Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 11. April 1997 neu angelaufene Kinofilme


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DIE ANFÄNGER (LES APPRENTIS)

USA 1996
Regie: Pierre Salvadori, Buch: Pierre Salvadori, Philippe Harel, Musik: Philippe Eidel, Kamera: Gilles Henry, Schnitt: Hélène Viard, Darsteller: Francois Cluzet (Antoine), Guillaume Depardieu (Fred), Judith Henry (Sylvie), Claire Laroche (Agnès), Marie Trintignant (Lorette), Philippe Girard (Nicolas), Bernard Yerles (Patrick), Jean-Pol Brissard (Chefredakteur), Blandine Pélissier, Jean-Michel Juillard, Maryvonne Schiltz, Claude Aufaure, Hélène Roussel, Marie Riva, Philippe Duquesne, Agathe Lepicard, Jeanne Lepicard, Jean-Baptiste Marcenac, Elisabeth Kaza
Kinostart: 4/4/1997

LES APPRENTIS - DIE ANFÄNGER erzählt von lausigen Jobs und stümperhaften Diebstählen, von erotischen Abenteuern und einschneidenden Beziehungskatastrophen. Die amüsante, tragikomische Geschichte einer wunderbaren Freundschaft.
Antoine (François Cluzet), klein, schmächtig und nicht mehr ganz jung, ist Schriftsteller und lebt von Artikeln für ein billiges Karate-Magazin. Zu den materiellen Sorgen kommt die Herzenskrise. Seine große Liebe Valerie hat er schon vor langer Zeit verlassen, kann sie aber nicht vergessen. Als er seine Wohnung verliert, klopft er ver-zweifelt an ihre Tür. Vielleicht nimmt sie ihn wieder auf. Aber Valerie lebt gar nicht mehr in Paris.
Fred (Guillaume Depardieu), groß, lässig und noch ziemlich jung, ist als Fotograf absolut erfolglos. Immerhin lebt er komfortabel in der großen Wohnung eines Bekannten. Seinen Lebensmittelbedarf deckt er mit kleinen Diebstählen aus dem Supermarkt.
Der Wohnungsbesitzer ist auch ein enffernter Freund von Antoine. Fred ist gar nicht begeistert, daß er "seine" Wohnung plötzlich mit einem Fremden teilen muß. Doch die beiden gestrandeten Existenzen werden mit der Zeit richtig dicke Freunde, teilen Freud und (Liebes-)Leid,versuchen einander zu unterstützen und scheitern immer wieder mit ihren zaghaften Versuchen, aus ihrem Alltag auszubrechen.
Als der Verlust der Wohnung droht und ein dilettanti-scher Ausflug ins Verbrechen scheitert, scheint der Tiefpunkt erreicht zu sein. Während Fred zumindest im amourösen Bereich eine Wende erlebt, stürzt Antoine endgültig ins Bodenlose. Doch Fred läßt seinen Freund nicht im Stich...

"ln ihrer gemeinsamen Wohnhöhle teilen sich Fred und Antoine die Socken, die gestohlene Tiefkühlkost, die Beziehungsprobleme, die Arbeitslosigkeit und den Wodka. Indem er seine beiden Helden todernst über Wohnung, Weiber und Wehwehchen streiten läßt, entwickelt der Film einen ungewöhnlich lakonischen Dialogwitz." (Tip Berlin)

"LES APPRENTIS will erheitern und unterhalten. Regisseur Salvadori verzichtet dabei auf die erprobten Rezepte der deutschen oder französischen Beziehungskomödie, es gibt keine Dreiecks-, Vierecks- oder Schwulengeschichten, sondern er zielt ein wenig höher. Regisseur und Autor versuchen den Alltag zu bewältigen, und das auf hohem Niveau... Der Dialog ist brillant, kein Satz ist zuviel oder klingt falsch, aber er hat nicht die Geschwätzigkeit des französischen Boulevardfilms. Auch die komischen Einlagen wie der Einbruch oder der Sex zu dritt geraten nicht zur platten Komik, sondern sind dramaturgisch sinnvolle Highlights..." (epd Film) "Ein exzellent gemachter Film, bei dem der komische Einfallsreichtum eher auf einer gewissen Sparsamkeit der Mittel beruht als auf einer Zurschaustellung von Gags und Überraschungseffekten. Bei Salvadori ist das Lachen befreiend, weil es auf einer scharfen Beobachtung der Realität beruht." (Cahiers du Cinema)

Fred und Antoine, der eine groß, blond und erfolgloser Möchtegern-Fotograf, der andere klein, braunhaarig und Zeilenlieferant für eine Zeitschrift, machen sich gegenseitig Mut, die partner- und arbeitslose Zeit zu überstehen, was ihnen sehr unterschiedlich gelingt. Wechselhafte Komödie mit einigen scharf beobachteten Szenen, jedoch auch mehreren, angerissenen, dann aber nicht ausgespielten Handlungssträngen. Die Protagonisten, darunter der äußert adäquate Guillaume Depardieu, hängen zudem eigenartig im luftleeren (gesellschaftlichen) Raum. Zum Schluß kippt der Film gar ins Traurig-Dramatische. (Zoom, 11/96)

"Worum es mir geht, ist, daß Antoine am Ende des Filmes wieder im Leben ist, berührt von den anderen Menschen. Ich finde das schön, wesentlich. Ohne ein entschieden optimistisches Ende hätte der Film keinen Sinn. Ich kann nicht meine Energie verbrauchen, um zu sagen, daß da nichts zu ändern ist. Ich wollte einen für das Glück kämpferischen Film machen...
Wir alle kennen schwierige Zeiten, aber ich wollte zeigen, daß trotzdem Grund zum Optimismus besteht. Freundschaft ist eine Lösung von vielen, aber eine wesentliche, die hilft, schwere Zeiten zu überstehen, und die dem Alltag eine feinere Dimension verleiht...
Ich finde, jedes Thema braucht einen adäquaten Umfang. Es gibt zu viele disproportionierte Filme. Wenn Sie die Geschichte zweier Clochards filmen, die sich auf dem Pont Neuf lieben, und sie kostet 100 Millionen Francs, dann finde ich das völlig absurd. Da ist kein Gleichgewicht zwischen der Idee und ihrer Umsetzung. Sicher hätten wir uns manchmal mehr Zeit und Geld gewünscht. Aber wenn Sie die Geschichte zweier Freunde drehen, die zusammen wohnen und nicht viel Geld haben, dann schreit das nicht nach einer Riesenproduktion. Weshalb sollte ich teure Effekte verwenden oder aufwendige Kamerafahrten durch die Fenster drehen, nur um zwei Kumpel zu zeigen, die in Unterhosen Erdnüsse essen?" (Regisseur Pierre Salvadori)

Wie lange ist das eigentlich her, daß Antoine in der verlotterten WG auf Fred getroffen ist? Die Zeit verstreicht im Kino schnell, wenn es sein muß. Fünf Jahre, zehn Jahre können in einer Minute vergehen, in der ein Namensschild an der Tür langsam vergilbt, während drinnen alles beim alten bleibt. Antoine (François Cluzet), Autor mit chronischer Schreibhemmung, ist ein sympathischer Versager, so wie der arbeitslose Mechaniker Fred (Guillaume Depardieu). Beide sind sie nur geduldet in der Pariser Altbauwohnung, in der ihnen nichts gehört.
Wenn sich kein Gelegenheitsjob ergibt, liegen sie ambitionslos herum und sehen fern. Von Sex wird nur geträumt, Streit gibt es selten. Höchstens dann, wenn Fred im Supermarkt wieder nur runde Dinge zum Essen gestohlen hat oder zu laut ins WC-Becken uriniert. Pierre Salvadori, Regisseur von Die Anfänger, meint es gut mit seinen Helden, auch dann noch, wenn die kleine Komödie zum Melodram zu werden scheint.
Nach ein paar Jahren wünscht sich Antoine, der sich an ein bürgerliches Leben immerhin noch erinnern kann, nun langsam doch eine eigene Wohnung, einen Fernseher, eine Familie. Seine Talfahrt beschleunigt sich, als den trägen Untermietern gekündigt wird. Die Versuche, dem drohenden Unheil zu entgehen, scheitern kläglich.
Ohne große Effekte ist diese Geschichte erzählt. Zwar geht mancher Scherz daneben, aber insgesamt gelingt diese Melange aus trockenem Humor, Übertreibung und Wirklichkeit. Nach Antoines Nervenzusammenbruch besucht ihn eine alte Liebe in der Klinik. Sie kenne diese Traurigkeit, erzählt sie beim Spazierengehen. Wie lange es wohl dauere, bis die Depression vorbeigehe, fragt er zurück. "15 Jahre", sagt sie, und man weiß nicht recht, ob sie einen Scherz macht oder nur ehrlich ist. Antoine, einer der liebenswürdigsten Melancholiker, die Frankreichs Gegenwartskino zu bieten hat, kann es egal sein. Weil Salvadori ihn liebt, darf auch er auf eine neue Chance hoffen. (DIE PRESSE)

Französische Filme haben zwar meist keine Geschichte, aber sie erzählen sie trotzdem. (...) (Monika Vanecek, KURIER)

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LOST HIGHWAY (LOST HIGHWAY)

USA 1996
Regie: David Lynch, Buch: David Lynch, Barry Gifford, Musik: Barry Adamson, Angelo Badalamenti, Trent Reznor, Kamera: Peter Deming, Darsteller: Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty
Kinostart: 11/4/1997

Von Eifersucht gequält, scheint Jazzmusiker Fred Madison seine Frau Renee getötet zu haben. Ohne sich an die Tat erinnern zu können, landet er abgeurteilt im Gefängnis. Dort verschwindet er spurlos, und ein junger Automechaniker mit Gedächtnisverlust lebt seinen Alptraum fort, in dem die ermordete Renee wiederaufzuerstehen scheint. (Blickpunkt: Filme 11/97)

Mit seinem ersten Spielfilm seit "Twin Peaks – Fire Walk With Me" wagt David Lynch ein verwirrendes Thriller-Rätsel: Bill Pullman und Patricia Arquette verlieren sich in zerfließenden Bildern und schroffen Ton-Kaskaden. "Lost Highway" wurde am Mittwoch bei einer STANDARD-Leserpremiere präsentiert.
David Lynch wird gern als der Zauberlehrling des Kinos beschrieben. Die Geister, die er rief, die wird er nicht mehr los. Doppelgänger und geheimnisvolle Dritte bevölkern sein Universum. Das Surreale sickert in den Alltag, bis die Dämme brechen. Dann rette sich, wer kann.
Lynch wäre in dieser Sicht der Gefangene im Inneren der Seelenstürme, die er selbst entfacht. Bedrängt von Obsessionen, macht er Filme. Sein Material sind archetypische Bilder. Ödipus trifft seinen Vater in der Black Box. Lynch färbt diese Box nur neu ein.
Wir erinnern uns an den "Pink Room" in Fire Walk With Me. Auch Lynchs neuester Film Lost Highway ist, obwohl er im Titel und in der Titelsequenz von der großen Aus-und Irrfahrt erzählt, ein Kammerspiel. Der Musiker Fred Madison (Bill Pullman) lebt mit seiner Frau Renee (Patricia Arquette) in einem festungsartigen Haus in einem sonnigen Vorort von L.A.
Das Unbehagen zwischen den beiden Designer-Existenzen ist förmlich mit Händen zu greifen. Lynch erzielt diesen Effekt, indem er die Figuren auf Schemen im Dämmerlicht reduziert, und zugleich den Raum mit Various Ominous Drones, einem unbestimmten Klang, auflädt: Die Leere ist belebt. Die Körper werden beinahe abstrakt, etwa in einer Liebesszene, in der Pullmans Rücken wie eine Landschaft im Zwielicht liegt, bis Arquettes Hand aus dem Dunkel auftaucht. Die liebkosende Geste ist zugleich extrem unheimlich.
Die unheilschwangere Stimmung verstärkt sich noch, als das Paar eines Morgens eine Videokassette vor dem Haus vorfindet. Das Band zeigt nur das Haus, später auch das Hausinnere, später das Schlafzimmer: Ein Unbekannter beobachtet und filmt die schlafenden Eheleute.
Von hier aus verzweigt sich die Geschichte in mehrere Richtungen: Es geschieht (vielleicht) ein Mord, ein Mystery Man (Robert Blake) taucht auf, Pullman verschwindet aus dem Film. An seiner Stelle taucht ein Automechaniker (Balthazar Getty) auf. Arquette kehrt in einer Doppelgängerrolle wieder.
Ein geheimnisvoller Satz bildet die Klammer: "Dick Laurent ist tot." Wer ist Dick Laurent? Lost Highway läßt dem Zuseher zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht, in der komplizierten Geschichte die Oberhand zu behalten. Man wäre dann die Kontrollinstanz in einem weitgehend irrationalen Spiel.
Oder aber man läßt sich auf die Detailarbeit von Lynch ein, läßt sich vom Strom treiben. Man könnte dann feststellen, daß Lynchs Strom nicht manipulativ ist, sondern andere, neue Formen der filmischen Verknüpfung findet. Das funktioniert über die Bilder (Kamera: Peter Deming), die immer wieder zerfließen und dahinter (wenn man archäologisch denkt: darunter) neue Ebenen eröffnen.
Das leistet zudem das vom Soundtrack (Angelo Badalamenti, Trent Reznor von Nine Inch Nail) nicht haarfein zu unterscheidende Sounddesign (Lynch). Es ist nicht Illustration, sondern Träger der Geschichte. Lost Highway arbeitet an Intensitäten statt an Suspense. Lynch interessiert sich nicht für den Zeitpfeil, sondern für Aggregatzustände. Allenfalls David Cronenbergs Crash ging in letzter Zeit im Westen ähnlich weit in die Richtung eines Kinos, das auf Erzählungen verzichtet und stattdessen Häutungen des Unwirklichen beobachtet. Ein großer Film. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 10/4/1997)

David Lynch über "Lost Highway":
Autobiographie: "Es ist gefährlich, seine eigenen Obsessionen zu deutlich zu machen. Der Film hat kaum Verbindungen zu persönlichen Erlebnissen. Aber ich frage mich dennoch, wie stark etwa diese "doppelten" Frauenfiguren aus meinen Phantasien entstehen und wie sehr sie aus einer rein dramatischen und visuellen Idee geboren werden."
Ein Traum: "Die Form dieses Films nähert sich der Erfahrung des Träumens. Er entwickelt sich wie eine in sich geschlossene Spirale, eine Moebiusschleife. Ich versuche nicht, alles zu erklären. Es ist besser, ein Fenster offen stehen zu lassen, damit der Traum überlebt."
Pornographie im Film: "Das Pornomilieu ist nicht unbedingt verdorben – sondern wie jeder soziale Mikrokosmos durchsetzt mit schrecklichen Aspekten. Ich habe nicht viele Pornos gesehen. Im allgemeinen finde ich sie unbefriedigend. Wäre es überhaupt möglich, einen befriedigenden Porno zu drehen? Vielleicht sollte ich es einmal versuchen."
Unschuld: "Zerstört wird sie vor allem durch Doppelmoral und Angst. Unschuldig zu sein heißt für mich, neugierig zu sein und nicht zu urteilen."
Geheimnisse: "Jedes Mal, wenn ich eine Oberfläche sehe, will ich wissen, was sich darunter verbirgt. Ich sehe eine Tür und mich überkommt das übermächtige Verlangen, sie zu öffnen. Vorhänge reizen meine Neugier ähnlich. Das Geheimnis als Auslöser: Man fängt an, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Man bewegt sich." Interview: (M.Rothe, DER STANDARD, 10/4/1997)

David Lynch kehrt mit "Lost Highway" in die Welt seiner frühen Filme zurück - und bleibt auf halbem Wege stehen
Es gibt eine schlaue und eine dumme Art, über "Lost Highway" zu reden. Wer schlau ist, fängt gleich frischweg damit an, mit Begriffen wie "Dekonstruktion" und "Postmoderne", "phallische Grammatik" und "narrative Umkehrung" um sich zu werfen. Wer sich dagegen im Kino lieber bewegen als bequatschen läßt, versucht erst einmal, die Handlung des Films zu begreifen.
Erster Versuch.
Ein Mann ermordet seine Frau und wird dafür zum Tode verurteilt; in der Gefängniszelle verwandelt er sich in einen anderen, jüngeren Mann, der ebenfalls einen Mord begeht, ehe er sich in den ersten, älteren Mann zurückverwandelt, welcher nun mit Hilfe eines Geistes einen dritten, noch älteren Mann ermordet, dessen Ende schon am Anfang der Geschichte verkündet wurde: "Dick Laurent ist tot."
Zweiter Versuch.
Fred (Bill Pullman ) und Renee Madison (Patricia Arquette ) leben in einem großen, kalten, beinahe fensterlosen Haus "nahe beim Observatorium". Drinnen verströmen Steh- und Wandlampen ein diffuses, trügerisches Licht. Fred ist Musiker, jeden Abend bläst er in der "Luna Lounge" sein Tenorsaxophon; Renee hingegen hat nichts zu tun. Wie es um die beiden steht, sieht man, als Renee nach Freds vergeblichem Versuch, mit ihr zu schlafen, leise auf seinen Rücken klopft und flüstert: "Ist ja gut."
Eines Tages bekommen die beiden ein Videoband zugeschickt; es zeigt die Außenfront ihres Hauses. Am nächsten Tag folgt ein zweites Videoband: Es zeigt Fred und Renee in ihrem Schlafzimmer. Das dritte Videoband, einen Tag später, zeigt die verstümmelte Leiche Renees und den blutbesudelten Fred. Zuvor, auf einer Party, hat Fred einen Mann mit einem leichenblassen Clownsgesicht kennengelernt, der behauptete, ihn schon früher getroffen zu haben. Wo? "In Ihrem Haus. Ich bin dort, jetzt, in diesem Moment. Rufen Sie mich an. Sie haben mich eingeladen. Ich gehe nirgendwohin, wo ich nicht eingeladen bin." Und zu Hause, in einem bösen Traum, hat Fred auf dem Gesicht seiner Frau die Züge dieses mystery man gesehen und ist schreiend aufgewacht.
Schreiend sitzt Fred auch in der Todeszelle und hält sich den schmerzenden Kopf, während Ungeheuerliches passiert: Blitze zucken herab, in der Zellenwand öffnet sich ein Vorhang, und dahinter sieht man ein brennendes Haus. Am nächsten Morgen sitzt Pete Dayton (Balthazar Getty) an Freds Stelle auf der Gefängnispritsche. Pete wird freigelassen und nimmt sein gewohntes Leben wieder auf: die Eltern, die Freundin, den Job in Arnies Autowerkstatt, die Ausflüge mit Mr. Eddy (Robert Loggia), dem ortsüblichen Gangsterboß. Bis Alice (wiederum Patricia Arquette) auftaucht, Mr. Eddys Freundin. Sie verführt den jungen Pete, überredet ihn, einen Raubmord zu begehen, und flieht mit ihm zu einem Haus in der Wüste. Im Scheinwerferlicht ihres Autos lieben sie sich, wälzen sich im Sand, und Alice flüstert Pete ins Ohr: "Du wirst mich nie bekommen."
Dann ist Alice fort, und der Mann, der jetzt zu dem Wüstenhaus geht, ist nicht mehr Pete, sondern Fred. Drinnen trifft er den mystery man wieder, und im "Lost Highway Hotel", ein paar Meilen weiter, sieht er Renee alias Alice, die gerade ein Stelldichein mit Mr. Eddy alias Dick Laurent hat. Es gibt ein Duell in der Wüste, und der mystery man hilft Fred, den Gangsterboß zu töten. Kurz darauf steht Fred vor seinem eigenen Haus und sagt in die Gegensprechanlage den Satz, den er zu Beginn des Films von oben aus gehört hat: "Dick Laurent..."
Dritter und letzter Versuch.
"Eines Morgens wachte ich von der Klingel auf. Ein Mann sagt: ,Dave!', ich sage: ,Ja', und er sagt: ,Dick Laurent ist tot.' Und ich sage: ,Was?', und es war niemand da. Ich kann die Vorderfront meines Hauses nur sehen, wenn ich ganz nach vorn gehe und aus dem großen Fenster gucke. Und da war niemand. Ich weiß nicht, wer Dick Laurent ist. Ich weiß nur, daß er tot ist!" (David Lynch)
Das war es also: eine Klingel, eine Stimme, eine Botschaft ohne Sinn.
Regisseure, die aus derlei Erlebnissen Filmstoffe machen, genießen im Kino einen besonderen Status. Sie heißen "Autoren", weil sie der technischen und dramaturgischen Apparatur, die zum Filmedrehen notwendig ist, ihre persönliche Handschrift aufzwingen. So kommt es, daß wir aus ihren Werken mehr über die innere und äußere Wirklichkeit unserer Tage erfahren als aus den Unterhaltungsprodukten der Industriefilmer. Ein Film von Woody Allen oder Robert Altman ist ein Fenster auf die Welt, ein Film von Joel Schumacher oder Alan Pakula nur eine bunte Tapete.
Auch für David Lynch gilt die Autorenklausel. Spätestens seit "Blue Velvet" (1986), im Grunde aber schon seit Lynchs Debütfilm "Eraserhead" sind die wesentlichen Züge seines filmischen Universums bekannt: das ewige Drama des "nicht zu Ende geborenen Mannes" (Georg Seeßlen), der im Labyrinth seiner pubertären Obsessionen gefangen bleibt; der beinahe schamanistische Glaube an die Beseeltheit leerer Objekte und, umgekehrt, das Spiel mit der Maskenhaftigkeit menschlicher Gesichter; die eher malerisch als dramatisch geprägte Bildkomposition, die Auflösung aller zeitlichen und räumlichen Kontinuität; schließlich der zwanghafte Blick auf alle Formen körperlicher und seelischer Zerstörung, Wahnsinn, Gewalt, Sex und Tod. Seit "Wild at Heart" (1990) wissen wir, daß Lynch von der magnetischen Kraft des leeren, dunklen Highways besessen ist, und aus der Fernsehserie "Twin Peaks" (1991) kennen wir die Figur des mystery man, der hinter einem roten Vorhang in einer Art schalldichtem, luftleerem Jenseits haust. Es gibt fast kein Motiv in "Lost Highway", das nicht aus anderen Lynch-Filmen vertraut wäre; so entsteht ein Sog des Wiedererkennens, der viele Erklärungen überflüssig macht.
Andererseits aber ist der studierte Maler und Photokünstler David Lynch eben doch kein Autorenfilmer im europäischen Sinn - wie Ingmar Bergman, den er immer wieder als Vorbild nennt, oder wie der Engländer Peter Greenaway, dessen zunehmend steriles Kopf-Kino er bewundert. Denn Lynch hat, ebenso wie sein kanadisches Alter ego David Cronenberg, von Anfang an alle seine Filme auch als Industrieprodukte betrachtet, als filmische Waren, welche die Sprache des Marktes sprechen müssen, auf dem sie sich verkaufen. In diesem Spiel geht es weniger um die Befreiung des Auges als um seine Überwältigung - um die suspension of disbelief, die Auslöschung jeglichen Zweifels am Gesehenen, die perfekte Illusion. Lynch aber will immer beides, befreien und überwältigen, den offenen Horizont und die geschlossene Form. "Blue Velvet" und "Wild at Heart" sind an diesem Widerspruch gewachsen; "Lost Highway" zerbricht daran.
Der Film sei "ein Möbius-Band", sagt Lynch - ein in sich verschlungenes Gebilde, das kein Innen und Außen, kein Vorne und Hinten, sondern nur eine durchgehende Oberfläche hat. Das klingt gut und setzt sicher eine Menge Dissertationen in Gang; aber leider hat Lynchs Band eben doch zwei sichtbare Bruchstellen. Es sind die beiden Verwandlungen: von Fred in Pete, von Pete in Fred. Wir sollen glauben, "daß sie in Wahrheit ein und derselbe sind, nicht dieselbe Person, aber derselbe Mann", wie Georg Seeßlen in seiner äußerst lesenswerten Lynch-Monographie schreibt (Schüren Verlag, 34,DM). Doch gerade in diesen entscheidenden Momenten, da die Illusion unbedingt funktionieren müßte, beginnt Lynchs Film zu stammeln. Die Bilder, die er uns vorwirft, um die gewagteste aller kinematographischen Ideen zu versinnlichen, sind überwältigend harmlos: hier ein Gebräu unscharfer, hastiger Impressionen, dort ein Geflirr aus Licht und Wüstensand. Lynchs Entscheidung, den Doppelcharakter Fred/Pete mit zwei verschiedenen Schauspielern zu besetzen, war vielleicht ein Fehler; die Art, wie er sie umsetzt, ist eine Katastrophe. Der Film, schreibt Seeßlen, lasse sich von der Schizophrenie seiner Hauptfigur infizieren. Man kann es auch genau umgekehrt sehen: Weil er im Augenblick der visuellen Wahrheit nur müdes Kamera-Getrickse zu bieten hat, zieht "Lost Highway" auch seine Figuren in den Abgrund seiner Unentschlossenheit hinab. Weder Bill Pullman noch Balthazar Getty sehen je wirklich wie Spiegelungen eines schizophrenen Mörders aus; sie wirken eher wie Leute, die sich nach einer dicken Portion Schlaf sehnen, und der Mann, der ihnen die Schlafpille verabreicht hat, heißt David Lynch.
Doch es gibt auch große und wunderbare Augenblicke in diesem Film, Bilder, deren Schönheit sich ohne psychoanalytisches Sehbesteck und postmodernes Wortkonfetti sofort erschließt. Es gibt jene ersten vierzig Minuten einer schleichenden Ehehölle, die zum Besten gehören, was Lynch je gedreht hat: das Licht wie von Edward Hopper, die Figuren wie von Kafka, die Gesten und Töne wie in einem Gedicht von Robert Frost. Es gibt das Stilleben mit dem kleinen Segelschiff und dem blauen Ball im Kinderplanschbecken, das Pete beim Blick in den Nachbargarten erhascht - ein Schnappschuß der versiegelten Zeit, der Unschuld, die nie wiederkommt. Und es gibt die unglaubliche Patricia Arquette, die nach einem Dutzend zweitklassiger Rollen ("True Romance", "Rangoon") endlich ihren ganzen Medusen-Zauber ausspielen darf - Lady, Hexe, Hure, Mädchen und Kind; wie Wetterleuchten zucken die Klischees über ihr Gesicht, und selbst in der Umarmung der Männer bleibt sie unberührbar, Ikone einer kalten, irrealen Lust.
Das alles erinnert an das alte, das große Kino des David Lynch, an die Filme, die er gedreht hat, bevor er sich mit "Twin Peaks - Fire Walk with Me" im Kunstgewerbe verlor. Wohin Lynch sich nach "Lost Highway" wenden wird, ist nicht sicher, aber den halben Weg zurück hat er immerhin geschafft. Jetzt wissen wir, daß die Phantasie, die "Eraserhead" und "Wild at Heart" erfunden hat, noch nicht tot ist. (Andreas Kilb, DIE ZEIT, 11/4/97)

Der amerikanische Patient: Die Paranoia, das Dröhnen und das Black-Out. Mit "Lost Highway" , seinem ungeheuerlichen neuen Film, gelingt es David Lynch erneut, Avantgarde und Unterhaltung zusammenzuzwingen. Traumakino.
Daß Los Angeles sonnig sein kann, steht hier vorerst nicht zur Debatte. Lost Highway, David Lynchs neuer Film - sein erster bedeutender, könnte man sagen, seit sieben Jahren, seit dem Pilotfilm zu Twin Peaks - , dieser Film steckt sich selbst, die ganze erste Stunde lang, die Grenzen denkbar eng: ein schmuckloses Haus mit bloßen Schlitzen, wo sonst Fenster sind, bewohnt von einem Paar (Bill Pullman, Patricia Arquette), das kaum noch miteinander reden kann, in einer beängstigenden Welt, in der auch tagsüber nur das orangefarbene Kunstlicht herrscht und dieses ständige leise Dröhnen, das vielleicht auch direkt aus dem Schädel des Filmhelden kommt. Ob Bill Pullman den weiten Weg von Independence Day in diesen Film unbeschadet überstanden hat, ist ungewiß, aber nicht anzunehmen: Den Prolog dieses Films wieder aus dem Kopf zu bekommen, fällt schon als Zuschauer schwer.
Pullman, zwischen emotionaler Vereisung und gelegentlicher Überhitzung (in der Musik, im Sex) gefangen wie Lost Highway insgesamt, stellt fest, daß ein Voyeur mit der Videokamera sein Privatleben unbemerkt aufzeichnet. Die Polizei, gekleidet wie in Hollywoods vierziger Jahren, kann nicht helfen, und die Beziehung zu Arquette zerfällt, rettungslos: Der Druck in den Ohren und die Last auf der Psyche steigert sich bis in ein letztes Videoband, das einen blutigen Gewaltakt, den Mord an Arquette belegt. Pullman selbst, von Erinnerungsausfällen gepeinigt, scheint der Täter zu sein.
"I'd like to remember things my own way", sagt Pullman tonlos zu den Polizisten, die ihn verhören, auf die Frage, warum er Videokameras so sehr haßt: Lost Highway scheint, nebenbei, auch ein Film über das klaffende Loch zwischen Kino und Video zu sein. Die Dinge auf eigene Art erinnern, nicht zwangsläufig so, wie sie sind: Davon handeln alle Filme Lynchs, darum kreist auch Lost Highway unaufhörlich, immer wieder jenem schwarzen Loch entgegendrängend, das sich den suchenden Paranoikern Lynchs öffnet, wo immer sie hintreten.
Pullman wird als wife-killer zum Tode verurteilt, was eine andere, neue Geschichte erst lostritt: In seiner Zelle, in der sengendes weißes Licht wie eine perverse Sonne am Gefängnishimmel steht, sitzt plötzlich, ohne logische Erklärung, ein anderer (Balthazar Getty). Er wird freigelassen, und mit ihm taumelt Lost Highway erstmals in die Außenwelt, in Geschichten, in denen nichts lichter wird: Getty, von Black-Outs gequält, verfällt einer intriganten Gangsterbraut, die wieder das Gesicht Arquettes trägt, auch wenn sie so blond wie Barbara Stanwyck in Double Indemnity ist.
Lost Highway, als erzählerische Endlosschleife um Schizophrenie und Identitätsverlust konzipiert, scheint auf ein paar ungeheuerliche (und unerklärbare) Bilder und Dialoge zuzusteuern, in die Lynchs Figuren immer wieder eintreten: als hätten sie sich nur ein paar Schritte davon entfernt, im Wissen, den Zwangsvorstellungen ohnehin nicht entrinnen zu können. Darin sind sie Lynch selbst ganz nah: Lost Highway treibt schließlich, nachts unterwegs auf einer verlorenen Straße, in ein so grandioses wie erschreckendes Finale, in dem der nervöse Blick der Kamera ihren Helden vernichtet, buchstäblich zerreißt. Ob man die surreale Logik nun akzeptieren mag oder nicht: Die Schreckensbilder Lynchs, des faszinierendsten Patienten des traumatischen Kinos, gehen tief. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

Schwarze Messe für Paranoia
Eine Hymne an Paranoia, Göttin des postmodernen Psychothrillers. Schwarze Messe zur höheren Ehre der schrecklichen Schönheit mit ihren angstgeweiteten Augen im panisch entsetzten Gesicht, der notorischen Gänsehaut und einer Vagina dentata, dem piranhagezähnten Schoß. Dieser Kultfilm als Kult des Trügerischen aller Fassaden, des gespaltenen Irreseins und seiner Schreckensvisionen zerreißt die Kritiker allerorten in anbetende und verwünschende. Lasset uns lieber beten.
Denn diese Medaille zweier Kehrseiten ist ein Geniestreich des amerikanischen Alpträumers David Lynch. Ein kranker Streich freilich, der dem Zuschauer übel mitspielen kann, ihn verunsichern, verstören, selber krankmachen. Andrerseits verweisen seine trügerischen Blumen des Bösen mystische TV-Serienhits wie "Akte X" endlich in den Hades dümmlichen Schundheftehorrors. Solchermaßen informiert, kann man sich gewappneter Lynchs Visionen vernebelten Grauens aussetzen, in denen Konfusionen unverschnittener Angst mit handfesten Infusionen kompakter Brutalitäten abwechseln.
Scheinbar zwei Schicksale, willkürlich einander aufgepfropft: Nach einigen seltsamen Vorkommnissen erwacht ein Saxophonist in einem Alptraum: Er soll seine ermüdete Ehe mit Mord an der schönen Gattin beendet haben und landet prompt in der Todeszelle. Am nächsten Tag sitzt dort jedoch ein ganz anderer, nämlich ein junger Automechaniker, der ebensowenig wie seine Wärter weiß, wie er in diese fatale Lage gekommen ist. Wieder auf freien Fuß gesetzt, begegnen ihm am laufenden Band jene Personen, die schon den Jazzmusiker auf seinem Irrweg in den Mord begleiteten, wie lebende Wegweiser in Wahnsinn und Tod.
Und auch dessen Gattin scheint, erblondet und sichtlich triebgesteuerter, von den Toten auferstanden zu sein, um den etwas naiven Burschen zu verführen und ihrerseits zu einem Mord anzustiften . . . Selbst wenn man das Mystische aus dem Geschehen abzöge, lachte dort immer noch nackter, Pardon, korrekt angezogener Wahnsinn. Mit der entnervenden Dramaturgie des schnellen Zappens läßt Lynch jeden seiner psychologischen Salto mortale so lange nachvollziehen, bis es aus dem Entsetzen kein Entrinnen mehr gibt, nicht einmal in die Ausweglosigkeit. (Rudi John, KURIER)

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EMMA (EMMA)

GB / USA 1996
Regie: Douglas McGrath, Buch: Douglas McGrath, nach Jane Austen, Musik: Rachel Portman, Kamera: Ian Wilson, Schnitt: Lesley Walker, Darsteller: Gwyneth Paltrow (Emma Woodhouse), Jeremy Northam (Mr. Knightley), Toni Collette (Harriet Smith), Greta Scacchi (Anne Weston), Polly Walker (Jane Fairfax), Juliet Stevenson (Mrs. Elton), Alan Cumming (Mr. Elton), Ewan McGregor (Frank Churchill), Sophie Thompson (Miss bates), James Cosmo (Mr. Weston), Edward Woodall (Robert Martin), Phyllida Law (Mrs. Bates)
Kinostart: 11/4/1997

England, zu Beginn des 19. Jahrhunderts: In Highbury, einer kleinen Stadt in der Nähe von London, in der jeder jeden kennt, treibt die hübsche Emma ihr Unwesen. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, so ziemlich alle vermeintlich guten Partien mit ihrer Freundin Harriet zusammenzubringen. Doch diese ist zu sehr mit dem Liebesleben der anderen beschäftigt, um das zu bemerken. (Verleihprogramm)

Emma, Prototyp aller Heldinnen Jane Austens, trotzt ihrer Familie, engagiert sich für die Armen, verwendet sich als Heiratsvermittlerin für andere, schon naht ein Jüngling, der Sie befreien, also ehelichen wird. Freilich komme, so "epd", auch der Film selber überlanger Werbespott von Raffaelo daher: "Ein süßes Nichts, das nicht einmal den kleinen Kinohunger zwischendurch zu stillen vermag." (FALTER)

Emma, vielleicht Jane Austens sympathischste Heldin, ist die Titelfigur der jüngsten Literaturverfilmung, die – nach Sense and Sensibility und Persuasion – neuerlich Milieu und Topoi der britischen Autorin auf die Leinwand bringt: Die jugendliche Heldin (Gwyneth Paltrow) treibt ihr Spiel als Ehestifterin mit den besten Absichten und stürzt dabei sich selbst, ihre Freundin Harriet (Toni Colette) und andere englische Landadelige zu Beginn des letzten Jahrhunderts in eine Reihe von romantischen Mißverständnissen, bevor sich am Ende doch endlich alle finden, die zueinander gehören.
Zunächst heißt das wieder einmal Genrebilder – sorgfältig eingekleidete Personen, arrangiert in üppigem Innendekor oder kultivierter Landschaft. Aus diesen Bildern spricht nicht selten sehr gepflegte Langeweile – wenn zum Beispiel die kleine Landadelsgemeinschaft an reichgedeckten Tafeln konversiert – oder naive Antiquiertheit – wenn, als spärlicher Kontrast zum Wohlstand, die ärztliche Behausung einer bedürftigen Familie mit weinenden Kindern und hustender Großmutter malerisch gestaltet wird oder wegelagernde "Zigeuner" die Damen beim Spaziergang überfallen.
Die Tendenz, das historische Kolorit möglichst originaltreu bis ins letzte Fältchen nachzubilden, lastet auch auf diesem Film stoffbahnenschwer. In stilistischer Hinsicht bietet Emma im Vergleich mit den Austen-Adaptionen der letzten Jahre also wenig Neues. Die Tatsache, daß Emma dennoch immer wieder großes Vergnügen bereitet, ist vor allem Verdienst der Hauptdarstellerin.
Wenn sie seufzt, die Augen verdreht oder mit zunehmender Distanz zu ihrem Handeln über sich selbst lacht, wird Emma lebhaft und leicht. Paltrow setzt ihre Pointen elegant und in den Auseinandersetzungen zwischen Emma und ihrem Nachbarn Mr. Knightley (Jeremy Northam) schafft der Film manchmal tatsächlich den Schritt vom behäbigen Ausstattungskino zur feinsinnigen, amüsanten Comedy of Manners.
Ganz im Gegensatz dazu hat der amerikanische Regisseur von Emma, Douglas McGrath, übrigens bei der legendären TV-Comedy-Show Saturday Night Live angefangen und am Drehbuch von Woody Allens Bullets over Broadway mitgearbeitet. Vielleicht ist kultureller Abstand zum britischen Nationalerbe doch von Vorteil. Der taiwanesische Regisseur von Sense and Sensibility, Ang Lee, bewies dies zuletzt ja auch vortrefflich: Aus der Distanz wird das Jane-Austen-Universum zu einer kleinen Kugel, mit der man spielen kann. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 12/4/1997)

Gwyneth Paltrow demonstriert in "Emma" photogenes Komödienspiel inmitten risikofreier Idyllenmalerei nach einem Roman Jane Austens: Goldglänzender Eskapismus, neu im Kino.
Von Brad Pitt ist hier, dem Himmel sei Dank, weit und breit nichts zu sehen, auch wenn seine Frau, wie der Boulevard zu erwähnen nicht müde wird, hier nun ihre erste echte Starrolle spielt. Mit Pitts ewiger Teenager-Attitüde, mit dessen zappeligen Zorn-und-Psychosen-Manierismen hat Gwyneth Paltrows differenziertes Spiel jedenfalls erstaunlich wenig zu tun: Davon legt Emma, Adaption eines Romans der im Kino ja inzwischen höchst fashionablen Jane Austen, eindrucksvoll Zeugnis ab.
England, frühes 19. Jahrhundert: Emma, 21, wohlhabend, hübsch und alleinstehend, sieht sich im verschlafenen Highbury nahe London genötigt, sich aus Gründen des Zeitvertreibs in das Liebesleben anderer junger Damen einzumischen. Ihre von Mißverständnissen und Fehlentscheidungen geprägten Aktivitäten führen dennoch, nach zahlreichen sozialen Komplikationen, zu einer glücklichen Mehrfachhochzeit mit umfassender wundersamer Problemlösung.
Autor und Regisseur Douglas McGrath stammt wie Star Paltrow aus Amerika, von wo aus der Blick auf die Welt Austens offenbar weniger schwerfällt, als man annehmen könnte. Im streng gewählten Dialog ist jede noch so triviale Neuigkeit hier natürlich truly fascinating und immensely remarkable, auch wenn von Faszination keine Rede mehr sein kann und bemerkenswert bestenfalls die Langeweile ist, mit der manche Menschen ihr Leben zubringen: Von den sozialen Codes und den vertrackt-verdrehten Botschaften in den Romanen Austens, handelt auch Emma , wo lustvoll an der breiten, publikumswirksamen Verwechslungskomödie gearbeitet wird.
Wenn es an dem schlichten Vergnügen, das Emma bereiten mag, etwas auszusetzen gibt, so darf man an erster Stelle das audiovisuelle Dekor nennen: Das Orchester im Off, lustig hüpfend oder sentimental verfließend, verdoppelt die Emotionen mit einer Pedanterie, die an das persiflierende mickey mousing in klassischen amerikanischen Cartoons erinnert; und auch die Sets, die Räume und Kostüme bleiben künstlich, konstruiert. Am schlimmsten aber nimmt sich die Photographie dieses Films überall dort aus, wo die simple sonnige Idyllenmalerei kurzfristig Halt macht, um dem Armenmilieu Platz zu machen, wo dann verrußte Statisten in sorgsam arrangierten Baracken auf Emmas Wohltaten warten; aber auch in den Bildern von blühenden Gärten, in den Kompositionen vom sorglosen Leben in britischen Prachtlandhäusern bleibt Ian Wilsons Kamera seltsam phantasielos; und das penetrante Goldgelb der kerzengewärmten Innenräume paßt stets genau zu Gwyneths fein gedrechselten Goldlocken.
Den Untiefen des visuellen Stils entgegen steht allerdings das makellose, inspirierte Spiel aller wesentlicher Figuren dieses Lustspiels (herausragend: Toni Collette und Juliet Stevenson): Emma wird dadurch zwar zu dem, was man abwertend Schauspielerkino nennen könnte, aber solange Theatralik im Film so amüsant betrieben wird wie hier, kann der entwaffnende Charme des Ensembles alle Gegenargumente mit Leichtigkeit ausbalancieren.
Emma mag unter den jüngst hergestellten Austen-Adaptionen die schwächste sein, weil sie offensichtlich weder die malerische Kraft von Sinn & Sinnlichkeit noch den bemerkenswerten physischen Realismus von Persuasion besitzt. Als feingeschliffenes Lustspiel der irritierten Blicke und der amourösen Winkelzüge, als kleine Komödie der Wohn- und Heimlichkeiten darf Emma dennoch auf einen Platz unter den besten drei in der Kategorie Sympathische Nichtigkeiten im Kino '97 hoffen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)

Männer sind die schönste Nebensache der Welt in Jane Austens romantischem Literaturland. Daß es bei dieser vorläufig letzten Austen-Verfilmung um lustvolles Flanieren durchs weite Land der Herzensangelegenheiten geht, versteht sich von selbst. Zur Teestunde bittet diesmal kein britischer Dramaturgenlord, sondern der Texaner Doug McGrath. Seine Show beweist, daß Cowboys auch von Cowgirls etwas verstehen, fegt hemmungslos den Pathos des Buches weg. Gewitzt und elegant läßt er dagegen "Sinn und Sinnlichkeit" wie vertrocknetes Biskuit schmecken.
Wie gewohnt spielen schöne Frauen in der Bilderbuchprovinz die erste Geige. Gentlemen tanzen als Hampelmänner durch ihr jungfreudloses Dasein, bis man sie zum Altar schleift. Fremde Ehen stiftend, vertuscht die charmante Heiratsvermittlerin Emma ihre panische Angst vor eigener Bindung. Wunderbar, wie Gwyneth Paltrows freches Schnäbelchen schmollt, Zorneswölkchen die Alabasterstirn zerwühlen und blitzblaue Unschuldsblicke alle Fehler wieder glattstreichen. Einer solchen Kuppelfee kann niemand böse sein. (Monika Vanecek, KURIER)

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DANTE'S PEAK (DANTE'S PEAK)

USA 1996
Regie: Roger Donaldson, Buch: Leslie Bohem, Musik: John Frizzell, Kamera: Andrjez Bartkowiak, Schnitt: Conrad Buff, Howard Smith, Tina Hirsch, Darsteller: Pierce Brosnan (Harry Dalton), Linda Hamilton (Rachel Wando), Jamie Renee Smith (Lauren Wando), Jeremy Foley (Graham Wando), Elizabeth Hoffman (Ruth), Charles Hallahan (Paul Dreyfus), Grant Heslov (Greg), Kirk Trutner (Terry Furlong), Arabella Field (Nancy), Tzi Ma (Stan), Brian reddy (Les Worrell), Lee Garlington (Dr. Jane Fox), Bill Bolender (Sheriff Turner), Carol Androsky (Mary Kelly), Peter Jason (Norman Gates), Jeffrery L. Ward, Tim Haldemann, Walker Brandt, Hansford Rowe
Kinostart: 11/4/1997

Vier Jahre nachdem seine Verlobte bei einer Vulkankatastrophe ums Leben kam, begibt sich Geologe Harry Dalton in die Kleinstadt Dante's Peak, wo alle Hinweise darauf deuten, daß der hiesige Vulkan kurz vor dem Ausbruch steht. Der Stadtrat ignoriert die Warnungen von Mutter Natur, und so kann Harry erst mit der Evakuierung beginnen, als es schon fast zu spät ist.

Die Katastrophe ist wieder "in". Nach einer Flaute von mehr als einem Jahrzehnt besinnt man sich wieder öfter der filmogenen Qualität von Wirbelstürmen, Feuersbrünsten und Springfluten. Computer-unterstützte Simulationen von "lebensechten" Ungeheuern und Ungeheuerlichkeiten heizen diese Konjunktur an.
Nun hat sich seit dem Auftauchen von Spielbergs künstlichen Ur-Viechern in Jurassic Park an Katastrophen-Design und -dramaturgie zwar nicht besonders viel geändert; Hollywoods Inszenatoren von urgewaltigen Spektakeln werden aber wohl keine Ruhe geben, bevor nicht alle erdenklichen terrestrischen Störfälle durchgespielt sind. In Dante's Peak spielt Regisseur Roger Donaldson mit einem Einsatz von 1,5 Milliarden Schilling Vulkanausbruch. Einen erheblichen Teil der Kosten dürfte bereits die Besetzung der Hauptrolle verursacht haben.
Pierce Brosnan spielt mit ernsthafter Coolness jene Rolle, die ihn Tim Burton in Mars Attacks so trefflich hatte parodieren lassen: den smarten Wissenschaftler, dessen Blick wie eine Sonde in die Umgebung sticht und der die Unwissenden über den gestörten Lauf der Dinge aufklärt. Merke: Im Katastrophen-Genre wird der Wissenschaftler zum Held, wenn er a) als Katastrophen-Prophet belächelt wird und doch recht behält; b) im rechten Moment zum Rettungs-Athleten wird, der Frauen und Kinder vor den Urgewalten in Sicherheit bringt.
"Dante's Peak" ist der Name einer (nach ihrem kopflosen Hausberg benannten) US-Kleinstadt, die vom Vulkanologen Brosnan vor einer nahenden Katastrophe gewarnt wird. Einzig die Bürgermeisterin (Linda Hamilton) nimmt den Mann ernst. Zur Belohnung werden sie und ihre Kinder vom fachkundigsten Mann am Platze ganz persönlich gerettet, als der Vulkan tatsächlich ausbricht.
Abgesehen von der völlig absehbaren Plot-Konstruktion und einem langgezogenen Spannungsbau demonstriert Donaldson, wie man mit kostspieligen Effekten Leute in lustvollen Schrecken versetzt: das einleitende Erdbeben, das Brücken und Häuser einstürzen läßt; der Ascheregen, der die attraktive Landschaft in eine unheimlich verdunkelte Schneelandschaft verwandelt; Glutströme und Steinlawinen, die sich mit abrupter Gewalt der Kamera entgegenschleudern. Die nuancenreich illustrierten Stadien des Vulkanausbruchs trösten immerhin darüber hinweg, daß auch Dante's Peak - nach den jüngsten Enttäuschungen Twister und Daylight - den Katastrophenfilm nicht reformiert. Auf die intelligente Story zum atemberaubenden Effekt muß man offenbar weiter warten. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)

Lava vor Lover und andere heiße Katastrophen
Und weit und breit kein weißer Hai. Vielleicht geht’s anderen auch so wie mir, und sie warten inmitten dieser kulissenbebenden Horrorshow immer ein bißchen auf diesen berüchtigten Reißwolf der Meere. Aber um den geht es ja nicht; vielmehr um einen ebenso unberechenbaren, aber noch viel mörderischeren Vulkan. Jahrhunderte qualmen diese Feuerspringbrunnen Gottes als Touristenattraktion friedlich wie Zigarren, bis sie überraschend ihren Drachenatem verschleudern, um alles Leben im weiten Umkreis zu rösten und zu garen, was man heute noch im einstigen Pompeji ausführlich besichtigen kann.
Doch wozu in die Antike schweifen, wenn das nächste Kino nah und damit Dante’s Peak? Doch ob an dessen Flanke ein in heißer Quelle nacktbadend kopulierendes Pärchen seine Sünden büßen muß oder der Außenborder einer lieben Familie auf der Flucht durch einen im Zorn erschaffenen Säuresee streikt: gleich, denkt man, wird er kommen, der weiße Hai. Und er kommt nicht. Und nicht. Irgendeine fehlgeleitete Ahnung läßt einen offenbar vermuten, daß zwischen lebendgrillheißem Ascheregen, zu tödlichen Abgründen aufreißender Erdkruste und menschenfressenden Magmaströmen ein weißer Hai das I-Tüpferl des Schreckens an dieser biederen Katastrophenstory wäre.
Die aber bescheidet sich erstens mit einer lauen Lovestory zwischen dem ahnungsvollen Vulkanologen Harry und der alleinerzie- henden Mutter und pflichtbewußten Bürgermeisterin der Bergstädtchenidylle "Dante’s Peak", Rachel (für sie gilt: Lava vor Lover). Zweitens mit den sämtliche Register ziehenden Spezialeffekten des Vulkanausbruchs, bei denen sich computererrechnete, virtuelle Schreckgespenster als wahre Hauptdarsteller erweisen. Und leider kein weißer Hai. Was also ist des Haies Kern? Offenbar die tiefenpsychologische Wirkung, mit welcher die leinwandsprengenden Schrecken eines Vulkanausbruchs zwar eindrucksvoll, gegen die bissigeren beseelter Bestien aber doch in Nachteil sind. (Rudi John, KURIER)

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PEPOLINO UND DER SCHATZ DER MEERJUNGFRAU (PEPOLINO)

ZEICHENTRICKFILM, BRD/ H / CAN 1996
Regie: Janos Uzsak, Buch: Irene Rodrian, Nepp, Wincelberg, Musik: Giorgio Moroder, Kamera: K, Schnitt: Magda Hap, Susanne Pfister, Darsteller: D
Kinostart: 11/4/1997

Pepolino ist der Enkel eines verschollenen Piraten, dessen Schatzkarte das Objekt der Begierde verschiedener finsterer Gestalten ist. Der Junge lebt bei seiner Großmutter, die ihn in der Piratentradition zu erziehen versucht, doch mit mäßigem Erfolg. Pepolino singt lieber schmachtende Liebeslieder, läßt sich Blumen schenken, statt das Messer zu wetzen. Aber die Gier des trinkfreudigen Käpt'n Babaluk und des Seeräubertrios Rotbart, Holzbein und Glasauge, das im Auftrag der Hexe Admiral Hildegard handelt, treibt das Geschehen voran - und Pepolino aufs Meer hinaus. Seine Gefährten, Hund Jakob, Schiffsratte Emil und der gefiederte Don Poco, lassen Pepolino nicht im Stich. Auch dann nicht, als ihm die niedliche Meerjungfrau Mora den Kopf verdreht. - Der bunte Zeichentrickfilm entstand in den Studios von Budapest. (Katalog Filmfest München 1996)

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ES WAR DOCH LIEBE?

A 1995
Regie: Wolfgang Glück, Buch: Beate Pilz, Kamera: Christian Berger, Darsteller: Therese Affolter, Florentin Groll, Monika Neubauer, Lorenz Pammer, Dietmar Schönherr, Regine Lutz, Hemma Clementi, Michael Thomas (VI), Gabriela Schmoll, Hilde Berger, Aap Lindenberg, Brigitte Quadlbauer
Kinostart: 11/4/1997

Ein kleiner, wie zwischendurch gedrehter Film, basierend auf einem Skript von Beate Pilz: Eine Frau, Mutter zweier Kinder, lernt im Zuge ihrer Ehescheidung die kakanischen Behörden kennen. Im Kino, heute, chancenlos. (FALTER)

Das österreichische Kino ist nicht das Burgtheater. Mit Personaldebatten ist nicht viel auszurichten. Wenn eine neue Inszenierung scheitert, steht kein Direktor auf dem Spiel. Nur das System. Deswegen mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, die das System gern stärker personalisieren würden. Derzeit sieht die österreichische Filmwirtschaft aus wie das Haupt der Hydra: Zu viele Köpfe. Da können nicht alle rollen. Wer ist eigentlich für den Film Es war doch Liebe von Wolfgang Glück verantwortlich?
Zur Sache: Wir sprechen von Glücks erstem Spielfilm seit langem, seit den Tagen, als er mit Der Schüler Gerber und 38 – Auch das war Wien ein österreichisches "Kino der Qualität" definierte, dessen ansatzweise Auslands-Oscar-Kompatibilität viele Kritiker über ästhetische Mangelerscheinungen hinwegsehen ließ. Diesmal sind sie unübersehbar wie bei einer Dia-Schau, bei der jemand die Dias verkehrt eingelegt hat.
Dabei geht Glück von einer ganz einfachen Geschichte aus, vergleichbar dem Roman Verführungen von Marlene Streeruwitz: Eine Frau (Therese Affolter) hat mit ihren Kindern, mit dem Waschlappen von Mann (Florentin Groll) und dem Granitstein von Vater (Dietmar Schönherr) ihre Not. Ein Verschleißprotokoll, das in Streeruwitz' Buch vor allem durch den Rhythmus der ständig abbrechenden Hauptsätze funktioniert, in Glücks Film aber gerade an den handwerklichen Grundbegriffen scheitert. Gründlich scheitert, das muß man deutlich sagen.
Schon die erste Kamerafahrt ist unerklärlich und demonstriert jene Unverhältnismäßigkeit der Mittel, die schlechte Filme ausmachen: Das Ehepaar ist unterwegs zur U-Bahn. Affolter erzählt aus dem Off von Versöhnung und Neubeginn. Die Kamera fährt dazu einmal nach rechts, und dann wieder nach links. Sinn: Null. Der Off-Kommentar: Eine Verlegenheitslösung.
Ähnlich arbeitet Glück bei Paternoster-Fahrten mit unzähligen Komparsen. Er zeigt nicht Amtswege in einer Scheidungssache, sondern Irrfahrten in Menschenschleusen. Die Geschichte soll über sich selbst hinausweisen und verweist nur auf Regie-Ideen. Unglückliche.
Das Elend mit den Akteuren vervielfacht sich rund um die beiden denkbar uncharismatischen, vom Theater ausgeliehenen Hauptdarsteller mit jenen Nebenrollen, in denen das Motto zu gelten scheint: Gebrauchtwagenhändler spielen Schauspieler, die Gebrauchtwagenhändler spielen. Die Gattin planscht nackt am Gebrauchtwagenhändler-Pool.
Es war doch Liebe: Ein Film von einer handwerklichen Qualität, für die ein Tischler im Vergleich keinen Schilling verlangen dürfte. Diese Malaise hört auch mit Intendanten, Stars und rollenden Köpfen nicht auf. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 15/4/1997)

Antrag auf Erstellung eines Antragsformulars. "Es war doch Liebe" - eine Scheidungstragödie als Amts- und Schreckensdrama: Das schwache Kino-Comeback des Wiener Regisseurs Wolfgang Glück.
Die ganz alltäglichen Geschichten zählen zum Naheliegendsten (und zugleich am schwersten Zugänglichen), was das ambitionierte Erzählkino zu bieten hat. Nach zehnjähriger Pause als Filmemacher greift Wolfgang Glück eine dieser Stories auf: über das Leben auf den Trümmern der Ehe, die schmerzhafte Erinnerung an die längst erloschene Liebe, den quälenden Gang durch die Scheidungs-Instanzen. Ein Real-Drama, das fast die Hälfte aller in Österreich geschlossenen Ehen betrifft und für einen weiteren großen Teil der Bevölkerung ein virulentes Thema sein dürfte.
Es war doch Liebe beginnt mit einer deplaziert gewichtigen Andeutung von alltäglichem Beziehungshorror: Dunkelheit, ruckartige, fragmentarisch skizzierte Körperbewegungen, dazu die Geräusche von zerbrechenden Gegenständen und einem undeutlich definierten Gewaltakt. Was wie eine Einbruch-Szene aus "Aktenzeichen XY" anmutet, ist die extrem komprimierte Einleitung einer Ehetragödie, die der Regisseur in der Folge als psychodramatisches Passionsspiel auszuführen versucht.
Hauptleidtragende dieses Spiels mit verteilten Verliererrollen ist die seit zwölf Jahren als Hausfrau und zweifache Mutter abgestellte Textdesignerin Sabine (Therese Affolter). Ihr Gatte Jan (Florentin Groll), freiberuflicher Journalist, zählt zu jener Sorte von Männern, die in der Öffentlichkeit mit ihrem Charme und daheim als brutale Ekel auftrumpfen. Als er seiner ungeliebten und mißhandelten Frau auch noch das Haushaltsgeld vorzuenthalten beginnt, sucht Sabine die Hilfe von Sozial- und Gerichtsbehörden.
Glück erzählt von einem Leidensweg, der sich im wesentlichen auf die (von Datums-Kapitelüberschriften unterteilte) Chronik eines Spießrutenlaufs durch Sozialhilfe und Scheidungsämter beschränkt. Was an Tragik zu vermitteln bleibt, überläßt er der - zuweilen schon an Situationskomik grenzenden - Darbietung der affektiert von Szene zu Szene stolpernden Therese Affolter. Anstatt den im Laufe einer Ehe in den Dreck gefahrenen Karren von allen Seiten zu betrachten, ergreift Glück naiv die Partei einer Seite - und macht aus dem sozialen Problemfall Scheidung ein pointenarmes Individualdrama.
"So oder ähnlich geht es bei Scheidungen eben zu", mögen Betroffene diesen Film verteidigen; die anderen werden dagegen wenig einzuwenden haben - außer vielleicht der Feststellung, daß sie das - unter diesen Umständen - nur wenig interessiert. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)

Eine Frau sieht rosarot
Warum können Männer kein BSE bekommen? Weil alle Männer Schweine sind! Dieser Frauenwitz kursiert bei uns schon länger, rechtzeitig zum Volksbegehren gibt’s zu seiner Pointe nun auch eine filmische Beweisführung. Nur daß die absolut humorlos daherstöckelt, vor allem durch ihre untaugliche Verdrehbuchung. Bedeutungsschwangerschaft als tristes Frauenschicksal, so könnte man die verfilmte Misere zusammenfassen. Oder: Weibliches Spießrutenlaufen am Amtsweg als filmische Sackgasse.
Es gibt diese entwurzelten, zagen Frauen, die mutterseelenallein ihren Kampf gegen mißliche Umstände austragen müssen. Von allen im Stich gelassen, vom fremdgehenden Mann, vom verständnislosen Vater, von frauenfeindlichen Machos in Behörden und Sozialämtern, aber auch von arroganten Geschlechtsgenossinnen vor Ort, zynischen Richterinnen. Kein Wunder, wenn da eine Frau rot - na sagen wir in diesem Fall: rosarot - sieht. Warum nur wirkt das hier nicht glaubwürdig? Weil die Affolter als psychogrammatische Existenz zwar eine großartige Bühnen-, aber keine versierte Filmschauspielerin ist?
Weil das (Durch-)Drehbuch seine Vorwürfe gegen den Männerstaat im Weitwurf ermüdend vorexerziert wie ein Bumerangbewerb unter Dilettanten? Beate Pilz, die sichtlich autobiographisch parteiische Autorin, hat Glück gehabt. Wolfgang Glück, Regisseur der alten Garde, dürfte das Ärgste verhindert haben. Es muß als empörende Ungerechtigkeit angesehen werden, daß Frauen immer noch gegenüber den Männern bei gleicher Arbeit weniger Lohn erhalten. Nur ist nicht einzusehen, daß ein Film deshalb geschont werden soll, nur weil er Frauendiskriminierung zum Thema macht? (Rudi John, KURIER)

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DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (THE EMPIRE STRIKES BACK)

USA 1980
Regie: Irvin Kershner, Buch: Leigh Brackett, Lawrence Kasdan, nach George Lucas, Musik: John Williams, Kamera: Peter Suschitzky, Schnitt: Paul Hirsch, Darsteller: Mark Hamill (Luke Skywalker), Harrison Ford (Han Solo), Carrie Fisher (Prinzessin Leia Organa), Billy Dee Williams (Lando Calrissian), Anthony Daniels (CeDreipeo), Frank Oz (Yoda), David Prowse (Lord Darth Vader), Peter Mayhew (Chewbacca), Kenny Baker (Erzwo-Dezwo), Alec Guiness, Jeremy Bulloch, John Hollis, Jack Purvis
Kinostart: 11/4/1997

Aufwendige Fortsetzung von "Krieg der Sterne": Die gleichen Protagonisten tummeln sich wieder im All, wieder werden in aufwendigen Trickverfahren Raum-Verfolgungsjagden inszeniert, wieder geht es um den Kampf der (guten) Rebellen gegen die finsteren Herrscher eines galaktischen Imperiums. Trotz etwas gebremster Frische gelingt es auch diesem Film wie sein Vorgänger in märchenhafter Manier perfekt zu unterhalten. (movie-line)

Luke Skywalker übt auf einem Dschungel-Planeten den Jedi-Ritter, Harrison Ford das Vernichten des dunklen Imperiums, Regisseur Lucas die Parallelmontage. So treiben zwei dialogarme Handlungsstränge frisch aufpoliert ins furiose Finale. Trotz des "dunklen " Schlußes des zweiten Teils der Trilogie, der an der Kinokasse am wenigsten erfolgreich war, bekannten sowohl Ford als auch Lucas, diesen Teil am meisten zu schätzen. Hier triumphiert am Ende noch das Böse, dessen Kräfte - symbolisiert durch Darth Vader - hier alle Guten unter Kontrolle hält. (Monika Vanecek, KURIER)

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DIE BLAUEN AUGEN DER YONTA (UDJU AZUL DI YONTA)

PTG / GUINEA BISSAU 1992
Regie: Flora Gomes, Buch: Flora Gomes, Ina Cesar, David Lang, Manuel Rambout Barcelos, Musik: Adriano Gomes Ferreira, Kamera: Dominique Gentil, Schnitt: Dominique Paris, Anita Fernandez, Darsteller: Maysa Marta (Yonta), Pedro Dias (Zé), António Simao Mendes (Vincente), Mohamed Lamine Seidi (Amilcar), Dina Vaz (Mana), Bia Gomes (Belante)
Kinostart: 11/4/1997

Das schöne Mädchen Yonta verliebt sich in Vincente, einen wenig glücklichen Mann, der Yonta nicht beachtet, während Zé, ein sensibler, schüchterner Junge, von dem schönen Mädchen träumt, das ihn ignoriert. Zé schickt Yonta anonyme Briefe voller Leidenschaft und Poesie; Vincente seinerseits wird durch einen ehemaligen Freund aus der Widerstandsbewegung, der in der Gegenwart nicht Fuß fassen kann, an die fernen Versprechen des Unabhängigkeitskrieges erinnert. Anhand dieser prägnanten Geschichten und kontrastreicher Schicksale baut Flora Gomes die tatsächliche "Heldin" des Films auf: Die Stadt Bissau mit ihren Menschen. (...) Auch die lebensvollen Portraits starker Frauenfiguren zeigen uns das Afrika von heute und morgen: das wahre Afrika, das auch zu handeln weiß. (Katalog Filmwochenende Würzburg)

Nach 19 Jahren Unabhängigkeit kämpft die ehemalige portugiesische Kolonie Guinea Bissau ums wirtschaftliche Überleben. Aus einer Fülle kleiner Episoden entsteht das Porträt der Hauptstadt Bissau und seiner Bewohner. Im Vordergrund steht die Liebesgeschichte des schönsten Mädchens der Stadt, das heimlich einen älteren Revolutionshelden liebt und seinerseits von einem schüchternen Jungen verehrt wird. Ein poetischer, fröhlicher Film, der mehr von den Figuren, der dichten Atmosphäre, dem sinnlichen Rhythmus und den schönen Bildern lebt als von der Story. (Zoom)

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