USA 1997 Regie: Kevin Smith,
Buch: Kevin Smith,
Kamera: David Klein,
Schnitt: Kevin Smith, Scott Moiser,
Darsteller: Joey Lauren Adams (Alyssa), Ben Affleck (Holden), Jason Lee (Banky), Dwight Ewell (Hooper), Jason Mewes (Jay) Kinostart: 22/8/1997
In Red Bank, New Jersey, sind Holden McNeil (Ben Affleck) und Bank Edwards (Jason Lee) Freunde seit Kindertagen und heute Partner als Comic-Buch-Autoren. "Bluntman and Chronic" heißt ihr gemeinsames Buch, das sie auf einer Comic-Literatur-Tagung in Manhattan vorstellen und das Holden gern beschreibt als "Rosenkrantz und Güldenstern treffen Vladimir und Estragon". Holden und Banky arbeiten zusammen in einem schicken Büro in der viktorianischen Hauptstrasse von Red Bank und sind bereits erfolgreiche Kultautoren. Der Andrang der Fans zur Signierstunde in Manhattan ist groß.
Bei der Tagung dort lernen sie durch ihren Freund und Kollegen Hooper (Dwight Ewell), der in einer brillant-bizarren Rede die "Star Wars"- Trilogie als rassistisch verdammt, die attraktive Comic-Buch-Autorin Alyssa Jones (Joey Lauren Adams) kennen. Mit ihrer heiser angerauhten Stimme und ihrem intelligent souveränen, witzigen Charme beeindruckt sie Holden sofort. Er ist Feuer und Flamme, obwohl er schon kurz darauf erfährt, daß Alyssa lesbisch ist. In einem Club tritt sie ans Mikrofon und singt - nicht für ihn, wie Holden nach ein paar Takten irritiert feststellen muß, sondern für ein Mädchen, das Augenblicke später in Alyssas Armen liegt.
Trotzdem ereignet sich so etwas wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Holden und Alyssa treffen sich, sprechen über das Leben und die Liebe, gehen spazieren, ziehen durch Lokale und kommen sich näher. Banky ist verärgert darüber, entwickelt Eifersucht und wirft Holden vor, daß er sich von Alyssa programmieren lasse. Er fürchtet, daß all die gemeinsamen Jahre mit Holden nichts als verschwendete Zeit waren, und Banky will das auf keinen Fall zulassen.
Eines Abends hält Holden seine Gefühle für die schöne, ebenso unberechenbare wie spontane junge Frau nicht mehr zurück. In einer Szene intensivster intimer Spannung bricht es in einer grossen emotionalen Suada aus ihm heraus:
Holden macht Alyssa eine klare, radikale Liebeserklärung. Und Alyssa reagiert mit Empörung und bezeichnet Holdens Gefühlsausbruch als egoistisch unfairen Verrat an ihrer gemeinsamen Freundschaft. Doch Sekunden später besinnt sie sich anders, und beide stürzen sich in eine leidenschaftliche Romanze. Banky hat dazu nur einen einzigen Kommentarsatz: "Das wird böse enden!"
Und es geht schon mal ganz und gar nicht hollywoodlike weiter. Banky versucht, Alyssa bei Holden schlechtzumachen aufgrund von Erkundigungen, die er über sie eingeholt hat. Alyssa und Holden kriegen einen kapitalen Streit bei einem Eishockeyspiel, und sie konfrontiert ihn mit der Tatsache, daß sie in der High School die wildesten Sex-Abenteuer mit vielen Männern hat. Daß sie aber danach für sich zu der Einsicht gekommen sei, daß Frauen zusammensein sollten. Und daß er, Holden, sie nicht verstanden habe, wenn es ihr um Liebe gehe. Er kann nur dagegenhalten, daß er sich nichts sehnlicher wünscht, als mit ihr ein ganz normales Paar zu sein. Somewhere over the Rainbow...?
Schließlich kommt Holden auf eine, wie er meint, genial pragmatische Idee zur Lösung der Probleme: Sex zu Dritt - Alyssa, Banky und er in einer kathartischen Erfahrung. Doch Individualität und Comics fordern ihren Tribut - und am Ende schreibt das Leben doch die persönlichsten Geschichten. (Verleihprogramm)
Der Vergleich mit Woody Allen liegt vielleicht nicht auf der Hand, ist aber durchaus angetan, das Phänomen Kevin Smith in ein deutlicheres Licht zu rücken: Wie Allens Helden wollen auch Smiths Figuren stets und vor allem alles über Sex wissen, ohne sich freilich an einer jiddischen Mamme oder moralischen Skrupeln abarbeiten zu müssen. Die obsessive Fixierung seiner Verbalerotiker, wie sie mit seinem Debutfilm "Clerks" (fd 31 246) auf der Leinwand erschienen, wurzelt statt dessen in einem anderen kulturellen Kontext: dem des Katholizismus und dessen ambivalenten Strategien, mit der Unruhe der Triebe fertig zu werden. Auch im dritten Teil seiner "New Jersey Trilogie" - die Komödie "Mallrats" (fd 32 058) fand keinen deutschen Verleiher - geht es mehr oder minder wieder nur um das eine, beziehungsweise um all die Gedanken, Wünsche, Sehnsüchte und Ängste, die in der Phase der Adoleszens damit verbunden sind. Holden McNeil und Banky Edwards verbindet nicht nur eine Freundschaft aus Kindertagen und ihre erfolgreiche Zusammenarbeit als Comic-Autoren, sondern auch das Schicksal, Single zu sein. Beim Zeichnen im gemeinsamen Büro bleibt genügend Platz, sich über die ausbleibenden Erfolge des Nachtlebens zu ereifern oder der Fantasie freien Lauf zu lassen. Die Zweisamkeit der Zeichner wird erst gestört, als Holden auf Alyssa trifft, die ebenfalls Comics produziert und mit ihrem frechen Lachen sein Herz im Nu erobert. Die ernüchternde Entdeckung, daß Alyssa lesbisch ist, hält ihn nicht davon ab, sie weiter zu treffen und den Kontakt zu intensivieren, obwohl Banky Holdens Erörterungen über platonische Beziehungen ins Reich der Fabeln verweist. Sicherheitshalber befördert der eifersüchtige Freund aber auch eine Menge Tratsch aus Alyssas High-School-Vergangenheit ans Tageslicht, der sie als nymphomane Sexsüchtige diskreditiert, die es mit nahezu jedem und jeder getrieben hätte. Der Klatsch verfehlt seine Wirkung auf Holden nicht, der hinter Alyssas Rücken ebenfalls herumzuschnüffeln beginnt. Ihre Annäherung, aus der inzwischen eine intensive, auch geschlechtliche Beziehung erwachsen ist, wird dadurch nachhaltig in Frage gestellt.
Gegenüber seinem provokativen Erstling ist Kevin Smith nicht nur drei Jahre älter, sondern auch erfahrener und reifer geworden. Zwar strapaziert das Dauergequassele über Gott und die Welt und Sex, Sex und nochmals Sex nach wie vor die Ohren des Publikums und tragen die für Slacker-Filme typischen langen Einstellungen nicht zur Spannungssteigerung bei. Doch Smiths große Begabung für Dialoge und witzige bis geistreiche Wortgefechte, in denen sich das Lebensgefühl seiner Protagonisten widerspiegelt, ist durchaus angetan, alle Schwächen dieser mitunter derben "Tour de Genital" auszugleichen. Die Radikalität und Ehrlichkeit, mit der sich die Figuren über ihr Geschlechtsleben auslassen, schockiert und fasziniert zugleich und verarbeitet eine Reihe von zeitgenössischen Erfahrungen, die Handlung und Motive verständlich machen. Mit seinen beiden männlichen Hauptfiguren reflektiert der Regisseur nämlich geschickt die Ursachen, warum eine sexuell aktivere Frau so viel Unbehagen bei ihnen auslöst und karikiert den (männlichen) Geschlechterdiskurs, indem er der weiblichen Figur die Rolle der Handelnden einräumt. Alyssas sexuelle, von allen Konventionen losgelöste Experimentierfreude, in der sich unschwer eine tiefe Sehnsucht nach Selbstüberschreitung und Transzendenz erahnen läßt, läßt die geschwätzige Behäbigkeit (und Unsicherheit) derer erkennen, die durch Gesetz und Sitte bislang die Regeln der geschlechtlichen Kommunikation bestimmten.
Wie Woody Allen löst Kevin Smith sein Versprechen ein, weshalb man nach "Chasing Amy" ziemlich viel über Homo- und Hetero-Sex weiß. Man begegnet darin aber auch einer Handvoll Menschen, nicht nur Figuren, die sich aufeinander einlassen und ihre widersprüchlichen Gefühle in Einklang zu bringen versuchen. Vor allem die Konsequenz, mit der Smith die verwickelte Liaison vor dem Hintergrund der langjährigen Freundschaft der beiden Männer immer wieder durcheinanderwirbelt und nicht zugunsten einer eingängigen Dramaturgie glättet, ist durch ein hohes Maß an Authentizität gekennzeichnet und vom Willen getragen, realistische Lösungen zu finden. Daß es dabei oft sarkastisch, manchmal auch drastisch (verbal wohlgemerkt) zugeht, macht den hohen Unterhaltungswert seines Films aus. Seine Diskussionen über alle Varianten menschlicher Sexualität, von der Enthaltsamkeit bis zum Gruppensex, erfordern vom Zuschauer ein gewisses Maß an Abgeklärtheit, um den Film nicht als eine Art schnellen Aufklärungskurs mißzuverstehen oder sich angewidert abzuwenden. (Josef Lederle, film-dienst)
Der Verlauf der visuellen Künste gleicht der Bewegung, die Platon in seinem Höhlengleichnis beschrieb: Zuerst das Starren auf die Schatten, dann Höhlenmalerei, dann der Schritt in die Sonne, die Lichtkünste, das Gemälde, das Kino – zuviel, zurück in die Höhle, Fernsehen, Kabel, DF1. Aus.
Nein, das Kino macht weiter. Junge Menschen drehen charmant ungelenke Komödien in Schwarzweiß über Verkäufer in einem Trödelladen, wie Clerks von Kevin Smith. Der Film läuft gut genug, um ein neues Projekt zu lancieren. Ein großer Independent-Verleih kommt ins Spiel. Die Umtriebe von Miramax sind in der Branche berühmt, bei Filmemachern (siehe Charles Burnett mit The Glass Shield) berüchtigt. Der Film darf nun nicht mehr einfach ein Film sein, er muß ein Statement einer Generation sein. Buben mit Geißbart, Mädchen mit Rockröhre, alle begabt, alle adrett, alle mit einer sexuellen Neigung.
Nicht immer stimmt die Chemie, seit Buben auch Buben und Mädchen auch Mädchen mögen. Deswegen gibt es Kabale, dann Liebe, dann Herz, Schmerz, und dies und das. Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Linden Street vor den Toren von New York.
In Chasing Amy, Kevin Smiths neuem Film, stimmt außer dieser fernsehseifenkompatiblen Konstellation und den entsprechenden Gesichtern (Ben Affleck, Joey Lauren Adams) gar nichts. Die Dialoge sind schwerfällig und ohne Witz, von Rhythmus kann nicht die Rede sein, stattdessen strapazieren elendslange Heulszenen und Männerverbünde die Geduld von Zusehern, die sich nicht jede Schießbudenfigur gleich als Ikone der Popkultur einreden lassen. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 26/8/1997)
"Chasing Amy", der dritte Film des Amerikaners Kevin Smith, untersucht die sexuelle Unsicherheit jener Generation, die im Archiv unter X zu finden ist: eine Low-Budget-Komödie als Dialogsammlung.
Das Mädchen auf der Bühne singt ein Liebeslied, for someone special, wie sie ankündigt. Ein junger Mann steht strahlend im Zuschauerraum und findet sich selbst in jedem Wort, das er da hört, wieder. Das Lied endet, das Mädchen steigt, unter Applaus, in die wirkliche Welt zurück, wo ein anderes Mädchen schon wartet: Die beiden küssen einander innig. Der junge Mann erstarrt, sein süßer Traum endet im Schock.
Vom desolaten Zustand, in dem sich Amerikas Independent-Kino derzeit befindet, erstattet Chasing Amy noch einmal, wider Willen, Bericht: eine Sexkomödie, in der mediokre Mimen den way of life der Slacker- Generation nachspielen, einem Drehbuch folgend, das nur biedere Diskussionen und die einfachsten Scherze kennt, im Gegenzug aber das gesamte Spektrum gebeutelter adoleszenter Emotionen durchexerzieren will.
Die dünne Linie der Story: Ein junger Comicszeichner (Ben Affleck), flankiert von einem gedanklich etwas trüben Kompagnon (Jason Lee), verliebt sich in eine quirlige Undurchschaubare (Joey Lauren Adams), die sich wenig später eben als lesbisch erweist. Weil der romantische Junge aber viel Zeit mit ihr verbringt und viele Worte über die Dringlichkeit seines Begehrens verliert, läßt sie sich doch zum Orientierungswechsel überreden.
Das neue Paar stößt aber bald auf andere Probleme: In sexuellen Fragen, stellt sich heraus, war sie vor Jahren ein - wie sie das nennt - experimental girl, was ihn, den braven Jungen, nun mit neuer Düsternis und einem unerwarteten Minderwertigkeitskomplex versorgt: Ewig werde sie ihm ihre Erfahrung voraushaben, teilt er ihr mit, was nun auf immer zwischen ihnen stehen werde. Ein Ausweg ist nicht in Sicht, zumal die Beziehung von den Intrigen des eifersüchtigen besten Freundes gestört wird.
Und aus dem Lustspiel des Boy-meets-Girl ist flugs das Drama einer ménage à trois geworden: Gefühle sind eben leicht aus der Balance zu bringen. Über Binsenweisheiten hinaus fällt dem Filmemacher aber wenig ein zum Thema - ein wenig so, als hätte er darauf gehofft, daß die Reflexion sich erst beim Drehen überraschend ergeben könnte. Chasing Amy hat keine Position und keine Ideen: undurchdachtes Material, mit dem sich folgerichtig nichts anfangen läßt als papierenes Witzereißen und forciertes Dramatisieren.
Die Inszenierung selbst erzählt sehr direkt vom Geldmangel dieser Produktion, dabei ohne jede Chance, aus der Not je eine Tugend zu machen. Regisseur Kevin Smith verläßt sich ganz auf Dinge, auf die in dieser Form kein Verlaß ist: auf das Theater seiner jungen Stars, auf die Oberflächenreize seiner endlosen, höchst konstruierten Dialoge und auf die stimmige Mode seiner Protagonisten.
Alles macht Smith dabei explizit, jedes Liebesproblem wird verbal kleingehackt und mit den tausend Varianten amerikanischer political-correctness- Debatten verschnitten: Mit Chasing Amy, seinem dritten Film, liegt Smiths "New-Jersey-Trilogie" - nach Clerks und Mallrats - vollendet vor: ein Werk, das vor unfertigen Menschenbildern, unreflektierten Inszenierungen und falscher trendiness nur so vibriert.
Chasing Amy endet immerhin stimmig - in Depression, im Ende aller Worte. Die Helden sehen einander wieder, ein letztes Mal: Sie können mit einander nicht mehr sprechen, nicht einmal mehr über einander. Auf die Frage einer Freundin, wer das denn sei, sagt das Mädchen nur: "Just some guy I knew." Das Abreißen der Kommunikation ist am Ende dieser Vision vom verbalen Kino ein tröstlicher Gedanke. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 23/8/1997)
Sie hätten noch unverzüglich den Exorzisten bestellt, unsere Großmütter, bei dieser Gossensprache. Die ist wesentlicher Bestandteil vieler Dialoge dieses Sittenspiegelsplitters aus dem amerikanischen Alltag zwanzig- bis dreißigjähriger Vorstädter. Heute reicht's freilich aus, ein wenig nach Mitternacht fernzusehen, um auf solch Schimpf und Schande ausreichend vorbereitet bzw. eingeschult zu sein:
Wo wa(h)re liebe Sünde peept, darf nichts unausgesprochen bleiben. Schadenfreude ist dem besseren Verständnis dieser komödiantischen Abrechnung mit ausgelebter Libido im Anschluß an die Highschoolzeit seiner Helden auch nicht im Wege. Gerade weil Holden, seit kurzem erfolgreicher Comiczeichner und frisch verliebt, die meiste Zeit nicht viel zu lachen hat. Da besitzt er nur Augen und Ohren für Traumgirl Alyssa, wie sie sich bei einem gemeinsamen Clubbesuch das Mikrophon schnappt, um über Sehnsucht und Leidenschaft zu singen.
Minuten später kommt ihm freilich jemand anders zuvor, auf Alyssa zuzustürzen und inbrünstig zu küssen - ein Mädchen noch dazu... Na schön, sagt sich Holden aufgeklärt, ist mein Girl halt lesbisch. Und tatsächlich gelingt es ihm, Alyssa mit klammernden Argumenten in seine Arme zu schwätzen. Doch als er über die geliebte Sexkonvertitin erfahren muß, daß sie’s - entgegen eigener Aussage - als Teenager auch mit Boys trieb und auf einer Orgie gleich mit zweien, rastet er aus. Genau da stößt der ziemlich tabulose Szenereport in eine Kerbe, die viele schmerzt.
Was weiß man schon groß voneinander, wenn man sich kennenlernt und verliebt; selbst nach Jahren lauern in der Vergangenheit des Partners vielleicht Entdeckungen, die man nie machen möchte. Derlei Erkenntnis mag auch Prüderen das offenherzige Beziehungsseifenkistenrennen interessant zu machen. Dazu das Milieu: Holden und Banky, dessen bester Freund schon seit Kindertagen, haben auch gemeinsam als Zeichner Karriere gemacht und zusammen den Comic-Hit "Bluntman und Chronic" kreiert.
Seitenblicke auf eine Comicmesse als skurriles Biotop unterschiedlichster Strichmännchen, satirisch glossiert, sorgen daher für weiteren Lustzugewinn. Da werden auch Feinsinnigere die sprechblasige Beschaffenheit der Wortwechsel gnädig in Kauf nehmen...
Nicht zum ersten Mal brilliert Regisseur Smith mit Offenlegung amerikanischer Triebe und Umtriebe. Vielmehr schließt Alyssa Jones' Bisexlebenskampf seine New-Jersey-Trilogie ab. Im ersten Teil, "Clerks", verriet deren Schwester Heather einem der Titelhelden die Seitensprünge seiner Frau. Teil zwei, "Mallratten" - deutschsprachig nur auf Video - ließ die dritte Jones-Schwester Trish-the-Dish als 15jährige Sexbuchautorin aufmarschieren. Teil drei, mit 250.000 Dollar Produktionskosten gedreht, beweist außer den erwähnten kleidsamen Erkenntnissen unter nackter Schamlosigkeit noch eines: daß auch ein ausgewachsenes US-Movie zum Diskontpreis möglich ist. (Rudi John, KURIER)
USA 1996 Regie: Campbell Scott, Stanley Tucci,
Buch: Joseph Tropiano, Stanley Tucci,
Musik: Gary DeMichele,
Kamera: Ken Kelsch,
Schnitt: Suzy Elmiger,
Darsteller: Minnie Driver (Phyllis), Ian Holm (Pascal), Isabella Rossellini (Gabriella), Tony Shalhoub (Primo), Stanley Tucci (Secondo) Kinostart: 22/8/1997
Mit "Big Night" liegt nun ein weiterer US-Independent-Film vor, der sich von Mainstream-Hollywood nur finanziell unterscheidet. Unterhaltungskino, weichgekocht.
Das Essen hat im Kino einige Tradition: nicht zuletzt deshalb, weil das Kochen mit der audiovisuellen Kunst bisweilen wohl die Sinnlichkeit teilt. Von Viridiana bis zum Großen Fressen, von Tampopo bis zu Eat Drink Man Woman hat sich die Weltfilmkunst mit Absorption und Abendmahl auseinandergesetzt. Big Night , ein unabhängig produzierter (und also kleiner) Film aus Amerika, stellt nun wieder das Essen ins Zentrum: Die Art, wie das da geschieht, hat allerdings wenig mit den genannten Filmen zu tun, vielmehr mit jenem kalorienarmen Kunstgewerbe, wie es zuletzt etwa Babettes Fest erfolgreich praktizierte.
Big Night ist ein amerikanischer, genauer: ein italo amerikanischer Film. Eine Geschichte übers Essen - und darüber, daß nur die Alte Welt eine Ahnung von hochkultureller Nahrungsaufnahme haben kann: Mit einem alten Schlager aus Italien fährt man los, und ein paar Sekunden später schon steht man schon in der Küche eines kleinen Lokals, in einem öden Vorort von New York, während der späten fünfziger Jahre. Ein junger Italiener (Stanley Tucci) betreibt mit seinem virtuos kochenden Bruder (Tony Shalhoub) ein Restaurant: erfolglos, wie man sieht, denn der Mann in der Bank weigert sich, weiteren finanziellen Aufschub zu gewähren - und die einzigen Gäste ordern abends ordinäre Spaghetti mit meatballs und wollen ausgerechnet Nudeln auf die überirdische Risotto-Kreation folgen lassen (was den Chefkoch an seiner Existenz zweifeln läßt).
Die Dinge stehen also schlecht, beruflich wie in Liebesdingen (Isabella Rossellini, Minnie Driver). Die letzte Chance naht. Der Kollege aus dem beliebten Restaurant nebenan kennt angeblich Schlagerstar Louis Prima gut: kein Problem, diesen für eine publicity-trächtige Party mit mehrgängigem Menü zu verpflichten.
Zwei semi-renommierte junge Schauspieler, nämlich Stanley Tucci und Campbell Scott (beide auch im Bild zu sehen), haben Big Night inszeniert: und zwar, wie denn sonst, als schauspieler-betriebene kleine Komödie. Vor Klischees hat man, auf der Suche nach Popularität, offensichtlich keine Angst gehabt: Italiener sind hier aufbrausende Menschen, sprechen lustig Englisch und lieben das Kochen mehr als ihr eigenes Leben, wenn sie nicht gerade mehrgleisig amourös am Arbeiten sind.
Auch wenn das Zusammenspiel zwischen Tucci und Shalhoub charmante Nebenwirkungen erzeugt: Big Night bleibt im Ideenmangel seiner Autoren und in der Vorhersehbarkeit seiner Geschichten hängen, während der Film ident wird mit der zwanghaften Darstellung photogener Lebensmittel, mit Bildern vom Jonglieren, Schneiden, Kneten und Entkorken. Gut zu essen, sagt einer hier, das heiße, nahe bei Gott zu sein. Das gute Essen nur zu zeigen, könnte man erwidern, heißt etwas durchaus anderes, zum Beispiel: nahe bei Babette zu sein. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 23/8/1997)
Ein Leckerbissen aus getrüffelter Weisheit und bitterschokoladener Melancholie. Vierhaubenfilm. Augen- schmaus. Delikater Genuß. "Sie ist kriminell!", schäumt Primo Pilaggi, Padre Padrone der Küche, über einen weiblichen Gast; am liebsten würde er Lokalverbot verhängen, auch wenn nur zwei Tische besetzt sind. Wie gut wir ihn verstehen: die unverkennbare Ketchupfresserin hat das Verbrechen begangen, zu seiner mit liebender Hingabe bereiteten Risottoköstlichkeit aus Meeresfrüchten ordinäre Spaghetti mit Fleischklößchen zu bestellen...
Leicht verdaulich und doch inhaltsschwer, dieser Auftakt eines Requiems auf ein Restaurant in Eß-Moll. Das "Paradise" ist zu gut für diese Welt. Denn die Welt heißt New Jersey, USA, anfangs der fünfziger Jahre - und dreht sich kulinarisch eher um Hot Dogs, Pizzas und Burgers. Kein Bedarf etwa an Faglioli saltati, Timpano, Pollo alla melagranata und anderen Spitzenleistungen der Cucina Italia, die in der New Yorker Vorortemelange von zwei Immigranten seit zwei Jahren angeboten werden. Grüne Bohnen, Makkaroniauflauf und Hähnchen mit Granatapfel als himmlische Kulinaria, die unter den begnadeten Händen Primos entstehen, für den Kochen Priesteramt bedeutet und Essen Gottesdienst.
Ein Weltfremdling... Gäb's nicht den wenigstens etwas profaner denkenden, jüngeren Bruder und Partner: der Ofen wäre längst aus. Secondo besorgt das Managen, den gemütlichen Rahmen, die blendendweißen Gedecke und das Kellnern. Doch auch der hat seine Schwierigkeiten in der neuen Heimat, speziell auch den american way of life zu leben. Der smarte Macho ist emotionell zwischen einer (ungern) jungfräulich respektierten US-Verlobten und der mit einem erfolgreichen Konkurrenten verheirateten Geliebten eingeklemmt. Laviert geschickt zwischen den Problemen und übernimmt sich dennoch mit seinen Träumen vom rettenden Erfolg.
Doch dann der Hoffnungsschimmer: Louis Prima, der schmalzschmelzige Schlagerstar, hat sein Kommen nach einem Konzert in Manhattan angesagt. Der wird die Götterspeisen von Primo zu schätzen wissen, die Presse würde berichten, die echten Gourmands den Speisetempel entdecken... Primo und Secondo rüsten also zum Festmahl der Superlative, laden die wenigen Freunde und Bekannten, die sie haben, ein. Doch das Licht am Ende des Tunnels entpuppt sich in Wahrheit als ein entgegenkommender Zug, und eine Serie von Zusammenstößen bleibt nicht aus...
Am Ende dieser belustigenden wie beklemmenden Studie über Perfektionismus und seine undankbare Rolle in einer geschmacklosen Welt steht Besinnung, Versöhnung. Auch wenn der Zuschauer zuletzt buchstäblich abgespeist wird mit einer Eierspeise. Zur Konsumation dieser Filmspezerei, die auch in Buchform samt Rezepten zu haben ist, noch ein gutmeinender Rat: Damit dabei Psyche und vor allem Magen nicht zu sehr leiden müssen, sollte man vorher gut gegessen haben, besser noch: diniert. (Rudi John, KURIER)
D 1997. 88 min Regie: Peter Timm,
Darsteller: Bernd Michael Lade (Thorsten Harm), Christiane Paul (Sabrina Rotenbacher), Nadja Brunckhorst, Traugott Buhre, Robert Viktor Minich, Armin Rohde Kinostart: 22/8/1997
Thorsten Harm (Bernd Michael Lade), norddeutscher Jungbauer, und Sabrina (Christiane Paul), gewerblich auf dem Hamburger Kiez tätig, hätten wahrscheinlich nie im Leben ein Wort miteinander gewechselt, gäbe es da nicht ein kleines Problem, das sie gemeinsam haben: Jeder von ihnen hat mehr oder weniger zufällig eine Leiche im Gepäck und möchte sie schnellstens loswerden. Bei Harm handelt es sich um die sterblichen Überreste einer militanten Tierschützerin, die er bedauerlicherweise für ein Stück Damwild hielt und mit einem sauberen Blattschuß erlegte. Sabrina kutschiert den Leichnam ihres Ex-Zuhälters Guenther durch die Lande, der bei einem Streit mit ihr versehentlich unter seinen Cadillac geriet. Dumm gelaufen!
So beschließt das ungleiche Paar, die Verblichenen gemeinsam zu entsorgen. Doch so einfach, wie das Landei Harm sich den Abschied vorgestellt hat, ist er nicht zu haben: Übereifrige Dorfpolizisten und brutale Kiezgangster, schießwütige Jägersleute und ein volltrunkener Mofafahrer, hysterische Hochsitzsäger und aufdringliche Damen vom Gewerbe machen ihnen die Trennung schwer. Und dann schlägt auch noch die Liebe zu... (Verleihprogramm)
Die Natural Banal Killers sind im Ostf(r)iesenland unterwegs. Glaubt man dieser doofen Story, spielt sich's dort ordentlich ab. In erster Linie blöd, später blutig. Bauern lagern ihre Leichen nicht im Keller, sondern im Schuppen. Nobelnutten buddeln für ihre abgemurksten Strizzis Löcher in den Acker.
Aber sonst bleibt am Lande alles cool. Junglandwirt Thorsten hat eine zickige Tierschützerin mit einem kapitalen Bock verwechselt. Ein echter Bauer halt. Drum zeigen wir für den unangenehmen Irrtum der Frohnatur volles Verständnis. Jedoch: wohin mit der Leich? Dasselbe Spielchen bei Mietmieze Sabrina, der bei ihrem Freund der Schraubenschlüssel auskommt. Und weil gemeinsames Schicksal Zweisamkeiten schafft, treffen Bauer und Dirn einander auf einem Acker, wo jeder für sich die Leiche einscharren will.
Geteiltes Leid ist hier leider doppeltes Leid: alles geht schief. Mit den Leichen im Gepäck bläst das Verwirrspiel mit Verfolgungen, Mafia und grenzdebilen Jägern zum großen Halali auf die Schuldigen vom Lande... Ist nicht so schlimm, wie's klingt: man kann sich bei der Love Story amüsieren. Auch Lachen. Zwischen Leichen und lauter glücklichen Kühen, die zur einlullenden Musik von Leonard Cohen gleich viel milchfrischer sind, wächst auf dem Kuhdung so etwas wie Treue und Moral.
Das leichte Mädchen nimmt, nachdem sie dem Bauer ins Aug' geblickt, ihren Job viel zurückhaltender. Liebesgrüße aus der Lederhose und schon schlagen Herz und Traktorkolben im Gleichtakt. Ein Lustspiel, das rabenschwarz sein will, es aber höchstens auf Kuhfladenbraun bringt. Doch lief im Kino schon schlimmerer Mist. (Monika van Vanecek, KURIER)