Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 21. März 1997 neu angelaufene Kinofilme

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DER WEISSE BALLON (BADKONAKE SEFID)

IRAN 1995
Regie: Jafar Panahi, Buch: Abbas Kiarostami nach einer Idee von Jafar Panahi, Kamera: Farzad Jodat, Darsteller: Aida Mohammadkhani, Mohsen Kalifi, Feresteh Sadr-Orfani
Kinostart: 21/3/1997

Für viele Kritiker der Höhepunkt in Cannes 1995. Ein schnörkelloser, makellos schöner Film, ergreifend in seiner Botschaft, einfach und klar in der Wahl seiner Mittel.
21. März: Das persische Neujahrsfest steht unmittelbar bevor. Die siebenjährige Razieh überredet ihre Mutter, ihr die letzte Banknote zu geben, um einen Goldfisch für die Neujahrszeremonie zu kaufen. Razieh macht sich auf den Weg durch die geschäftigen Straßen. Sie entkommt knapp den Tücken eines Schlangenbeschwörers und verliert schließlich ihr Geld. Unerbittlich rückt der Jahreswechsel näher...
Jafar Panahi machte Kurzfilme und arbeitete für das iranische Fernsehen, bevor er als Regieassistent für einen der ganz Großen des zeitgenössischen Kinos arbeitete: für Abbas Kiarostami, der auch das Drehbuch zum WEISSEN BALLON schrieb.

"... Absolut brillant der kindliche Blick auf die Erwachsenenwelt. Und es wird erschreckend deutlich, daß die Erwachsenen unfähig geworden sind, zu sehen und zu begreifen, was wirklich wichtig ist im Leben." (New York Post)

"Jene, die dem Mädchen helfen, eine einsame alte Frau, ein armer Soldat vom Land, ein afghanischer Ballonverkäufer, sind alle auf die eine oder andere Art Außenseiter - das falsche Alter, das falsche Geschlecht, die falsche ethnische Herkunft, um wirklich Zugang zur Macht zu haben. Die politische Botschaft ist auf jeden Fall sehr subtil... DER WEISSE BALLON spielt nahezu in Realzeit. Seine 85 Minuten Länge geben 85 Minuten realen Lebens wieder. Durch sein präzises Timing erweckt Panahi den Eindruck, daß das Leben genauso weitergeht, wenn das Kino zu Ende ist. Ein seltenes und sehr kraftvolles Erlebnis im heutigen Kino..." (Dave Kehr)

"Aida Mohammadkhani ist etwa sieben Jahre alt. Sie als beste Schauspielerin des Jahres zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung. Sie ist. ...Wenn sie Menschen ansieht, dann sprechen ihre Blicke Bände: endlose Neugier, Frechheit, Mut. Und ganz am Ende sehen wir ihn dann, den weißen Ballon. An der Holzstange eines kurdischen Luftballonverkäufers schwebt er, unverdrossen, obwohl dieser Junge ausgeschlossen ist vom großen nationalen Fest. Die Trauer vermischt sich mit Heiterkeit, so als hätte der Regisseur seinen Film gesehen als jene lange dünne Schnur, mit der man ein Davonfliegen verhindert und die so ein Ballon, wenn man nicht achtgibt, hinter sich herträgt, als wäre sie nichts als eine luftleichte Erinnerung an die Schwerkraft. Kein Kinderfilm. Ein Film für alle." (Claus Philipp, Der Standard)

Eltern haben ja keine Ahnung. Sie glauben, ein mickriger Christbaum täte es auch zu Weihnachten, und die Ostereier sind von Käfighennen. So läßt sich kein Fest feiern. Kinder wissen das. Sie bestehen darauf, daß man die Symbole ernst nimmt. Der Alltag ist ohnehin alltäglich genug. In Wien oder in Teheran.
Im Iran feiert man zwar kein Weihnachten und kein Ostern wie bei uns, dafür feiert man den Neujahrstag. Und zum Neujahrstag gehört ein prächtiger Goldfisch – kein trübsinniger Bewohner des Bassins im Hinterhof, sondern ein stolzer Fisch aus dem Wasserglas des Kaufmanns. Kinder wissen um den Unterschied, und sie wissen auch, daß nur das etwas wert ist, was etwas kostet. Das ist schließlich bei den Erwachsenen auch so.
Wie so viele große Abenteuer beginnt Jafar Panahis Film Der weiße Ballon mit einem Wunsch. Ein kleines Mädchen in Teheran will einen Goldfisch. Der Vater will seine Ruhe. Die Mutter will, was der Vater will. Der Bruder weiß nicht, was er will. Es sind noch eineinhalb Stunden bis zum Jahreswechsel, und exakt so lang dauert auch der Film.
Das iranische Kino kennt viele ähnliche Geschichten von Kindern, die gegen gleichgültige Eltern ihre kleinen Heldentaten durchsetzen. Die bekannteste dieser Geschichten stammt von Abbas Kiarostami. Ein kleiner Junge, der irrtümlich das Schulheft seines Klassenkameraden eingesteckt hat, läuft von Zuhause fort und erlebt eine Odyssee: Wo ist das Haus meines Freundes? Zu Der weiße Ballon hat Kiarostami das Drehbuch geschrieben.
Der Film funktioniert im Prinzip wie ein Hindernislauf durch den Alltag einer Stadt, die sich auf ein Fest vorbereitet. In Österreich wäre die entsprechende Geschichte: ein kleines Mädchen hat an einem Einkaufssamstag vor Weihnachten auf der Mariahilferstraße einen Zwanzigschillingschein verloren. Mehr ist nicht nötig. Der Rest ist genaue Beobachtung, eine hinreißende Hauptdarstellerin und ein Gefühl für den Rhythmus beim Erzählen.
An Spannung kaum zu überbieten ist schon die erste große Szene, in der das Mädchen an zwei Gaukler gerät, die mit Schlangen eine gaffende Menge unterhalten. Endlich haben die Eltern das Geld für den Goldfisch herausgerückt, und schon ist der Schein wieder verloren. Unerreichbar liegt er im Schlangenkorb, und die Männer sehen nicht danach aus, als würden sie ihn freiwillig wieder hergeben. Jetzt ist guter Rat teuer, und die Zeit drängt.
Filmisch ist Der weiße Ballon alles andere als naiv. Das Spiel mit der Echtzeit vermittelt sich paradoxerweise mehr durch Wartezeiten als durch Hektik. Immer wieder ist das Mädchen zur Untätigkeit verurteilt. Es muß sich in Geduld üben, während die Radioansagen vermitteln, daß die Zeit drängt. Wir sehen ein Streßprotokoll, wie es in hochmodernen Gesellschaften (Panahi schildert eine vormoderne) nicht viel intensiver, nur aufwendiger, denkbar ist.
Deswegen ist Der weiße Ballon auch politisch nicht naiv. Natürlich ist er nicht "regimekritisch", und wie in Kiarostamis eigenen Filmen fehlen konkrete gesellschaftliche Verweise auf die fundamentalistische Ordnung. Hier wird auf einer allgemeineren Ebene erzählt: Ein Wunsch bricht sich Bahn. Das konnte den Herrschenden noch nie recht sein. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 21/3/1997)

"Der weiße Ballon" , die Geschichte einer Geldbeschaffung, beweist die große Souveränität des neuen iranischen Films: Notizen zur Fusion von Kinderfilm und Universalkino, von äußerer Welt und innerer Logik.
Der weiße Ballon schildert eine Odyssee, eine mission impossible : Ein siebenjähriges Mädchen setzt sich, mit kindlicher Sturheit, aus Anlaß des iranischen Neujahrsfestes den Ankauf eines Goldfisches in den Kopf. Die gestreßte Mutter weigert sich zunächst, noch einen Fisch zu kaufen, wo sie doch schon etliche daheim hätten. Sie rechnet nicht mit der zwingenden Logik ihrer Tochter: Erstens seien die Fische im Geschäft um die Ecke viel schöner, größer, irgendwie flauschiger als die verhungerten daheim, zweitens seien sie nicht teuer, das könne man sich schon leisten.
Das Geld kommt, die Kleine verspricht noch, das Wechselgeld bald zu bringen und stürmt davon: in ein labyrinthisches Kinderuniversum, in dem man - vor lauter Hindernissen und Auslagen, vor Schlangenbeschwörern und lästigen Zufallsbekanntschaften - nicht an alles zugleich denken kann. So droht das Geld mehrmals zu verschwinden, bis es schließlich, offenbar endgültig, in einem Keller landet.
Der weiße Ballon ist ein Film über Arbeit und Ideen. Die Kette der Widrigkeiten will mit Geist und Körpereinsatz überwunden werden: Das klingt nach Kinderfilm, ist aber - in dieser Form - viel mehr als das. Regisseur Jafar Panahi klärt nicht alle Rätsel: Wie ein Bub Schrammen ins Gesicht kriegt, kann eben viele Ursachen haben. Panahi will die Welt nicht erklären, sondern die Art, wie Kinder mit ihr umgehen.
Irans Kino, dessen stilistische Souveränität und Selbstgenügsamkeit im Weltfilm derzeit keinen Vergleich kennt, geht den Wirkungsweisen (und den Grenzen) des Blick auf die Wirklichkeit nach, operiert oft selbstreflexiv: Abbas Kiarostami, Mohsen Makhmalbaf und Abolfazl Jalili, sie alle haben Filme gemacht, die vom Filmemachen handeln. Jafar Panahis Debüt Der weiße Ballon gilt nun weniger der Selbstreflexion als dem Versuch einer Demonstration: daß im unverstellten Blick auf die Welt die ganze Magie des Kinos liegen kann; daß gerade minimalistische Inszenierungen erhöhte Wirklichkeitsnähe zu garantieren scheinen.
Die Bilder hier sind klar, durch keine Kamera-Manierismen getrübt; die Filmtöne sind strikt die des Alltags, des Straßenverkehrs, der hektischen Passanten, der billigen Radios in den offenen Läden. Schließlich das Schauspiel, eine der unergründlichen Qualitäten dieses Films: Wie die kleine Aida Mohammadkhani die Tiefen und Untiefen der Problemstellung, die ständig sich wandelnde Situation mit ihrem ausdrucksstarken Spiel auslotet, wie sie subtil zwischen Ängstlichkeit, heimlicher Vorfreude und offenem Schmollen, zwischen Neugierde, taktischer Unterordnung und Auflehnung variiert, das hat man im Kinderkino so noch nie gesehen.
Der weiße Ballon des Filmtitels übrigens taucht, als lakonisch plaziertes Requisit, erst im Finale auf, wenn die Geschichte sich - fast wie von selbst - zu Ende erzählt hat und dem Filmemacher seine aus dem Bild laufenden, unhaltbaren Helden abhanden kommen: Ein junger Ballonverkäufer, das letzte Glied in der Kette dieser Geld- und Goldfischbeschaffung, bleibt im Bild sitzen, das in genau jenem Moment gefriert, als das Jahr 1374, wie eine Radiostimme meldet, anbricht. Mission erfüllt, ein Happy-end wie aus dem Vorschriftenbuch des guten Filmemachens: Perfekter, spannender, präziser als dieser kleine Thriller kann das Kino nicht sein. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

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ICH KÜSSE DIESES LAND (UN BESO A ESTA TIERRA)

DOKUMENTARFILM - MEX 1994
Regie: Daniel Goldberg, Buch: Steve Littmann, Kamera: Oren Rudavsky, Daniel Goldberg, Schnitt: Peter Hodgson, Darsteller: Zelig Schnadower, Abraham Goldberg, Aaron Olivensky, Moises Amkie, Susana Sevilla, José Broitman, Clara Bialik
Kinostart: 21/3/1997

In diesem Dokumentarfilm erzählen jüdische Emigranten, die während der zwanziger Jahre aus dem Europa des aufkeimenden Antisemitismus und der Wirtschaftsdepression nach Mexiko flohen, von ihren Träumen, Ängsten und Hoffnungen, von den Abenteuern der Emigration und Immigration. Die sieben Protagonisten sind Persönlichkeiten ohne Bitterkeit; nur wenn sie über ihre alte Heimat sprechen, wird ein Hauch Wehmut spürbar. Alle haben ihre eigene Geschichte, allen gemeinsam aber ist die Angst vor dem Ungewissen, das Heimweh und der Glaube, es in diesem fremden Land zu etwas zu bringen. Nach fast vierjähriger Recherche gelang es dem Filmemacher Daniel Goldberg, selbst Mitglied der dritten Generation jüdischer Mexiko-Einwanderer, mit diesem Porträt einer Generation ein Denkmal zu setzen, die heute fast schon ausgelöscht ist.
"Der Film ist zu einem unschätzbaren Dokument geworden, zum Zeugnis der noch Lebenden für die folgenden Generationen" (Kurt Hofmann)
"Zweifellos einer der beeindrukkendsten neuen mexikanischen Filme" (El Universal, Mexiko) - Katalog Filmfest München 1996

Lebensgeschichten von sieben jüdischen Auswanderern, die in den Zwanzigerjahren aus Osteuropa und Kleinasien nach Mexiko auswanderten und dort eine neue Heimat fanden. Der Dokumentarfilm von Daniel Goldberg, in dritter Generation von den Immigranten abstammend, verarbeitet neben Erzählungen von Zeitzeugen auch Material aus Film- und Fotoarchiven sowie mehr als 30 Musiktitel zu einem berührenden, großflächigen Porträt der Immigration und Integration. Kein dürrer Archivfilm, sondern eine lebendige Schilderung von Menschen, die ihr Schicksal gemeistert haben. (multimedia)

Zeitzeugen erzählen von der Emigration nach Mexiko, von der Schiffsüberfahrt, von der Bordzeitung, die aus Langeweile von den Passagieren gemacht wurde, von schnellen Hochzeiten in der Hafenstadt Veracruz, von der Odyssee als fahrende Händler durch mexikanische Dörfer und vom Aufbau einer jüdischen Gemeinschaft in dem Land, das ihre Heimat wurde. Interessant. (FALTER)

"Un beso a esta tierra": Ein kleiner Dokumentarfilm aus Mexiko erzählt vom Leben nach dem Heimatverlust.
Davon, wie die Welt damals, in den zwanziger Jahren, aus dem Blickwinkel jüdischer Emigranten ausgesehen hat, davon liefert dieser Film plastische Bilder: Regisseur Daniel Goldberg wirbelt in Un beso a esta tierra Interviews mit Zeitzeugen und historisches Archivmaterial durcheinander, begleitet von einer überaus lebendigen Musiktonspur, die die kulturellen Mischungen, von denen hier erzählt wird, akustisch reflektiert: Von traditioneller jüdischer Musik über mexikanische Folklore bis zu alten französischen Schlagern und arabischer Tanzmusik reichen die Klangfarben, die die Berichte von der Unberechenbarkeit des Schicksals begleiten.
Aus Polen, der Türkei und der Ukraine stammen die Helden dieses Films: Emigranten allesamt, Flüchtige vor inhumanen Lebensbedingungen in eine unsichere Zukunft in jenem Land, das - anders als Amerika - seine Grenzen noch nicht dichtgemacht hatte. So entstand eine jüdische Gemeinde in Mexiko, über die bislang wenig bekannt war: ein Film als Recherche, als Rendezvous mit einer Handvoll geschichtenreicher alter Menschen, die ihre Erinnerungen an die Überfahrt und die Ankunft, an die Liebe und die Trennung mitteilen. Und immer wieder, dazwischen, schwarzweiße Bilder aus den Archiven, in denen hoffnungsvolle und ängstliche, jedenfalls anonyme Gesichter zu sehen sind: Phantome dieses mörderischen Jahrhunderts.
Un beso a esta tierra wird in Wien übrigens, gegen alle Marktchancen, von dem rührigen Cinematograph -Verleih betreut, der seit geraumer Zeit bereits unbedankt bemerkenswerte Arbeit leistet: In den Tagen, da im Kino längst nur noch das Hochschrauben von Zahlen zu zählen scheint, ist eben jedes kulturelle Gegengewicht immens kostbar. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

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KALLE BLOMQUIST (MÄSTERDETEKTIVEN OCH RASMUS)

S 1953
Regie: Rolf Husberg, Buch: Rolf Husberg nach Astrid Lindgren, Musik: Ulf Linde, Charles Williams, Kamera: Bengt Westfelt, Schnitt: Eric Nordemar, Darsteller: Eskil Dalenius (Rasmus Rasmusson), Lars-Erik Lundberg (Kalle Blomquist), Peter Dam (Anders Bengtsson), Inger Axö (Eva-Lotta Lisander), Elof Ahrle (Nicke Karlsson), Ulf Johanson (Ingenieur Peters), Sigge Fürst (Polizist Björk), Björn Berglund (Professor Rasmusson), Birger Asander (Blom)
Kinostart: 21/3/1997

Kalle und seine Kumpanen spielen Detektiv und machen sich auf die Suche nach einem verschwundenen Wissenschaftler. Ein Kinderfilmklassiker nach Astrid Lindgren. (FALTER)

Astrid Lindgren schlägt wieder zu. Ein Professor und dessen Sohn werden entführt. Kalle arbeitet an deren Befreiung, wobei die Entführer aber zu Vollidioten verharmlost werden. Wozu erzählt man unseren Kindern eigentlich, daß sie von Fremden keine Zuckerln nehmen dürfen? (Monika Vanecek, KURIER)

Siehe IMDb

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KRIEG DER STERNE (STAR WARS)

USA 1977
Regie: George Lucas, Buch: George Lucas, Musik: John Williams, gespielt von London Symphony Orchester, Kamera: Gilbert Taylor: Carroll Ballard, Rick Clemente, Robert Dalva, Tak Fujimoto (second unit), Schnitt: Paul Hirsch, Marcia Lucas, Richard Chew, Darsteller: Mark Hamill (Luke Skywalker), Harrison Ford (Han Solo), Carrie Fisher (Prinzessin Leia Organa), Alec Guinness (Ben Kenobi), Peter Cushing (Groß-Moff Tarkin), Anthony Daniels (See Threepio), Kenny Baker (Artoo-Detoo), David Prowse (mit Synchronstimme von James Earl Jones), Peter Mayhew, Phil Brown, Shelagh Fraser, Jack Purvis, Alex McCrindle
Kinostart: 21/3/1997

Die Handlung appelliert an kindliche Ritterspiele: Die gefangene Prinzessin gilt es aus den Fängen nichtswürdiger Bösewichte zu befreien. Darum ist es nur recht und billig, wenn der jugendliche Held mit seinen Freunden ganze Scharen gesichtsloser Gegner abknallt und nach einer Orgie zerplatzter Flugzeuge mit Atombomben einen ganzen Planeten hochgehen läßt.(Lexikon des Science Fiction Films)

Im Galaktischen Imperium ist eine Rebellion ausgebrochen, denn der Kaiser will die Relikte von Republik und Freiheit abschaffen. Der künstliche Todesstern, das "absolute Machtinstrument im Universum" soll den Rebellenstützpunkt ausfindig machen und vernichten. Einigen Rebellen, unter ihnen Prinzessin Leia Organa gelingt es, die technischen Daten der fliegenden Superfestung in Erfahrung zu bringen, doch als sie zum Stützpunkt zurückkehren wollen, werden sie von einem Raumschiff des Imperiums abgefangen. Bevor der finstere, baumlange Lord Darth Vader und seine Stormtroopers sie auf den Todesstern entführen können, speichert Leia Organa die Daten in einem staubsaugergroßen Roboter, Artoo-Detoo (R2D2), der mit seinem Roboterfreund See Threepio (C3PO) nach Tatooine flieht. Mit Hilfe des jungen Luke Skywalker, eines einfachen Bauernburschen, aus dem schon bald ein Giant Killer werden wird, findet das Roboterduo den alten General Obi-Wan Kenobi, der sich als Eremit auf den unwirtlichen Wüstenplaneten zurückgezogen hat. Er soll dafür Sorge tragen, daß die Rebellen die Daten erhalten. Obi-Wan ist einer der letzten Jedi Krieger, und als solcher glaubt er an die "MachtKraft". Nur bestimmte Einzelne konnten die Kraft erkennen als das, was sie war. Sie wurden aber unbarmherzig etikettiert. Das Wissen über die Kraft, und wie sie zu handhaben sei, war es, die dem Jedi seine besondere Macht verlieh. Darth Vader, selbst ein Jedi, war einmal Kenobis bester Schüler, doch verschrieb er sich der dunklen Seite der "Macht" der schwarzen Magie, dem Teufel; er war es auch, der Lukes Vater, einen hervorragenden Jedi-Kampfflieger, umgebracht hat. Nun hat der alte Obi-Wan den jungen Luke auserwählt und weiht ihn, weil in ihm edles Jedi-Blut fließt, in die Geheimnisse der "Macht" ein. Unterstützt von dem Söldner-Piloten Han Solo und dem riesigen, 300 Jahre alten Hominiden Chewbacca, gelingt es Luke und den beiden Robotern, die Prinzessin zu befreien und zum Rebellenstützpunkt zu entkommen. ("Der Phantastische Film" von Rolf Giesen, Ebersberg 1983)

Star Wars, der Plastikmythos: wer auch immer sich über George Lucas' dreiteilige Weltraumoper äußert - vom kritischen Kritiker bis zum begeistert stammelnden Camp-Fanatiker -, betont die Künstlichkeit des Phänomens. Die Science-fiction-Trilogie ist zum Symbol schlechthin für die Artifizialität der Popkultur geworden - eine gigantische Assemblage aus Versatzstücken, von einem dreisten Plünderer aus Märchen und Mythen, aus Filmen und Comics zusammengeklaubt.
Es hat mir nie recht eingeleuchtet, weshalb soviel Aufhebens davon gemacht wurde, daß man es hier mit einem synthetischen Produkt zu tun hat, als hieße das: mit etwas Sekundärem. Jetzt aber weiß ich endlich, warum. Ich habe "Krieg der Sterne" wiedergesehen, und plötzlich war die Macht mit mir, mit den Worten des weisen Obi-Wan Kenobi gesprochen. Ich hatte mein Madeleine-Erlebnis, wenn auch nicht mit Eiergebäck und Tee, sondern mittels Nacho-Chips und Bier: Ein Zeitfenster öffnete sich, und mit mehrfacher Warp-Geschwindigkeit reiste ich zurück ins Jahr 1978.
"Star Wars" war das letzte große Kinoerlebnis meiner Kindheit. Als der Film endlich auch im Gloria-Palast der nahen Kleinstadt aufgeführt werden sollte, fieberte der Dreizehnjährige, der ich damals war, ihm mit Erwartungsangst und Erscheinungsschrecken entgegen, wie es eine Begegnung mit dem ganz Anderen verlangt. Man würde - so das Glücksversprechen, das dem Film vorauseilte - Dinge sehen, die kein Menschenauge je zuvor erblickt hatte, einmal abgesehen von den paar Millionen kleiner Jungs in der Zielgruppe, die das Glück hatten, in großen Städten mit Premierenkinos zu wohnen. Und, was soll ich sagen: genau so kam es dann auch. Ich war verzaubert von dem haarigen Hund-Menschen Chewbacca, den zwergwüchsigen Jawas, den vermummten Sandleuten, den sprechenden Robotern, den widerwärtigen Zwischenwesen in der Raumfahrerkneipe von Mos Eisley, der schwarzglänzenden Bosheit des gepanzerten Finsterlings Darth Vader.
Nie wäre mir damals in den Sinn gekommen, die Authentizität und Ursprünglichkeit dieser Welt in Frage zu stellen und nach Zitaten, Vorbildern, Abwandlungen zu suchen. Es hätte mich schlicht nicht interessiert zu erfahren, daß der Androide C-3PO eine Reprise der Robotrix aus "Metropolis" und des Blechmannes aus dem "Wizard of Oz" ist. Ich hätte auch nicht wissen wollen, daß Obi-Wan Kenobi eine Legierung aus Merlin, Kung-Fu-Lehrer und Castanedas NewAge-Zauberer war und in der Figur des Darth Vader Klischees von James-Bond-Bösewichten, Samuraikämpfern und SS-Schurken miteinander verschmolzen. Und die filmhistorische Auskunft, daß der eklige, krötenhafte Gangster Jabba eine augenzwinkernde Reverenz an Sidney Greenstreets Rolle als Casper Gutmann im "Malteser Falken" war, hätte mich ebenfalls kaltgelassen. Das Universum von "Star Wars" war unmittelbar ein Teil meiner individuellen Mythologie geworden; es war so plötzlich erschienen wie ein Asteroid und direkt aus dem Pophimmel in meine kleine Welt eingeschlagen.
Aber das war vor langer, langer Zeit, in einer Galaxie, weit, weit entfernt. Beim Wiedersehen nach zwanzig Jahren wird deutlich, daß nichts so schnell altert wie die Zukunftsvision von gestern, die George Lucas uns als vergessene Vorgeschichte der Menschheit präsentiert. Man sieht jetzt überdeutlich, wie tief dieser Film in den siebziger Jahren verwurzelt ist. Das fängt mit dem Shaun-Cassidy-Haarschnitt des Helden Luke Skywalker (Mark Hamill) an und hört mit der überall durchdringenden Hippie-Philosophie noch lange nicht auf: "Vertraue deinen Gefühlen! Laß dich von der Kraft, die alles Lebendige miteinander verbindet, durchströmen!" So verkündet der verschmitzt lächelnde Weisheitslehrer Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness) dem jungen Luke die Essenz des Jedi-Rittertums.
In welchem Winkel des Universums der Planet Tatooine auch liegen mag, er kann gar nicht so weit entfernt vom Flower-power-Eldorado Haight Ashbury sein. Man vermag jetzt nicht mehr zu verdrängen, daß die alberne Frisur der Prinzessin Leia (Carrie Fisher) an seitwärts am Kopf befestigtes Gebäck, Donuts oder Bagels, gemahnt. Man hört das Klappern der Dialoge, wenn Han Solos (Harrison Ford) Raumschiff wieder einmal Probleme mit der doppelten Lichtgeschwindigkeit hat und die Insassen sich schnarrend Brocken von Pseudo-Technosprache an den Kopf werfen. Man merkt dem obsessiven Geballere mit Strahlenwaffen an, daß es einer Welt entstammt, die von der heutigen Allgegenwart von Laserstrahlen in banalen Hausgeräten noch Lichtjahre entfernt war. Und das bedeutungsvolle Geblinke der Computer-Kontrollampen verrät, daß die Phantasie, die diese Bilder ausgebrütet hat, sich die baldige Trivialisierung und Verramschung der mythischen Maschine als PC nicht hat ausmalen können.
Aber solche Momente der Distanz lassen sich mit etwas Camp-Gesinnung ohne großen Schaden überstehen. Wer mit einem Plastikmythos wie dem "Krieg der Sterne" aufgewachsen ist, sollte darin geübt sein. Denn dieses filmische Readymade zeigt ja, wie eine exzentrische Sensibilität aus lauter Vorgefundenem etwas höchst Authentisches zu schaffen vermag. Das gilt übrigens ganz wörtlich für die immer noch bezaubernde Ausstattung des Films. Die Raumschiffe sind nach dem Prinzip des objet trouvé entstanden: aus Plastikbehältern für Damenstrümpfe wurden Triebwerke, eine Raumkapsel entstand aus zwei Farbeimern. Die Welt von Star Wars ist eine Bricolage-Arbeit manischer Bastler.
Es ist die liebevolle Exzentrizität dieser Schöpfung, die auch heute noch für sie einnimmt. Dem Eskapismus des Dreizehnjährigen bot sie ein perfekt geschlossenes Paralleluniversum. Dem wissenden, geschmäcklerischen Blick zurück imponieren die Extravaganz der Kombinatorik und die Outriertheit der Erfindungen.
Die zentralen Heldenfiguren sind naturgemäß flache Charaktere. Die Person des Mythos, sagt Umberto Eco, verkörpert ein Gesetz, eine universale Forderung. Wir haben es demgemäß mit leeren Typen zu tun - einem werdenden Ritter auf interplanetarischer âventiure, seinem treu ergebenen Freund und einer Prinzessin, vereint im Kampf gegen die Usurpatoren des Alls. Wie es die typische Heldengeschichte des Mythos verlangt, muß der Held hinaus in die Welt, um nach bestandenen Prüfungen das ihm zustehende Reich des Vaters in Besitz zu nehmen. Zwar sind, wie Eco gezeigt hat, "Zusätze, Abschweifungen und Ausschmückungen erlaubt, doch sie sind Beiwerk und tasten die strenge und genaue Linienführung des erzählten Mythos nicht an".
George Lucas hält sich trotz aller Abschweifungen genau an das mythische Schema - und hat sich damit den Attacken einer neunmalklugen Kritik ausgesetzt, die ihm eben dies mit großer Entlarvungsgeste zum Vorwurf gemacht hat. Darüber ist dann unbemerkt geblieben, welches hochkontaminierte Material Lucas in seine Variante der uralten Initiationsgeschichte geschmuggelt hat. Das reicht von unübersehbaren Reminiszenzen an den Zweiten Weltkrieg und die Judenvernichtung im ersten Teil bis zu Anspielungen auf den Vietnamkrieg im dritten Teil. Oder wie soll man den finalen Triumph der Ewoks-Guerilleros mit ihren Steinzeitwaffen über das laserwaffenstarrende Imperium anders deuten? Aber es sind nicht eigentlich die travestiehaften Gastauftritte der Geschichte, die an Lucas' Epos auch nach zwanzig Jahren noch faszinieren - es ist das märchenhafte Psychodrama einer Individuation.
"Star Wars" handelt wie alle Heldengeschichten von der Ablösung und ihren Gefahren, von Ängsten, Identitätsproblemen und Triumphen auf dem Weg. In diesem Fall ist der Vater, mit dem es dabei zu kämpfen gilt, auf der Seite des Bösen - in der blumigen Sprache des Films: auf der "dunklen Seite der Macht". Er hat die alten Ideale seiner Religion verraten und ist zu einem Diener dunkler Kräfte geworden. George Lucas, von seinem eigenen Vater in einem Interview mit Time einmal als Muttersöhnchen tituliert, hat sich psychologisierende Rückschlüsse aus der Figur des Darth Vader auf seine privaten ödipalen Querelen immer verbeten - völlig zu Recht, denn diese Figur ist ein großartiges Symbol, für das der kalifornische Papierwarenkrämer Lucas, wie tyrannisch auch immer er gewesen sein mag, nur den Anstoß gegeben haben kann.
Andererseits kann uns ein Herr namens Lucas, der seinen Helden Luke nennt, kaum von ein paar naheliegenden psychohistorischen Spekulationen abhalten wollen. Zwingend an der Gestaltung der Vaterfigur ist die Panzerung mit Maske und Helm: wenn es je ein eindringliches Bild für den Charakterpanzer des soldatischen Mannes gegeben hat, dann diesen Schurken. Er scheint zunächst ungebrochen böse wie eine Comicfigur, aber Lucas hat ihm eine Psychosomatik beigegeben, die Konflikte ahnen läßt: den keuchenden Atem eines Asthmatikers. Der narzißtische Panzer seiner schwarzglänzenden Rüstung über der verletzlichen Haut und die ständige Atemnot hängen zusammen: Darth Vader droht ständig in der Hülle zu ersticken, mit der er sein phantasmatisches Größenselbst zu schützen versucht. Was Wunder, daß er seine Gegner am liebsten den Erstickungstod sterben läßt.
Luke erfährt erst in der dramatischsten Szene des zweiten Teils, daß man ihn, wie so viele Helden anderer Epen zuvor, über seinen wahren Vater im unklaren gelassen hat - und daß dieser kein anderer als der Erzbösewicht des Universums, Darth Vader höchstpersönlich ist. Der Mord am bösen Vater ist von nun an der Schlüssel zur Wiederherstellung der kosmischen Ordnung. Ein guter Vater (bezeichnenderweise kein leiblicher) - der weise Obi-Wan Kenobi, der ein Leben ohne Panzer lehrt - steht dem von vorauseilenden Schuldgefühlen und Loyalitätskonflikten zerrissenen Helden dabei zur Seite.
Luke Skywalker geht es genau wie dem Dreizehnjährigen, der seine Abenteuer atemlos verfolgte: Er soll ein Subjekt werden, eine Identität entwickeln, einen Platz in der symbolischen Ordnung finden. Sein Weg führt durch eine Zwischenwelt, eine Zone voller Spaltungen und Abspaltungen. Sie ist von Monstern bevölkert, von Übergangswesen, die karikaturhaft die Schrecken der Menschwerdung und die noch größeren Schrecken einer nicht gelungenen Individuation zum Ausdruck bringen. Neben den grotesken Körpern der omnipräsenten Aliens und Ungeheuer ist hier eine der unheimlichsten Szenen aller drei Filme zu nennen: Unsere Helden fliehen mit ihrem Raumschiff vor den angreifenden Bombern des Imperiums in eine Höhle. Von eigenartigen Vibrationen aufgeschreckt, verlassen sie in rasender Fahrt ihr Schlupfloch, um in letzter Sekunde zu bemerken, daß der Zufluchtsort in Wirklichkeit der Rachen eines gigantischen Ungeheuers ist. Die Angst vor dem Wiederverschlungenwerden ist der ständige Begleiter der Initianden, und wer das gnädig vergessen hat, möge sich im Kino durch die Angstlustschreie der Dreizehnjährigen von der Stärke dieses Phantasmas überzeugen lassen.
Luke Skywalker ist bei aller Verwandtschaft mit den klassischen Mythen- und Märchenhelden zu sehr ein Kind der siebziger Jahre, um den bösen Vater von eigener Hand zu töten. Er weiß, daß er nie selbständig werden wird, wenn er sich in den Vaterhaß verstricken läßt. Es würde ihm dann gar nichts nützen, ihn zu töten: Er würde wahrscheinlich genau so werden wie der Verhaßte. Er müßte sich womöglich auch einen Panzer zulegen, unter dem man keine Luft bekommt. Luke will seine Souveränität, aber nicht um den Preis, daß alles so weitergeht wie bisher. Er glaubt, wie man es in den siebziger Jahren tat, an den Ausstieg und an das Gute im Menschen, so entstellt auch immer es erscheinen mag. In dem grandiosen Schlußduell reicht es ihm zu wissen, daß er den Vater töten könnte. Am Ende hilft er dem Sterbenden, der von seinem inneren Konflikt verzehrt wird, ein einziges Mal den Panzer abzulegen. Unter der schimmernden Wehr steckt ein freundlich aussehender, eigenartig hilflos wirkender älterer Herr mit Glatze.
In diesem Bild lassen sich unschwer der verdrängte Versöhnungswunsch und das Schuldbewußtsein einer Generation erkennen, die angetreten war, mit der Welt der Väter so radikal zu brechen wie nie eine Generation zuvor. George Lucas ist heute 52, sein Vater ist seit sechs Jahren tot. Lucas hat soeben mit den Arbeiten an drei weiteren Folgen von "Star Wars" begonnen. Sie erzählen die Vorgeschichte des Mythos von Luke: wie aus seinem Vater Anakin Skywalker, einem hoffnungsvollen Jedi-Ritter, der unglückliche Darth Vader wurde. Da hat Lucas sich aber einiges vorgenommen. Möge die Macht mit ihm sein. (Jörg Lau, DIE ZEIT 28.03.97 Nr.14)

Mit "Star Wars" gelang Hollywood 1977 der Vernichtungsschlag gegen die aufständische Filmkultur. Nun ist das Epos wieder im Kino. Grund zum Feiern?
(Mark Hamill) in Star Wars auf dem fremden Planeten einsam melancholisch ist. Zwei Sonnen: Das paßt zur Special-Effects-Kinokultur, in der die bloße numerische Steigerung längst fetischisiert wird. Star Wars, George Lucas' letzte Regiearbeit, war schon damals, 1977, reine Produktions arbeit und somit genau auf Kurs in die Zukunft des Kinos: Daß Inszenierungen, wie sie der störrische US-Film der Siebziger noch überall aufzuweisen hatte, nur im Weg stehen, wenn man den globalen Kinokassenerfolg anvisiert, wußte Lucas, Herr der blockbuster- Idee, sehr genau.
Die Bilder dieses Films kennt jeder, sie sind Teil des kollektiven Kinobewußtseins, wie etwa auch jene aus Casablanca oder The Wizard of Oz. Das liegt daran, daß die Einzelteile, aus denen Star Wars hergestellt wurde, alle gestohlen sind: Lucas führt, mit seinen kindlichen Abenteuerspielen und der überhitzten Orchestermusik, ins Reich der alten Kino-Serials (Flash Gordon) und der klassischen Television (Star Trek ), wo die Psychologie sowenig zu suchen hatte wie alle Stories, die nicht auch ein Achtjähriger verstehen konnte.
Mit Star Wars dämmerte im Kino der totale Infantilismus herauf, zu dem in Amerika eben auch der Wettbewerb gehört, der sich in einem Kriegsfilm in der Lust auf Abschuß manifestieren muß: Star Wars kulminiert daher in einem Vernichtungsschlag des Rebellenhelden gegen das böse Imperium, in der lachend vollzogenen Tötung der Konkurrenten - und in einer Militärehrung.
Konflikte werden in Star Wars am Videoschirm ausgetragen (analog zu Amerikas realer Kriegsführung), und Liebe, Haß, Trauer sind nur noch Abziehbilder alter Genrekino-Emotionen: in Sterilität erstarrt. Ab nun ist Star Wars, um sechs Minuten erweitert, wieder im Kino zu sehen, demnächst gefolgt von den Sequels Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter : eine Trilogie, in der sich das US-Kino endgültig als deckungsgleich mit Disneyland und der Muppets-Show erwies. Ein Klassiker also. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

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MICHAEL (MICHAEL)

USA 1996
Regie: Nora Ephron, Buch: Alan Curtiss, Nora Ephron, Delia Ephron, nach Pete Dexter, Jim Quinlan, Musik: Geraldine Peroni, Kamera: Pete Dexter, Jim Quinlan, Schnitt: John Lindley, Darsteller: John Travolta (Michael), Andie MacDowell (Dorothy Winters), William Hurt (Frank Quinlan), Robert Pastorelli (Huey Driscoll), Bob Hoskins (Vartan Malt), Jean Stapleton (Pansy Milbank), Teri Garr (Richterin Esther Newberg), Wallace Langham (Bruce Craddock), Joey Lauren Adams (Anita), Carla Gugino (Braut), Tom Hodges (Bräutigam), Catherine Lloyd Burns (Evie), Richard Schiff
Kinostart: 21/3/1997

Die Reporter Frank, Huey und Dorothy arbeiten für ein Boulevard-Magazin und sollen den angeblichen Erzengel Michael von einem Nest in Iowa nach Chicago bringen, wo ein echter Engel mehr als nur eine Schlagzeile wert wäre. Doch wie haben wir uns einen Engel vorzustellen? Blond, keusch und im weißen Gewand friedlich auf seiner Harfe klimpernd? Mitnichten. Michael ist zwar in ehrenwerter Mission unterwegs, doch er ist eindeutig ein Engel der Neunziger Jahre. Er raucht, tanzt wie ein junger Gott, genießt das Leben in vollen Zügen und sorgt unterwegs immer wieder für Aufregung. Ganz nebenbei gibt er aber Frank, dem herzlosen Reporter, und Dorothy, der Frau mit dem gebrochenen Herzen, das Vertrauen in die Liebe zurück. (Verleihprogramm)

Kennen Sie den Unterschied zwischen Nora Ephron und Penny Marshall? Beide zählen zu der noch immer raren Spezies der weiblichen Regisseure in Hollywood, beide haben heuer einen Film über einen Engel vorgelegt, beide sparen nicht mit Kitsch und Sentiment.
Der Unterschied liegt im ironischen Detail, in der augenzwinkernden Geste, mit der das Genre der romantischen Komödie gerade deswegen gewählt wird, weil es altmodisch ist. Nora Ephron verfügt über diese Ironie, anders als Penny Marshall. Deswegen durfte man von ihrem neuen Film Michael raffiniertere Unterhaltung erwarten, als sie Marshalls unsägliche Gospel-Schnulze A Preacher’s Wife mit Denzel Washington und Whitney Houston bot, die unlängst in unseren Kinos lief.
Nora Ephron galt nach ihrem Erfolg mit Sleepless in Seattle kurze Zeit als Hoffnung für die "sophisticated comedy", für einen intelligenten Umgang mit melodramatischen und komischen Traditionen. Nach Michael muß man diese Erwartungen schon wieder deutlich zurückschrauben.
Zwar gibt John Travolta hier mit großem körperlichem Einsatz zu verstehen, daß Engel nur die groteskeren Menschen sind. Er kratzt sich dort, wo es ihn eigentlich gar nicht jucken dürfte; er hält dank seines beträchtlichen Bäuchleins die Balance angesichts der schweren Engelsflügel auf dem Rücken; er läßt sich in der Einöde des Mittleren Westens der USA auf eine brachiale Corrida ein (der Bulle geht selbstverständlich K.O.); und er klappert ohne Eile alle Merkwürdigkeiten zwischen Iowa und Chicago ab: die größte Bratpfanne der Welt, das größte Garnkneuel der Welt.
Damit gerät er allerdings prekär in die Nähe des Territoriums von Forrest Gump, jenem Einfaltspinsel, dessen heilsame Wirkung auf die Umwelt seinem Intelligenzquotienten umgekehrt proportional war. Travolta hat als Michael natürlich auch eine Mission: Zwei enttäuschte Romantiker (Andie MacDowell und William Hurt) sollen zueinander und zu neuer Lebensfreude bekehrt werden; ein journalistischer Versager (Huey Driscoll) soll seinen Job nicht verlieren.
Michael erledigt dies alles, wenn es ihm auch persönlich an die Engelsubstanz geht (eine Hundetotenerweckung kostet besonders viel astrale Energie). Als Roadmovie nimmt sich Michael alle episodischen Freiheiten heraus und läßt sich dabei unendlich viel Zeit. Großes Augenmerk gilt dem Hunde-Maskottchen, das als eine Art Glücksbringer und Talisman mitreist.
Der Kontrast zwischen dem ausgeflippten Betragen des Engels und den gehemmten Stadtmenschen ist wie fast alles so schematisch gedacht und inszeniert, daß es zwar einen Ironie-Zaunpfahl, aber wenig zu Lachen und nichts zu Weinen gibt. Damit ist das Thema verfehlt. Deswegen wirkt Michael insgesamt ein wenig peinlich. Beinahe wie ein Film von Penny Marshall. Jetzt im Kino. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 22/3/1997)

John Travolta spezialisiert sich weiterhin, nunmehr als unrasierter Erzengel, auf das Zusammenspiel von Kitsch und Metaphysik.
In Hollywoods Lustspielen hat man Zeitungsredaktionen immer schon gern gesehen. Früher waren sie, bei Hawks etwa oder bei Stevens, noch der Ausgangspunkt avancierter Screwball-Comedies (His Girl Friday; Woman of the Year). Wenn Hollywood aber heute vom Zeitungsmachen erzählt, dann muß das schon ein bißchen lustiger sein als früher, eine Spur blöder also als nur amüsant. Das mindeste, was eine Zeitung im Kino heute zu bieten haben muß, das sieht man auch an Michael, ist ein Redakteur für Wiedergeburt und ein paar telephonierende Rechercheure, die dann - im flüchtigen Blick der vorbeiziehenden Kamera - ihren Informanten lustige Fragen stellen ("Und er haust also in Ihrem Kühlschrank?" oder: "Wie lange waren Sie Liz Taylors Gärtner?"). In anderen Worten: Boulevard, so tief wie möglich.
So geht diese maßgeschneiderte Geschichte los, die Autorin/Regisseurin Nora Ephron - eine der einflußreichsten Frauen Hollywoods - Michael genannt und als Starvehikel um den seit Pulp Fiction wieder so beliebten John Travolta gebaut hat. Zwei Chicagoer Journalisten (linkisch: William Hurt, Robert Pastorelli) werden mit einer neuen Kollegin (tierlieb: Andie MacDowell) ins tiefste Iowa entsandt, um dort - für das Cover der Weihnachtsausgabe - einen Engel abzulichten, der angeblich gerade auf Erden weilt. Sie fahren los, an der Echtheit des Engels zwar zweifelnd, aber sie lernen Travolta kennen, der zweifelsfrei zwei große weiße Flügel trägt und Wunder zu wirken weiß. Photographieren will er sich aber nicht lassen, erst in Chicago, sagt er, wohin man also reist: ein Road-movie mit Fantasy- und Comedy-, Romanzen- und Melodramen-Touch. Ohne waghalsige Genremischungen geht in Hollywood offenbar gar nichts mehr.
Sehr beschwingt geht Spielleiterin Ephron, einen Kassenhit im Rücken (Sleepless in Seattle) , auch Michael an: Begleitet von Country-Geschrammel und allerlei Rhythm & Blues quält Ephron sich durch die dünne Handlung und die flauen Scherze - und sie läßt dabei auch die obligate Tanzszene für Travolta, seit Saturday Night Fever eine Pflichtveranstaltung, nicht aus. Wie porträtiert man einen Engel? Travolta, der gefiederte Freund, raucht (amerikanisch für: Gipfel der Geschmacklosigkeit), ißt Corn-Flakes wie ein Schwein und braucht ein Kilo Zucker am Tag, um die innere Balance zu halten. Daß er im Finale abtritt, ist nicht so sehr als Todesfall zu sehen, sondern als Erlösung (für alle). Hurt und MacDowell, in Liebe, kriegen einander schließlich doch, mit Engels Hilfe - und Michael endet dort, wo derzeit etwa zwei Drittel aller "romantischen Komödien" enden (siehe auch Liebe hat zwei Gesichter ): in einem liebeslebenslustigen Tanz auf der Straße, während die Kamera in den Himmel steigt und die Figuren unter sich zurückläßt. Hollywood, soll das heißen, ist nicht von dieser Welt, auch wenn die Geschichten noch so flach am Boden liegen.
Eine Frage allerdings bleibt offen, da hilft alles Diskutieren nichts: ob Travolta, weltweit bekannter Scientology-Jünger, seine Rollen (seit dem überirdisch-unterklassigen Phenomenon) nach ihrer Kompatibilität mit den Heilsbotschaften seines Vereins aussucht, oder ob das alles nur zufällig so aussieht, weil das gefühlige Hollywood eben gerade solche Geschichten am liebsten erzählt. "Heaven is my home", singt Randy Newman, und das klingt hier gar nicht zynisch.
Es gibt, wenn man Amerikas Filmindustrie glauben will, selbstverständlich ein Leben nach dem Tod: auch wenn der Reinerlös dieser Erkenntnis ausschließlich den Lebenden zugute kommt. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

Es scheint ein ewiges Bedürfnis der Menschen, ihre Problemchen von höheren Wesen lösen lassen zu wollen bzw. sich an Erfolgsstories dieser Art zu ergötzen. Solcherart gelangen etwa Engel auf Urlaub nach Wean oder in unbedarfte Kinofilme wie diesen, die sich durch Sinngehalt und Unterhaltungswert von Heurigenliedern nicht groß unterscheiden. Daran ändert wenig, daß sich der hier in Frage stehende Engel in Iowa, USA, aufgestöbert wird.
Und sich dieses höhere Geflügel im weiteren höchst befremdlich als Rauf-, Rauch- und Saufbold erweist, völlerisch kiloweise Zucker löffelt und unkeuscherweise Frauen im Dutzend bespringt. Außerdem wie ein Pferd im Stehen schläft, wobei sein mächtiges Flügelpaar ständig mausert. Überirdische Wunder bewirkt der Kerl im Prolo-Look aber doch. Zuerst einmal dieses, daß John Travolta für diese Rolle himmelschreiende 21 Millionen Dollar kassieren konnte. Und dann jenes bescheidenere Wunderlein, welches hier als Handlung ausgegeben wird. Satansbezwinger Erzengel Michael sorgt darin höchstpersönlich dafür, daß eine schöne, junge Frau mit gebrochenem Herzen und unentdecktem Liedermachertalent einen passablen Liebhaber und ihren Bühnenauftritt bekommt. "All you need is love" als Allheilsbotschaft Michaels scheint etwa so nützlich wie ein Energiedrink zur Himmelfahrt: bekanntlich verleiht auch Red Bull Flügel. (Rudi John, KURIER)

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WAHLVERWANDSCHAFTEN (LE AFFINITA ELETTIVE)

I / F 1996
Regie: Paolo Taviani, Vittorio Taviani, Buch: Paolo Taviani, Vittorio Taviani, nach J.W.v. Goethe Musik: Carlo Crivelli, Kamera: Giuseppe Lanci, Schnitt: Roberto Perpignani, Darsteller: Isabelle Huppert (Carlotta), Jean-Hugues Anglade (Edoardo), Fabrizio Bentivoglio (Ottone), Marie Gillain (Ottilia), Massimo Popolizio (Marchese), Maura Marinoni (Marchesa), Stefania Fuggetta (Agostina), Consuelo Ciatti (Erzieher), Massimo Grigo' (Kellner), Adelaide Foti, Giancarlo Carboni
Kinostart: 21/3/1997

Contessa Carlotta und der Baron Edoardo begegneten sich nach zwanzig Jahren wieder. In ihrer Jugend hatten sie sich sehr geliebt, doch die unterschiedlichen Lebensumstände hatten sie getrennt. Der Zufall führte sie nun wieder zusammen. Ihre Hochzeit feiern sie in Florenz und lassen sich auf dem Landsitz nieder, den Edoardo geerbt hat. Dort widmen sie sich ganz dem Ausbau und der Kultivation der Anlagen. In diese paradiesische Zweisamkeit kommt der junge Architekt Ottone, der für die Neugestaltung des Anwesens sorgen soll, und kurz darauf Ottilia, achtzehn Jahre, Carlottas Patentochter. Es entwickelt sich ein erotischer Reigen zwischen den vier Menschen, die sich in aller Sympathie und Liebe zugetan sind, ein Tausch der Partner und Beziehungen. (Verleihprogramm)

Das Ehepaar Charlotte und Edouard wird durch den Besuch des Freundes Othon und der Patentochter Ottilie entzweit. Edouard lebt seine neue Leidenschaft für die junge Ottilie aus, während Charlotte und Othon ihrer gegenseitigen Anziehung vernunftgemäß entsagen. Edouard, Ottilie und Charlottes neugeborener Sohn büßen den Ehebruch mit ihrem Leben. Goethes komplexer und widersprüchlicher Roman gerät den Tavianis trotz guten Schauspielern und gepflegter Gestaltung zu einem steifen, oberflächlichen Melodram, das weder emotionell involviert nach intellektuell fasziniert. (Zoom, 2/97)

(...) Die über 200 Jahre alte Dichtung filmisch zum Leben zu erwecken, ist ein ehrenwerter Versuch. Das Ambiente ist gepflegt, die Sprache kostbar, die Darstellung bemüht, wenngleich sehr statisch. Die notwendige Straffung der literarischen Vorlage hat dem Film nicht immer gut getan: Zu komprimiert sind oft Handlungselemente und Dialoge, zur Verkörperung echter, lebendiger Menschen blieb dann gar kein Raum mehr. (Thomas Engel, Der Gildendienst, Febr. 97)

"DIE WAHLVERWANDTSCHAFTEN". Qualverwandte ohne Kondom.
Was Old Shakespeare billig ist, könnte auch dem Goethe nur recht sein. Doch für einen brillant designten Klassikerrelaunch,, wie ihn der Australier Baz Luhrmann etwa "Romeo und Julia" verordnete, sind die berühmten Tavianis sichtlich zu, autoritätsgläubig, stockkonservativ und feig. Die bejahrten Fratelli blieben hinter der erstaunlichen Jugend von Goethes Denken, weit zurück und ondulierten seine leidenschaftlichen "Wahlverwandtschaften" zu Qualverwandtschaften. Ganz, als wären sie die wahren Erben der zu Recht versunkenen Ära bieder-treudeutscher Literaturfilmemacher. Gemessen, ließen die Padre Padrones des Italokinos von Edelakteuren das erotische Viereck aus der Feder des Dichterfürsten in, Gehröcken und Empireroben abschreiten, statt sie in Jeans oder Leggins zu stecken, von Benzinkutschen und Kondomen ganz, zu schweigen. Johann Wolfgangs Analyse einer exemplarischen Kollision zwischen Naturgesetz und Sittenkodex, in welcher sich auch, jetztzeitige Promiskuitäten leicht wiedererkennen können, wurde zur pseudoromantisch dramatisierten Inhaltsangabe und, Seifenoper voll Spinnweben und Mottenkugeln. (Rudi John, KURIER)

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DAS MÄDCHEN MATILDA (MATILDA)

USA 1996
Regie: Danny DeVito, Buch: Nicholas Kazan, Robin Swicord, nach Roald Dahl, Musik: David Newman, Darsteller: Mara Wilson (Matilda), Danny DeVito (Mr. Wormwood), Rhea Perlman (Mrs. Wormwood), Embeth Davidtz (Miss Honey), Pam Ferris (Trunchbull), Paul Reubens (FBI Agent), Tracey Walter (FBI Agent), Brian Levinson (Michael), Jean Speegle Howard (Miss Phelps), Sara Magdalin (Matilda, 4 years), R.D. Robb (Roy), Gregory R. Goliath (Luther)
Kinostart: 21/3/1997

Eine Welt, in der sadistische Schuldirektorinnen Knüppelkuh heißen und superprimitive Eltern über schlechten Manieren, fragwürdigem Arbeitsethos und einer Überdosis TV ihre Kinder vergessen – so eine Welt ist von Hollywoods streichelweichen Juniorformaten denkbar weit entfernt. Kein Wunder, daß die Kinderbücher Roald Dahls nicht zu Mainstreamkino verramscht werden. Es waren bis dato durchwegs Regisseure mit einem Willen zu ungewöhnlichen künstlerischen Handschriften, die sich an Dahls Werke heranwagten: Nicholas Roeg verwandelte in Hexen Hexen den Kampf eines kleinen Jungen gegen kinderhassende alte Weiber in ein psychoanalytisches Verwirrspiel, in dem es schon passieren konnte, daß ein kleines Mädchen lebenslang in ein Gemälde gezaubert wurde, um dort zu altern und schließlich zu verschwinden. Tim Burton wiederum unterstützte den Puppentrickfilmer Henry Selick bei einer grandios bizarren Musical-Adaption von James und der Riesenpfirsich. Und Danny De Vito hetzt nun die wohl sympathischste Heldin Dahls, Matilda, durch eine Variation seines bisher größten Erfolges Der Rosenkrieg. Mittelstandswohnungen als Alpträume aus Kitsch und mörderisch gewählten Farben; rasende Kamerafahrten und wildeste Grausamkeiten: Einmal wird etwa eine kleine Göre an ihren Zöpfen für eine Art von Hammerwurf mißbraucht, rast durch Blumenbeete, um schließlich ihrer Mutter einen hübschen Strauß übergeben zu können. Derlei Torturen, zugefügt durch das brutale Fräulein Knüppelkuh, legen in Matilda ungeahnte Kräfte frei. Unbeobachtet von ihren Eltern hat die Siebenjährige Dickens, Austen und Hemingway studiert. Jetzt entwickelt sie auch noch parapsychologische Kräfte: Die Schulleiterin wird wie von Geisterhand einer gar finsteren Vergangenheit überführt. Eine scheue Lehrerin gewinnt angesichts des mutigen Kampfes von Matilda an Selbstbewußtsein. Dazwischen lassen Suspensemomente nicht nur kleinen Zusehern den Atem stocken. Matilda ist vielleicht nicht unbedingt ein Film für besorgte Menschen, die ihren Junioren lieber bis zum 18. Lebensjahr Informationen über eine "böse Welt da draußen" vorenthalten: Deswegen war diese Produktion in Amerika auch ein fürchterlicher Flop. Aber wo erlebt man sonst noch Unterhaltung für die ganze Familie, aufwendig und – was das wichtigste ist – liebevoll zugleich. De Vito jedenfalls läßt als Matildas doofer Vater keine Gelegenheit aus, bis zu einem herrlich idyllischen Ende (die Eltern reisen ab) für kriminelle Blödheiten bestraft zu werden. (Claus Philipp, DER STANDARD, 20/3/1997)

Es ist seltsam: Die makabren Kinderbücher Roald Dahls scheinen die, die sie in Film umarbeiten wollen, stilistisch zu prägen, maßzuregeln (wie das so ähnlich regelmäßig etwa auch bei David-Mamet-Verfilmungen passiert) - als könnten die Textvorlagen selbst bestimmen, wie sie im Kino letztlich auszusehen haben. Danny De Vitos Das Mädchen Matilda, zum Beispiel, sieht etwa Nicolas Roegs Dahl-Adaption The Witches / Hexen hexen (1989) täuschend ähnlich, was Erzählton, Schauspiel und Bildsprache anbelangt, obwohl De Vito und Roeg sonst ja alles andere als Stilbrüder sind.
In Matilda sind die Dinge, ein altes Comedy-Schema, zunächst ganz grundsätzlich auf den Kopf gestellt. Man trifft ein scheues kleines Mädchen an, die Titelheldin eben (Hollywoods Niedlichkeiten souverän vermeidend: Mara Wilson). Sie liebt es zu lernen, kiloweise Dickens zu lesen und in die Schule zu gehen, um sich dort aufs Leben vorzubereiten.
Denn daheim, im Horrorhaushalt der Familie Wormwood (großartig geschmacklos: Gebrauchtwagenhändler Danny De Vito und Bingo-Junkie Rhea Perlman) kann man wenig mehr als stumpfsinniges Fernsehen (und die Kunst, sich haarsträubend schlecht anzuziehen) lernen: Matilda, das sieht man schnell, ist ein kleines Genie, noch dazu eines mit praktischen telekinetischen Fähigkeiten, die die Rache an den stupiden Eltern leichtmachen.
In der Schule aber, hier kommt das Problem, wird die selbstbestimmte Matilda einer brutalen Pädagogin namens Mrs. Trunchbull (Pam Ferris), einem kinderhassenden, brüllenden Fleischberg überantwortet. Die Lehrerin gestaltet den Unterricht als Kinderbestrafungsdienst, gegen den sich allerdings bald Widerstand regt: Matilda macht sich, zusammen mit der netten jungen Lehrkraft Miss Honey (Embeth Davidtz), auf die Suche nach Möglichkeiten der Entmachtung Trunchbulls.
Wo Dahl die Namen sprechen läßt - den Wurm im familiären Holz der Wormwoods, während Direktorin Knüppelkuh mit Fräulein Honig konkurriert - , läßt Regisseur De Vito seine Mittel, die Farben und die Kamera sprechen: Wie in seinem War of the Roses / Der Rosenkrieg (1989) entfesselt Kinokarikaturist De Vito in Matilda die giftigen Farben und die panischen Bewegungen - und eine ganz absurde Kamerakinetik, die die schlichte Geschichte von Gut vs. Böse buchstäblich mobilisiert, zur Raserei zwingt.
Natürlich nützen sich De Vitos grelle Techniken und der polternde Witz des Films in der zweiten Hälfte merklich ab: Daran immerhin sieht man sehr deutlich, daß Matilda , auch wenn De Vito nichts so sehr zu kaschieren sucht wie dies, ganz offensichtlich doch das Produkt einer lärmenden, alles andere als subtilen Unterhaltungsindustrie ist. Aber einige der in diesem Film präsentierten Bilder und Ideen, nicht zuletzt jene Roald Dahls, stehen der sachdienlichen industriellen Stromlinienform eben bis zum Schluß im Weg: Allein das enthebt Matilda - eine Komödie, die ihre Hollywoodkritik ängstlich, fast heimlich übt - der blanken, gedankenlosen Lustigkeit. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

Pädagogisch wertvoll; mit diesem an sich harmlosen Satz wurden schon ganze Regale voller Kinderfilme hingemordet. Deshalb wollen wir über dieses köstlichste aller pädagogisch wertvollen Schauermärchen lieber nur sagen, daß bösartiger, skurriler, hintergründiger und lustiger bisher noch kein Wunderkind je verleinwandet wurde als diese Matilda. Und daß diese luftballonbunte Geschenkpackung Lebensweisheit uns Erwachsene kindlicher, Kinder hingegen erwachsener, alle aber wesentlich fröhlicher aus ihrem Zauberbann entläßt.
Was niemand verwundert, wenn man von den beiden Märchenonkeln erfährt, die es erzählen. Da ist einmal Onkel Roald, dessen surrealen, verschroben-schwarzhumorigen Kamingeschichten zu den literarischen Schätzen unserer Zeit gehören. Mr. Dahl gebar uns die liebe Matilda, deren abscheuliche Eltern über die wunderkindlichen Eigenschaften der Kleinen so erbost sind, daß sie das Mädchen einem wahren Monster von Schulleiterin namens Knüppelkuh anvertrauen.
Liebevoll und sarkastisch für den Film eingerichtet hat Matildas Leidensweg wiederum Onkel Danny, seines Zeichens berühmtester Giftzwerg Hollywoods. Schon wie Mr. DeVito uns den dummdreisten Trottel von Erzeuger hanswurstet, einen neureichen, betrügerischen Gebrauchtwagenhändler, den zusammen mit seiner bingosüchtigen Frau nur dümmliche Fernsehshows freuen: grandios und zum Tränenlachen.
In seiner Regie lernen wir mit Freuden, daß Lesen die beste aller Gehirnnahrungen ist und Kinderhasser immer wieder den Beruf des Pädagogen ergreifen; daß es aber auch Lehrer wie Miß Honig gibt, die so süß und sanft wie ihr Name ist. Was den Darstellern ganz offensichtlich Spaß gemacht hat, bereitet dem Publikum noch viel mehr. Und was ein klasser Klassenlehrer ist, packt sowieso seine Schüler zusammen und macht den nächsten Lehrausgang zu Matilda ins Kino. (Rudi John, KURIER)

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