Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring
In Österreich am 28. März 1997 neu angelaufene Kinofilme
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DIE STORY VON MONTY SPINNERRATZ
D 1997
Regie: Michael F. Huse,
Buch: Werner Morgenrath, Peter Scheerbaum, nach Tor Seidler,
Musik: Frederic Talgorn,
Kamera: Piotr Lenar,
Schnitt: Tim Mc Leish,
Darsteller: Puppen aus dem Ensemble der Augsburger Puppenkiste:, Isabella Nobelratz, Monty jr. Spinnerratz, Monty sen. Spinnerratz, Rudi Raffratz, Kanaligator Charon, Josef Ostendorf, Lauren Hutton, Beverly D'Angelo, Jerry Stiller
Kinostart: 28/3/1997
In der geheimnisvollen New Yorker Kanalisation verhindern fleißige Ratten, daß Manhattan in Treibgut und Müll erstickt und mit ihm die magische Heilpflanze Sambucina. Doch der millionenschwere Immobilienspekulant Mr. Dollart ignoriert das empfindliche ökologische Gleichgewicht: Er will in den stillgelegten Hafenanlagen ein riesiges Parkhaus errichten. Die Ratten sollen vorher mit Gift vernichtet werden. (Verleihprogramm)
Die schimpfwörtlich miesen Ratten sind die Menschen. Sie sind's, die garstige Chemiekeulen basteln und so einen Aufstand der echten Ratten provozieren, die ihrerseits possierliche Putzmäuse sind. Davon und vom diskreten Charme bewegter Puppen erzählt dieses hinreißende Märchen mit Marionetten und echten Schauspielern am Originalschauplatz New York und seiner romantischen Unterwelt.
Logisch, daß man beim Stichwort Marionette erst einmal mißtrauisch wird. Was ist an aufgefädelten Puppen schon so toll? Dumpf glotzende Hampelmännchen, die klobig mit den Armen wackeln, fade Tranquilizer als Betthupferl. Das niedliche Ratzenpack der Augsburger Puppenkiste ist jedoch aus feinerem Holz geschnitzt: nostalgisch und entzückend, aus Holz und Fell wie selbst gebastelt, von den Drahtziehern so geschickt manipuliert, daß mangelnde Mimik durch Gestik hinreichend kompensiert wird.
Damit ein Geldhai seine verratteten Grundstücke verscherbeln kann, will er alle Nager vergiften. Die wehren sich und beschließen, sich freizukaufen. Das wissen sogar längst schon die klugen Ratten, daß klingende Münze offenbar die einzige Sprache ist, welche die Menschen verstehen. Also wird in den Kloaken Geld gerafft. Die Ratzenpratzen bleiben bei der ungustiösen Wühlerei sogar völlig sauber, denn die Kanalisation New Yorks schimmert hier so azurblau wie Seegrotten auf Capri. Ein Paradies für jeden Kanalräumer...
Und doch brodelt's bald im Untergrund; Nobelratzen verweigern die Arbeit, Packratzen streiken, und Demokratzen schlichten. Anarchie total. Daß happyendlich alles gut wird, ist klar, sonst wär's kein Märchen. Vergnüglich sind vor allem die tapsigen Marionetten im zerzausten Mottenpelz, die in New York so deplaziert wirken wie Lotte Tobisch auf einem Acid-Rave. Eine Rattenkiste auch für große Kinder. Und die nicht wegdigitalisierten Fäden stören überhaupt nicht. (Monika Vanecek, KURIER)
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VERTRAUTER FEIND (THE DEVIL´S OWN)
USA 1996
Regie: Alan J. Pakula,
Buch: David Aaron Cohen, Terry George, Kevin Jarre, Vincent Patrick,
Musik: James Horner,
Kamera: Gordon Willis,
Darsteller: Harrison Ford (Tom O'Meara), Brad Pitt (Rory Devaney), Margaret Colin (Sheila O'Meara), Rubén Blades (Edwin Diaz), Treat Williams (Billy Burke), George Hearn (Peter Fitzsimmons), Mitchell Ryan (Chief Jim Kelly), Natasha McElhone (Megan Doherty), Paul Ronan (Sean Phelan)
Kinostart: 28/3/1997
Junger IRA-Aktivist (Brad Pitt) wird auf der Flucht ins Haus eines arglosen New Yorker Cops (Harri Ford) verbracht; Freundschaft, Furcht, Friktionen. Als seine Häscher ihn aufstöbern, fängt das ganze Geballere von vorne an... (FALTER)
Manchen Filmen sieht man, so mißraten sie eigentlich sind, immer noch eine große Idee an – eine Grundhaltung, die Auseinandersetzung lohnt. Wie Wrackteile weisen sie ein paar schimmernde, schadlose Stellen auf; man kommt nicht umhin, diese Momente doch zu genießen. Devil’s Own (zu deutsch: Vertrauter Feind) ist so ein Film.
Ein US-Polizist irischer Abstammung (Harrison Ford) trifft auf einen jugendlichen IRA-Terroristen (Brad Pitt). Altregisseur Alan J. Pakula erzählt dies zuallererst als eine Kollision von Prinzipien. Der Mörder weiß seine Taten trefflich mit jugendlichen Traumata und politischer Ungerechtigkeit zu begründen. Der Cop ist so sehr gegen Waffengewalt, daß er auch um das Überleben des von ihm Gejagten bangt. Die Schwerkraft der Verhältnisse schleudert beide in tragische Niederlagen.
Pakula, der Ford zuletzt bereits in Aus Mangel an Beweisen eine denkbar ambivalent konservative Rolle maßschneiderte, muß in seinem ursprünglichen Regiekonzept einen denkbar unspektakulären Tonfall intendiert haben: Man verspürt diesen noch bei läppischen kleinen Polizeieinsätzen, die weit vom gängigen Thriller-Konfektionskino entfernt eher an die Cop-Romane eines Joseph Wambaugh erinnern. Man ahnt diese Verhaltenheit vor allem in Fords beiläufigem Spiel.
Das Endprodukt selbst jedoch ist, wie man hören mußte, in einem Sog aus ökonomischen und ideologischen Berechnungen sukzessive verstümmelt worden: Es müssen die explodierenden Produktionskosten gewesen sein – angeblich über 90 Millionen Dollar, die man Devil’s Own an keiner Stelle ansieht –, die Pakula zwangen, den Film mit unerträglicher Weichzeichnerei aufzumascherln.
Rückblenden und eine Introduktion in Irland ersticken förmlich in folkloristischem Pathos. Das Motiv einer mit allen Mitteln zu bewahrenden Familienidylle wird irgendwann übermächtig, obwohl doch eine grundsätzliche Isolation der Protagonisten dessen gar nicht bedürfte. Und nicht zuletzt Brad Pitt gerät ein wenig gar naiv zu einem romantischen Retter der Witwen und Waisen, dem man eine grundsätzliche Getriebenheit nicht mehr abnimmt.
Dennoch: Allein das Schlußbild wird unvergeßlich bleiben. Ein kleines Schiff vollzieht eine fürchterlich langsame Kehrtwende in einen heimatlichen Hafen, in dem einen Überlebenden wenig mehr erwartet als ewiger Hader mit einem System, das die Rückkehr zu menschlicheren Normen nicht mehr zuläßt. 90 Millionen Dollar, und keine Hoffnung mehr in Sicht. (Claus Philipp, DER STANDARD, 1/4/1997)
Aus Irland kommen die weltbesten Waffenschieber und Sprengstoff-Spezialisten. Das erfuhren Kinobesucher schon lange, bevor Irlands Star-Regisseure wie Jim Sheridan (Im Namen des Vaters) oder Neil Jordan (The Crying Game) aus den politischen Problemen ihres Landes filmisches Exportgut machten: Bereits Anfang der siebziger Jahre wußte James Coburn (in Sergio Corbuccis Italo-Western Todesmelodie) als irischer Sprengstoff-Experte die mexikanische Revolution anzuheizen; und noch in den Neunzigern weiß man Leute wie Jeff Bridges und Tommy Lee Jones (in Explosiv) wohl zu schätzen, deren Lehrjahre im irischen Bürgerkrieg zum Bombenlegen bzw. -entschärfen in der Neuen Welt dienlich sind.
Mit Vertrauter Feind / The Devil's Own bewegt sich nun ein Filmemacher, dessen Polit-Thriller in den ereignisreichen siebziger Jahren zu den intelligentesten Außenseiter-Produkten Hollywoods zählen, auf eben diesen Gemeinplatz zu: Alan J. Pakula, Regisseur von ebenso spannungsreich wie präzise inszenierten Filmen wie The Parallax View (1974) oder All the President's Men ( 1976), bedient sich in seinem jüngsten Film zweier "Iren", um - in aller Biederkeit - eine genuin amerikanische Männerhelden-Geschichte zu erzählen.
Vertrauter Feind handelt von der Freundschaft und dem Kampf zweier Männer mit den gleichen Wurzeln (und ganz unterschiedlichen Moralvorstellungen). Auf der einen Seite steht der irische Terrorist Rory (Brad Pitt), der - als friedlicher US-Immigrant getarnt - Waffen für die IRA besorgen soll; auf der anderen Seite, eine ganze Generation weiter, der irisch-stämmige New Yorker Polizist Tom (Harrison Ford), der den jungen Mann beherbergt und wie ein Familien-Mitglied behandelt.
Als der junge Gast nun durch seine geheime Mission die ganze Familie in Gefahr bringt, beginnt der Polizist, wie man sagt, Lunte zu riechen - und er beschließt, den Terroristen (in Ausübung seines Amtes sowie seiner ethischen Grundsätze wegen) unerbittlich zu jagen.
Mit handlungshemmenden Ausschweifungen zum Thema "Menschliche Beziehungen im Zeichen der Politik" verbindet Regisseur Pakula die wenigen (außerdem wenig originellen) Plot-Points seines Films zu einer in jeder Hinsicht dünnen Story. Vertrauter Feind erzählt von biographischen Schatten und Gewissenskonflikten, leuchtet aber durchgehend jede Geschichts-Nische, jeden Motiv-Flecken aus - und bleibt letztlich allen Klischees des psychologisierenden Hollywood-Helden-Dramas verbunden.
Der Terrorist ist nach Pakula jemand, den man - nachdem einem der Grund seines Kampfes eindringlich unter die Nase gerieben wurde - einfach verstehen muß; und zugleich ist er jemand, dessen Handeln man (bei intaktem Verständnis für den Unterschied zwischen Gut und Böse) unmöglich tolerieren kann. Das daraus resultierende, außerordentlich verlogene Konflikt-Szenario kennt man aus tausendundeinem Männerfreundschaft-Mythos: Der Gesetzeshüter bringt den zur Strecke, den er am meisten bewundert und am besten versteht, um seine eigenen moralischen Zweifel zu besiegen. Prompt reichen sich Terrorist und Polizist dann auch, ein uraltes Bild, am einseitig tödlichen Ende ihres erbitterten Kampfes die Hand zur Versöhnung: von Ire zu Ire, von Kämpfer zu Kämpfer, von Mann zu Mann. Für diese Art von Krieger-Romanze hätte Pakula weder die IRA noch die Politik im allgemeinen bemühen müssen. Der vertraute Wilde Westen hätte es auch getan. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)
Harrison Ford als New Yorker Bulle O'Meara steht unerschütterlich für Moral. Steht und fällt und steht wieder auf. Spätestens seit "High Noon" wissen wir, wie verdammt spannend Moral sein kann. Auch in diesem Spannungsfall legt Moral die sich zuziehenden Schlingen eines Gewissensthrillers. An diesem Filmdrama klebt als Etikett ein Kleeblatt. Ist aber kein Glücksbringer. Nicht einmal Hoffnung grünt. Blutbesudelt steht der grüne Klee für Irland, IRA, Haß und Massaker, wächst sich bald zu Dornengestrüpp und schließlich zum Baum aus, aus dem man Kreuze zimmert. Einen guten Handlungsfluß speisen viele Quellen. Hier strömt Berufsehre, sickert Mißtrauen, rieselt Verrat, windet sich Unbehagen, fließt Blut, tropft Liebe ein. Und von ferne rauschen die Wellen schrecklicher Kindheitserinnerung heran Stell dir vor, du bist acht und sitzt mit den Eltern beim Abendbrot, plötzlich treten zwei Maskierte die Tür ein und schießen deinen Vater in den Kopf. Vielleicht willst du darauf ein Leben lang von Gewalt nichts wissen. Vielleicht aber willst du nur noch Rache, Rache bis zum Tod. Brad Pitt ist eigentlich zu schön, um ein Racheengel zu sein. Fast hat er sich die klaren Züge jenes Kindes bewahrt, das mit verständnislosem Entsetzen seinen Vater verbluten sah. Jetzt bekleidet dieser Frankieboy mit Kindheitstrauma den Rang eines Kommanders der verbotenen irischen Befreiungsarmee und wird vom Blutschauplatz Belfast zum illegalen Raketenkauf nach New York entsandt. Unter politischen Journalisten ein offenes Geheimnis, daß dort irischstämmige Sympathisanten insgeheim Geld für den Krieg in der alten Heimat sammeln, Waffen beschaffen, Asyl gewähren. Frankie bekommt von seinem Verbindungsmann in den USA einen Unterschlupf zugewiesen - ausgerechnet bei einem nichtsahnenden Polizisten samt Frau und drei Töchtern. Worauf in dessen Haus eine Zeitbombe tickt, weil Komplikationen beim geplanten Kauf der Cruise Missiles nicht ausbleiben. "Wir sind normale Menschen in einer abnormalen Situation", bemerkt Frankie einmal zu seinem neuen Freund Tom über den ewigen Bürgerkrieg in Nordirland. Das vor allem will uns auch der Film weismachen: daß Terroristen Menschen wie du und ich sind. Aus befremdlichen Weltnachrichten ein nahegehendes Bezügenetz zu knüpfen, mag ein ehrbares Anliegen sein, aber gerade das Menschelnde legt sich der Spannung immer wieder quer. Noch ein Problem: Sympathie ergreift Partei, aber fürs Begreifen nutzt dies wenig. Und doch würden wir so gerne einmal wissen, warum uns das Kino mit tragischen Helden wie Frankie mühelos Gefühle leiht, die wir ohne es gar nicht hätten - und haben wollten. (Rudi John, KURIER)
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