAS/FAE informiert sind. Ansonsten könnten die Gespräche und Anleitungen den Jugendlichen und Erwachsenen mit FAS/FAE nicht erreichen. Für die stationäre Behandlung bei Alkoholmißbrauch spricht nach Meinung von Fr. Davis (1994, 139) auch die enge Kontrolle, die klare Struktur, Ordnung und Routine einer Einrichtung.

 

Auf Grund ihres eingeschränkten Urteilsvermögens und Selbststeuerung können Jugendliche und Erwachsene mit FAS/FAE schnell zu sexuellen Kontakten kommen, von denen sie eventuell die Folgen nicht abschätzen können. Sie können Opfer von Mißbrauch werden (McIntyre-Palmer 1994, 74 + 94).

Der Gebrauch von Verhütungsmitteln und Kondomen zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten sollte den Jugendlichen und Erwachsenen immer wieder Nahe gebracht werden. Bei Mädchen muß eventuell die Einnahme der Pille überwacht werden (Davis 1994, 143).

 

 

6.4 Hilfen für die Bezugspersonen von Menschen mit FAS/FAE

6.4.1 Elternitiativen in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland gab es bis vor wenigen Wochen eine Elterninitiative "Alkoholgeschädigter Kinder e.V.". Sie wurde 1984 von Pflege- und Adoptiveltern von Kindern mit FAS/FAE gegründet.

Die Hauptziele der Elterninitiative "Alkoholgeschädigter Kinder e.V." waren:

 

Vor wenigen Wochen hat sich die Gruppe aufgelöst. Die Mitglieder sind einzeln in den Bundesverband Behinderter Pflege- und Adoptivkinder e.V. eingetreten. In dem Bundesverband hat Fr. Beate von Knappen die Elternberatung für das Thema "fetales Alkoholsyndrom" übernommen. Als Hilfe empfiehlt sie den Ratgeber zur Alkoholembryopathie "Alkoholschäden bei Kindern" 1987, der von der früheren Elterninitiative herausgegeben worden ist.

Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.

(Postfach 2125)

Nenndorfer Straße 25

26882 Papenburg

 

Elternberatung zum Thema:

Beate von Knappen

Von- Graefe-Straße 44a

Mühlheim a.d. Ruhr

 

 

 

6.4.2 The National Organization on Fetal Alcohol Syndrome (NOFAS)

Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, die 1990 in den USA mit dem Ziel gegründet worden ist, Geburtsschäden durch Alkoholgenuß während der Schwangerschaft zu verhindern und die Lebensqualität von Menschen mit FAS/FAE und deren Familien zu verbessern. Es ist die einzige nationale Organisation in den USA, die sich nur um die Belange rund um FAS/FAE kümmert. Viele Projekte der Organisation richten sich gerade an ethnische Minderheiten in den USA.

Nach eigenen Angaben hat NOFAS in den letzten Jahren:

 

Die NOFAS gibt auch eine vierteljährliche Zeitung "Notes From NOFAS" heraus.

 

Ein besonderes Ziel von NOFAS ist es, schon Teenager über die Gefahren von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu informieren.

 

NOFAS

1819 H Street NW Suite 750

Washington, DC 20006

Phone: (202) 785-4585 Fax: (202) 466-6465

Email: NOFAS@erols.com

 

Diese Organisation ist auch unter folgernder Internet-Adresse zu finden: www.NOFAS.org

 

 

 

 

 

 

 

6.5 Prävention des fötalen Alkoholsyndroms und der fötalen Alkoholeffekte

In Deutschland gab und gibt es "keine größere, von Bund, Ländern oder Krankenkassen getragene Aufklärungskampange" (Löser 1995, 139).

Obwohl das fetale Alkoholsyndrom schon früh in den siebziger Jahren der Öffentlichkeit bekannt war, kam es erst 1982 "zu einer ersten Anfrage im Bundestag über das gesundheitliche Ausmaß der Schädigung", die letzte fand 1990 im Zusammenhang mit der Diskussion über den §218 statt (Löser 1995, 134).

Niedersachsen hat in jenem Jahr ein Modellprojekt ins Leben gerufen, daß Möglichkeiten der primären und sekundären Prävention untersuchen sollte (s. Kapitel 6.5.2).

 

Nur in Huddinge (Vorort von Stockholm) gelang bisher institutionalisiert eine primäre und sekundäre Prävention des FAS/FAE durch rechtzeitige Erfassung der Schwangeren mit Alkoholproblemen. Seit 1983 wurde dort kein FAS/FAE mehr beobachtet (Löser 1990 (a), 336; Löser 1995, 139).

 

"In den USA wurde 1983 ein mit öffentlichen Mitteln gefördertes Projekt durchgeführt, bei dem unter hohen Kosten eine öffentliche Kampagne gegen Alkohol in der Schwangerschaft erfolgte" (Löser 1995, 137-138).

Seit dem 1. April 1990 müssen in den USA, einige Zeit später auch in Kanada und Australien alle alkoholischen Getränkeflaschen oder –Dosen mit einem Warnhinweis gekennzeichnet werden:

 

 

 

 

 

Die Warnung vor Alkoholkonsum während der Schwangerschaft steht sogar noch vor der Warnung vor Alkoholkonsum im Straßenverkehr. Dies fällt auf, da in den USA gerade Alkohol im Straßenverkehr durch zahlreiche Gesetze geregelt ist, z.B. dürfen nicht einmal geöffnete Flaschen mit Alkoholika im Auto transportiert werden.

 

Die <<Aktion Sorgenkind>> stellte 1990 ein Gesuch an das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, auch in Deutschland die alkoholischen Getränke mit Warnhinweisen zu versehen. Doch das Ministerium lehnte dieses mit Hinweisen auf EU-Recht ab, und begründete die Ablehnung weiter "damit nicht durch eine Überzahl von Warnungen und Verboten die Schwangerschaft das Image einer Bürde erhält, die der Frau auferlegt wird und sich daraus Negativfolgen für den Kinderwusch ergeben" (berichtet Löser 1995, 137).

Natürlich wird so ein Warnhinweis keine alkoholkranke Frau vom Trinken abbringen, aber es kann Frauen, die nur gelegentlich Trinken davor warnen und ihnen Argumentationshilfe geben, wenn ihnen alkoholische Getränke aufgedrängt werden.

 

Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird zumeist nach Nikotin oder Drogenabusus gefragt, nach Angaben von Löser (1995, 135) aber nicht nach dem Alkoholkonsum. Wobei dieser bei Nachfrage von den betroffenen Frauen häufig auch verharmlost oder verneint wird. Und obwohl auch das sogenannte soziale Trinken der Schwangeren zu einer Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung führen kann, "werden die Alkoholschäden bei Kindern noch immer nicht in ihrer ganzen Tragweite, auch nicht in ihrer gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung erfaßt" (Löser 1995, 135). Löser (1995, 135) fordert, daß Schwangere mit Alkoholproblemen zumindest für die Zeit der Schwangerschaft abstinent, "notfalls unter stationärer Bedingungen leben" sollten. Denn auch die Einstellung des Alkoholkonsumes bei fortgeschrittener Schwangerschaft hilft dem sich entwickelndem Kind (Blum 1994, 98).

 

 

6.5.1 Broschüren

Um zu sehen, in wie weit FAS/FAE ein Thema bei Krankenkassen oder Suchthilfestellen ist, habe ich versucht Broschüren zum Thema zu erhalten.

 

Nur ein Informationsblatt, nämlich das der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, zielt direkt auf das Thema Alkoholkonsum und Schwangerschaft ab. Bei den Krankenkassen kommt zumeist nur ein kurzer Abschnitt zum Alkoholkonsum während der Schwangerschaft vor.

 

Name der Broschüre: DrogenInfo: Alkohol und Schwangerschaft "Alkohol schadet Babies" Die Broschüre der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V. von 1996 informiert ausführlich über die Folgen des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft, geht auch auf die Rolle des Vaters ein und gibt Hinweise zum Gebrauch von Drogen und Medikamenten während der Schwangerschaft..

 

Das DIFA Forum e.V. hat eine Broschüre zur Information über die Gefahren des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft herausgegeben, nachdem das Forum im Oktober 1997 einen Kongreß über die Risikofaktoren in Schwangerschaft und Stillzeit abgehalten hat. Die Broschüre ruft schwangere Frauen dazu auf, gänzlich auf Alkohol zu verzichten.

 

Von den Krankenkassen konnte ich keine Broschüre speziell zum Thema erhalten, deshalb habe ich allgemeine Informationen zum Alkohol und zur Schwangerschaft nach Hinweisen auf FAS/FAE durchgesehen.

 

Die AOK hat einen "Ärztlichen Ratgeber für werdende und junge Eltern" 1995 herausgegeben. Unter der Überschrift "Das Baby trinkt und raucht mit" wird folgender Hinweis gegeben:

"Eine häufige Ursache von Mißbildungen bei Kindern ist der Alkoholgenuß der Mutter während der Schwangerschaft. Das Baby "nippt" bei jedem Glas der Mutter mit. Alkohol gelangt ungefiltert in das Gewebe des Embryos, dessen Leber völlig unfähig ist, ihn wieder abzubauen."

Das Ungeborene "nippt" nicht nur bei jedem von der getrunkenen Glas der Mutter, es wäre vielleicht wirkungsvoller den gleichen Alkoholspiegel bei Mutter und Ungeborenen nicht zu verniedlichen.

 

In der Broschüre ""Kleinkind" 1997 wird unter der Fragestellung "Was sollten Frauen vermeiden" grundsätzlich jede Art von Suchtmittel während der Schwangerschaft verboten. Über Alkohol wird gesagt:

In einer anderen Broschüre "Das Kind" 1990 wird geraten, "um Genußgifte wie Nikotin und Alkohol einen ganz großen Bogen zu machen..".

Problematisch erscheint mir, daß in dieser Broschüre nicht auch auf die möglichen Schäden bei gelegentlichen erhöhtem Alkoholkonsum ("Anlaßtrinken") hingewiesen wird.

 

In der Broschüre "Schwangerschaft Noch Fragen?" wird unter der Überschrift "Genuß oder Mit-Gift?" auf das Thema eingegangen:

Meiner Meinung nach werden sich nicht sehr viele Frauen durch diese Warnung angesprochen fühlen. Denn Frauen, bei denen wirklich ein Alkoholmißbrauch vorliegt, werden sich durch diese Warnung nicht vom Trinken abhalten lassen. Frauen, die "normal" Alkohol konsumieren, werden diese Warnung nicht auf sich beziehen. Über die Schäden, die schon durch gelegentliches Trinken verursacht werden können, werden keine Angaben gemacht.

 

Diese Auswertung der Broschüren fällt sehr knapp aus, aber es wird deutlich, daß die Gefahren des mütterlichen Alkoholkonsumes während der Schwangerschaft für das Kind nicht wirklich deutlich gemacht werden. Entweder werden die Gefahren verniedlicht (s. AOK) oder sogar verschwiegen (s. Anlaßtrinken bei Techniker Kasse).

 

 

6.5.2 Modellprojekt in Niedersachsen zur primären und sekundären Prävention des FAS/FAE

Seit November 1990 wird von der Niedersächsischen Landesregierung das Modellprojekt "Suchtberatung für Frauen mit dem Schwerpunkt: Schwangere und Mütter mit ihren kleinen Kindern" finanziert. Dieses Projekt wird von einer Sozialpädagogin, einer Sozialarbeiterin und einer Kinderkrankenschwester und Heilpädagigin im Raum Meppen (ländliches Gebiet) und in Hannover (Großstadt) durchgeführt.Ziel des Projektes war es, zu erproben womit und wie schwangeren Frauen (Sekundärprävention) mit Alkoholproblemem und ihren Kindern geholfen werden kann.

Mit diesem Projekt soll dem Bedarf nach frauenspezifischen Suchthilfeangeboten nachgekommen werden. Das Auftreten des FAS/FAE soll durch ein frühzeitiges Erreichen von suchtkranlken Frauen vermieden werden (Primärprävention).

Die Alkoholabhängigkeit von Frauen wird in unserer Gesellschaft weniger als die von Männern toleriert (s. 2.2), was dazu führt, daß Frauen heimlich trinken und den Gang zu einer Beratungsstelle scheuen. Noch stärker ist die Ächtung alkoholkranker Schwangerer. Beides zeigt sich auch darin, daß Frauen, bzw. Schwangere in Beratungsstellen gänzlich unterrepräsentiert sind oder fehlen.

Das Modellprojekt soll ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für die Frauen bereitstellen. Es besteht aus folgenden Angeboten:

 

Die Ergebnisse des Modellprojektes zeigen, daß alkohokranke Schwangere vor allem ein stabilisierendes Hilfsangebot benötigen, damit es ihnen möglich ist, während der Schwangerschaft abstinent zu sein. "Eine tiefergehende und zwangsläufig konfliktive Auseinandersetzung mit Sucht und Abhängigkeit ist in der Regel erst nach der Geburt des Kindes möglich und wird dann auch von vielen Frauen, die in der Schwangerschaft eine vor allem unterstützende Betreuung erfahren haben, in Angriff genommem" (Niedersächsisches Sozialministerium 1994, S. 37).

Im Zuge des Modellprojekts kümmern sich die Mitarbeiterinnen auch um die Kinder der suchtkranken Frauen, um deren Lebenssituation in "ihrer Komplexitäz gerecht zu werden, bisher unerreichte Kinder an Hilfeangebote heranführen zu können und um dazu beizutragen, daß verhängnisvolle Wiederholungen (z.B. erneute Schwangerschaft nach Sorgerechtsentzug ohne Veränderung der Grundproblematik) vermieden werden". (Niedersächsisches Sozialministerium 1994; Hilgers 1993)

 

Das Projekt hat inzwischen vom Land Niedersachsen eine Regelfinanzierung erfahren.

 

 

 

7. Schlußfolgerungen

Die großen Verlierer sind die betroffenen Kinder. Ihre leiblichen Mütter sind zumeist nicht in der Lage, die Kinder angemessen zu versorgen Ihnen wird dann das Sorgerecht entzogen und die Kinder kommen nach dem schwierigen Zusammenleben mit der abhängigen Mutter in ein Heim oder eine Pflegestelle. Doch es ist schwierig für Kinder mit Behinderungen eine Pflegestelle zu finden, da sich viele Familien ein möglichst junges und gesundes Kind wünschen.

 

Die Kinder mit FAS/FAE haben keine Lobby. Ihre leiblichen Mütter sind in ein Geflecht von Schuldgefühlen und Abhängigkeit vom Alkohol verstrickt, sie können nicht für ihre Kinder eintreten, in den Heimen ist keine Zeit, um sich auf eine Behinderungsart zu konzentrieren, so daß nur die eventuellen Pflegeeltern bleiben. Doch die Problematik will niemand so richtig wahrhaben.

Dies ist auch daran zu erkennen, daß sich in Deutschland nahezu nur die Medizin mit dem FAS/FAE beschäftigt. Nahezu alle deutschen Artikel und Dissertationen zum Thema stammen aus dem Raum Münster, wo Prof. Dr. med. Löser arbeitet (s. Literaturliste).

Pädagogisch orientierte Artikel habe ich nur wenige finden können, besser sieht da die Lage in Nordamerika aus.

 

Menschen mit FAS/FAE werden nicht nur an der Schule zur individuellen Lebensbewältigung, sondern in nahezu allen pädagogischen Bereichen anzutreffen sein, so daß es wichtig ist, daß alle Mitarbeiterinnen im pädagogischen Sektor über die besonderen Bedürfnisse dieser informiert sind.

 

8. Literaturliste

8.1 Internetadressen

Unter diesen Internetadressen sind Informationen zum Thema zu finden:

 

9. Anhang

Education Techniques for Children with FAS/FAE

Valborg Kvigne, Judy Struck, Ellen Engelhardt and Tracy West

 

Education Techniques for Preschool Children wirh FAS/FAE

 

I.

Environment

 

A.

Calm and quiet.

 

 

1.

Soft music may be calming.

 

 

2.

Tone down classroom so rooms are not overly stimulating.

 

 

 

  1. Keep a minimal number of objects hanging from the ceiling and on the walls.
  2. Use calm colors of paint on the walls.

 

 

3.

Use headphones for quiet time. (Students with FAS/FAE are not always able to block out other noises).

 

B.

Structure

 

 

1.

Establish a few simple rules.

 

 

2.

Enforce the same rules in the same way.

 

 

3.

Use the same language when forcing the rules.

 

C.

Transition from one activity to another activity

 

 

1.

Tell the children what they will be doing: "We’ll finish painting then we’ll eat a snack.

 

 

2.

Give the child an object to help make the transition. The child could carry a book to story time, a puppet to the puppet story, or a toothbrush after snack time.

II.

Language Development

 

A.

Children who are not talking.

 

 

1.

Begin with simple story books.

 

 

2.

The teacher can touch an object and name the object for the child. The teacher touches a table and says to the child "table".

 

 

3.

Use real objects like "trees, cars, dog" and name the objects.

 

B.

Children who are talking using single words.

 

 

1.

If the child says "drink", say to the child "more drink" to stimulate more words in the child’s vocabulary.

 

 

2.

Expand the child’s vocabulary slowly. When the child starts using two words at a time, start using three words "want more drink"

 

 

3.

Talk with the child at the child’s level. Use short sentences.

 

C.

Poor articulation.

 

 

1.

A speech therapist would be a good resource for the child and teacher.

 

 

2.

The teacher needs to model proper pronounciation.

 

 

3.

Go around the classroom, touch objects, and name the object. Have the child do the same thing.

 

 

4.

Meal time. Have the child say what he/she wants rather than just giving the child what one thinks the child wants.

 

 

5.

Musik activities can help the children learning vovabulary.

 

 

 

  1. Good morning song.
  2. Song before the children eat.
  3. Name songs.
  4. Circle game songs – sit down, stand up, name games.

 

D.

Sign language may be helpful in teachiong children with FAS even when they do not have a hearing loss. Sign language is concrete and visible an dcan be used along with verbal language.

III.

Mathematics

 

A.

Memorized counting from one to ten does not mean the child understands the numbers.

 

B.

Teach the child what the number "one" means before any more numbers are taught to the child: "Give me one crayon." "Put one napkin on the table."

 

C.

Cut the numbers out of paper. Glue oatmeal, rice, glitter, etc. to the number so the child can see, feel, and hear the number.

 

D.

Touch and count objects.

IV.

Alphabet

 

A.

Make letters with paper and glue objects to the letter.

 

B.

Match letters and words to pictures

 

C.

Use the sounds of the letters repeatedly: J, "juice", "jump", "jacket" etc.

 

D.

Cut out a letter out of sandpaper and have the child trace the letter on the blackboard.

 

E.

Write a letter on the blackboard and have the child trace the letter on the blackboard.

 

F.

Make dots on a paper in the shape of a letter and have the child connect the dots to make the letter, gradually decreasing the number of dots to connect to make the letter.

 

G.

Make letters with jiggler jello.

 

H.

When a child is learning to write his/her name, the child may find it easier to use all capital letters at the beginning.

V.

Sensory Stimulation to Teach Each Concept

 

A.

Teach a conceot through different sensory methods: Teaching the color "orange".

 

 

1.

Wear orange clothes.

 

 

2.

Paint with orange paint.

 

 

3.

Use orange construction paper for projects.

 

 

4.

Serve oranges for a snack.

 

 

5.

Sit on an orange rug.

 

B.

Use objects as much as possible to teach concepts such as teaching about "circles".

 

 

1.

Laminate polka dot fabric.

 

 

2.

Use a cookie cutter to cut circle sandwiches.

 

 

3

Cut circles from construction paper and glue Cheerios on the paper.

 

C.

Use "concrete" teaching activities.

Example: Child is told to stay in the yard but continuously wanders into the street.. Parents obtained four large orange cones and had the child stay inside the four cones. Parents gradually expanded the cones.

Example: "What do you want?" This question is very abstract. Give child choices he/she can see, feel, touch, and hear.

VI.

Managing Hyperactivity

 

A.

Keep the environment structured.

 

B.

Make a picture calendar.

 

 

1.

Make a board with hooks.

 

 

2.

Laminate pictures of activities for the whole day. Examples: Have a picture of a child taking jacket off and hanging up the jacket. Have a picture of a child putting puzzle together.

 

 

3.

As the child completes each activity during the day, the child takes the picture off the hook, turns it over, and hangs the picture back on the hook. The child knows that he/she has completed tha activity.

 

C.

Give the child a choice from two or three toys and plenty of time to make a choice.

 

D.

Place each activity in two baskets.

 

 

1.

Have two baskets for a puzzle, two baskets for a pegboard, two baskets for a matching activity, two baskets for lacing cards, two baskets for scissors and paper activity, etc.

 

 

2.

Take the activity out of the "start" basket. When the child has finished the activity, the child puts the activity in the "finish" basket.

 

E.

Keep the designated activities in the same place.

 

F.

Hyperactive children should sit on a chair rather than on the floor. The chair helps keep the child in a specific space. Show the child how to sit in the chair, if necessary (feet flat on the floor, hands on the side, sitting up straight).

 

G.

Have the activity at the table ready. The child probably will not sit at the table very long waiting for the teacher to bring an activity.

 

H.

Structure the day alternating quiet time and active time.

 

I.

Hepl the child control tantrums.

 

 

1.

Take the cjild to a different room. Lullaby music in this room may help calm the child.

 

 

2.

Hold the child.

 

 

3.

Teacher’s body language should not get the child excited. Talk in a calm voice and walk slowly. If the teacher is relaxed, this will help the child relax.

 

 

4.

Determine what happened before the tantrum occurred. Look for antecedents, what caused the child to lose his/her temper.

 

 

5.

Look at different ways to eliminate the chances of the child throwing a tantrum. If the child has an extremely difficult time with loud noises and lots of activity, the child should be taught in a relatively quiet and calm area.

 

 

6.

Reduce the likelihood of the child having a tantrum by teaching the child new ways of dealing with his/her stress. Teach the child to say, "I’m mad."

 

J.

Determine wether the child’s diet could be a contributing factor for the behavior.

 

K.

Observe the child for any contributing health problems. For example, with an ear infection, child may pull at his/her ears. Ask the child to "show me where you hurt."

 

L.

Ignore negative behavior whenever possible and avoid overreaction.

 

M.

Build in positive reinforcement, like hugs. When the child finishes an activity or does a good job, let the child know he/she will get a hug. Often children with FAS/FAE like to be hugged.

 

N.

If the child does not need sleep at nap time, the child may benefit from having activities such as riding a tricycle in the hall.

VII.

Short Attention Span

 

A.

Determine how long the child is working on an activity.

 

B.

Ask the child to do "one more". Example: If the child is drawing circles on a paper and the child decides to quit, have the child drawone more circle. The teacher should never make the child do the activity more than once if the teacher said "draw one more circle".

VIII.

Social Behavior

 

A.

Show the child how to share toys. You may need to use a timer to share the most popular toys.

 

B.

Reach the child how to be a friend, demonstrating with puppets or dolls.

 

C.

Teach the child how to sit with a friend at the table.

 

D.

Pair children for a week so the child with developmental disabilities can learn from the other child.

IX.

Eye-Hand Coordination

 

A.

Use puzzles with knobs on the pieces, lace cards (may need masking tape on the end), clothes pins to squeeze, pegs to pound in pegboard.

 

B.

The teacher may need to guide the child through the activity and then encourage the child to do the activity on his/her own. The teacher could pick up the puzzle piece for the child and put in the right place in the puzzle or lace the first holes of the lacing board.

X.

Other Considerations

 

A.

The following evaluations may be helpful in learning more about the child’s development and assist in planning the teachers activities.

 

 

1.

Speech and language evaluations.

 

 

2.

Psychological evaluations.

 

 

3.

Motor evaluations.

 

B.

Children with FAS/FAE usually need more one-to-one teaching.

 

 

Education Techniques for Junior

and Senior High School Students with FAS/FAE

 

I.

Environment

 

A.

Calm and quiet.

 

 

1.

Soft calm music may relax the classroom during breaks.

 

 

2.

Tone down classroom so rooms are not overly stimulating.

 

 

 

a. Keep a minimal number of objects hanging from the ceiling and on the walls.

 

 

 

b. Use calm colors of paint on the walls.

 

 

 

c. Reduce classroom clutter.

 

 

 

d. Use bulletin boards as teaching tools and soft colors. (Bulletin boards could be covered when not in use.)

 

 

3.

Use headphones for qiuet time. (Students with FAS/FAE are not always able to block out other noises and may be distracted by a teacher talking with another student and even a ticking clock.)

 

B.

Structure

 

 

1.

Establish a few simple rules.

 

 

2.

Enforce the same language when enforcing the rules.

 

 

3.

Use the same language when enforcing rules.

 

C.

Transition from one activity to another activity

 

 

1.

Give the student reminders for the ending and beginning of activities. Use a tactile signal. Touch shoulder, tap elbow, and say "The bell will ring in five minutes, you need to finish up. We will go to lunch when the bell rings."

 

 

2.

Have the student follow a fairly consistent routine every day.

 

 

3.

Provide notebooks for students that have all the students‘ classroom activities in order for the day. This gives the student a concrete item with which to structure his/her day.

 

 

4.

Have the students carry the book to the reading area.

 

 

5.

Give students several breaks during the day. Students may need sleep during the day, to get up and move around more frequently than other students, and may need food snacks. Plan activities to facilitate movement and creative work between seat work assignments.

 

 

6.

Class periods should not exceed thirty minutes.

II. Language Development

 

A.

Recognize that students with FAS/FAE may have delayed language development. Use concrete basic language when giving instruction. Use simple sentences and avoid giving more than one instruction per sentence.

 

B.

Sign language may be helpful to teach students even when they do not have a hearing loss. Sign language is concrete and visible and can be used along with verbal language.

III.

Mathematics

 

A.

Teach functional math – money, time, practical uses of addition and subtraction.

 

B.

Encourage students to use strategies for counting, such as fingers or counting, such as a calculator. These techniques should not be the first choice but should not be ruled out.

Note: Math seems to be the most difficult subjekt for the students with FAS/FAE. Memorizing the multiplication table may not be successful with all students who have FAS/FAE. Division may also be difficult.

IV.

Reading

 

A.

Teaching left to right direction. Some students may have difficulty focusing their eyes on the left side of the page and moving their eyes to the right.

 

 

1.

If the students uses a piece of paper to follow the line across the page, the student may have an easier time reading.

 

 

2.

Use a green marker at the left side changing to red at the right side for written work.

 

 

3.

Use colored arrows to signal starting points and left to right dirction.

 

B.

Provide the students with books that follow student’s interest and independent reading levels. (Independent reading means the student can read 90% of the words in the book.)

 

C.

Encourage reading for enjoyment and development independence.

 

 

1.

Incorporate popular magazines, newspapers, and school paper into reading program.

 

 

2.

Emphasize reading as a means to communications – note writing, letter writing, memos, posters, etc.

 

D.

Read aloud to the students daily and provide uninterrupted silent reading periods.

V.

Sensory Stimulation and Concrete Activities to Teach Each Concept

 

A.

Provide hands-on materials whenever possible.

 

B.

Take students to actual site to teach learning objectives.

 

C.

Allow students to make concrete choices. Instead of asking the abstract question "What do you want?" give the child choices he/she can see, feel, touch, hear.

VI.

Managing Hyperactivity and Attention Deficits

 

A.

Provide structure, predictable routine, and as few rules as possible.

 

B.

Allow students to sit in their chairs as comfortably as possible. Rapidly growing students are often unable to maintain strict posture and enforcing it can be frustrating for both teachsers and students.

 

C.

Limit time frames for one activity to no more than thirty minutes if possible.

 

D.

Help the students control tantrums.

 

 

1.

Remain calm and quiet. Teacher’s body language should not get the student excited. Talk in a calm voice and walk slowly. If the teacher is relaxed, this will help the student relax.

 

 

2.

Let the student know there is a protocol for loss of control. Taking the student’s hand and holding it a short time will give the student a signal that the teacher thinks the student is losing control. If restraint is necessary, the teacher needs to exercise care and control. Talk to the student, telling him/her that you are helping him/her to control his/her behavior. Example: "I am going to hold on to you until you are calm. Are you feeling better? Let me know when you are ready for me to let go."

 

 

3.

Take the student to a different room if necessary. Soft music and soft colors in the room may help calm the student. Talk to the student in a calm, soft voice. Ask the student to tell the teacher when he/she is ready to go back to the classroom.

 

 

4.

Determine what happened before the tantrum occurred. Look for antecedents, what caused the student to lose his/her temper.

 

 

5.

Look at different ways to eliminate the chances of the student throwing a tantrum. If the student has an extremely difficult time with loud noises and lots of activity, the student should be taught in a relatively quiet and calm area.

 

 

6.

Reduce the likelihood of the student having a tantrum by teaching the student new ways of dealing with his/her stress. Teach the student to say "I’m mad."

 

E.

Enclose shelves and book cases if possible to eliminate visual distraction.

 

F.

Use vivid colors, sound and movement to emphasize important concepts.

 

G.

During organized activities, hyperactivitive students need structure. They need to know the sequence of activity, what is expected of them, and what behaviors will be acceptable. Example: "During this activity we will stay in our chairs. There will be no talking. Keep your eyes on your own paper. If you want help, raise your hand and I will come to help you."

 

H.

Balance loosely structured activities to give the students opportunity to move about, visit, and relax.

 

I.

Balance active and quiet activities.

 

J.

Structure the day, alternative quiet time and active time.

 

K.

Observe the student for any contributing health problems. For example, with an ear infection, the student may pull at his(her ears. Ask the students to "Show me where you hurt." Look for behaviors which may signify visual problems: abnormal head posturing, squinting, holding paper close to face, obvious errors made when working from the chalk board.

 

L.

Ignore negative behavior whenever possible and avoid overreaction.

 

M.

Build in positive reinforcement.

 

 

1.

As the student finishes each activity on the picture calendar, give student positive reinforcement for his/her efforts in completing the activity.

 

 

2.

When the student does a good job on a project, tell the student he/she did right. Example: "I really like the way you read the whole story."

VII.

Social Behavior

 

A.

Teachers needs to consult the school counselor. It is important that teachers and counselors work together using complimentary techniques to best serve the student in the following areas:

 

 

1.

Inappropriate sexual behavior.

 

 

2.

Depression.

 

 

3.

Loneliness and isolation.

 

 

4.

Inapprpopriate expectations for work, school, and independence.

 

B.

Be emphatic, firm, and realistic about expectations and performance from students.

 

C.

Treat students with FAS/FAE as valuable, worthwhile human beings with gifts to share.

VIII.

Vocational Education

 

A.

Continue practicing the basic skills necessary to live independently as adults, especially daily living and survival skills.

 

B.

Help students learn how to transfer their skills using a variety of settings and people.

 

C.

Curriculum should focus on recognizing and coping with being labeled as "different".

 

D.

Curriculum should focus on assisting students to function as social human beings.

 

 

1.

Understanding the rules of social interaction.

 

 

2.

Take on responsibilities.

 

 

3.

Making decisions and realizing their consequences.

 

 

4.

Developing and practicing independent living skills within a group setting such as getting along with others in the same living space, sharing, responsibilities, cooking, and personal hygiene.

 

E.

Curriculum should assist students function in the world of work.

 

 

1.

Identify individual interests and aptitudes.

 

 

2.

Develop self scheduling skills, community mobility skills, rule-governed behavior, etc.

 

 

3.

Develop and practice job related skills.

IX.

Other Consideration

 

A.

The following evaluations may be helpful in learning more about the student’s development and assist in planning the teachers activities.

 

 

1.

Speech and language evaluations.

 

 

2.

Psyhological evaluations.

 

 

3.

Motor evaluations.

 

B.

Students with FAS/FAE usually need more one-to-one teaching.



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