1973 - I've Lost You
Das vergangene Jahr war aus beruflicher Sicht gut gelaufen. Sein Film "Elvis On Tour", eine Dokumentation der April - Tournee, war im November in den Kinos gestartet und hatte neben einem guten Einspielergebnis auch noch die Nominierung als "Bester Dokumentarfilm Des Jahres" eingebracht. Seine Las - Vegas - Gastspielreihen brachen noch immer alle Rekorde, die Tournee im November war vollständig ausverkauft gewesen und die Singles "Burning Love" und "Always On My Mind" hatten sich ebenfalls hervorragend verkauft. Aber nicht nur kommerziell kam Elvis noch immer an, auch die Kritiker lobten ihn. Man begann, ihn als "Lebende Legende" und "Mythos" zu titulieren und die Öffentlichkeit sah in ihm scheinbar die fleischgewordene Ikone der Popkultur. Und am 14. Januar sollte es daran gehen, dieses Image zu zementieren. Mit der "Aloha From Hawaii" Show sollte das größte Event in der Geschichte des Entertainment über die Bühne gehen. Das einstündige Fernsehkonzert würde per Satellit nach Ostasien und Australien live übertragen werden. Europa und die USA sollten die Show später als Aufzeichnung zu sehen bekommen (für die USA sollten noch nachträglich Songs produziert werden, um dem Special eine Länge zu geben, die eine dritte Werbeunterbrechung zuließ). Nach dem Fernsehevent würde RCA weltweit simultan den Soundtrack veröffentlichen, ebenfalls ein Novum. Elvis hatte schon zum Ende des Vorjahres begonnen, sich körperlich wieder in Form zu bringen. Mit einem Sportprogramm, einer Menge an Appetitzüglern und Entwässerungstabletten und intensiver Bestrahlung der Sonnenbank hatte er es schließlich geschafft. Schlank und braungebrannt sah er besser aus, als auf seinen Autogrammfotos. Nun ging es daran, ein Konzertprogramm zusammenzustellen. Da die letzte Live - LP gerade ein halbes Jahr zurücklag, fielen die meisten Songs der regulären Bühnenshow aus. Man griff daher neben den neuen Liedern des letzten Vegas - Engagements und Highlights der Konzertprogramme der letzen Jahre vor allem auf Countrysongs zurück, die sowohl Elvis, als auch den Musikern geläufig waren, so dass sich auch der Probeaufwand in Grenzen hielt. Am siebten Januar startete auf Hawaii der Vorverkauf und die 6.000 Tickets waren in Windeseile vergriffen. Sofort nachdem die Show ausverkauft war, gab man auch die Karten für die Generalprobe zum Verkauf. Auch dieses Konzert, das für den zwölften Januar angesetzt war, wurde von RCA aufgenommen und von der NBC gefilmt. Wenn etwas mit der Liveübertragung nicht funktionieren würde, wollte man auf diesen Auftritt zurückgreifen. Am neunten Januar traf Elvis auf Hawaii ein und wurde per Helikopter zum Hilton Hotel geflogen. Die Landung wurde gefilmt und in den Vorspann der Fernsehshow eingebaut. Elvis probte in den nächsten Tagen die neuen Songs und absolvierte am 12.01.1973 die Generalprobe. Alles lief bestens und selbst die schweren, technischen Probleme kurz vor der Liveübertragung der Hauptshow (durch eine Überlastung der Stromkabel lag ein Brummton über den Aufnahmen) konnten bis zur Sendung gelöst werden. Auch die gesendete Show lief recht gut. Elvis zeigte sich sehr nervös (was angesichts der vorab geschätzten Zuschauerzahl von etwa einer Milliarde (!) auch nicht sonderlich verwundern sollte), bot aber dennoch eine gute Show. Die Kritiken waren positiv, die Zahlen überwältigend: Mehr als 1,5 Milliarden Menschen, bzw. ein Drittel der damaligen Weltbevölkerung (!), hatte das Konzert am Bildschirm verfolgt. Nie zuvor und auch niemals danach sollte ein Fernsehspecial eine derartige Resonanz bekommen. Doch all der Glanz war nur Fassade. Schon am nächsten Tag musste Linda Thompson die Teilnahme von Elvis an der Besichtigung des Pearl Habor Denkmales für Elvis absagen - der King hatte dermaßen viele Chemikalien intus, dass er bewegungslos im Sonnenstuhl auf dem Balkon saß und nur mit Mühe ein paar Worte herausbekam - stoned out of his skull...
Schon zwölf Tage nach dem Mega - Event (gemeint ist die Fernsehshow, nicht der Vorfall auf dem Balkon) begab sich Elvis wieder in die Niederungen der täglichen Arbeit. Ein weiterer Monat in Las Vegas stand an. In den nächsten vier Wochen standen 57 Konzerte auf dem Plan. Im Wesentlichen bestand das Konzertprogramm aus dem Repertoire der Fernsehshow, jedoch verzichtete er auf die meisten der neuen Songs. Als einzige, wesentliche Neuerung blieb der "Steamroller Blues" im Programm. Elvis selbst zeigte sich, zumindest zu Beginn der neuen Spielzeit, schlank und bei guter Stimme. Er sang seine Lieder sehr ernsthaft und bot einen hohen, künstlerischen Standart. Auffällig war jedoch, mehr als im Vorjahr, wie selten er seine Show variierte. Dieselben Songs, Abend für Abend, Woche für Woche. Den Zuschauern, die eine, eventuell auch zwei Konzerte sahen, konnte das egal sein, aber für Elvis schien diese Stimmung tödlich. Es herrschte Langeweile. Elvis widmete sich mehr und mehr dem Konsum der verschiedensten Substanzen und da die Tabletten ihreWirkung verloren hatten, mussten stärkere Mittel her. Mehrfach kollabierte der Star in seiner Suite und musste teilweise sogar wiederbelebt werden. Am 19. Februar schließlich stürmte eine Horde betrunkener Männer die Bühne. Nachdem sie schon den ganzen Abend lautstark bestimmte Lieder von Elvis gefordert hatten, stürzten sie während "Suspicious Minds" auf die Bühne und forderten Elvis zum Kampf heraus (Elvis untermahlte dieses Lied mit verschiedenen Karatefiguren) und stellten sich in Angriffspose vor ihn. Durch die zahlreichen Bodyguards und Wachmänner bedingt, standen die Betrunkenen allerdings nicht sonderlich lange dort, aber auf Elvis hatte dieser Vorfall verheerende Wirkungen. Er war der festen Überzeugung, dass Mike Stone, der damalige Freund von Priscilla, "Karatekiller" geschickt habe, um ihn zu töten. Elvis beauftragte nun seinerseits seine Bodyguards, einen Profikiller zu engagieren und Stone zu töten. Erst nach endlosen Tagen, unzähligen Gesprächen und einer ganzen Anzahl an Beruhigungsmitteln ließ er von seinem Plan ab. Aber nicht nur sein psychischer, auch sein physischer Zustand war schlecht. Geschwächt von den vielen Medikamenten, die er täglich konsumierte, zog er sich einen Grippevirus zu, der ihn sechs Konzerte absagen ließ. Die restlichen Shows bestritt er mit heiserer und zittriger Stimme. Eine Show unterbrach er sogar für zwanzig Minuten, da er keinen einzigen Ton mehr herausbekam. Doch trotz aller Komplikationen waren die Kritiken positiv und die Konzerte ausverkauft. Rein äußerlich konnte das Bild des perfekten Superstars aufrechterhalten werden, doch man begann sich ernsthaft zu fragen, wie lange noch.
Nach der Closing Show am 23. Februar blieben Elvis und Linda noch in Las Vegas und besuchten zahlreiche Shows. Im März wurde Elvis auch bei einem Karate - Turnier gesichtet. Ansonsten verlebte er die Tage zurückgezogen in Memphis, besuchte nur hin und wieder das örtliche Kino, das er nachts mietete und sich dort die neusten Filme ansah. Für den 22. April war schon die nächste Tour geplant.
Für Elvis' Verhältnisse waren die Hallen diesmal recht klein (6.400 bis 8.500 Plätze), lediglich in Phoenix, San Diego, Portland und Denver boten die Arenen Platz für 15.000, bzw. 13.000 Zuschauer. Im Gegensatz zu seinen Vegas - Auftritten zeigte sich Elvis diesmal in guter Form. Zwar hatte er sichtbar zugenommen, aber seine Stimme war tadellos. Auch sang er eine größere Auswahl an Liedern und veränderte seine Show des öfteren. Die Konzerte waren ausverkauft und auch die Kritiker zeigten sich angetan. Hin und wieder hieß es zwar, Elvis wirke ein wenig abgespannt, aber der Auftritt selbst fand lobende Worte. Besonders der "Steamroller Blues" (seine neue Single), sowie ein Medley aus "Long Tall Sally" und "Whole Lotta' Shakin' Goin' On" kamen gut an. Am 30. April beendete Elvis die erste Tournee des Jahres 1973 in Denver, aber eine Pause gab es für ihn nicht.
Bereits am 04. Mai war er in "Del Webb' s Sahara Tahoe Hotel" am Tahoe - See gebucht. Bis zum 16.05.1973 waren 26 Konzerte angesetzt. Die Auftrittsreihe startete chaotisch. Das Hotel hatte zu viele Reservierungen angenommen und bereits am ersten Tag fanden sich mehr als 200 Leute, die man trotz gültigen Tickets nicht in den Saal ließ. Die wütenden Fans demontierten Promo - Material, und drohten dem Hotel lautstark mit Klage. Die Reaktionen derjenigen, die schließlich Einlass fanden, waren geteilt. Ein Großteil der Konzerte war in Ordnung, aber es war recht offensichtlich, dass der Star seine Energie auf der vorherigen Tournee verbraucht hatte. Die Presse bezeichnete ihn als blass und übergewichtig und schrieb außerdem, die Auftritte wirkten - trotz gelegentlicher dynamischer Anstrengungen- müde und lustlos. Aber dennoch waren diese Konzerte besser, als viele der Vegas - Shows vom Februar. Neben den üblichen Songs hatte Elvis diesmal auch ein Rock' n Roll Medley, sowie "Help Me Make It Through The Night" und "I'm Leavin'" im Programm. Gegen Ende der Auftrittsreihe verschlechterte sich sein Gesundheitszustand so stark, dass die letzen acht Konzerte abgesagt wurden. Elvis klagte über Schmerzen in der Brust und allgemeines Unwohlsein. Im Krankenhaus stellten die Ärzte eine Lungenentzündung fest, die wahrscheinlich durch den hohen Temperaturunterschied zwischen Elvis' Hotelsuite, die auf 15 Grad Celsius heruntergekühlt wurde, und der übrigen Welt, deren Temperatur zu dieser Jahreszeit in Nevada mehr als das Doppelte beträgt, verursacht worden war.
Am 29. Mai bekam Elvis noch andere Unannehmlichkeiten, die aber vielmehr seinen Anwälten, als ihm selbst Sorgen bereiteten. Priscilla forderte mehr Geld. Vor Monaten hatte sie einer Einmalzahlung von 1.000.000 Dollar, sowie einer monatlichen Zahlung von 1.500 Dollar zugestimmt. Doch jetzt war ihr klargeworden, dass Elvis' Anwälte sie über den Tisch gezogen hatten. Für einen Mann mit dem Verdienst eines Elvis Presley, waren diese Summen lächerlich gering. Jetzt forderte sie beinahe 15.000 Dollar pro Monat. Die Anwälte beider Seiten gingen in die zweite Runde...
Im Sommer stand die nächste Tournee an. Diesmal waren die Arenen nahezu doppelt so groß, wie die der Frühjahrstournee. Es ging durch die großen Zentren der USA, die Hallen fassten zwischen 10.000 und 17.143 Zuschauer und waren bereits im Vorverkauf komplett ausverkauft. Die Nachfrage nach Tickets war gigantisch und ein Hallenrekord nach dem anderen wurde gebrochen. Zusätzliche Werbung erhielt die Tour (wie auch schon das Tahoe - Engagement zuvor) durch die US Ausstrahlung der "Aloha" Show, die von mehr Amerikanern gesehen worden war, als die erste Mondlandung. Auf der Tour zeigte sich Elvis in exzellenter Form und bot phantastische Shows. Presse und Publikum lobten ihn und bezeichneten seine Konzerte als pures, hochprofessionell dargebotenes Entertainment. Das Konzertprogramm entsprach dem der Tahoe - Shows. In Nashville sang Elvis als rare Zugabe noch den Countrysong "Faded Love" und in New York gab es die für 1973 seltenen Lieder "Don't Be Cruel" und "All Shook Up". Auch der Beatles - Klassiker "Something" kam zum Vortrag. Nach dem Ende der Tournee kehrte Elvis am 04. Juli nach Memphis zurück. Wenige Tage später spendete Elvis einer Jugendorganisation 1.000 Dollar, da er aus der Zeitung erfahren hatte, dass deren Zelt - Ausrüstung durch einen Sturm zerstört worden war. Am 11. Juli traf Lisa Marie in Graceland ein, um die Sommerferien bei ihrem Vater zu verbringen. Bei "RCA Victor" lief inzwischen einiges schief. Der Colonel hatte der Schallplattenfirma den gesamten Katalog der Presley - Aufnahmen bis einschließlich 1972 gegen eine Einmalzahlung verkauft (daneben kassierte Parker noch erheblich mehr, als Extra - Bonus für Vermittlungstätigkeiten, Promotion, etc. - in den frühen 80'ern wurde der Vertrag von der Erbengemeinschaft gerichtlich angefochten). Da noch keine neuen Musikverlage gegründet worden waren, hatte Elvis auch noch keine neuen Songs produziert. Somit war der Musikkonzern gezwungen, auf alte, unveröffentlichte Aufnahmen zurückzugreifen. Bedingt durch die Krankheit von Elvis' Plattenproduzent Felton Jarvis hatte dessen "Vertretung", Joan Deary, ein Album zusammengestellt und entsprechende Infos zu den Schallplattenläden gegeben. Die LP sollte Songs vom März 1972, sowie eine Liveaufnahme aus dem Madison Square Garden Konzert vom 10.07.1972 und die zusätzlich angefertigten Aufnahmen der "Aloha From Hawaii" Show beinhalten. Am Tag nach Bekanntgabe des Inhaltes war Felton Jarvis zurück und änderte sämtliche Pläne. Alle von Joan Deary geplanten Livesongs wurden gekippt und durch Studioaufnahmen vom Sommer 1971 und einem Livetake aus dem Frühjahr 1972 aus Las Vegas ersetzt. Selten wurde eine neue LP von Elvis Presley so ungnädig aufgenommen. Fans und Kritiker waren gleichermaßen von dem Produkt entsetzt und beschrieben das Cover als billig und den Inhalt als planlos zusammengewürfelte Überbleibsel aus den Archiven. Damit trafen sie den Nagel auf den Kopf, zumal selbst der Titel des Albums (die LP wurde schlicht "Elvis" genannt) war bereits im Jahre 1956 schon einmal benutzt worden. Entsprechend schlecht verkaufte sich die LP. Sie erreichte nur den 52. Platz der Charts, konnte sich aber immerhin dreizehn Wochen unter den ersten 100 halten. Um diesem Dilemma zu entkommen, forderte "RCA" nun sowohl Colonel Parker, als auch Elvis selbst, dazu auf, noch im Juli neue Aufnahmen zu liefern, um den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Man erwartete zwei LPs (ein Album mit Popmusic und eine LP mit Gospelsongs), sowie vier Singles. Ab dem 21.07.1973 hatte Felton Jarvis für fünf Tage die "Stax" Studios gebucht. Das Studio war zu dieser Zeit sehr angesagt und zeichnete sich durch eine Vielzahl von Hits aus, die dort produziert worden waren. Auch die hauseigene Band galt als herausragend. Für Elvis war allerdings einzig der Umstand entscheidend, dass das Studio nur fünf Minuten von Graceland entfernt lag. Als der Star am ersten Abend dort eintraf, waren die Musiker (von denen einige auch bei den legendären 1969'er Memphis - Sessions mitgewirkt hatten) entsetzt. Elvis wirkte aufgequollen, blass und vor allem desinteressiert. Er war, wie in den letzen Jahren nur allzu oft, unvorbereitet und wartete auf die Dinge, die da kommen würden. Leider kam nicht allzu viel, denn die Lieder, die man ihm vorlegte, fanden nicht gerade seine Zustimmung - von Begeisterung nicht zu sprechen. Auch das Studio entsprach nicht seinen Bedürfnissen, da es sich nicht für Liveaufnahmen eignete. Das Equipment war völlig veraltet und konnte mit den modernen Studios von "RCA Victor" nicht im geringsten mithalten. In den folgenden Tagen verspätete sich Elvis von Mal zu Mal mehr und tauchte irgendwann schlicht nicht mehr auf. Nur acht Lieder waren aufgenommen worden und selbst die waren nicht gerade Weltklasse. Elvis war oft stoned, sprach undeutlich und sang schlecht. Als Colonel Parker von den Aufnahmen erfuhr, rief er wutentbrannt bei Elvis an, um diesen schlicht und ergreifend zusammenzuscheißen und ihm die Auswirkungen seines Verhaltens klarzumachen. Danach versicherte er "RCA Victor" hoch und heilig, Elvis werde die Aufnahmen noch im September nachholen, so dass der November - Termin für die nächste LP gehalten werden könne. Elvis selbst zog sich wieder hinter die Mauern von Graceland zurück und flog zum Monatsende nach Las Vegas, um für das nächste "Elvis Summer Festival" zu proben. Motiviert war er nicht gerade. Vor ihm lag ein weiterer, langweiliger Monat in Las Vegas. In der Zeit vom 06. August bis zum 03. September lagen 58 Shows vor ihm und danach stand seine Scheidung auf dem Programm. Alles in Allem keine berauschende Aussicht. Elvis versuchte sich bei den Proben zum neuen Engagement an vielen, neuen Songs, endete aber immer wieder beim alten Programm. Zur Opening Night hatte das "Also Sprach Zarathustra" - Intro einen jazzigen Touch und neben den üblichen Liedern dieser Zeit sang er "My Boy", "Memphis Tennessee" und ein Medley aus seinem 1958'er Klassiker "Trouble" und seiner neuen Single "Raised On Rock". Der Star selbst bot am Eröffnungsabend allerdings kein besonders positives Bild. "My Boy" wirkte gänzlich ungeprobt und Elvis bekam weder den Text, noch die Melodie auf die Reihe. Am nächsten Tag waren alle Neuerungen aus der Show verschwunden. Lediglich "Trouble" und "My Boy" blieben im Programm, selbst die neue Single wurde ignoriert. Die Pressemeldungen über die Qualität der Shows waren sehr unterschiedlich. Die einen bezeichneten ihn als mehr, als nur etwas aus der Form geraten und schrieben, es entstünde der Eindruck, Elvis imitiere sein früheres Selbst. Die andere Fraktion war begeistert und berichtete von unterhaltsamen, kurzweiligen Auftritten. Und tatsächlich schwankte die Qualität der Konzerte erheblich. Zumeist wirkte der Star allerdings arg gelangweilt und zog eine Routineshow nach der anderen durch. Insgesamt gab er das Bild einer satten, angeödeten Rockikone ab. Zu fett, zu faul und zu berühmt, um sich noch in irgendeiner Art anstrengen zu müssen - geschweige denn, es zu wollen. Am letzten Abend bot er eine völlig ausgeflippte Show, bei der er sich über alles und jeden lustig machte. Für die Fans war es unterhaltsam, die Las Vegas Touristen, die nur mal einen Blick auf die Legende werfen wollten, ließen sich ihr Eintrittsgeld zurückerstatten. Sie wollten einen Elvis sehen, der in seinen berühmten Glitzerkostümen auf der Bühne steht und seine großen Hits singt. Stattdessen wurde Elvis (mit einem Stoffaffen auf der Schulter) von Lamar Fike auf die Bühne getragen, begoss Musiker und Publikum mit Wasser und kritisierte auf der Bühne die Personalpolitik des Hotels. Parker war außer sich. Sofort nach der Show stürmte er in Elvis' Garderobe und minutenlang war Geschrei zu hören. Allerdings nur das vom Colonel, der wenig später wutentbrannt aus dem Raum raste und die Türen knallte. Elvis folgte wenig später, mit gesenktem Kopf. Später, in seiner Hotelsuite, feuerte Elvis den Colonel und erklärte, er werde noch am selben Tage eine Pressekonferenz abhalten. Parker kündigte seinerseits die Geschäftsbeziehung und kündigte ebenfalls eine Pressekonferenz an. Zuerst aber listete er seine Forderungen gegenüber Elvis auf. Für das Aushandeln des neuen Vertrages mit dem Hilton Hotel (nach dem Elvis in den Jahren 1974 und 1975 für ca. 160.000 Dollar je Woche zwei Gastspielreihen a' 2 Wochen abhalten würde) und der Planung der nächsten Tourneen, sowie den Vorbereitungen für weitere Schallplattenaufnahmen stellte Parker Forderungen, die in die Millionen gingen. Das Papier ließ er dem stets sparsamen und ängstlichen Vernon Presley, Elvis' Vater und Finanzmanager, vorlegen. Nachdem Vater und Sohn das Papier durchgesehen und sich die Gemüter beruhigt hatten, verzichtete man auf die Entlassung Parkers. Der Colonel hatte gewonnen. Elvis zog sich zurück. Am Tag seiner Scheidung verließen er und Priscilla das Gerichtsgebäude händchenhaltend und boten das Bild zweier, enger Vertrauter. Man lächelte für die Presse und jeder stieg in seine Limousine und fuhr davon. Aber das waren nur Äußerlichkeiten. Elvis war am Boden zerstört. In seinem Haus in Kalifornien nahm er weitere Songs auf, um die neue LP fertigzustellen. Statt der geplanten Lieder, sang Elvis allerdings Balladen, die ein Sänger seiner neuen Gruppe "Voice" geschrieben hatte. Da es zu diesen Songs keine vorgefertigten Musikspuren gab, fiel die Instrumentierung mit Gitarre und Klavier sehr spärlich aus. Parker war außer sich und warf Elvis vor, die Schallplatte zu ruinieren. Aufgrund des gesetzten Veröffentlichungstermins seien nachträgliche Overdubbs nicht möglich - die Aufnahmen mussten im Rohzustand veröffentlicht werden. Elvis schien es nicht zu interessieren. Der Star schien sich aufgegeben zu haben. Er begann, wahllos Medikamente in sich hineinzustopfen und kollabierte schließlich. Im Krankenhaus stellte man fest, dass der Entertainer bereits seit längerem mit Hormonen, Schmerzmitteln und diversen, anderen Substanzen behandelt worden war. Im Baptist Memorial Hospital machten die Ärzte dem Star klar, dass er ein Abhängiger war. Zwar leugnete Elvis jedes Wissen über das Zustandekommen seines desolaten Zustandes, aber niemand glaubte ihm wirklich. Auch Dr. Nichopolus gab den Gedanken auf, man könne Elvis völlig von den Medikamenten fernhalten. Und so rationierte er die Portionen und setzte seinen Patienten auf eine leichte Mischung aus Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Auch die Muntermacher, die Elvis einnahm, um den übrigen Mitteln entgegenzuwirken, wurden rationiert. Die übliche Herbst - Tournee gab es diesmal nicht. Stattdessen zog sich Elvis nach Graceland zurück, um sich zu erholen. Währendessen verriss die Presse die neue LP und die dazugehörige Single total. Die allgemeine Feststellung war, dass der künstlerische Misserfolg allein Elvis' schwacher Interpretation, und nicht dem Liedmaterial zuzuschreiben war. Auch kommerziell lief es nicht gut. Nicht einmal unter die ersten vierzig schaffte es die LP und die Verkaufszahlen lagen weit hinter den Erwartungen. Trotzdem hatte sich Elvis für die Dezember - Sessions abermals für das Stax - Studio entschieden. Diesmal ersetzte man die Haustechnik allerdings durch Hightech - Equipment von "RCA Victor" und auch die studioeigenen Musiker kamen nicht zu Einsatz. Elvis griff diesmal auf seine eingespielten Konzertmusiker zurück, die von verschiedenen, anderen Musikern ergänzt wurden, mit denen der King schon in den Jahren 1970 und 1971 zusammengearbeitet hatte. Auch das Liedmaterial lag Elvis mehr und seine Stimme klang ebenfalls wesentlich kraftvoller, als im Sommer. Innerhalb von fünf Tagen nahm er genug Material auf, um zwei LPs zu füllen. Für die Zukunft sah man im Presley - Clan wieder viel Positives. Die öden, vierwöchigen Vegas - Engagements waren um die Hälfte gekürzt worden, wobei die Gage dermaßen erhöht worden war, dass die finanziellen Verluste kaum spürbar waren. Und auch RCA hatte genug Material, um neue LPs und Singles veröffentlichen zu können. Da sich auch Elvis' Verfassung immer weiter verbesserte, konnte es nun wieder bergauf gehen...