ROSSINI - ODER DIE MÖRDERISCHE FRAGE, WER MIT WEM SCHLIEF
SATIRE, D 1996 Regie: Helmut Dietl,
Buch: Helmut Dietl, Patrick Süskind,
Musik: Dario Farina,
Kamera: Gernot Roll,
Schnitt: Inez Regnier,
Darsteller: Götz George (Uhu Zigeuner), Mario Adorf (Paolo Rossini), Heiner Lauterbach (Oskar Reiter), Gudrun Landgrebe (Valerie), Veronica Ferres (Schneewittchen), Joachim Krol (Jakob Windisch), Hannelore Hoger (Charlotte Sanders), Armin Rohde (Dr. Sigi Gelber), Jan Josef Liefers (Bodo Kriegnitz), Martina Gedeck (Seraphina), Meret Becker (Zillie Watussnik), Hilde van Miegheim (Fanny Zigeuner), Burghart Klaussner, Edgar Selge, Erich hallhuber, Christian Berkel, Carola Regnier, Axel Milberg, Markus Majowski, Giulio Ricciarelli, Petra Berndt, Irene Rindje, Sandra Steffl, Gabriele Dossi, Herman van Ulzen, Timo Dierkes Kinostart: 24/1/1997
Abend für Abend okkupiert eine Gruppe illustrer Stammgäste das Restaurant "Rossini" und macht es auf hemmunglos-exhibitionistische Weise zur Bühne ihrer erotischen Lust- und Trauerspiele. (Verleihprogramm)
Es war einmal, tief in den achtziger Jahren, ein kleines italienisches Restaurant in der großen Stadt München, in dem Abend für Abend alle wichtigen Leute aus dem deutschen Kulturvolk zusammenkamen, zum Reden, zum Schauen und zum Speisen. Da saßen der Filmproduzent E. und der Regisseur D., der Schriftsteller S. und auch der Dichter W. - und ringsum ihre Frauen und Freundinnen, die berühmten und die namenlosen, die schwachen und die gefährlichen, die Damen in Rot und die Damen in Weiß. Man trank und schwatzte, und ab und zu gab es auch Streit, über Filme oder Bücher oder Filmdrehbücher, über Geld- und Liebesdinge, und einmal, vor ganz langer Zeit, soll sich sogar eine der glänzenden Damen aus Verzweiflung vom Leben zum Tode befördert haben - aber schon am nächsten Tag saßen alle (bis auf eine!) wieder beisammen und speisten, glotzten und glänzten ganz wie zuvor. Selige Zeiten!
Das ist natürlich alles längst Geschichte, Kinder. Bei uns in den Neunzigern herrscht jetzt ein ganz anderer Geist: Armut, Klarheit, Disziplin. Die neuen Tugenden! Die Freßzeit, so viel wissen wir, ist zu Ende, und die Chianti-Generation hat sich müde gesoffen. Was wir jetzt brauchen, für Deutschland, Berlin und Europa, sind...
Da klopft es an der Tür. Wer da? Der steinerne Gast. Es ist Helmut Dietl , 52, der Regisseur aus dem Märchen, und er hat uns etwas mitgebracht: einen Film. Denn all die Jahre über, in denen wir uns das neue Deutschland ausgedacht haben, hat Dietl mit dem Schriftsteller S. alias Patrick Süskind beim Italiener gesessen und ein Drehbuch über das alte geschrieben: "Rossini oder Die mörderische Frage, wer mit wem schlief". Jetzt ist der Film fertig, und der Produzent E., Klarname Bernd Eichinger, bringt ihn ins Kino. Und auch der Lyriker W., wie Wondratschek, ist mit dabei: Seine feinherben Gedichte werden in "Rossini", wann immer es paßt, zitiert. Und es paßt oft.
Nacht. Außen. Ein Restaurant. Flachdach, Schiebefenster, rote Leuchtschrift: "Rossini". Drinnen ein Knäuel von Menschen, Geräuschen, Satzfetzen. Eine Dame in Rot, eine Dame in Schwarz, ein Bärtiger, ein Halbrasierter, ein Beflissener, eine Aufdringliche, ein Verhuschter mit Schirmmütze. Ein Mann sagt zu einer Frau: "Suchen Sie sich in Ruhe den Busen aus, der Ihnen gefällt." Paolo Rossini (Mario Adorf) steht an der Tür und wimmelt ungebetene Kundschaft ab. Die Kundin: "Sie legen wohl gar keinen Wert auf gute Gäste!" Der Wirt: "Was brauch' ich gute Gäste, wenn ich so viele gute Freunde habe."
Ehe man überhaupt merkt, daß der Film begonnen hat, ist "Rossini" schon bei der Vorspeise: der Vorstellung der Hauptfiguren. So bleibt es bis zum Schluß: Dem Immergleichen, das er portraitiert, ist Dietl immer eine Nasenlänge voraus. Er läßt seine Szenen nicht ausklingen, sondern bricht sie ab und springt weiter ins nächste Bild. So kommt es, daß "Rossini" nie in der Kulisse versumpft, die doch sein ein und alles ist. Nichts wäre langweiliger als ein deutscher Restaurantfilm. Aber Dietl benutzt das "Rossini" nur als Tanzboden, auf dem er seine Geschichten kreisen lassen kann. Er erzählt von Menschen im Lokal, wie der Western von Menschen in der Prärie erzählt.
Da ist Valerie (Gudrun Landgrebe), die Frau in Rot. Sie sitzt zwischen Oskar (Heiner Lauterbach) und Bodo (Jan Josef Liefers), ihren beiden Liebhabern, am Tisch. Der eine, smart und glatt, ist Filmproduzent, der andere, sanft und schmierig, ein Dichter. Der eine schnulzt auf seiner Geige "O sole mio", der andere flüstert ihr feuchte Verse ins Ohr. Valerie will beide. Und keinen. "Ich will Lust bis zur Besinnungslosigkeit - und Ruhe. Leidenschaft bis zum Wahnsinn - und Frieden." Weil es beides zusammen nicht gibt, wird Valerie krank. "Seit ich euch kenne, bin ich verstopft." Aus den Betten von Oskar und Bodo rennt Valerie direkt in die Praxis von Dr. Gelber (Armin Rohde), um Abführmittel zu bekommen. Dann sitzt sie zu Hause auf der Toilette und weint, ganz bleich und ganz allein. Es ist der stillste Moment dieses Films. Noch stiller ist nur der Tod. Deshalb ahnt man schon, was geschehen ist, als die Kamera kurz vor dem Ende von "Rossini" noch einmal in Valeries Wohnung hineinfährt. ". . . und Frieden." Jetzt hat sie ihn.
Das ist die erste der drei Hauptgeschichten des Films: die Geschichte der Selbstmörderin. Sie gibt den Grundton an, auf den Dietls "Rossini"-Symphonie gestimmt ist. Alles, was darüber liegt, ist Scherz, Satire, Klamauk, funkelnder Wort- und Bilderwitz. Aber Dietls Witz kann nur funkeln, weil der Hintergrund, vor dem er spielt, vollkommen schwarz ist. Deshalb reicht es nicht aus zu sagen, "Rossini" sei die beste deutsche Filmkomödie seit Jahren. Dietls Film ist seit "Schtonk" (1992) die erste Filmkomödie überhaupt - die erste, die mehr als eine Klamotte ist.
Die zweite Geschichte, die "Rossini" erzählt, handelt von einem Filmprojekt. Oskar Reiter, der Produzent, und sein Freund Uhu Zigeuner (Götz George) möchten die "Loreley", den Erfolgsroman des Schriftstellers Jakob Windisch (Joachim Król), auf die Leinwand bringen. Aber Windisch, ein altes Kind mit großen Augen und knabenhaften Gelüsten, in dem Dietls Koautor Süskind sich selbst ein Denkmal gesetzt hat, will keinen Film. Als die Bankiers Hopf, Melk und Weich im "Rossini" auftauchen, um bei dem hochverschuldeten Reiter den "Loreley"-Vertrag einzutreiben, erreicht die Komödie ihren Siedepunkt. "Wenn der Vertrag bis zur Nachspeis' nicht da ist, muß ich dich killen, Oskar." - "Sparkassenlümmel! Hosenscheißer!"
Wäre das, was hier verhandelt wird, purer Blödsinn, könnte man immer noch darüber lachen. Aber es ist ja kein Scherz. Es ist die Tragödie des Deutschen Films. Die Sparkassenlümmel, der Produzenten-Großkotz, der Magenweh-Regisseur und die Schriftsteller-Diva sind das deutsche Kino, und so, wie Dietl sie zeigt, braucht man keine Marktanalysen und Besucherstatistiken mehr, um den Stand der filmischen Dinge in Deutschland zu begreifen. Der Film ist zum Brüllen, weil er stimmt. Man sieht Dietls Schauspielern an, wieviel Spaß es ihnen gemacht hat, ihre Schlüsselfiguren zu verkörpern: Heiner Lauterbach war nie besser als in der Rolle seines Freundes Eichinger, Götz George zieht den Dietl-Verschnitt elegant ins Berlinerische, und Joachim Król, zur Zeit der beste Charakterdarsteller im deutschen Kino, gibt den Münchner Dichter als unsterblichen Jämmerling, der im Bett der Kellnerin Serafina (Martina Gedeck) angstvoll nach seiner Mama ruft. "Ich will nichts erleben! Ich bin Schriftsteller . . . bitte keinen Realismus!" Man glaubt ihm jedes Wort.
Die dritte "Rossini"-Geschichte folgt aus der zweiten. Sie handelt davon, wie ein Blondschopf namens Schneewittchen (Veronica Ferres) zuerst die Liebe des Wirtes Rossini, dann das Herz des Regisseurs Zigeuner und schließlich die rauhe Zuneigung des Produzenten Reiter gewinnt und so vom Kindertheater ins deutsche Großkino aufsteigt. Es ist die wichtigste Geschichte dieses Films - und seine schwächste. Nicht weil Veronica Ferres, die Frau des Regisseurs Dietl, etwa keine gute Schauspielerin wäre. Sondern weil Schneewittchen, die Dame in Weiß, gar keine Figur ist. Sie ist eine Denkfigur, eine Allegorie des Kinos selbst. Und um eine Allegorie zum Leben zu erwecken, braucht man einen Glanz, der sich nicht spielen läßt. Man hat ihn oder hat ihn nicht. Veronica Ferres hat ihn nicht. Die Dame in Weiß bringt den Film ins Trudeln. Die Dame in Rot rettet die Partie.
Helmut Dietl hat lange gebraucht, um zur Lichtgestalt des deutschen Kinos zu werden. Als Wenders, Fassbinder und Herzog ihre großen Filme drehten, machte er Fernsehserien: "Münchner Geschichten" (1973) und "Der ganz normale Wahnsinn" (1978). Als Ende der siebziger Jahre das Hollywood-Fieber ausbrach, ging Dietl nach Los Angeles - und kam drei Jahre später heimwehkrank zurück. Dann sollte er für Eichinger die "Unendliche Geschichte" verfilmen. Er lehnte ab: "Ich kann mir nicht dreinreden lassen." Statt dessen schrieb er mit Patrick Süskind "Monaco Franze" (1983) und "Kir Royal" (1986). Zwischendurch drehte er Werbefilme: "Süßwaren, Autos, Bier - alle Marken." Dann kam "Schtonk" (1992).
"Der Schluß des Films ist mir auseinandergelaufen", sagt Dietl heute über "Schtonk". Und über "Rossini": "Ein paar schwächere Stellen sind schon noch drin." Dieser böse Blick hat ihn vorangetrieben, von den kleinen zu den großen Serien und ins Kino, zur Spitze, zur Perfektion. "Schtonk" war gut, "Rossini" ist perfekt: die Darsteller, die Kamera, das Licht. Zwei Drittel des Films wurden bei Kerzenschein gedreht. "Wir mußten jede Bewegung genau ausmessen, sonst wäre es unscharf geworden." Es wurde scharf.
Andere Regisseure aus Dietls Generation haben längst ihr Spätwerk erreicht. Dietl, der Nachzügler, steht erst am Anfang. Mit Sat.1 und dem WDR hat er Produktionsverträge geschlossen, unter anderem für einen Film mit Thomas Gottschalk: "Lightshow". Aber sein großes Projekt heißt "Lux". "Das war das Hotel in Moskau, in dem in den dreißiger Jahren alle deutschen Emigranten gewohnt haben." Dietls Film zur Jahrtausendwende: eine Geschichte darüber, "wie die Utopie über den Terror triumphiert". Ein Millionending. Und eine deutsche Komödie. Und der Weltmarkt, der internationale Erfolg? "Drauf geschissen. Filmkunst ist immer national." Helmut Dietl, ein Märchen aus Deutschland.
Das Schlußwort hat der Dichter: "Der alte Mief. Alles geht schief. Und die mörderische Frage, wer mit wem schlief, löst sich in Wohlgefallen auf." So endet das Spiel vom Fressen. Die Teller im "Rossini" sind immer noch voll. Aber niemand ißt. Vielleicht, weil alle damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu verschlingen. "Wie in den schlechtesten Komödien." Und in den besten. Kommen und Gehen, Schwatzen und Schlucken, Kauen und Verdauen.
Dann ist das Bild leer geworden.
(Andreas Kilb, DIE ZEIT Ausgabe Nr.05 vom 24.01.97)
Schwache Lichtquellen fordern dem Kino ironischerweise das größte Format ab. Helmut Dietl hat für seinen zweiten großen Spielfilm (nach Schtonk, 1992) gemeinsam mit dem Kameramann Gernot Roll gleich Breitwand gewählt: Es bietet für das Kerzenlicht, in dem sich Rossini über weite Strecken ereignet, eine größere Negativfläche und erlaubt die Verwendung lichtstarker Objektive.
Das technische Detail ist geradezu programmatisch in einer "Melodramödie" (so Dietl), die Rossini bei trivialen Tischgesprächen entwickelt. Kerzenlicht verzerrt in einem sogenannten In-Lokal die Mienen kleinmütiger Schickeria-Mitglieder zu Larven. Zu Kunstfiguren, die von großen Coups meist nur phantasierten, während in unterbelichteten Hinterzimmern fürchterliche Dramolette sich ereignen.
Ein Produzent (Heiner Lauterbach) hechelt da hinter einem großen, sehr papierenen Filmstoff her und verliert darüber das Lebensdrama seiner Geliebten (Gudrun Landgrebe) aus den Augen. Ein Regisseur (Götz George) ist bereit, für den nächsten Kinohit seinen besten Freund, einen Bestsellerautor (Joachim Król), zu verraten, und wird selbst von einem giftblonden "Schneewittchen" (Veronika Ferres) aufs Glatteis geführt.
Die traurigste Figur ist wohl der Gastwirt (Mario Adorf), der das Schöne und Wahre liebt und doch nur einen Haufen von (Selbst-) Betrügern bedient. Gleich zu Beginn steht er im läuternden Regen, aber das ist nur eine schnöde Illusion. Wieder treibt Dreck nach oben, die Kerzen verursachen ohne Durchlüftung Schweißausbrüche, und in alle Ewigkeit stellt sich – so der Untertitel – die mörderische Frage, wer mit wem schlief.
Viel ist im Vorfeld von Rossini über reale Vorbilder des von Dietl und Patrick Süskind verfaßten Drehbuchs spekuliert worden. In bester Erinnerung sind ja noch die Bemühungen des Produzenten Bernd Eichinger, die Rechte an Süskinds Parfüm zu erwerben, und tatsächlich spielt der Film lustvoll mit nicht sehr zufälligen Ähnlichkeiten. Den engen Rahmen eines Schlüsselwerks verläßt er jedoch sehr schnell: Für eine Seifenoper im Münchner Constantin- und Bavaria-Milieu hätte ja wohl auch eine jener TV-Serien ausgereicht, wie sie Dietl früher – von Monaco Franze bis Kir Royal – so meisterlich beiläufig entwickelte.
Aber die Zeiten des ganz normalen Wahnsinns – sie sind, zumindest für das deutsche Kino, vorbei: Der schieren Bewußtlosigkeit, mit der gegenwärtig Komödien-Macher Gag an Gag und ein falsches Bild an das andere reihen, hält Rossini einen Versuch in kinematographischer Konzentration entgegen. Eine Haltung, die nicht zuletzt handwerklich die große Leinwand rechtfertigt. Dietl entwickelt Witz nicht aus plump aneinandergereihten Pointen, sondern mit musikalischen Bewegungen durch einen sorgfältig vermessenen Raum.
Jedes kleine Detail ist ihm für die Erzählung so wichtig wie seine Stars, die hier oft lediglich verschwommen im Hintergrund auszunehmen sind. Rossini demonstriert wie schon Schtonk wieder ein Ensemblespiel, das an die besten Zeiten des deutschen Unterhaltungskinos erinnert.
Wenn daneben dann einige Dialogzeilen immer noch aufgesetzt anmuten, und einige melodramatische Passagen dick aufgetragen, so sind dies fast schon läßliche kleine Vergehen in einem Film, an dem letztlich eine fast todesmutige Verzweiflung nachhaltig in Erinnerung bleibt. Begleitet von Adriano Celentanos forschheiterem Abgesang Azzurro hebt am Ende die Kamera wieder ab von einem Laufsteg für Wiederholungstäter: Von einem bläulich leuchtenden Glaskubus, in dem von zunehmend verletzten, unsicheren Vereinsamten wieder und wieder die immergleichen Allüren ausgelebt werden, manchmal sogar über Leichen hinweg: Die Hölle, möglicherweise. (Claus Philipp, DER STANDARD vom 24. 1.1997)
Das Leben und die Lust, traditionell in Italien daheim, geben zunächst den Ton an: Adriano Celentano, den Rossini als Entrée serviert, singt, als Unterlage zum Vorspann, sein "Azzurro". Das paßt zum Blaustich dieses Films und zu den blauen Flecken, die jeder hier an Leib und Seele trägt. Also doch: Es ist nicht alles Lust, was Leben ist (auch wenn alles irgendwie lustig ist, was sich lebendig benimmt).
Wenn ein Filmemacher und ein Bestsellerautor sich aufmachen, eine Komödie zu schreiben, dann geht es darin - genau - in erster Linie um Filmemacher und Bestsellerautoren. Helmut Dietl, der Mann hinter Schtonk und Monaco Franze, hat nun wieder mit Patrick Süskind ("Das Parfüm") gearbeitet. Rossini ist ein Film über München und zwei oder drei Dinge, die die Münchner upper class bewegen, geworden.
Kein Künstlerdrama: "Rossini", das ist hier nur ein teures Restaurant für die Schönen, die Bösen und die Ahnungslosen, die an diesem unwirtlichen Ort aus Glas und Metall, zwischen gestreßten Kellnern und vertrottelten Neureichen ihre Geschäfte abwickeln.
Wovon erzählt Rossini? Ein Filmproduzent (Heiner Lauterbach) rennt, assistiert von einem depressiven Regisseur (Götz George), dem großen Geld hinterher - und dem miserablen kleinen Konkurs aus dem Weg: Ein weltfremder Autor (Joachim Król) soll sein Buch millionenschwer ans Kino verkaufen. Da sind sie alle, Dietl, Süskind, George - und Veronica Ferres (Das Superweib) ruiniert außerdem blond, engelhaft, fatal die Damen & Herren, die ihr zu nahe kommen: So spielt in und hinter Rossini jeder nur sich selbst.
Es geht trotzdem, obwohl so viel zugleich passiert, in Rossini letztlich um gar nichts: nicht ums Filmemachen, nicht ums Bücherschreiben - und darum, was die Menschen treibt, schon gar nicht. Nur die Lust am Kitsch, den Dietl sarkastisch demontiert, bleibt im Visier: Die opernhafte Tonspur kontrastiert das burleske Tun, während die anwesenden Poeten ihre niederen Absichten schöndichten und aufbrausende Violinen noch den trivialsten Sexklamauk hochkulturell süßen; und die dramatische Ferres entert Rossini gleich mit einem Brecht-Zitat.
Die Dialoge klingen, bei aller Süffisanz, doch sehr geschrieben. Und Gernot Rolls zweifellos bildgewaltige Kamera kostet die Liebe zum glühenden Rot und Frostblau so sehr aus, daß am Ende alles, Mensch und Materie, wieder nur nach Filmstudio, nach toter Konstruktion aussieht. So wie die fahle femme fatale Gudrun Landgrebe, die sich zur Halbzeit umbringt, um dann sehr dekorativ in ihrem blutrotschwarzen Designer-Apartment leblos im blutroten Badewannenwasser zu liegen: für immer die flambierte Frau.
Das Infernalische liegt in Rossini nur ein paar Millimeter hinter den derben Machinationen der feinen Gesellschaft, die Dietl aus Psychopathen, Neurotikern und Nymphomanen rekrutiert. Deswegen läßt sich das tote Äußere des Films nur bedingt kritisieren: Es ist Programm und wohl auch das Thema von Rossini. Tote Interieurs für halbtote Menschen, die sich - Zombies allesamt - dem Ende ihres Lügenlebens beängstigend schnell nähern.
Auch wenn die Kollegen von der Filmkritik, verklärten Auges, für Rossini inzwischen gar Fassbinder als Vergleichsmodell strapazieren, dessen geniale Chaotentruppe mit Dietls bravem Ensemble aber schon gar nichts (außer München) zu tun hat: Rossini, das ist panisch schnelles Dialogkino, ein All-Star-Kammerspiel mit Kassenerfolgsambitionen, und ein Film, der das neue deutsche Komödienkino natürlich anstrengungslos hinter sich läßt. Weil ein wenig eben deutlich mehr als null ist.
(Stefan Grissemann, DIE PRESSE)
Nah am Selbsthaß entstehen die besten Selbstporträts. Im sauren Ekel vor der eigenen Erbärmlichkeit stößt die ergiebigste Selbsterkenntnis auf. Patrick Süskind, der Dichter parfümierter Worte, und Helmut Dietl, der Schutzheilige von Schwabing unter den Regisseuren, karikieren sich und ihre Satelliten in dieser grandiosen Selbstverarschung. Haben damit der Münch ner Filmszene ein selbstbesudeltes Denkmal gesetzt: Humor, schwarz wie Urnenlack, schonungslos wie die Steuerprüfung, bösartig wie Folterknechte.
Der einzige Schauplatz, die sich selbstgenügende, eitle Welt des Stamm- und Szenelokals "Rossini" - nicht zufällig oft durch die riesigen Schaufenster gesehen - gleicht schon optisch einem riesigen Aquarium. Eine Nacht lang belauern die beiden sich und ihre Spezis als Spezies wie im Zoo. Ein Bassin voll skurriler Kreaturen, samt dem gesellschaftlichen Ambiente aus Haien, Zierfischen, Quallen und eitlem Tang. In-Szene, inszeniert und demaskiert. Der Mangel von Selbstmitleid dieser brillanten Eigenbespöttelung ist freilich mit zärtlicher Ironie gepuffert.
Wer will, erkennt mühelos Deutschlands Vorzeigeproduzenten Bernd Eichinger als Traumtanzexperten, wie er im pas de deux mit Regisseurfreund und Geldgeberfeinden allen auf die Füße tritt, auch Schmuddellyriker Wolf Wondraschek als sprechstellerische Maulhure usw. Peinliche Minuten gerinnen zur Stunde der Wahrheit für jeden. Für den realitätsflüchtigen Poeten, der seine Traumfrau als Madonna anbeten kann. Für die femme fatale zwischen zwei Männern, die ihre Lebensgier nur noch mit dem Tod befriedigen kann. Für das blonde Busenwunder Schneewittchen, welches für eine Filmrolle den unappetitlichsten Schwanz lutschen würde.
Für den Padrone des "Rossini" im ständigen Wechsel zwischen Fels in der Brandung der Gastronomie und einsam herumgestoßener Flaschenliebespost im Strudel unbefriedigter Gefühle. Soiree der Eitelkeiten und Berührungsängste, Protzkotzereien und Orgasmusschwierigkeiten. Jeder bekommt sein Fett, aber keiner wird darin erstickt - einzige Ausnahme jener weibliche Frustkarpfen aus dem Adabeigewerbe, die sich journalistisch und emotionell ständig im trüben aalt.
Die Handlungsfäden aus Intrigen und Gegenintrigen, Film- und Zukunftsplanung, Hysterie und Geilheit, episodisch zum Lügengespinst verwoben, enthüllen die nackte Wahrheit nur umso schamloser. Dazu Pointentalmi, wie er echter nicht sein kann. Und die Creme deutscher Schauspielkunst, von George bis Landgrebe. "Das Leben ist wichtiger als jeder Film", sagt der Regisseur, als wieder einmal Scherbenhaufen zwischen den Freunden angesagt ist. "So? Seit wann?" zieht der Produzent die Augenbrauen hoch. Diese exhibitionistische Sittenkomödie gibt letzterem so recht, wie in ihr auch allen recht geschieht. (Rudi John, KURIER)
USA 1996 Regie: Tom Hanks,
Musik: Howard Shore,
Kamera: Tak Fujimoto,
Schnitt: Richard Chew,
Darsteller: Tom Everett Scott (Guy Patterson), Liv Tyler (Faye Dolan), Johnathon Schaech (Jimmy), Steve Zahn (Lenny), Ethan Embry (Bass-Spieler), Tom Hanks (Mr. White), Charlize Theron (Tina), Obba Babatunde (Lamarr), Giovanni Ribisi (Chad), Chris Ellis (Horace), Alex Rocco (Sol Siler), Bill Cobbs (Del Paxton), Peter Scolari (Troy Chesterfield), Rita Wilson (Marguerite), Chris Isaak (Onkel Bob), Kevin Pollak (Vic Koss) Kinostart: 24/1/1997
Sommer 1964: Eine Hobby-Band bekommt die Chance zur Plattenaufnahme, ihr Song entwickelt sich zum Hit, ein cleverer Manager bringt das Quartett zu Ruhm. Doch der Erfolg überfordert die Freundschaft der jungen Typen, die Gruppe bricht auseinander. Der Schauspieler Tom Hanks erzählt in seinem Debutfilm von der beginnenden Pop-Szene der 60er Jahre, vom wilden Leben und der Ernüchterung, vom Zusammenprall zwischen Business und Begabung. Ein liebenswert-nostalgisches 60er-Revival. (M.K.)
Die Rockgeschichte ist voll von One Hit Wonders wie diesem: Eine Band eilt im Blitztempo vom Proberaum in die Hitparade, um dann genauso rasch wieder zu zerfallen. In seinem Debütfilm als Autor und Regisseur läßt Tom Hanks diese Pop-Story im Jahr 1964 ablaufen.
Seine Musiker, The Wonders, die ihren Eigensinn dadurch betonen, daß sie sich Oneders schreiben (worauf sie jeder O-Neders nennt) stammen aus der Provinz, klingen wie die jungen Beatles und erleben ziemlich verblüfft, wie rasch man zum Star werden kann.
Autor Hanks hat für Filmstar Hanks eine Rolle als Manager geschrieben, die Regisseur Hanks hintergründig-sympathisch anlegt. Sympathisch ist der ganze Film: Eine schwerelose Komödie aus der Pop-Welt. (Gunther Baumann, KURIER)
USA 1996 Regie: Ringo Lam,
Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Nastasha Henstridge, Jean-Hughes Anglade Kinostart: 24/1/1997
Polizeibeamter aus Nizza, dessen Zwillingsbruder der Russen-Mafia angehört, fährt nach New York, um dessen Hintermänner in Little Odessa unschädlich zu machen. Etwas gewöhnungsbedürftige (Doppel-)Rolle Monsieur Van Dammes: dafür recht "nett" inszeniert von Ringo Lam, einem der Action-Experten Hongkongs. (FALTER)
Hongkongs Filmemacher proben längst schon ihren Exodus. Wong Kar-Wai (Fallen Angels) hat sein jüngstes Projekt im Oktober 1996 in Buenos Aires abgedreht. John Woo (The Killer; Bullet in the Head) ist schon vor Jahren in die USA übersiedelt, um dort zuletzt Broken Arrow (1996) mit John Travolta zu inszenieren. Nun gibt auch der Hongkong-Regiestar Ringo Lam mit Maximum Risk seinen Einstand in Hollywood. Schon vorher hat er mit seinem Film City on Fire wesentlich Quentin Tarantinos Reservoir Dogs beeinflußt.
Lams Maximum Risk ist (wie auch John Woos US-Debüt Hard Target, 1993) ein Vehikel für den Belgischen Kinoathleten Jean-Claude Van Damme. Doch erstmals hier scheint die euro-asiatische Kooperation auch wirklich mit Gewinn zu funktionieren: Maximum Risk ist ein solider, schneller Körperactionfilm, mit ein paar kleinen Pointen und einer Geschichte, die, wie es sich gehört, mit der Tür ins Haus fällt.
Der französische Polizist Alain Moreau (Van Damme) entdeckt eines Tages, daß er einen gerade verstorbenen eineiigen Zwillingsbruder hatte, der offenbar mit der russischen Mafia in New Yorks "Little Odessa" in Verbindung stand. Weil Moreau wissen will, was der Bruder plötzlich in seiner Nähe suchte, begibt er sich auf Spurensuche nach New York. Sein einziger Anhaltspunkt ist ein Name, der ihn zu Bruders schöner Freundin (Natasha Henstridge) führt. Weil alle Welt, die Freundin eingeschlossen, Herrn Moreau nun aber für seinen eigenen Zwillingsbruder hält, hat er alle Hände und Füße voll zu tun, sich seiner Gegner zu erwehren.
Im russischen Dampfbad, in New Yorks U-Bahn und auf südfranzösischen Straßen wird er geprügelt, verfolgt und beschossen. Klimax wird da an Klimax gereiht. Die Story ist so dumm wie dreist, das Tempo angezogen. Und, ach ja: Für Niveau in den kleinen Nebenrollen sorgen Jean-Hugues Anglade und Chabrols Muse Stéphane Audran. Schön zu sehen, daß auch diese beiden noch zu jedem Spaß aufgelegt sind. (Robert Weixlbaumer - Die Presse, 30/1/97)
Des steakgesichtigen Mijnheer Jean-Claude van Damme - medium rare - bisher absolut raffinierteste Prügelpartie. Was natürlich nichts heißt. Vandammitäten besitzen auch im abgehobensten Falle die Subtilität eines Vorschlaghammers. Dafür stets Action vom Feinsten, d. h. vom Gröbsten. Die vorliegende Handlung dürfte aber für gestandene Vandammisten eine intellektuelle Herausforderung bedeuten: Wie auseinanderhalten, wenn Jean-Claude als sein eigener Zwilling stirbt, um sich dann vom überlebenden Bruder rächen zu lassen?
Der verdient zwar seine Baguettchen als Monsieur Inspecteur der Mordkommission von Nizza, wandert aber zwecks Revanche nach New York aus, um im Alleingang die dortige Russenmafia aufzumischen. Dabei stinken ihm auch ein paar faule Eier des FBI, vor allem aber wächst ihm eine schöne bzw. geheimnisvolle Unbekannte zu. Duellserien wie Gemüsekarre gegen Auto, Taxi gegen Gehsteig, nackter Muskelmann gegen nackte Muskelmannen, Köpfe gegen Schweinehälften und Geld gegen Liebe bringen bunte Abwechslung und stillen aggressionsmäßig auch die infantilsten Bedürfnisse.
Merksätze wie "Eltern lügen ihre Kinder immer an; um sie darauf vorzubereiten, wie sie später von der Regierung behandelt
werden" vermögen sogar Lacher auszulösen. Wieder zeigt ein regieführender Hongkong-Chinese Hollywood, wie man bei
Stuntorgien Gas gibt: Ringo Lam fackelt beim Kompostieren von Feinden nicht, beim Abfackeln feuergefährlicher Hohlmaße dafür
vandammt lange. (Rudi John, KURIER)
USA / GB 1995 Regie: John Irvin,
Buch: Trevor Bentham, nach H.E. Bates,
Musik: Nicola Piovani,
Kamera: Pasqualino De Santis,
Schnitt: Peter Tanner,
Darsteller: Vanessa Redgrave (Miss Bentley), Edward Fox (Major Wilshaw), Uma Thurman (Miss Beaumont), Alida Valli (Mrs. Fascioli), Alessandro Gassman (Vittorio), Carlo Cartier (Mr. Bonizzoni), Natalia Bizzi (Mrs. Bonizzoni), Paolo Lombardi (Enrico), Sonia Martinelli (Maria), Veronica Wells, Frances Nacman, Riccardo Rossi, Ajanta Barilli, Bianca Tognocchi, Carlotta Bresciani Kinostart: 24/1/1997
Eine britische Urlauberkolonie am Comer See Ende der dreißiger Jahre: Man spielt Tennis und Kricket, diniert und pflegt Small talk. Die drahtige und unkonventionelle Mrs. Bentley versucht, den steifen, kauzigen Junggesellen Major Wilshaw zu umgarnen. Der ist jedoch hinter einem überdrehten amerikanischen Kinderfräulein her. Trotz einer brillanten Redgrave verströmt der Film gepflegte Langweile. Zu glatt und postkartenschön ist das Ambiente, zu plakativ die Charaktere. Auch die Liebesgeschichte plätschert zu nett an der Oberfläche dahin, um richtig interessant zu sein. (Bettina Bremme, tip, 24/96)
Diesen nostalgischen Liebesfilm für reifere Jahrgänge hat John Irvin in schwelgerisch schönen Bildern seines italienischen Kameramannes Pasqualino De Santis allzu bieder und gelegentlich zäh inszeniert. (...) Die Engländer scheinen eine Schwäche für die animierende Schönheit italienischer Landschaft zu haben. "Zimmer mit Aussicht" und "Verzauberter April" thematisieren bereits diese britische Sensibilität. Jetzt geht es, nach einer Erzählung von H.E. Bates, um die Erinnerung an den letzten Sommer vor dem Krieg, als die Liebe noch etwas von einem Gesellschaftsspiel hatte. (Frauke Hanck, AZ, 21.11.96)
Es war eine schöne Zeit: Die "gute" Gesellschaft traf sich in den italienischen See- oder Strandbädern, versuchte, ihre Jugend nachzuholen und erwartete den Untergang des (bürgerlichen) Abendlandes. Der süße Weltschmerz, der das Gedenken an diese Epoche - vor allem in der Literatur - jahrzehntelang begleitete, hat unzählige (Historien-) Kitsch-&-Kunst-Dramen des Gegenwartskinos inspiriert.
Ein Sommer am See hat alle Voraussetzungen, zu dieser Gattung von Filmen zu gehören: Erzählt wird eine Episode aus dem Leben der alleinstehenden Miss Bentley (Vanessa Redgrave), die als Stammurlauberin in einem Hotel am Como-See eine späte Romanze erlebt. Und obwohl der Sommer noch nicht einmal richtig begonnen hat, macht sich Herbststimmung breit: Da sind einmal diese (aus diversen Nostalgie-Reisen) wohlbekannten, pastellfarbenen Bilder einer Umgebung, die auf nahezu zärtliche Weise mit den darin erscheinenden, gepflegten Müßiggängern harmoniert; da ist diese beiläufig ins Spiel gebrachte Vorahnung jenes Ereignisses, das all dem ein schmerzhaftes Ende setzen wird; und da ist diese Frau, die in fortgeschrittenem Alter noch einmal erblüht.
Nachdem er alle Voraussetzungen für betulich-heitere Kino-Fadesse geschaffen hat, geht Regisseur John Irvin jedoch mit unerwarteter Beschwingtheit ans Werk: Die sich anbahnende Romanze zwischen der impulsiven Miss Bentley und einem netten Snob aus ihrer Heimat hat eher den Charakter einer realistischen Balz-Groteske als den einer romantischen Erzählung über späte Liebe.
Einen guten Teil seiner unsentimentalen Frische verdankt der Film freilich seiner brillanten Hauptdarstellerin, die mit ihren sechzig Jahren alles andere als Herbststimmung verbreitet - und die in entsprechend vielen Szenen Gelegenheit bekommt, auf relativ unpeinliche Art und Weise ihre Jugendlichkeit zu demonstrieren.
Anstelle des melancholischen Abgesangs setzt Irvin schließlich noch ein freches Happy-End: zur finalen Umarmung vor Seelandschaft spielt eine Musikkapelle auf und die Erzählstimme (Miss Bentleys) macht kurzerhand einen realhistorischen Sprung in eine Nachkriegszukunft, in der die beiden - da sie nicht ans Sterben denken - noch immer glücklich nach Italien gefahren sein werden. Er hat ja noch immer seinen Reiz, der Mythos vom goldenen Zeitalter unter blaßblauen Urlaubshimmeln: Man muß ihn nur respektlos als Rahmen-Märchen zu mißbrauchen wissen. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)
Wie eine altmodische Ansichtskarte aus einem längst verblaßten Urlaub rührt und betört diese leicht elegische, aber doch so optimistische Verfilmung des Sprichworts "Alte Liebe rostet nicht" - in einer neuen Interpretation. Der heiter-besinnliche Hindernislauf zu einem neuen Liebesglück im Alter erweist sich freilich mit blutjungen Fallen gepflastert . . . Hormonrausch statt Generationskonflikt, des Sees und der Liebe Wellen plätschern dahin...
Seit sechzehn Jahren macht die unverheiratete Miß Bentley in Begleitung ihres Vaters Ferien am Comer See. Dann stirbt Dad. Als sie ohne ihn das erste Mal wieder im Kreise anderer Feriengäste den Seeblick auf der Terasse der Villa von Signora Fascioli genießt, umweht die Engländerin plötzlich ein Hauch von Einsamkeit. Alles andere als eine alte Jungfer, stürzt sie sich prompt in einen Flirt mit einem Landsmann, dem hage stolzen Major Wilshaw. Der scheint seinerseits zwar nicht abgeneigt, stellt sich aber als empfindliches Rauhbein heraus und leicht zu verärgern.
Derweil wird Lady Bentley, die reife Schönheit, von dem jungen Latin Lover namens Vittorio bestürmt. Ein albernes, kapriziöses Früchtchen von Kindermädchen macht sich seinerseits einen Spaß sowie dem alten, reichen Haudegen schöne Augen und der sich ihret wegen bald zum peinlichen Narren.
Major Wilshaw glaubt schon an einen zweiten Frühling, besinnt sich zu letzt aber doch lieber auf einen sonnigen Lebens herbst im Schatten der le bensfrohen Miß Bentley . . . Vanessa Regrave, die britische Hörbiger, glüht als burschikose Schmiedin ihres Glücks, Edward Fox als Gentleman dient ihr dabei als solider Amboß. Uma Thurman quäkt als dumme Gans glaubhafter, als sie wahrscheinlich freiwillig möchte; manchmal ist zuviel Talent eben Pech. Ein handkolorierter Film, vergilbt und mit leiser Wehmut - wie im Poesiealbum beschrieben. (Rudi John, KURIER)
MICHEL MUSS MEHR MÄNNCHEN MACHEN (NYA HYSS AV EMIL I LÖNNEBERGA)
S / D 1972 Regie: Olle Hellbom,
Buch: Astrid Lindgren nach ihrem Roman "Immer dieser Michel",
Musik: George Riedel,
Kamera: Kalle Bergholm, Rolf Lindström,
Schnitt: Jan Persson,
Darsteller: Jan Ohlsson (Michel), Lena Wisborg (Ida), Allan Edwall (Anton der Vater), Emy Storm (Alma die Mutter), Björn Gustafson (Knecht Alfred), Maud Hansson (Magd Lina), Georg Arlin (Pfarrer), Carsta Löck (Krösa-Maja), Hannelore Schroth (Frau Petrell), Bertil Norström, Rudolf Schündler, Stefan Grybe, Paul Esser Kinostart: 24/1/1997
"Immer dieser Michel" heißt die dreiteilige Verfilmung eines Buches von Astrid Lindgren, das alltägliche, heitere und weniger erfreuliche Stationen aus dem Leben des fünfjährigen Michel erzählt. Michel treibt unter anderem Unfug mit einem Pferd und einem Korb Flußkrebse, ehe er im letzten Moment den Knecht rettet, der sich eine Blutvergiftung zugezogen hat. Leicht inszenierter, lustiger Film über Kindheitserlebnisse und -streiche des kleinen Michel. Der Film nach einem Buch von Astrid Lindgren gibt sich rein unterhaltend und ohne Tiefgang. Er ist perfekt inszenierte, gefällige Unterhaltung für Kinder. (Zoom, 12/96)
GB 1995 Regie: Roger Michell,
Buch: Nick Dear, nach Jane Austen,
Musik: Jeremy Sams,
Kamera: K,
Schnitt: Kate Evans,
Darsteller: Amanda Root (Anne Elliot), Ciaran Hinds (Captain Wentworth), Susan Fleetwood (Lady Russell), Corin Redgrave (Sir Walter Elliot), Fiona Shaw (Mrs. Croft), John Woodvine (Admiral Croft), Phoebe Nicholls (Elizabeth Elliot), Samuel West (Mr. Elliot), Sophie Thompson (Mary Musgrove), Judy Cornwell (Mrs. Musgrove), Simon Russell Beale (Charles Musgrove), Felicity Dean (Mrs. Clay), Roger Hammond (Mr. Musgrove), Emma Roberts (Louisa Musgrove), Victoria Hamilton (Henrietta Musgrove), Robert Glenister (Captian Harville), Richard McCabe (Captian Benwick), Helen Schlesinger (Mrs. Smith), Jane Wood, David Collings, Darlene Johnson, Cinnamon Faye, Isaac Maxwell-Hunt, Roger Llewellyn, Sally George, David Acton, Justin Avoth, Lonnie James, Roger Watkins, David Plummer Kinostart: 24/1/1997
Benjour Tristesse: Jane Austens letzter Roman "Persuasion" ("Überredung", was den Sachverhalt besser wiedergibt als "Verführung") handelt erneut von Geld und Stolz. Vor sieben Jahren hat eine Frau einen Verehrer unter dem Einfluß ihrer Verwandtschaft wegen dessen Mittellosigkeit abgewiesen, jetzt ist ihre Familie selber verarmt, der Mann aber ein reichgewordener Kriegsheld. Unterdrücktes Verlangen und die Macht der Etikette reproduziert die BBC-Produktion derartig nüchtern-undramatisch und betulich, daß sie geradezu quälend wirkt. (Frank Arnold, tip, 25/96 )
Wenn die Verfilmung eines Jane-Austen-Romans ansteht, geht es natürlich auch um eine Handlung, in deren Mittelpunkt die Liebe steht, aber es geht vor allem um die (historische) englische Gesellschaft, um das dort genossene Ansehen, um den Besitz, um die "blood relations", um die Titel und Dynastien, um die totale Beherrschung der "manners" und um den Klatsch. Am Beispiel einer Liebe, die durch gesellschaftlichen Ballast zugeschüttet zu werden droht, exemplifizieren Drehbuchautor Nick Dear und Regisseur Roger Michell diese Formen. Sie tun dies bei gutem Spiel der Akteure in letztlich überzeugender, wenn auch streckenweise zu verhaltener und eindimensionaler Form. Mit der übertriebenen Konzentration auf Gespräche und Manieren werden in der nötigen dramaturgischen Ökonomie Handlung und Spannung leider vernachlässigt. Für Liebhaber der Gattung dennoch interessant. (Thomas Engel, Der Gildendienst 514/15)
(...) Um Verführung geht es keineswegs, sondern um das beharrliche Warten auf die Lebensliebe, um den Preis dafür. Die Person, die das so herzergreifend tut, ist das Alter Ego der Autorin, Anne Elliot (spröde-schön, hinreißend: Amanda Root), ein scheinbares Mauerblümchen in der Hierarchie einer Adelsgesellschaft von Nichtsnutzen und Egoisten (allesamt perfekt besetzt) und jahrelang chancenlos zermürbt von pekuniären Familien-Interessen. Aber Anne liebt den Marine-Kapitän Wentworth (edel: Ciaran Hinds), den sie einst aus Familien-Räson abweisen mußte, so inniglich, daß sie allen widrigen Umständen trotzt. (...) Das sehr späte Glück breitet Regisseur Roger Michell, erprobt in der Royal Shakespeare Company, sehr gekonnt und genüßlich aus. Wir erleben, bis in Details von Charakter-Studien, bestes Film-Theater - von der ewigen Kraft der wahren Liebe. (Angie Dullinger, AZ, 28.11.96)
Die erste Verfilmung von Jane Austens exquisitem Roman über die anhaltende Kraft der Liebe. England, 1814. Vor einigen Jahren war Anne Elliot mit Frederick Wentworth, einem Offizier der Marine, verlobt. Sie ließ sich damals jedoch von ihrer engen Freundin Lady Russell überreden, die Bindung wieder zu lösen. Als Wentworth, inzwischen ein wohlhabender und erfolgreicher Captain, zurückkehrt, muß er feststellen, daß Annes Familie am Rande des finanziellen Ruins steht. Seine eigene Familie lebt inzwischen im Haus der Elliots. Zwischen Anne und Frederick keimen die lange verschütteten Gefühle wieder auf, und ihr Leben verändert sich für immer... "Was den visuellen Stil betrifft, so stehe ich dem, was für gewöhnlich bei dieser Art von Filmen gemacht wird, sehr argwöhnisch gegenüber - dem Hochglanz und dem klassischen Aussehen des Kostümfilms. Das wollte ich nicht. Es gibt zum Beispiel keine Perücken in unserem Film, und die Frauen tragen kein Make-up. Es war damals eine Zeit der Natürlichkeit, wenn auch der artifiziellen Natürlichkeit. Es war eine Zeit, in der die Menschen danach strebten, natürlich zu sein, weshalb wir Schminke nur so eingesetzt haben, daß man sie nicht wahrnimmt" (Roger Michell). (Katalog Filmfest München 1996)
Den Marineoffizier Wentworth (Ciaran Hinds), "einen Mann, der sich durch nichts empfahl als durch sich selbst", hat die junge landadelige Anne Elliot (Amanda Root), beraten von einer mütterlichen Freundin, einst als Ehemann abgewiesen. Einige Jahre später gerät das verhinderte Paar wieder aneinander.
Anne, die ihre Entscheidung inzwischen bereut, muß allerdings feststellen, daß ihr Wentworth nun seinerseits mit Ablehnung begegnet. Erst nach reiflicher Begutachtung und mehrmaligen Anläufen kommt es schließlich dazu, daß Wentworth Anne sein "Herz nochmals zu Füßen" legt.
Das Abwägen und Ausverhandeln steht dabei ständig in Widerspruch zum deutlichen Aussprechen von Gefühlen. Die "Verführung" muß innerhalb eines klar geregelten Verhaltens- und Anstandskodex mittels überlegter sprachlicher Formulierung, in feinsinnig geschliffenen Dialogen vor sich gehen und kann sich am Ende in einem ersten Kuß erfüllen. Der deutsche Verleihtitel leistet sich in diesem Zusammenhang eine spekulative Verzerrung: So wie schon aus "Verstand und Gefühl" Sinn und Sinnlichkeit werden mußte, wird nun aus "Überredung" Verführung.
Verführung ist eine weitere in einer Reihe von Kinoadaptionen der Werke der englischen Schriftstellerin Jane Austen. Regisseur Roger Michell, ehemals "Resident Director" der Royal Shakespeare Company, folgt mit seiner (Erst-)Verfilmung von Austens letztem Roman ganz jenem zurückhaltenden, klassischen Stil, den man von seinem Produktionshaus, der BBC, in Sachen Literaturpflege seit Jahren gewohnt ist.
Ein erstklassiges Ensemble gestandener Bühnenpersönlichkeiten (Corin Redgrave, Sophie Thompson, Fiona Shaw u.a.), sorgsame Ausstattung, elaborierte Figurenzeichnung und Erzählführung gewährleisten durch und durch seriöse Kinounterhaltung – ohne den Pomp von Merchant-Ivory-Produkten, ohne die Aufgeregtheit von Kenneth Branaghs Shakespeare-Filmen, aber mitunter auch ohne erkennbaren Willen, vielleicht einmal etwas ganz anderes auszuprobieren. (I. Reicher - DER STANDARD vom 29. 1.1997)
Was ist das, Werktreue? Ist ein Text je bruchlos ins Audiovisuelle zu übertragen? Oder fordert jede Literaturverfilmung zunächst die radikale Loslösung vom souveränen Bruder Belletristik? Wie weit läßt sich eine Welt reanimieren, von der sich in den Vorlagen selbst nur wenig detaillierte Information findet? Persuasion / Verführung, eine BBC-Produktion nach Jane Austen und ein dezidiert "kleiner" Film, darf immerhin für sich in Anspruch nehmen, daß seine Schöpfer über einige dieser Fragen nachgedacht haben, ehe sie sich an die Arbeit gemacht haben: Das ist rar im gewöhnlich bewußtlosen globalen Kostüm(trivial)kino.
Jane Austens Romane mischen das Öffentliche und das Private, was daher auch in diesem Film geschieht, der um nichts so sehr bemüht ist wie darum, seinem Basistext (und eben weniger den Konventionen des Kinos) zu genügen.
Die britische Marine, so die Story, kehrt 1814 heim, einen erfolgreichen Krieg gegen Napoleon hinter sich. Der stolze Captain Wentworth (Ciaran Hinds), einst wegen Mittellosigkeit von der snobistischen Familie Anne Elliots (Amanda Root) als potentieller Gemahl abgelehnt, trifft nun, Jahre später, erneut auf die scheue Anne, die ihn nicht vergessen hat. Er ist inzwischen reich geworden, Annes adelige Familie verarmt. Das Geld, wie das so ist in den Melodramen jener Zeit, kommt den Liebenden in die Quere. Aber nicht nur das: Anne hatte sich damals, siehe Filmtitel, überreden lassen, ihn zurückzuweisen. Nach wie vor auf Frauensuche, trägt er ihr das nach, bleibt ihr aber nahe: Eine komplizierte Reise in die tausend Möglichkeiten der Affärenanbahnung, der Eifersucht, des verwinkelten amourösen Intrigenspiels beginnt.
Michell läßt seinen Film um das angstvolle Gesicht Amanda Roots kreisen: Nicht mehr ganz jung, aber noch nicht alt genug, um das Mädchenhafte schon ganz abgelegt zu haben, gibt sie die zunächst passive Frau, mit sich und der Welt in stillem Kampf. Anne ist keine Rebellin gegen die beengenden sozialen Strukturen, aber klug genug, um weiblichen Freiheitsentzug analysieren zu können. Darin ist sie eine exemplarische Frau ihrer Zeit: im Aufbruch, zwischen zwei Lebensmodellen. In solchen Geschichten kommt man, wie subtil auch immer man vorgeht, ums Pathos nicht herum. Persuasion ist dennoch sehr direkt, sehr klar erzählt - soweit ein Film über unterdrückte Emotionen direkt sein kann.
Persuasion greift deutlich mehr auf das Theater zurück als etwa Scorsese (Age of Innocence), Ang Lee (Sense & Sensibility) oder Jane Campion in Portrait of a Lady. Root, Hinds, Michell, sie alle waren jahrelang an der Royal Shakespeare Company: Solches Training färbt, im Kino, in den multiplizierten Effekten im überlebensgroßen Bild, eben ab.
Wie sehr allerdings Michell dem physischen Detail Beachtung schenkt, wie sehr es in Persuasion um dreckige Kleider und Schmutzspuren in den Gesichtern, um das ungenügende, gar nicht romantische Kerzenlicht geht, das ist schon außerordentlich: wider den klinischen Kostümfilm, gegen die schwelgerischen teuren Idyllen des Ausstattungskinos. Persuasion verweigert konsequent das Make-Up: nicht nur seinen Figuren, sondern vor allem dem erzählerischen Kino an sich. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)
Leise flehen ihre Blicke. Ein Frauenlos, wie von Schubert vertont, aber dabei keinerlei picksüße Biedermeierei. Acht Jahre muß die älte ste der drei Töchter eines verarmten, aber dünkelhaften Landadligen bereuen, den Heiratsantrag eines jungen, mittellosen Seemannes abgewiesen zu haben. Dann kehrt dieser als wohlhabender Marineoffizier wieder - und würdigt die Arme so gut wie keines Blicks.
Perlende Läufe am Piano verzehren sich ebenso wie Mauerblümchen Anne sehnsüchtig nach Glück und Geborgenheit; beides läßt freilich auf sich warten. Hogarthsche Spottgebur ten, mit spitzer Feder karikiert, romantische Idyllen, liebevoll gestickt: nach "Persuasion", dem letzten Roman der unvergleichlichen Schriftstellerin und Pfarrerstochter aus Hampshire Jane Austen (1775 bis 1817), die enge Welt des englischen Landadels Anfang des 18. Jahrhunderts, im Weitblick einer warmherzigen, kultivierten und vor allem auch humorvollen Künstlerin.
Durch gesellschaftliche Korsette eingeschnürt, gelingt es Austens Heldin dennoch immer wieder, tief durchzuatmen. Ihr Lebenselixier: nachsichtiger, aber dennoch wacher Spott und milde Ironie. Die gelten vor allem dem schafsgesichtigen britischen Landadel, allesamt Kretins, intrigant, habgierig, arrogant; Vorurteil, Dummheit und Dünkel näßt diesen Hornochsen und Dummkühen aus allen Poren...
Üben wir milde Nachsicht für den Etikettenschwindel des Titels dieses ursprünglich fürs TV gedrehten Kostümkinos: Jane Austen wird in dieser genauen, innigen, witzigen, aber wenig spektakulären Literaturverfilmung nicht verführt und im Grunde (Persuasion heißt eigentlich Überre dung) auch gar niemand anderer. Außer vielleicht der Zuschauer, der an den passenden Stellen gekitzelt (Zwerchfell) und gekost (Herz, Bauch) wird, bevor ihn ein versöhnliches Ende in besinnliche Zufriedenheit entläßt. (Rudi John, KURIER)
ÄGYPTEN 1991 Regie: Asma El Bakri,
Buch: Asma El Bakri, Hossam Zakareya, nach Albert Cossery,
Musik: Moustafa Nagui,
Kamera: Ramses Marzouk,
Schnitt: Rahma Montasser,
Darsteller: Salahel Saadani, Abdelaziz Makhyoun, Ahmed Adam, Mahmoud El Guindi, Lola Mahamed Kinostart: 24/1/1997
Ein ehemaliger Dozent versucht, durch bewußtes Leben in Armut, die Zwänge zu unterlaufen. Seine Randstellung verschafft ihm eine moralische Integrität, die nicht einmal durch einen unmotivierten Mord angetastet wird und letztlich sogar den Ermittlungsbeamten in ihren Bann zieht. In dieser Fabel mischen sich Einflüße der sufischen Lehre, einer asketisch-mystischen Richtung des Islam, mit solchen des französischen Existenzialismus, der den Autor der Romanvorlage geprägt hat.(Zoom)
D / H 1993 Regie: Richard Blank,
Buch: Richard Blank,
Musik: Loek Dikker,
Kamera: Horst Schier,
Schnitt: Zsuzsa Csakany,
Darsteller: Bernhard Wicki (Dany), Ulrich Wildgruber (Gomorra), Robert Alföldy (Mathias), Ekaterina Strishenowa (Lisa), Michael Mrakitsch (Hans Ossenberg), Sandor Szabo (Schlee), Gabor Reviczky (Werner), Martin Abram (Harald), Nicolas Lansky (Albano), Dietmar Mössmer (Laxi), Christoph Baumann (Berti), Elizabeth Schofield (Johanna), Avraham Ronai (Tenor Körtes), Elisabeth Endriss (Elli), Otto Gründmandl (Herr Horst), Attila Kaszas (Ralph) Kinostart: 24/1/1997
Sie sind nackt. Sie schwitzen und planschen, verführen und betrügen: Männer im Bad, Traumprinzen - häßliche und schöne, junge und alte Körper im opulenten Gellért-Jugendstil-Palast. In diesem feuchten Umschlagplatz für Waren aller Art, von Koks bis zu schwülstigen Sex-Anekdoten, entfaltet sich ein immer dichter werdender Kreislauf von Eifersucht und dunklen Geschäften. (...) Es sind die Frauen, die diese Welt zum Einstürzen bringen, die Geliebten, die Rachegöttinnen. Am Ende steht ein Mord... (Verleihprogramm)
Das Gellert-Bad in Budapest als Mikrokosmos männerbündischer Lebensweise. Auch die blanken Popos vermögen die konventionelle Machart nicht zu verdecken. Durch eine gewollte Anstößigkeit erhält der Film seinen altherrenhaften Charakter. Unter großem Gejohle wird am Ende ein Frauenslip als Fetisch herumgereicht. (Anke Lewerke, tip, 15/94)
(...) Mit "Prinzenbad" hat Richard Blank die kleine Form seiner literarischen Filmerzählung endgültig verlassen. Er hat bewiesen, daß er große Filme machen kann. Erst jetzt erkennt man, daß Blanks konsequente Arbeit schon immer mehr war als bloß eine Fußnote zur deutschen Filmgeschichte der Nach-Ufa-Zeit. (Helmut Schödel, Die Zeit, 22.7.94)
USA 1971 Regie: Monte Hellman,
Buch: Will Corry, Rudolph Wurlitzer,
Musik: Billy James,
Kamera: Jackson Deerson,
Schnitt: Monte Hellman,
Darsteller: Warren Oates ("G.T.O."), James Taylor (Der Fahrer), Dennis Wilson (Der Mechaniker), Laurie Bird (Das Mädchen), David Brake, Richard Ruth Kinostart: 24/1/1997
Zwei junge Männer, der "Mechaniker" und der "Fahrer", sind mit ihrem Chevy Baujahr 1955 unterwegs nach Arizona, sie verdienen sich ihr Geld durch Wetten bei illegalen Beschleunigungsrennen. An einer Tankstelle treffen sie auf einen älteren Mann in einem neuen, schnellen Pontiac GTO und schlagen ihm eine Wette vor: eine Fahrt quer durch die USA nach Washington D.C. Pokerface-Film über zwei junge Pokerface-Männer, die Amerika auf der Jagd nach sich anbietenden illegalen Geld-Wettfahrten durchqueren und der Entelechie der Dinge in der verfallenen Kategorie des Autofahrens frönen. Leben, Denken, Sprechen, Träumen als Durchrasen weiter Landschaft mit Stahl, Gummi und Chrom. Unter den Road-Pictures vermutlich das radikalste, weil es die Verrücktheit die Natur durchpflügender Autos als Ritual begreift, ohne der Religion dahinter (ausgenommen seiner kalt-präzisen Darstellung) auch nur die geringste Konzession zu machen. Hellman steht zu seinen absurden, aber coolen Personnagen. Ihren Kult jedoch schildert er wie eine Beschleunigungskurve zwischen Nichts und Nichts. Besessenheit der Leere.