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Werte Leserinnen und Leser,

die Besprechungen über ZIMMERIT 6: CRYPERION, LUGOSI MANIA und über das FANTASTISCHE FORUM 16 sind in dieser Ausgabe enthalten; verschieben mußte ich diesmal zwei Rezensionen, und zwar über YALLASH und über VURGUZZ CLASSIC 10. Außerdem könnt Ihr im FANZINE-KURIER 75 mit Besprechungen über BONSAI 5, SOL 3, SAGITTARIUS 28 (die bereits für diese Ausgabe vorgesehen war, mich aber noch nicht erreicht hat), HELDENLIED, STERNENFEUER (hier gilt dasselbe wie für SAGITTARIUS 28) sowie mit den unvermeidlichen SOLAR-X-Rezensionen (unvermeidlich, weil ich es so will...) rechnen.

Viele Grüße
Armin Möhle


LEGENDENSÄNGER-EDITION 48: BANNZAUBER
FANTASTISCHES FORUM 16
STERNENFEUER 5
ZIMMERIT 6: CRYPTERION
ALIEN CONTACT 24
SOLAR-X 75
ELVEN MESSENGER 50
LUGOSI MANIA
VURGUZZ CLASSIC 10
SOLAR-X 76
LEGENDENSÄNGER-EDITION 19: SPIEGELBILDER


LEGENDENSÄNGER-EDITION 48: BANNZAUBER
72 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 30 Exemplare, 6,00 DM.
Bezug: Christel Scheja, Josefstr. 29, 33106 Paderborn-Elsen.

Christel Scheja gehört zu den fleißigsten Herausgeberinnen; regelmäßig erscheinen neue Fanzines, die SF-, Fantasy-, Horror- oder auch zeitgenössische Erzählungen und viele Illustrationen beinhalten. Besonders gern widmet sie sich ihrer eigenen Welt Talastan, in der auch andere Autorinnen und Autoren für ihre Abenteuer ein Plätzchen finden - wie in dem vorliegenden Band.

Ein neuer Name ist Charlotte Engmann, die gleich mit drei Geschichten vertreten ist. Alle ihre Erzählungen zeichnen sich durch einen flüssigen, unterhaltsamen Stil aus. Sie versteht es, Personen glaubhaft zu schildern und auch eine Story interessant aufzubauen, die eher arm an Handlung oder Spannung ist.

In "Das grüne Kind" findet die Heilerin Sialyn im Wald ein Kind, das, wie der Titel vorwegnimmt, grün ist. Das Baummädchen Lisanna wird, obwohl die Dorfbewohner zunächst mißtrauisch sind, von Sialyn zusammen mit ihrem Sohn Jerelan großgezogen. Das Idyll trübt sich, als eine Gauklerin düstere Prophezeiungen macht. Die Episode beinhaltet wenig Handlung, da es sich um eine Art Prolog handelt. Figuren werden eingeführt und die Weichen für weitere Abenteuer gestellt.

"Die kleine Fürstin" Tharhi ist ein unglückliches Mädchen, das abgeschirmt und unter strenger Aufsicht als Vogel im goldenen Käfig gehalten wird und den rivalisierenden Adeligen als Spielball dient. Ein kleines Tier namens Nyz, das sich in ihr Zimmer verirrt, bringt ein wenig Freude in Tharhis tristen Alltag. Doch das zahme Wesen hat bereits einen Herrn, den Jungen Trishan, der zu einem Trupp Gaukler gehört. Die Kinder schließen heimlich Freundschaft. Natürlich bleibt das Tharhis Aufpassern nicht lange verborgen. Trishan wird verprügelt, Nyz von einem Priester gefangen, und die Gaukler sollen schleunigst verschwinden. Enttäuscht von ihren Leuten faßt Tharhi daraufhin einen folgenschweren Entschluß. Die Psyche der Kinder ist hervorragend dargestellt; und klar, es folgen bestimmt neue Geschichten mit den jugendlichen Helden.

In "Lebenssteine" machen einige Magier ihre Erfahrungen mit zaubermächtigen Steinen. Dabei greift Charlotte ein Motiv auf, das bereits von Christel in einer Story verarbeitet wurde. Diese Crossover schaffen eine dichte Atmosphäre und zeigen, daß sich die Autorinnen und Autoren mit den Ideen ihrer Kollegen auseinandersetzen und auch miteinander arbeiten können.

Natürlich ist auch Christel mit einer längeren Erzählung vertreten: "Das flammende Band" ist eine sehr detaillierte Story voller Querverweise auf andere Episoden und Figuren. Das Mädchen Arielen verläßt ihre Heimat, nachdem sie wiederholt von der Mutter ihres Freundes gedemütigt wurde. Den Flammenring um die Insel überwindet sie Dank der Hilfe eines Geistes. Im Gegenzug soll sie dafür einen gewissen Darudan suchen. Arielen gelangt zwar aus der Gefahrenzone, aber ihr Boot sinkt. Als sie wieder zu sich kommt, sieht sie sich einem jungen Mann gegenüber, der sich um ihre Verletzungen kümmert. Sie erkennt in ihm Darudan, den Sohn der Geisterfrau. Obwohl er zögert, sie als Begleiterin zu akzeptieren, schließt sie sich ihm an und verliebt sich prompt in ihn. Und dann gehen die Abenteuer erst richtig los.

Allen Stories gemeinsam ist, daß es sich um typische Fantasy-Figuren (Adelige, Gaukler, Magier, Heilerinnen etc.) und Konstellationen handelt. Die Frauen sind hübsch und mutig, die Männer dito. Spannung, Humor, Psychologie, Romantik, alles ist dabei.

Vielen sind Christels (und ähnliche) Fanzines zu konventionell, zu klischeehaft, aber offenbar gibt es noch genug Leser, die es mögen und Autorinnen und Autoren, denen es Spaß macht, so etwas zu schreiben. Mich wundert nur, daß, bei aller Kritik, überhaupt noch Fantasy-Bücher verkauft werden, in denen doch auch nichts anderes, besseres oder weniger ausgelutschtes geschildert wird als in Fan-Erzählungen. Betrachtet man vergleichsweise Horror- oder SF-Zines, so wird man feststellen, daß auch hier regelmäßig dieselben alten Ideen wiederaufbereitet werden; bloß hält sich verwunderlicherweise die Kritik in Grenzen. Um Christel hat sich, wie oft vermutet wird, kein kleiner Kreis etabliert, und es sind auch nicht immer dieselben Namen, die in ihren Zines auftauchen. Es stoßen stets neue Leute hinzu, und sie gibt auch jungen Schreibern eine Chance. Daß sie selbst mal Neos waren, haben jedoch manche, die angesichts schwacher Erstlingswerke erhaben ihre Häupter schütteln und diese verreißen, um sich selbst zu produzieren, vergessen.

Die Illustrationen stammen von Christel, Beatrix Berndt und Martina Sommer, wobei letztere besonders positiv auffällt.

Das Layout hat, seit Christel unter die PC-User gegangen ist, deutlich gewonnen, wenngleich es den Inhabern dicker Bankkonten vermutlich noch immer zu dilettantisch sein dürfte. Man sollte jedoch an die Auster denken, die unter der unscheinbaren Schale oft eine Perle verbirgt, während bei anderen Fanzines der dürftige Inhalt von einer gewaltigen Aufmache kaschiert wird. Leider fallen viele noch immer auf die billigen Tricks herein.

BANNZAUBER ist ein Fanzine für die Freunde von Sword & Sorcery, und die Fantasy-Hasser müssen es ja nicht lesen, oder?

Irene Salzmann

Kranzberg


FANTASTISCHES FORUM 16
44 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 4,00 DM, 4er-Abonnement 14,00 DM.
Bezug: AKTIONSKREIS FANTASTIK, Thomas Vohl, Alte Schanze 69, 47057 Duisburg.
Bankverbindung: Sparda-Bank Essen (BLZ 360 605 91), Konto 197 152.

Gewöhnlich bemüht sich der AKTIONSKREIS FANTASTIK darum, die phantastische Literatur auf besonders wissenschaftliche Weise zu begleiten; man erwartet, daß sich die Beiträge in einem Heft jeweils demselben Thema aus verschiedenen Richtungen nähern. Die 16. Ausgabe des FANTASTISCHEN FORUMS verrät mit ihrer Überschrift "Weltsichten" aber sehr wenig von der inhaltlichen Ausrichtung - und wird mit diesem blassen Titel wird wohl eher langweilen als Interesse wecken.

Auch die Überschrift des ersten Artikels - "Kontingenz" - hilft den meisten Lesern kaum weiter, läßt sie zudem trockene Lektüre befürchten. Und in der Tat: Man muß sich reinbeißen. Christian A. Mathioschek erörtert anhand des Begriffspaares "Kontingenz oder Determinierung" des Lebens die Frage, ob die Evolution entweder sinnvollen Auswahlmethoden folgt oder vom reinen Zufall in beliebige Richtungen verschlagen wird. Da der Beitrag einige Tiefe aufweist und seine Gedanken anhand von Werken der SF veranschaulicht, wird der Leser geneigt sein, weiterzulesen und die Überschrift "Kataklysmen" des nun folgenden Beitrages ebenso mühelos verdauen wie die "Kontingenz". Durch die Beschäftigung mit "Weltenden" greift Karlheinz Steinmüller die Erwägungen zum Zufall auf; Katastrophen pflastern seinen (gedanklichen) Weg. Nach Abschluß dieses Reigens wunderschöner Weltuntergänge, die ansprechend beschrieben und überzeugend klassifiziert sind, klärt Handke auf, und zwar über die Gaia-Theorie - kurz, übersichtlich und gut verständlich.

Balthasar v. Weymarn schließt sich mit dem Artikel "Schnittstelle zur Zukunft - Auswirkungen der SF auf die Wirklichkeit" wiederum inhaltlich an, indem er zwar nicht aus der Gaia-Theorie abgeleitete Verhaltensgebote, aber den Einfluß von in der SF entwickelten Zukunftsvisionen auf Denkweise, Planungen und ansatzweise auch Taten der Gegenwart und Vergangenheit aufzeigt. Teilweise - insbesondere bei der Überlegung, SF-Fans seien für den Erstkontakt mit Außerirdischen besonders geeignet - haben die Ausführungen spekulativen Charakter.

Ein echtes Themenheft zu "Weltsichten" ist das FANTASTISCHE FORUM sicher nicht, da ein allen Beiträgen gemeinsamer Kern nicht ersichtlich ist. Es schlägt jedoch, diverse Aspekte durchwandernd, eine Brücke zwischen Philosophie, phantastischer Vision und Weltverständnis, die das ideelle Zentrum der Begeisterung für Science Fiction berührt. Die Beiträge sind dabei durchweg interessant und - nach Überwindung der Eingangsschwelle - auch leicht lesbar. Mit einem Wort: hervorragend!

Wer nach Lektüre des FANTASTISCHE FORUMS 16 den Themenbogen nicht verlassen, sondern noch ein Weilchen auf der "Schnittstelle zur Zukunft" verharren möchte, dem empfehle ich Band 1 der Schriftenreihe der Phantastischen Bibliothek Wetzlar: LITERARISCHE UTOPIEN UND ANTI-UTOPIEN von Thomas Haufschild und Nina Hanenberger.

Clemens Nissen s. ps

Wangerland


STERNENFEUER 5
114 Seiten DIN A 5, Offset (verkl.), Klebebindung.
Auflage: 150 Exemplare, 8,30 DM.
Bezug: Uwe Baur, Bentheimstr. 13, 97072 Würzburg.

Mit der fünften Ausgabe von STERNENFEUER legen die Mannen um Klaus Bollhöfener ein neues Exemplar ihres mittlerweile bewährt guten Fanzines vor. In dieser Ausgabe finden sich ausnahmsweise keine Interviews, aber das bedeutet nicht, daß die Auswahl der Beiträge deswegen schlechter wäre. Ein Schwerpunkt liegt in Beiträgen aus der deutschen Phantastik der Vergangenheit.

Allgemeines Amüsement dürfte die Antwort Wolfgang Jeschkes auf den unsäglichen "Offenen Brief" von Horst Illmer aus der Nr. 4 auslösen, den ich in meiner entsprechenden Rezension ja ausreichend gewürdigt habe. Auch Jeschke scheint der "Offene Brief", in dem Illmer pathetisch und wortreich eine Neuauflage von Laßwitz' AUF ZWEI PLANETEN fordert, sehr amüsiert zu haben, denn seine Antwort ist herrlich ironisch. Lag ich also doch nicht falsch...

Nun aber ins Eingemachte. Aus der Vielzahl der Beiträge seien einige herausgegriffen. Andreas Schweitzer beginnt mit einem Artikel über Jerry Goldsmith, den berühmten Filmkomponisten, der ja auch zahlreiche SF-Filme und -Serien (u. a. eine Menge STAR TREK) mit seiner Musik unterlegte. Eine Würdigung, die für ein SF-Fanzine eher ungewöhnlich und daher von besonderem Interesse ist, inklusive einer Aufstellung aller Filme und Serien, zu denen der Komponist beitrug. Sehr lesenswert.

Jürgen Geigers Salmonellen-Comic läßt diesmal das Schneewittchen-Märchen wiederaufleben. Im Gegensatz zu den vorherigen Folgen fällt diese vom Wortwitz her ein wenig ab, ist aber noch immer recht unterhaltsam.

Schmalzig wird's mit einer Kurzgeschichte von Kurd Laßwitz, die sehr schwülstig und pathetisch geschrieben ist und damit Jeschkes Auslassungen über den "Altmeister" (naja) nur recht geben. Weitaus lesbarer ist die Geschichte "Kukuruz Lahemi" von Jacobus Fellgibel aus dem Jahr 27, die einen Blick ins Jahr 97 wirft, wo alle Verlage zugunsten von Buchgemeinschaften dichtgemacht haben. Wer sich heute den Bertelsmann-Club oder ähnliche Moloche ansieht, muß dem Autoren damaliger Zeit nahezu prophetische Fähigkeiten zusprechen. Eine schöne Geschichte eines offensichtlichen Bücherfreundes.

Nun noch ein paar Worte zu zwei anderen Beiträgen. Da wäre zum einen eine ironische Betrachtung eines miserablen SF-Romans von H. J. Freiberg, der vor vielen Jahren mal für Kelter schrieb und abgesehen von dem hier besprochenen Roman ERFOLGSAUSSICHTEN 11 PROZENT" nur noch als Autor einiger REN DHARK-Romane hervortrat. Obgleich sich alle "Rezensenten" echte Mühe geben, den Roman in die Lächerlichkeit zu ziehen (was an sich nicht nötig ist, das macht er nämlich schon selbst), ist mir der Sinn dieser ganzen Aktion doch verborgen geblieben. Der Unterhaltungswert sinkt durch Wiederholung rapide. Und das Teil ist es nun wirklich nicht wert...

Bemerkenswert ist hingegen eine Geschichte der zwölfjährigen (!) Sarah Hrapia mit dem Titel "Beethoven fliegt zum Mars", eine kleine Traumstory über eine Marsflug auf einem Klavier. Bemerkenswert allein deswegen, weil man bei STERNENFEUER dankenswerterweise nicht immer nur auf große Namen und erfahrene Schreiberlinge schielt.

Fazit: STERNENFEUER 5 ist ein mehr als lesbares, gut zusammengestelltes, abwechslungsreiches, unterhaltsames, informatives und witziges Fanzine, bei dem sich fast jede Seite lohnt. Kaufen!

Dirk van den Boom

Münster


ZIMMERIT 6: CRYPTERION
100 Seiten DIN A 4, Offset, Klebebindung.
Auflage: 300 Exemplare, 12,00 DM.
Bezug: Michael Marrak, Weinbergstr. 25, 72667 Schlaitdorf.
Bankverbindung: Volksbank Nürtingen (BLZ 612 901 20), Konto 562 094 008.

Eigentlich war ZIMMERIT 6 als ein Band zum Thema "Agnostik" geplant. Doch am Ende war das Projekt ausgeufert und Michael Marrak mußte befürchten, daß so manche Geschichte mit einem hämischen "Thema verfehlt!" abgetan worden wäre. So wählte er einen anderen Titel für die Ausgabe: CRYPTERION. Das klingt geheimnisvoll nach dunklen Grüften und sagt doch über den Inhalt nichts aus.

"Crypterion" ist zugleich der Titel der lau geratenen ersten Geschichte dieses Bandes. Sie leidet weniger an der Verwendung typischer SF-Versatzstücke, die Jörg Dinstühler zu einem vielversprechenden Rahmen zu zimmern versteht, sondern viel mehr darunter, daß dieser Rahmen, der für einen ganzen Roman ausgereicht hätte, nur unzureichend ausgefüllt wird. Von einer Invasion der Erde erfahren wir da, von der Flucht der Menschen in tiefe Bunkerstädte, von Waffen, die sich - einst zur Abwehr der Invasion ersonnen - längst verselbstständigt haben, von Mutanten und Tiefschläfern und so weiter und so fort. Die Geschichte selbst aber beschränkt sich auf einige kurze gut ausgearbeitete Szenen. Da tauchen interessante Figuren auf, werden aber alsbald schon wieder fallengelassen. Die Szenen wirken in ihrer Abfolge sprunghaft und lassen zu viele Fragen offen. Wenn diese Geschichte zur Titelgeschichte gemacht wurde, dann eher wegen ihres Themas: Es geht um Wissen, das im Laufe der Jahrhunderte verloren ging, um Wissen, das sorgsam gehütet und verborgen gehalten wird und eine Gefahr darstellen könnte, und es geht um den Reiz solchen Wissens, um Neugier und das Streben nach Erkenntnis.

Das in etwa ist auch das Thema der meisten Beiträge dieser ZIMMERIT-Ausgabe, dem sich die Autoren auf sehr unterschiedliche Weise nähern. Die einen tun es konventionell, wie Jörg Dinstühler oder Malte Schulz-Sembtens mit "Die Bakschisch-Zone". In dieser versiert erzählten Geschichte um den Taxifahrer Spindario ermöglicht ein Gerät, die Zeitdauer der Taxifahrten ins Unmögliche zu verkürzen. Entsprechend hoch sind die Trinkgelder der bisher staugequälten Kunden. Unverständlich bleibt, warum der Autor sich dann auf die breitgetretene Bahn sattsam bekannter Aussagen und Handlungsschemata begibt: Da muß der Weg, den das Gerät öffnet, geradewegs durch die Totenwelt führen. Und die fordert am Ende ihren Preis: Wer sich anmaßt, die Naturgesetze auf den Kopf zu stellen, so die altbackene Moral der Geschichte, muß dafür bitter bezahlen.

Andere Autoren - und die befinden sich in ZIMMERIT in der Mehrheit - zeigen sich experimentierfreudig, was Inhalt und Form ihrer Beiträge angeht. Da ist beispielsweise das Bühnenstück von Michael Marrak und Gerhard Junker, "Neues aus dem Irrhain", mit dem gewissermaßen die Tradition aus ZIMMERIT 4 fortgesetzt wird. Was dort noch als "Mischung von FAUST-Prolog und absurdem Theater" (FK 68) erschien, artet diesmal rasch in Klamauk aus und ist bereits nach sieben Seiten zu Ende. Originelle Figuren und einige nette Ideen gibt es ja, doch drängt sich der Verdacht auf, daß die Ideen den Autoren so langsam abhanden kommen und überhaupt die gewählte Form des Beitrags nicht mehr ist als eine Ausgeburt der Bequemlichkeit, weil es eben leichter ist, absurde und groteske Aussagen aneinander zu reihen, als eine stimmige Erzählung zu komponieren.

Wie das geht, zeigt Jörg Dinstühler in seiner zweiten Geschichte, "Zwiebeln und Dämonen", wo zur munteren Plauderei drolliger Fabelwesen auch noch eine Handlung kommt, ein Roter Faden, wie er im "Irrhein" fehlt. Mehr von der Sorte!

F. M. Hallstrøm ist mit zwei Stories präsent. In "Stockton Carter Gala Days" erzählt er von einem Ex-Stripper, der sich nun als Vertreter für religiöse Scherzartikel durch das Leben schlägt: Eine für den Autor typische Geschichte, dem geniale Ideen, tiefsinnige Monologe und kaputte Charaktere in einer entfremdeten Welt wichtiger sind als die Handlung. Auf "Der Fluch des gehörnten Teufels" trifft ähnliches zu. Daß er hier sich hier an einer Pointengeschichte (mit einer nicht originellen Schlußpointe) versucht, sei ihm hier verziehen.

Ist "Der transfinite Wartesaal" nun eine Hommage an Kafka? Das berühmte Kürzel "K." für den Protagonisten legt es nah. Daß Jürgen Thomann seinen Helden aufs Amt schickt, wo er an jenem unendlichen Wartesaal des Titels verzweifeln muß, verwundert nicht. Allein, Jürgen fehlt es an der Verkorkstheit des Kafkaschen Geistes, so erreicht die Geschichte die Tiefe von dessen Werken nicht und bleibt vielmehr oberflächlich und farblos.

Achim Stößer läßt in "Glogauer pflügt" zwei Zeiten aufeinander prallen. In das Leben eines mittelalterlichen Bauern dringen plötzlich Erscheinungen der Neuzeit. Die Ebenen vermischen, bis am Ende eine Ebene übrig bleibt. Kaum fällt es auf, daß die Geschichte nur eine Seite umfaßt. Lediglich daß der Schluß einige Fragen offen läßt, stört hier.

Geschichten "härtester Gangart" verspricht der Herausgeber mit "Mein Name ist Wahnsinn" und "Feuerwerksstimmung", beide von Tuberkel Knuppertz. Die erste ist ein Monolog: eine Aneinanderreihung altbekannter Positionen oberflächlicher Kultur- und Sozialkritik. Gestelzte Ausducksweise ("Ominöse Schattenwesen meiner Erinnerung streifen meine Wahrnehmung und nehmen ihre Gewänder ab.") wechseln ab mit Vulgärwörtern. Eine tragfähige Handlung fehlt völlig. Auch mit der zweiten Geschichte erweist sich der Autor nicht als Meister origineller Gedanken. Seine Beschreibung der Flugzeugkatastrophe von Amsterdam als "irreale Vision" (nicht daß es reale gäbe) wird zum Ausgangspunkt hochgeistiger Gedankengänge wie der Beschreibung christlicher Priester als "Zuhälter des christlichen Geschäftswesens - huren herum mit dem Glauben der Unterdrückung und der Frau als Abbild des Bösen". Löblich, daß dem Augenzeugen dann doch nur stummes Entsetzen und Tränen bleiben, als die Vision der Wahrnehmung von Feuer und Sterben weicht. Das zumindest klingt ehrlich.

Die optische Gestaltung des Heftes ist von überdurchschnittlicher Qualität, wofür Namen wie Stefan Atzenhofer, Oliver Ferreira, Gerhard Junker (das Titelbild!) und Michael Marrak selbst, um nur einige zu nennen, bürgen. Nicht immer jedoch, so scheint es, genügt der ansonsten gute Druck den Bildern. Besonders bei den Grafiken Oliver Ferreiras fällt es hin und wieder schwer, Einzelheiten auszumachen. Das ist schade.

ZIMMERIT 6 ist in vorliegender Form ein rundum gelungenes ambitioniertes Zine. Dabei ist gut, daß es sich nicht in das Korsett eines vorgegebenen Themas zu zwängen versucht.

Thomas Schmitz

Bochum


ALIEN CONTACT 24
60 Seiten E 5, Offset, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 6,50 DM, 4er-Abonnement 26,00 DM.
Bezug: Edition AVALON, Oderstr. 17, 10247 Berlin.
Bankverbindung: Postbank Berlin (BLZ 100 100 10), Konto 0586379104, lautend auf Dirk Kurth.

Der beste Beitrag in der neuesten ALIEN CONTACT-Ausgabe ist ein Nachdruck (aus SOLAR-X 71): "Der Katalog der zerbrochenen Träume" von Frank Roger präsentiert diverse kulturelle Objekte aus unserer nahen Zukunft - eine ideenreiche, skurrile Story, die noch dazu hervorragend geschrieben ist. Wer Bestellungen aus diesem Katalog tätigen will, sollte freilich über eine Zeitmaschine verfügen, um mindestens in das Jahr 2001 reisen zu können, denn früher werden die angebotenen Objekte (komplett) nicht verfügbar sein...

Die übrigen Kurzgeschichten sind zwar auch lesenswert, reichen aber nicht an Frank Rogers Arbeit heran. In "Nur eine kleine Formalität" von Dennis Merbach versucht die Protagonistin dem Zugriff des GenMed-Konzerns zu entgehen, in sie als Ausländerin getarnt wieder in ihr Heimatland einzureisen versucht. Unklar bleibt, warum sie sich nicht abschieben läßt... "Ribas" ist eine Pointenstory von Dirk van den Boom, dessen Protagonisten zwei Xenopsychologen, die auf der Raumstation MATER NOVA arbeiten, und ihr Patient, ein Kind aus der Rasse der Edaner, sind. Auch hier stört lediglich ein Detail: Warum wurde die Story nicht von vornherein im Original-ORBIT HOSPITAL angesiedelt...?! "Der Einhorn-Pakt" von Jens H. Altmann schildert den Einsatz des Pendants einer Geheimagentin in einer Fantasy-Welt, wobei die Story gängige Fantasy-Sujets verwendet und damit nicht aus dem Rahmen dieses Subgenres fällt.

Unter den sekundärliterarischen Beiträgen ist dagegen ein Highlight nicht auszumachen. Hans-Peter Neumann beleuchtet kritisch die neuesten Veröffentlichungen der ostdeutschen SF-Autoren Alexander Kröger, Rainer Fuhrmann und Curt Letsche. Das ist vor allem deshalb interessant., weil diese Autoren heutzutage überwiegend nur noch im Eigenverlag veröffentlichen können. Reiner Schulz berichtet in "...und am achten Tage schuf ER Star Trek" von einer Veranstaltung an der TU Berlin zum Thema "STAR TREK- Zwischen Unterhaltung und Utopie" und reflektiert dabei sowohl die Beiträge der Teilnehmer als auch seine eigene Einschätzung der Serie. Da sich bereits DER SPIEGEL mit STAR TREK beschäftigte, soll auch ALIEN CONTACT eine ausführliche Beschäftigung mit der Serie zugestanden werden, obwohl sie ungeachtet ihrer Popularität und ihrer positiven Eigenschaften nicht zu den anspruchsvollen Produktionen in der Science Fiction gehört, weil sie wie alle (Heftroman- oder TV-) Serien lediglich aus dem Ideenfundus des Genres schöpft, was in dem Seminar an der TU Berlin aber offenbar nicht zur Sprache kam.

Gerd Frey stellt in seinem Artikel "Interaktive Literatur?" eine Handvoll Computerspiele vor, die auf Romanen und Zyklus diverser SF- und Fantasy-Autoren beruhen, der damit nicht nur für die PC-Spielefans interessant ist. Ärgerlich ist lediglich, daß der Beitrag zumindest zeitgleich in den ANDROMEDA NACHRICHTEN 162 erschienen ist, ebenso wie die eine oder die andere Besprechung aus Gerds Computerspielesparte. Einige Beiträge darin wurden sogar aus AN 161 nachgedruckt, das also bereits vor etwa vier bis fünf Monaten erschien... Myra Çakan gelang es, mit dem russischen Kosmonauten Sergej Krikaljow und mit dem SF-Serienregisseur Gerry Anderson (THUNDERBIRDS, MONDBASIS ALPHA 1 und SPACE COPS - TATORT DEMETER CITY) zwei mittelmäßig interessante Gesprächspartner für die Kurzinterviews zu finden.

Die vorliegende ALIEN CONTACT-Ausgabe überzeugt vor allem durch die Kurzgeschichten. Wünschenswert ist der Verzicht auf Nachdrucke.

Armin Möhle

Wallenhorst


SOLAR-X 75
64 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 95Exemplare, 4,00 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Die SOLAR-X-Mannschaft feiert ihr 75. Jubiläum. "Was an Besonderem könnte man da aus dem Ärmel schütteln?" fragt ein wenig ratlos der nimmermüde Wilko Müller jr. im Vorwort. SOLAR-X jedenfalls leistet sich anläßlich der Jubelnummer keinerlei Schnickschnack wie Vierfarbcover oder doppelten Umfang. Statt dessen präsentieren die Hallenser die gewohnte Mischung aus Stories und Sekundärem, die uns FK-Rezensenten im Laufe der vergangenen sechs Jahre ja schon zur lieben Gewohnheit geworden ist.

Aber eine kleine Besonderheit bietet uns diese Ausgabe doch: Es finden sich darin ganze sechs Stories, und alle gehören - wie schon in der vorletzten Nummer 73 - dem Grusel-Genre an.

Bernd Frenz liefert in "Unter Wölfen" eine Neuversion des Werwolf-Themas, in deren Mittelpunkt er einen neuzeitlichen Magier in der Lüneburger Heide stellt, der sich des schaurig heulenden Ansturms in einer Vollmondnacht erwehren muß. Die Story ist längst nicht so platt, wie man aufgrund des x-ten Aufgusses des klischeebeladenen Themas vermuten müßte, vor allem dank dem gut konstruierten Ende. Doch leider ist es Bernd auch nicht gelungen, mir einen Schauer über den Rücken zu jagen - und das erwarte ich nun mal von einer guten Gruselgeschichte.

Meine Erwartungshaltung nicht enttäuscht hat hingegen Pascal Gregory. "Schenk mir dein Herz" berichtet von zwei Aliens, die menschliche Gestalt angenommen haben und auf der Erde gelandet sind. Einer der beiden hat ein sehr spezielles Hobby. Pascal würzt seine Geschichte mit phantasievollen und schaurigen Details in King-Manier, die er äußerst anschaulich schildert, und bewahrt stets das Gleichgewicht zwischen Ironie und Ernst, das eine solche Story benötigt.

Auch Thomas Wagners "Die gelbe Zeit" ist äußerst stimmungsvoll. Er beschreibt eine endzeitliche Atmosphäre in einem Mietshaus im drückenden Hochsommer. Es geschieht in dieser Geschichte nicht viel, es reiht sich eher ein schreckliches Detail an das nächste. Aber Thomas gelingt es dank der surrealistischen Stimmigkeit der einzelnen Szenen dennoch, den Leser zu fesseln.

Weniger überzeugt hat mich Eddie Angenhubers "Eine Geschichte aus dem alten Paris", in der der Wunsch einer alten Hure durch eine böse Fee erfüllt wird: Sie darf noch einmal 25 Jahre alt sein, und das obendrein als Mann, um fortan alles besser zu machen. Was Eddie aus dieser ohnehin nicht sonderlich pfiffigen Idee gemacht hat, ist mir zu bieder, und die Schlußpointe wirkt aufgepfropft.

Besser ist da schon wieder Frank Rogers "Crashcourse", in der er eine Preisverleihung der besonderen Art beschreibt: Prämiert werden die originellsten Verkehrsunfälle des Jahres. Die Grundidee dürfte Frank wohl J. G. Ballards Roman CRASH entnommen haben, aber das Thema ist heute natürlich noch genauso relevant wie Anfang der siebziger Jahre.

Den Abschluß bildet Renald Mienerts "Hunde", in dem er eine interessante Interpretation der Skinhead-Umtriebe in den ostdeutschen Städten liefert. Die Geschichte ist provokativ, hart und auf den Punkt genau erzählt. Renald hat keine Angst vor Tabuthemen, er schreckt nicht davor zurück, sich in die Geisteswelt der Skins hineinzuversetzen, wobei die Aussage der Geschichte keinen Zweifel daran läßt, daß er alles andere als mit ihnen sympathisiert. Zugleich begeht er nicht den Fehler wohlmeinender Linksliberaler, klischeehafte Antworten auf die Frage nach dem Ursprung der rechtsextremen Gewalt wiederzugeben oder dabei ins Moralisierende abzurutschen. "Hunde" ist eine gute, notwendige und zum Nachdenken anregende Geschichte und für mich der literarische Höhepunkt dieser überhaupt sehr lesenswerten Ausgabe, die hiermit allen Freunden der Schauergeschichte wärmstens ans hämmernde Herz gelegt sei.

Neben diesem üppigen und qualitativ recht hochwertigen Storyreigen ist vor allem der "Confusion II"-Report erwähnenswert: Was passiert, wenn zwei deutsche Fans auf einen Con in der belgischen Provinz fahren, ohne "belgisch", wie Wilko sich charmant ausdrückt, zu verstehen? Die Antwort erscheint naheliegend, doch wer Genaues erfahren will, der lese selbst und schmunzele!

Joachim Stahl

Leinfelden


ELVEN MESSENGER 50
64 Seiten DIN A 5, Kleinoffset, Mittelheftung.
Auflage: 50 Exemplare, 3,00 DM.
Bezug: Dirk van den Boom, Rinkerodeweg 28, 48163 Münster.
Bankverbindung: Sparkasse Münster (BLZ 400 501 50), Konto 125 053 034.

Vor einiger Zeit wurde uns durch ein kenntnisreiches und akribisches Lexikon ein erster Einblick in das gesellschaftliche, politische und sportliche Leben Arcadias gewährt. Durch elbischen Boten erreichen uns jetzt weitere Details.

Der ELVEN MESSENGER ist das Fanzine des Fantasy-Briefspiels "Arcadia". Man könnte es auch als Amtsblatt oder als "Yellow Press" eines fiktiven Landes auffassen. Die Mitspieler erhalten ausführlich Gelegenheit, die Geschehnisse in ihrem Land zu kommentieren, neue Entwicklungen anzukündigen, dem Nachbarn zu drohen oder ihm Frieden anzubieten. Und wer ganz viel Phantasie besitzt, fügt dem Sagenschatz seines Landes eine weitere Geschichte hinzu.

So lesen wir Auszüge aus dem "Arcadian Chronicle", eine anscheinend überregionalen Gazette, als auch Beiträge aus der "Tschech Tribune", aus "Imperias Neueste Nachrichten" oder dem "Lazischen Hinkenden Boten". Auch die Proklamation des künftigen Königs Roderick von Markthoria, der anläßlich seiner bevorstehen Inthronisation ein großes Turnier auslobt, gelangt so zu unserer Kenntnis. (Wir fragen uns allerdings, ob eine künftige Majestät es sich gefallen lassen muß, wenn der Spielleiter in einer handschriftlichen Notiz am Rande der königlichen Proklamation ihn auffordert, künftig nur noch einzeilige Beiträge abzuliefern...)

Das klingt lächerlich? Wer das glaubt, sollte sich das neue Schulgesetz Imperias ansehen, die kurze Abhandlung über talonpirische Namenszusätze und ihre Bedeutung oder Prof. Dr. Thoran Manopolis kritische Betrachtung der Beiträge des ELVEN MESSENGER lesen. Auch lohnt es, sich an Lem zu erinnern, der Rezensionen über Bücher schrieb, die noch gar nicht erschienen sind.

Für den Uneingeweihten sind natürlich viele Informationen nicht von so großem Interesse. Viele Zwistigkeiten zwischen den Staaten sind von Außenstehenden nicht nachvollziehbar. Letztlich werden wir so nie verstehen, wie es zu dem Krieg zwischen Paikh und den Vereinigten Emiraten von Tschech gekommen ist. Wir merken aber, daß in Arcadia viele Zeichen auf Krieg deuten.

Da tröstet uns nur noch, daß wir mit dem elbischen Boten endlich auch die Ergebnisse der letzten Spieltage der arcadischen Fußball-Ligen erfahren und zu unserer Zufriedenheit bemerken, daß Unitor Milazoris die erste Liga anführt.

Der ELVEN MESSENGER ist für Insider gemacht, nur die können ihn in vollem Ausmaß genießen. Für den Außenstehenden ist das Heft schwer durchschaubar. Die relativ geringe Auflage von 50 Exemplare deutet schon darauf hin, daß auch die Macher die Außenwirkung für begrenzt halten. Ein Blick hinein lohnt sich auf alle Fälle für jeden, der selber mal mit dem Gedanken spielte, an einem Briefspiel teilzunehmen. Er wird feststellen, daß sehr viele verschiedene Beiträge unterschiedlicher Qualität ihn erwarten und ein ständig wechselndes Layout ertragen müssen. Aber wen das wundert, hat die Natur dieses Heftes nicht verstanden.

Holger Marks

Marburg


LUGOSI MANIA
44 Seiten DIN A 4, Offset, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 6,00 DM.
Bezug: Eddie M. Angerhuber, Urbanstr. 88, 10967 Berlin.

Zuerst eine kleine Bemerkung: Es wäre schön, wenn der uneingeweihte Leser dieser Sonderausgabe etwas mehr über die Macher der EDITION FLEURIE im Heft erfahren könnte. Ich selbst habe leider keine Angaben über die normalen Ausgaben und darum beschränkt sich diese Kritik einzig auf die mir vorliegende Ausgabe (das ist der Normalfall, doch manchmal kann man anhand kontinuierlicher Mitarbeit einzelner Autoren etwas mehr über deren Background einfließen lassen).

LUGOSI MANIA erscheint zum 40. Todestag des ungarischen Schauspielers und soll mittels dreier Sekundärbeiträge und einiger stimmungsvoller Kurzgeschichten einen kurzen Einblick in die schillernde Gestalt geben, die Martin Landau (für mich) in ED WOOD mit neuem Leben gefüllt hat. Natürlich können die drei Artikel nur erste Informationen geben, aber in den letzten Jahren ist das Interesse an den alten Horrorfilmen beträchtlich gestiegen. Neben den jährlichen Veröffentlichungen alter Horrorfilme auf Video (MCA UNIVERSAL) hat sich THE ROAN GROUP mit ihren empfehlenswerten Laserdiscs auch Lugosi verschrieben (seine beiden Edgar Wallace-Verfilmungen werden auf Laserdisc erscheinen, eine Collection von Karloff- und Lugosi-Filmen erscheint und WHITE ZOMBIE war die erste Veröffentlichung der ROAN GROUP). Erstaunlicherweise finden sich keine Hinweise auf die empfehlenswerten Bücher über Lugosi. Wer sich jetzt bei diesem Heft einen ersten Eindruck geholt hat und mehr über Lugosi lernen möchte, der sollte sich entweder das Citadel-Buch LUGOSI AND HIS FILMS, die neue Essay-Sammlung BELA LUGOSI von Midnight Marquee oder das teure, aber brillante McFarland-Hardcoverbuch KARLOFF AND LUGOSI - THE STORY OF A HAUTING COLLABORATION kaufen, in dem die Arbeiten der beiden führenden Horrorfilmschauspieler der dreißiger und vierziger Jahre beschrieben werden.

Thomas Wagners "Schattenspiele" führt sehr ausführlich in die Materie ein. Er stellt die wichtigsten Lugosi-Filme vor, ohne ausführliche Kritik zu üben (was bei der Anzahl seiner Filme nicht möglich ist), versucht die persönlichen Probleme und Schwierigkeiten Lugosis mit seinem beruflichen Fall zu verknüpfen und der Leser erhält einen gekonnten Überblick. Eddie M. Angerhuber stellt in "Die Eleganz des Bösen" Lugosis DRACULA vor. Obwohl er in seinem Artikel dem Stoff nichts neues hinzufügen kann, versucht er, den Leser zu unterhalten.

Mich überrascht es allerdings, daß sich ein Heft wie LUGOSI MANIA ausgerechnet mit den beiden bekanntesten seiner Filme, DRACULA und WHITE ZOMBIE, beschäftigt, von denen der eine inzwischen überanalysiert worden, während der andere unterbewertet ist. Eddie M. Angerhuber schafft es allerdings, WHITE ZOMBIE mehr abzugewinnen. Er geht mehr in die Tiefe bei der Betrachtung des Films und stellt ihn in den Rahmen des Stummfilms (zu dem er sicherlich planerisch gehört hat) mit seinem bewußt statistischen Aufbau. Auf der anderen Seite könnte man erwidern, daß auch einige Stummfilme wie BLACKMAIL (der erst später zu einem Tonfilm wurde) oder TABU sehr lebhaft und bewegt in Szene gesetzt wurden. Vielleicht sollte auch die fast zum Erliegen kommende Bewegung der einzelnen Figuren an den "lebende Tote"-Status aller Figuren erinnern. Die Grenze zwischen Zombies und Menschen hebt sich gänzlich auf. Enttäuschend ist allerdings das Fehlen wichtiger Filme. Es wäre sinnvoll gewesen, eine Besprechung von THE INVISIBLE MAN (einem Science Fiction-Film mit Karloff) oder GLEN OR GLENA (ja, der Ed Wood-Film) zu drucken, um zu unterstreichen, daß Lugosi mehr als nur Monster oder Verbrecher in finsteren Schlössern spielen konnte. Selbst die wirklich sehr unterhaltsamen, aber im Grunde unlogischen Filme der Monogramm-Zeit haben aufgrund ihrer Seltenheit eine Erwähnung oder Rezension verdient.

Alle Kurzgeschichten unterscheiden sich von der sonstigen Fanprosa durch eine stimmungsvolle Hommage an die goldenen Horrorfilmzeiten. Dombovars "Projektionen" ist die längste der Geschichten und schildert die Begegnung des Ich-Erzählers mit einer faszinierenden Frau, ihrem Herrn und Meister, sowie dessem weiblichen Faktotum Miß Yü. Obwohl das vorhersehbare Ende etwas von dieser stimmungsvollen Geschichte nimmt, fühlt sich der Leser in die Zeit der dreißiger Jahre zurückversetzt, in der eine exotische Frau einem Vamp vergleichbar, die zu rettenden "Jungfrau" in weiß gekleidet und der Vamp meistens Fay Wray war. Wer sehr viele dieser alten Filme gesehen hat, kann "Projektionen" mit einem Schmunzeln auf den Lippen genießen.

Reisners "Nachtfühlen" ist nur eine Skizze einer Geschichte. Eine Frau trifft einen Mann und verzaubert bzw. tötet ihn. Besonders in den ersten Absätzen versucht der Autor die Schaffung einer Atmosphäre mit Hilfe unvollständiger Sätze und einzelner Schlagworte, die aber dem allzu schwachen und offensichtlichen Ende nicht gerecht werden.

"Rosen aus Byzanz" skizziert die Wege, die Liebe oder Bewunderung gehen kann. Vergleichbar dem Fan, den Bela Lugosi im Alter noch heiratete, schildert Eddie M. Angerhuber die Folgen einer Begegnung in der Nacht. Auch hier wirkt die Prosa der Essenz der Geschichte nicht angemessen, sie ist zuviel. Ich habe teilweise bei einigen der kurzen Geschichten den Eindruck gehabt, als wenn die Autoren verliebt in ihre Sätze aus kleinen, netten Ideen ganze Epen machen wollte, vergleichbar den Bühnenschauspielern, die erst mit sehr viel Disziplin und Übung gelernt haben, vor der Kamera weniger zu geben als auf Bühne. "Ein Wurm namens Ewigkeit" ist die zweitlängste Geschichte, ein Abenteuergarn, das in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts spielt, nett geschrieben und kurzweilig.

Von den letzten Geschichte möchte ich besonders die einzige in der Zukunft angesiedelte Story "Der Schwarze Kater" (in Anlehnung an THE BLACK CAT?) herausstellen. Während der Protagonist von allen Leuten verlacht wird, weil er die alten Filme sieht, hätte ich mir vorstellen können, dem Ganzen eine bizarre Wendung zu geben. In erster Linie geht es um Klone, die eine neue Dimension der Unterhaltungsindustrie in sechzig Jahren erschaffen. Im Zuge des Trends in die Vergangenheit wäre es interessanter gewesen, die alten Filme als das Medienereignis der Neuzeit anzupreisen. Wer sich mit den Unterhaltungsmedien beschäftigt, wird immer wieder feststellen, daß die neue Technologie zur Bewahrung des Alten genutzt wird. Oder wie lautet der Werbespruch für WHITE ZOMBIES: Interessante Zeiten bringen interessante Filme hervor. Darum sollte sich jeder fragen, warum die neuen Filme technisch immer perfekter werden, aber tief in ihrem Inneren einfach nur hohl sind.

LUGOSI MANIA ist eines der besten Fanzines, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Durchweg versucht man sich dem Phänomen Lugosi (ich kann es wirklich nicht erklären) zu nähern. Auch wenn einige Stories nicht unbedingt meinen Geschmack treffen (das wird sehr selten der Fall sein), bieten sie dem Leser ein ungewöhnliches Spektrum an, der sich dem Heft offen und mit möglichst wenig Informationen nähern sollte, um einen ersten Einblick zu erhalten.

Nett sind auch die vielen, stellenweise zu dunkel gedruckten Fotos aus den verschiedenen Filmen, ein sauberes Layout und ein sehr gut zu lesendes Druckbild.

Thomas Harbach

Neustadt i. H.


VURGUZZ CLASSIC 10
52 Seiten DIN A 4, Kopie, Klebebindung.
Auflage: 60 Exemplare, 7,90 DM.
Bezug: PHANTASTIK CLUB GUY NELSON, Ralf Zimmermann, Johannes-Prassel-Str. 51, 50765 Köln.
Bankverbindung: Postbank Köln (BLZ 370 100 50), Konto 485728-506.

Und wieder eine Ausgabe des Clubzines des GUY NELSON-Clubs (eines von beiden, wenn ich mich nicht irre). Die Nr. 10 ist schön als Jubiläumsausgabe herausgemacht, eingeklebt in eine Plastikmappe. Das sieht auf den ersten Blick etwas ungewohnt aus, hat aber etwas. Auf 52 Seiten sammelten die Redakteure Zimmermann und Eischet das Beste, was ihr Club zu bieten hat, und gaben sich auch mit dem Layout durchaus Mühe. So kann man immerhin schon mal einige schöne Illustrationen bieten (ein sehr nettes Cover inklusive) und auch eine abwechselnde Vielfalt an sekundären und primären Beiträgen. Leider ist die Qualität nicht immer gänzlich überzeugend.

Schwerpunkt dieser Ausgabe ist ein langer Artikel zum italienischen Horrorregisseur Lucio Fulci, der offenbar das Zeitliche gesegnet hat. Da ich von Horrorfilmen nichts halte, kann ich kaum beurteilen, inwiefern die Würdigung des Autors - ein "Dr. Freudstein", wie originell! - der Wahrheit entspricht, wenngleich mich die Darstellung der Filminhalte nicht gerade dazu anspornt, mir einen dieser Reißer reinzuziehen. Immerhin eine Filmografie und ein paar Fotos, wie es halt dazugehört.

Michael Breuers Fantasygeschichte "Tod eines Magiers" schmeißt die üblichen Ingredienzen zusammen: Edler Held, abhängig von den Diensten eines "Höllenlords", ein Magier, ein nettes Mädel, eine hoffnungsvolle Prophezeiung am Ende und ein tragischer Ritt in den Sonnenaufgang - immerhin nicht ganz das Happy End-Klischee. Eine recht gut geschriebene Geschichte, wenn sie auch nicht sonderlich originell ist.

Über meine Schreikrämpfe bei der Lektüre von Dirk de Langes STAR TREK-Story "STAR TREK - The New Generation: The Deserter" (die Story selbst ist aber in Deutsch) will ich nicht allzu viel berichten. Jedenfalls ist die Kommandantin "elegant und attraktiv", Will Riker mittlerweile ein bärbeißiger Admiral und auch sonst ist alles furchtbar langweilig.

Viel spannender scheint da die Tatsache zu sein, daß die Nr. 10 von VURGUZZ CLASSIC in Wirklichkeit ein Überraschungsei ist! Denn jede Ausgabe enthält eine beliebige CD-ROM als kleines Gimmick. Ich hatte ein tolle CD-ROM von "T-Online", die schnurstracks im Müll landete. Vielen Dank!

Nunja, man soll nicht zu hart urteilen. Für ein Clubzine ist VURGUZZ CLASSIC nicht einmal übel und mit Sorgfalt gemacht. Man bemüht sich, viele Facetten des Genres abzudecken und hat das Image des Klamaukzines abgestreift. Aus dem, was die Clubmitglieder zu bieten hatten, haben die Redakteure sicher das Beste gemacht. Trotzdem ein für Außenstehende wahrscheinlich eher uninteressantes Zine.

Dirk van den Boom

Münster


SOLAR-X 76
52 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 90 Exemplare, 3,50 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Wieder liegt mir ein SOLAR-X, diesmal die Nr. 76, des ANDROMEDA SF-CLUB HALLE vor.

Der Umschlag präsentiert sich ganz im Zeichen des Drachen: Vorder- und Rückseite werden von entsprechenden Vignetten geziert, die aus der Feder Deborah L. Carrs stammen. Und man staune, der Herausgeber ist nach wiederholten Gequengel, es gebe zu wenig Grafiken, über seinen Schatten gesprungen und hat im Innenteil zwei weitere Illustrationen, eine sogar ganzseitig, untergebracht. So richtige Hingucker sind es aber nicht ...

Der umfangreiche Textteil ist wie gehabt: Taschenbuchrezensionen, Stories, Fandom-Informationen; alles ordentlich nach Genre sortiert.

Peter Schünemann erzählt in "Ernst", der längsten Story, von einem jungen Piloten, der ein kleines Raumschiff aufhalten muß. Die Passagierin hat sich mit einer Krankheit infiziert und bedroht dadurch die Bevölkerung eines ganzen Planeten.

Die typischen Klischees der Space Opera lassen sich schnell aufzählen. Ein einzelner rettet mal wieder die Welt vor tödlicher Gefahr; nichts Neues. Hier der mutige, junge Mann (Applausapplausapplaus!), da das hysterische, kranke Mädchen (buh!) - die Rollenverteilung kann man schlicht als phantasielos und chauvinistisch bezeichnen. Um dem Vorwurf zuvorzukommen, eine Autorin hätte die Rollen lediglich vertauscht, was auch nicht einfallsreicher wäre, sei an dieser Stelle gesagt, daß es sich Frauen wenigstens verkneifen können, hysterische Männer zu schildern (wenngleich, wie z. B. gewisse Reaktionen auf gewisse Rezensionen beweisen, man(n) durchaus im wahren Leben zu Hysterie neigt, argh!). Am Schluß darf auch geballert werden. Damit löst man(n) immer noch seine Probleme. Ach so, ein paar Gewissensbisse hat der Held auch, doch das Mädchen ist ja selber schuld, und der Computer nimmt die Entscheidung ab; da braucht die weiße Heldenweste nicht einmal gewaschen zu werden.

SPACE 2063 läßt grüßen. So sehr diese Serie bereits in die Kritik geriet, scheinen doch gewisse Impulse von ihr auszugehen. Analog wird in "Ernst" eine Gruppe junger Leute eingeführt, ein gemischtes Team, das an Vansen, Wang & Co. erinnert. Ausgebildet werden sie von einem väterlichen Vorgesetzten, dessen hartes Los es ist, einen seiner Piloten mit jener schwierigen Aufgabe zu betrauen. Bis auf den Helden und die personifizierte Krankheit erweisen sich jedoch alle übrigen Figuren als für die Handlung überflüssig, ebenso der einleitende Brief, der wie alle anderen Ansätze, die sich vom Klischee zu lösen versuchen, nicht zu Ende geführt wird.

Frank Rogers "Der Aufstand der Anrufbeantworter" liest sich kurz und schmerzlos. Ein Anrufbeantworter, seiner Funktion überdrüssig, vergrault die Anrufer. Es klingt ganz witzig, aber die Pointe sucht man vergeblich.

"Die Mondin" von Cornelia Marks zeigt sich inspiriert von alten Mythen. Die Autorin verarbeitet Fruchtbarkeitsriten, die unerfüllte Liebe zwischen Göttern und Menschen, die Mondphasen zu einer phantastischen Erzählung. Offenbar hat sie sich zu diesen Thema ein umfangreiches Grundwissen angeeignet, so daß prompt etwas zuviel des Guten in die kurze Story eingeflossen ist.

Thomas Wagner greift in "Lactophobia" die Abneigung vieler Menschen gegen Milch und Milchprodukte auf. Die Story ist amüsant erzählt, aber in traditioneller Manier, die das Ende vorhersehbar macht.

Die Rezensionen sind ausführlich, informativ und haben mich davor bewahrt, den einen oder anderen Band zu kaufen, der mir wahrscheinlich nicht zusagen würde. Ob man sich den Interpretationen anschließen möchte, sei jedem selbst überlassen.

Zweimal wird das Ost/West-Thema angesprochen: Zuerst in Form einer Bibliographie der SF-Literatur in der DDR, später als Artikel von Peter Schünemann. Es macht wohl viel zu viel Spaß sich über Wessis, Ossis und die Vorurteile zu ärgern, als daß man die Sache einfach ruhen läßt.

Einmal mehr wird sich ereifert über die strikte Trennung Deutschlands in zwei Hälften, über Vorurteile, die nach etlichen Jahren der Wiedervereinigung noch nicht abgebaut sind, und insbesondere die Intoleranz gerade unter SF-Lesern (!) beider Landesteile, die sich stets einbilden, allein schon durch ihren Literaturgeschmack Weltoffenheit und Toleranz mit den Löffeln gefressen zu haben, bloß daß ihnen dies nicht scheint bekommen zu sein.

Wie die Bibliographie und viele andere Dinge verdeutlichen, ist die Unterscheidung in Mensch-Ost und Mensch-West in den Köpfen einfach drin. Man sollte das aber bei allem Selbstmitleid nicht überbewerten, zumal es nur eine von vielen Haßlieben ist. Da gibt es ja noch den derben Bayern und den übergenauen "Preiß" (wobei jeder Nichtbayer als Preuße definiert wird, sei er nun Pfälzer, Hesse oder Ossi), den einfältigen Ostfriesen, den geizigen Schwaben, den großmäuligen Kölner, den dümmlichen Österreicher und wer weiß wen noch. Keiner macht soviel Aufhebens um diesen Unsinn, stattdessen liefert man gerade durch das permanente Wiederkauen der Angelegenheit immer neue Nahrung.

Was meine persönlichen Vorurteile betrifft, geht es mir wohl wie vielen: Ich habe sehr nette Verwandte und Bekannte in oder aus "Ossi-Land", aber ich habe auch eine üble Erfahrung mit einer Person gemacht. Dasselbe trifft nicht minder auf "Wessi-Land" zu, wo mir sowohl ordentliche Leute, wie auch Stinkstiefel über den Weg liefen. Es gibt solche und solche - überall.

SOLAR-X 76 - wie immer.

Irene Salzmann

Kranzberg


LEGENDENSÄNGER-EDITION 19: SPIEGELBILDER
60 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 30 Exemplare, 5,00 DM.
Bezug: Christel Scheja, Josefstr. 29, 33106 Paderborn-Elsen.

Wo sind sie nur geblieben, die guten alten Storyfanzines der achtziger Jahre? Außer Club- und Rezensionszines und vielleicht noch dem ein oder anderen Druckwerk aus der Welt des Horror- oder des Rollenspielfandoms gelangt kaum einmal etwas in den Briefkasten des nimmermüden FK-Rezensenten.

Doch eines verregneten Sommertages witterte der ergrauende alte Verreißwolf bereits etwas Ungewöhnliches, als er zum Briefkasten schlurfte. Und als er mit der rechten Pfote in den Umschlag mit Wallenhorster Absender griff, da zückte er - ein Storyfanzine! Groß war da sein Freudengeheul! Doch dann entsann er sich, daß er damals in den Achtzigern kaum einmal ein Storyfanzine wirklich gern gelesen hatte. Mit hängenden Lefzen beäugte er das Heft namens SPIEGELBILDER. Würde er nach der pflichtgemäßen Lektüre wohl auch noch freudig heulen oder doch eher schmerzlich winseln?

Vier Geschichten in dem recht dicken Zine stammen aus dem PC von Arnulf Breuer. "Bild" beschreibt den Drogentod eines jungen Mannes, der psychogene Pilze gefuttert hat. Es gelingt Arnulf recht anschaulich, das Einsetzen des Rausches zu schildern., und auch stilistisch wird dies gut umgesetzt. Aber ich hätte mir gerade wegen der guten Ansätze der Geschichte ein überraschenderes, interessanteres Ende gewünscht als den klischeehaften Sprung aus dem Fenster, an den wohl jeder denkt, der zum ersten Mal eine LSD-Pille in seiner hohlen Handfläche hält und sich fragt, ob er sie schlucken soll.

Auch "Anhalten" geht leider über gute Ansätze nicht hinaus. Hier stellt Arnulf einen verbitterten alten Mann vor, der an Trampern vorbeibraust und dessen Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. An der Stelle, an der die Geschichte eigentlich erst richtig anfängt, interessant zu werden, hört Arnulf mir unverständlicherweise auf.

"Das Mädchen", Arnulfs längste Geschichte in diesem Band, ist zugleich auch seine beste. In diesem schönen Märchen beschreibt er, wie ein kleines Mädchen einen Verbrecher auf unglaubliche, aber dank Arnulfs Erzählkunst doch plausibel beschriebene Weise läutert. Dieses kleine Juwel beweist, zu welcher Form Arnulf auflaufen kann, wenn er seinen Geschichten nur genug Zeit und Raum läßt, sich zu entwickeln.

In "Ein schlechter Tag" nimmt Arnulf wiederum das Drogenthema auf. Diesmal schildert er die Nöte eines Kleindealers auf wiederum recht authentisch wirkende Weise, dessen Freundin schon komplett weggetreten ist. Angenehm aufgefallen ist mir bei den vier Geschichten, daß Arnulf stilistisch über eine große Bandbreite verfügt. Unter uns Amateuren ist das ja nicht gerade die Regel.

Auch in Petra Hoppes "Katzenjammer" leidet die Protagonistin an den Folgen eines Rauschs. Doch in diesem Fall wird nur vom Morgen nach einer Party berichtet, auf der viel getrunken wurde. Petras Heldin ist verständlicherweise recht verblüfft, als sie in einem fremden Bett neben einem fremden Mann erwacht, der sich zum Glück als wahrer Märchenprinz erweist. Die Geschichte ist unspektakulär, aber äußerst vergnüglich und elegant erzählt. Die Dialoge und die einzelnen Szenen sind stimmig, und Petra gelingt es, ihren Figuren Leben einzuhauchen.

Christel Scheja, die Herausgeberin, ist mit der Geschichte "Habt ihr einander gewärmt?" vertreten. Christel beklagt darin die Gefühlskälte der heutigen Welt und stellt dabei die Frage, warum das emotionale Feuer der Jugend plötzlich verschwindet. Obwohl die Story natürlich zum Moralisieren neigt, gelingt es Christel dennoch, sie vom Kitschigen und Klischeehaften zu bewahren, indem sie das erzählerische Element dabei nicht vernachlässigt.

Alexander Lohmann beschreibt in "Am Ziel der Wünsche", wie ein junger Mann sich mittels Magie einen Dämonen angelt, der ihm bei der Persönlichkeitsentwicklung weiterhelfen soll. Natürlich geht dabei etwas Entscheidendes schief. Leider hört die Story wie "Anhalten" an der Stelle auf, an der man gerade neugierig auf ihren weiteren Verlauf geworden ist, und läßt den Leser daher unbefriedigt zurück.

Auch in "Der Riß" nimmt sich Alexander des Übersinnlichen an. Er beschreibt darin, wie ein junger Mann in einem Tunnel einen Riß in der gekachelten Wand entdeckt, hinter dem das Unheil lauert. Alexander erzählt diese Begegnung mit dem Übersinnlichen spannend und gekonnt, und in dieser Geschichte fehlt kein einziges Wort, so genau auf den Punkt ist sie geschrieben.

Die längste Story in diesem Band ist das erzählerische Debüt von Yvonne Friese, die ein psycho-soziales Experiment schildert: Sieben Kinder, die alle ein traumatisches Erlebnis hatten, werden für eine Woche ohne Aufsicht zusammengesetzt. Yvonne lüftet nach und nach das schreckliche Geheimnis der Sieben- bis Fünfzehnjährigen, die alle sehr glaubhaft und prägnant charakterisiert werden. Durch die Rückblenden und den spannenden Verlauf der Handlung in der Jetztzeit entwickelt die Geschichte ein beachtliches Tempo und zwingt förmlich zum Weiterlesen. Zwar weist Yvonnes Story stilistisch hier und da noch Schwächen auf, und dramaturgisch finden sich manche Ungereimtheiten, aber für ein Erstlingswerk ist die Geschichte unglaublich dicht und routiniert geschrieben. Ich bin sehr auf Yvonnes weitere Entwicklung gespannt.

Doch nicht nur erzählerisch, auch grafisch bietet SPIEGELBILDER einiges. Vor allem die kunstvollen Zeichnungen von Detlef Krämer, der interessante Motive stilistisch sehr gekonnt umsetzt, sowie die eingescannten Airbrush-Grafiken von Ralf Schoofs sind ein Augenschmaus.

Zum Schmerzgewinsel bietet SPIEGELBILDER wahrlich keinen Anlaß. Ob das Zine wohl nur eine erfreuliche Ausnahme im grauen Alltag des FK-Verreißwolfs bleibt, oder ist es womöglich ein Vorbote auf eine Renaissance des guten, alten Storyfanzines?

Die Antwort darauf findet sich in den nächsten Ausgaben vom FANZINE-KURIER!

Joachim Stahl

Leinfelden


Der FANZINE-KURIER erscheint in der EDITION WHISPERING TIMES.

Herausgabe, Redaktion und Vertrieb:

Armin Möhle
Eibenweg 18
49134 Wallenhorst.

Preise: Einzelexemplar 1,20 DM, Jahresabonnement (6 Ausgaben) 6,00 DM (in Briefmarken oder als Verrechnungsscheck).

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dirk van den Boom, Siegfried Breuer, Thomas HarbachHolger Marks, Clemens Nissen s. ps., Irene Salzmann, Thomas Schmitz, Joachim Stahl, Johannes Unnewehr.

Auflage: 70 Exemplare
Besucher der Online-Ausgabe:

Für Rezensionsexemplare sind wir stets sehr dankbar!


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