Handgewebte Textilien aus Thailand - wer denkt da nicht an schimmernde
Seiden, beispielsweise aus den Manufakturen des legendären, auf rätselhafte
Weise verschollenen Amerikaners Jim Thompson. Diese Erzeugnisse, meist
einfarbige Meterware oder Drucke gestaltet von italienischen Designern,
sind auf den westlichen Geschmack zugeschnitten und gelten als begehrte
Exportartikel. Das Verkaufsgeschäft des Unternehmens in Bangkoks
verkehrsreicher Surawong Road ist ein Touristenmagnet und bedient ein
internationales Publikum.
Nur Eingeweihte kennen dagegen die traditonellen Textilien Thailands, die
vor allem das reiche kulturelle Erbe und die handwerklichen Fertigkeiten der
dort lebenden Völkerschaften wiederspiegeln; die Rede ist von „mud mee,“
Seiden- und Baumwollstoffen mit streng geometrischen Mustern oder
abstrahierten Tier- und Pflanzenmotiven, die mittlerweile nicht nur für
Ethnologen und Textilmuseen Sammlerstücke sind.
„Mud mee“ ist die thailändische Bezeichnung für eine besondere
Färbetechnik, mit der sich gemusterte Stoffe herstellen lassen. Das
Verfahren, besser bekannt unter dem indonesischen Begriff „ikat“
(mengikat = zusammenbinden) wird in zahlreichen Kulturen praktiziert; zu
höchster Vollkommenheit hat es sich auf dem indischen Subkontinent
entwickelt; Beispiele sind die kostbaren Patola-Gewebe aus Patan in Gujarat
oder traditionelle Saris aus Orissa. Vermutlich waren es auch indische und
arabische Händler, die im 14. und 15. Jahrhundert diese Technik nach
Thailand brachten.
Ikatgewebe aus Indien Patolagewebe aus Gujarat und traditionelle Saris aus Orissa (Elefantenmuster, links in Bild) zeigen die Kunstfertigkeit indischer Weber. |
Die Herstellung von Ikat-Textilien ist aufwendig und erfordert präzises Arbeiten. Zunächst wird das Garn, zu Bündeln zusammengefaßt, abschnittsweise gefärbt, dabei sind alle Segmente, die keine Farbe annehmen sollen, mit wasserabweisenden Fasern (Bananenfasern, Nylon, Polyäthylen) umwickelt. Nach jedem Färbeschritt werden die schützenden Fasern neu arrangiert, bereits gefärbte Abschnitte werden abgebunden, um sie vor einer Überfärbung zu schützen, andere Bereiche freigelegt, damit das neue Färbebad einwirken kann. Der Prozess wiederholt sich, bis auf den Garnbündeln die Farbenfolge vorliegt, die das Muster verlangt. Bei Mud- mee-Stoffen ist es meist der spätere Schussfaden, der so gefärbt wird. Erst jetzt nach dem Färben beginnt das Weben: dazu wird das Garn auf markierte Spulen gewickelt und sorgfältig in der festgelegten Reihenfolge mit der Kette verwoben.
Mud mee aus Isaan Strenge geometrische Formen kennzeichnen die Mud-mee-Seiden aus Khon Kaen |
Die zahlreichen Muster, die mit dieser Technik entstehen, sind nicht scharf begrenzt, sondern gehen wie fließend ineinander über; eine sorgfältige Auswahl der Farben schafft Individualität; man spürt die Handschrift des Webers, jedes Stück ist ein Unikat. Eindrucksvoll zeigt sich das im sogenannten Wellenmuster „fawng naam“; es erzeugt Bewegung, erweckt das Gewebe zum Leben; Das Spiel des Lichts, sein Einfallswinkel tun ein übriges, das Muster tritt leuchtend hervor oder verschmilzt mit dem Hintergrund.
Wellenmuster auf Mud-mee-Seide Diese Mud-mee-Seide aus Chonnabot (unten) zeigt das Wellenmuster "fawng naam". Oben im Bild ein seidenes Teen-jok-Gewebe, der untere Abschluss eines traditionellen Wickelrocks aus Chiang Mai. |
Seidene Mud-mee-Stoffe, meist eine Bahn von etwa zwei oder vier Metern Länge dienen zur Herstellung des „pha sin“, eines traditionellen Wickelrocks, den thailändische Frauen und Mädchen zu festlichen Anlässen tragen. Hergestellt werden die kostbaren Gewebe in Isaan, dem armen Nordosten Thailands. Stoffe mit vorwiegend geometrischen Mustern kommen aus der Umgebung von Roi Et oder Khon Kaen, einer gesichtslosen Stadt, der der Bauboom der frühen neunziger Jahre etliche Einkaufszentren und Luxushotels beschert hat, denen heute die Kunden fehlen. Besonders begehrt und auch von Textilsammlern gesucht sind die Mud-mee- Erzeugnisse aus Chonnabot rund 60 km südlich von Khon Kaen. Das einstige Weberdorf ist heute eine saubere Kleinstadt mit asphaltierten Strassen und neu erbauten Wats. Dort wird auch wieder „Poom som“ gewoben, ein Mut-mee-Gewebe, das in seiner Gestaltung an die Patola aus Indien erinnert. Unter König Chulalongkorn (1868-1910) dem Hof vorbehalten, hat es heute unter traditionsbewußten Damen der thailändischen Oberschicht viele neue Anhängerinnen gefunden. Seit der Währungs- und Wirtschaftskrise in den asiatischen Tigerstaaten ist allerdings auch in Chonnabot das Klappern der Webstühle fast verstummt. Die chinesischen Textilhändler aus Bangkok, die vornehmlich eine rasch zu Reichtum gekommene Klientel von Geschäftsleuten bedienen, wollen die aufwendigen Auftragsarbeiten - Statussymbole, bestellt in den Zeiten des Booms - nicht mehr abnehmen. Manche Webereien, meist kleine Familienbetriebe müssen ihre prächtigen Stücke verschleudern; 2000 Baht, rund 100 Mark für zwei Monate Arbeit, das deckt nicht einmal die Materialkosten. Härter trifft es die Weberinnen, Töchter armer Reisbauern, die ihrer Familie ein Zubrot verdienen müssen: „Der Lohn,“ vertrösten sie die Webereibesitzer, „in einigen Monaten vielleicht“. Sie wissen es selbst nicht.
Poom som Kopfstück eines seidenen Mat-mee-Gewebes aus Chonnabot mit mythologischen Vögeln. Die Sorgfalt beim Abbinden des Garns bestimmt die Klarheit des Musters und den Wert der Arbeit. |
Weit im Südosten Thailands liegt Surin, ein anderes Zentrum der Mud-mee- Herstellung. Viele der Weber dort haben kambodschanische Vorfahren und auch in den Stoffmustern spürt man den kulturellen Einfluß des Nachbarlandes: die Stoffe sind oft mit Tiermotiven dekoriert; Elefanten, Pfauen; sogar stilisierte Pagoden finden sich auf einzelnen Stücken und erinnern an die nahe gelegenen Khmer-Ruinen von Phimai.
Auch im heutigen Laos, in Pakse und Vientiane werden seit Jahrhunderten Mud-mee-Stoffe gewoben. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Völkerschaften zu beiden Seiten des Grenzflusses Mekong haben die selben kulturellen Wurzeln und eine lange gemeinsame Geschichte. Die Bewohner der thailändischen Isaan-Provinzen, einst aus Yunnan in Südchina eingewandert sind mehrheitlich Laoten und gläubige Buddhisten, genauso wie die Bevölkerung in Vientiane, der laotischen Hauptstadt.
Noch andere traditionelle Textilien, „teen jok“ Gewebe , die den unteren Abschluß des Wickelrocks „pha sin“ bilden und Schals für zeremonielle Anlässe „pha beang“ unterstreichen die ethnischen Gemeinsamkeiten der Volksgruppen im nordöstlichen Thailand und in Laos. Viele der Weberfamilien, die heute in Thailand diese reich gemusterten Stücke weben, sind während der Thonburi-Periode (1767-82) aus Laos verschleppt worden. Sie sollten das in den Kriegen mit Burma entvölkerte Nordthailand wieder urbar machen. So kommt es, daß heute in der Umgebung von Sukothai und Chiang Mai „teen jok“ und „pha beang“ hergestellt werden wie man sie ähnlich auch in Vientiane findet. Es handelt sich um Gewebe aus Baumwolle oder Seide mit komplizierten streng geometrischen Mustern: Haken und Rhomben, stilisierten Schlangen, „Hong“-Vögeln, Elefanten mit Reitern; das Dekor entsteht in wochenlanger mühevoller Handarbeit durch sogenannte Lancierschüsse, die in das Grundgewebe eingebracht werden, oft arbeiten die Weberinnen dabei mit der Rückseite des Stücks vor Augen.
Teen jok aus Thailand und Laos Komplizierte Muster mit Rhomben und Haken sowie stilisierte Vögeln "Hong" bestimmen das Repertoire. Complicated patterns woven in a supplementary weft technic. |
Besonders Laos hat eine große Tradition in der Herstellung solcher Textilien und diese Tradition lebt: Laotinnen tragen wie selbstverständlich den traditionellen oft reich gemusterten Wickelrock „pha sin“ als Alltagsgewand. Ältere Stücke wie sie gelegentlich noch auf dem Morgenmarkt in Vientiane angeboten werden, zeichnen sich durch besondere Präzision und eine harmonische Farbgebung aus, wie sie nur mit natürlichen Farbstoffen möglich ist. In den letzten Jahren allerdings hat die handwerkliche Qualität spürbar nachgelassen; die Kette der Teen-jok- Textilien besteht nun häufig aus Polyester (nur der Schuß und das Garn der Ziermuster sind Seide), dazu kommt ein übermäßiger Gebrauch von Metallfäden und die Stücke geraten oft übertrieben bunt. Es ist ein schleichender Verfall alter Kunstfertigkeiten, beschleunigt durch die Armut des Landes.
Scheidenschals aus Laos (Pha beang) mit Rhombenmustern und stilisierten Tiermotiven . |
Allerdings, es gibt auch Bemühungen, die alten Traditionen zu bewahren. Beispielhaft ist der Einsatz von Carol Cassidy. Selbst Weberin und als Beraterin der laotischen Regierung ins Land gekommen, hat sie, fasziniert von der Schönheit laotischer Textilien, in Vientiane eine florierende Textilmanufaktur etabliert. Dort erhalten laotische Weberinnen ein vierzehnmonatiges Training, das sie schließlich befähigt, die überkommenen Muster mit höchster Präzision zu weben. Carol Cassidy tut ein übriges; sie nutzt das überkommene Musterrepertoire, um in der Tradition laotischer Textilien zeitgemäße eigene Ausdrucksformen zu schaffen. Ihre Schöpfungen finden Anklang und ihre internationalen Ausstellungen bringen die laotische Webkunst einem breiten Publikum nahe. Carol Cassidy sieht sich als Künstlerin und bedient einen wohlhabenden Kundenkreis, der meisterliches Handwerk schätzt. Das Preisniveau ist entsprechend: 1000, 2000US$ selbst für schlichtere Stücke sind keine Seltenheit.
Coming soon....... Currently we are preparing an article about the Yakan people, a muslim tribe of Basilan island (south of Mindanao). They are skilled weavers known for their distinct textiles patterned by unique supplementary weft designs. ...
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