A 1996. 98 Min
Regie: Robert Dornhelm,
Buch: Michael Köhlmeier,
Musik: Harald Kloser,
Kamera: Michi Riebl,
Schnitt: Klaus Hundsbichler,
Darsteller: Maria Schrader (Sophie Moor), Eva Herzig (Maria Johler), George Tabori, Andreas Lust (Carl), Désirée Nosbusch, Georges Kern (Hundemann), August Schmölzer (Bürgermeister), Beatrice Frey (Frau des Bürgermeisters), Rainer Egger (Sekretär), Dolores Schmidinger, Karl Merkatz (Herr Johler), Bibiane Zeller (Frau Johler), Michael Kroecher, Rudolf Wessely (Pfarrer), Ida Krottendorf, Uwe Ochsenknecht, Manuel Löffler (Wenzel), Hanno Pöschl, Erwin Leder (1. Gendarm), Hannes Fretzer (2. Gendarm), Hanna Held (Carls Mutter), Johannes Zeiler (Basil), Heinrich Schweiger (Herr Fink), Gabriela Schmoll (Frau Fink), Gerhard Rühmkorf (Wirt), Michou Frieß (Wirtin), Matyas Drafi (Roberto)
Kinostart: 26/9/1997
In einem österreichischen Dorf strandet eine Jahrmarktsattraktion: ein präparierter Wal, in dessen Innerem magisch-amouröse Kräfte walten. Wer mit seiner Besitzerin schläft, erfährt die Erfüllung eines Herzenswunsches. Ein amüsant unterhaltsames Zaubermärchen, das im Gewand der 50er Jahre von der Unvereinbarkeit losgelöster Begierden handelt, dabei aber selbst den Bezug zur konkreten Wirklichkeit verliert.
"Hört, was die Liebenden sagen. Es ist voll Widersinn", raunt die sonore Erzählstimme eingangs aus dem Off und schlägt damit den Ton an, in dem Robert Dornhelms skurriles Zaubermärchen über einem Walfisch in den Alpen gehalten ist: altmodisch versonnen, moritatenhaft. Mitten in den Bergen ereilt den Schausteller Roberto der Tod. Sein alter Lastwagen mit einem riesigen, für die Kirmes präparierten Wal bleibt auf einem kleinen Dorfplatz liegen, wo bald niemand mehr von ihm Kenntnis nimmt. Erst nach der Schneeschmelze ist die Erbin der Jahrmarktsattraktion ausgemacht: ein deutsches Fräulein namens Sophie Moor, das just an dem Tag ins Gebirge reist, als Karl seine Maria heiraten will. Die Glocken läuten, der Bräutigam wartet an der Kirchentür, nur von der Braut fehlt jede Spur. Ein anderer, der Hundemann, hat ihr den Kopf verdreht. Bis ans Ende seiner Tage will er sich nicht von der Stelle rühren, gelobt der Hochzeiter, vergißt seinen Schwur aber sogleich, als Sophie sich am Wal zu schaffen macht. Gemeinsam finden sie Einlaß und erliegen dem Geheimnis des Tieres, in dessen pittoreskem Inneren magisch-amouröse Kräfte walten. Jedem, der mit seiner Besitzerin schläft, erfüllt sich ein Herzenswunsch - und plötzlich sitzt die ausgerissene Braut auf den Kirchenstufen. Das Wunder währt allerdings nicht lange, weil Sophie es ausgerechnet mit dem Hundemann auf die Probe stellt. Dessen Gedanken aber sind dunkel: er wünscht sich Maria - als Hund. Jetzt ist es an Sophie, das Unheil rückgängig zu machen. Doch ihre Versuche scheitern am Eigennutz. Auf dem Hang hinter dem Haus des Bürgermeisters glänzt am nächsten Morgen ein Tennisplatz, der Wirt poliert die neue Fassade seines Gasthofs, ein Bauer spannt einen weißen Cadillac vors Jauchefaß. Selbst der Pfarrer verliert den Boden unter den Füßen, indem er die (Schein-)Heiligkeit vor die Nächstenliebe stellt.
Zehn Jahre werkelten der in Hollywood lebende Regisseur und sein Drehbuchautor an diesem satirisch-komödiantischen Stoff, der den einen zu fantastisch, den anderen zu kritisch, schließlich kommerziell nicht vielversprechend genug war. Der lange Weg des "Unfischs", der zwischendurch in Südfrankreich, Rumänien oder sogar im brasilianischen Regenwald stranden sollte, hat nicht nur auf der Haut des Wals, sondern auch inhaltlich Spuren hinterlassen. Von der ursprünglichen Idee eines schrägen österreichischen Heimatfilms über Raffsucht und Gier sind nur noch die Grundpfeiler übriggeblieben: der in nostalgischem 50er-Jahre-Ambiente angesiedelte Plot, der Entwurf der Charaktere sowie die Verknüpfung von exotischem Sex mit einer Wirtschaftswunder-Warenwelt. In der realisierten Fassung dominieren die märchenhaften Züge: der allgegenwärtige Erzähler kommentiert und paraphrasiert in einer altertümlichen Sprache das Geschehen und hält auch mit der Moral von der Geschicht' nicht hinter dem Berg; die pointiert intonierte Volksmusik und eine Reihe einfacher, aber durchaus origineller Wendungen heben die lose gewobene Erzählung immer wieder ins Surreale; Reminiszenzen an die verlorenen gegangene Tradition des fahrendes Volkes treten hervor. Auch die Kamera liebt das Fantastische: zwar streift sie durchaus interessiert über die pastosen Töne aus zartem Rosa und Lindgrün, entfaltet ihre ganze Kraft aber erst, wenn das blutrote Herz des Wals wieder zu schlagen beginnt oder das Tier aus Pappmaché und Drähten in der Schlußsequenz brennend durch den Wald hetzt, um sich nach dem Sprung in einen See in Fleisch und Blut - und eine gütige Seele - zu verwandeln.
All diese Elemente verbinden sich auf beschwingte Weise zu einem amüsanten Kuriositätenkabinett, das angenehm unterhält, ohne aber irgendjemand weh zu tun. Für die nicht weiter reflektierte Gleichsetzung von williger Sex-, Gebär- und Wunschmaschine, die Maria Schrader in der Rolle der Sophie als reichlich nackte Zauberfee vor Augen führt, fehlt dieser Version jeder Sensus, wie sie auch beinahe alles nationale oder lokale Kolorit vermissen läßt: die filmische Mär vom Wunderfisch und seinen zweifelhaften Gaben könnte überall spielen, ohne daß Wesentliches verloren ginge. Daß Wünsche widersprüchlich sind, weder mit den Absichten des einzelnen noch mit dem Wohl einer Gemeinschaft automatisch harmonieren und die Götter deshalb aus gutem Grund den Schweiß vor den Erfolg gesetzt haben, zählt zu den kollektiven Menschheitserfahrungen. Dornhelms Film karikiert deshalb nicht, weil ihm für spitze Überzeichnungen die historisch-faktische Einbettung in eine reale Welt fehlt; das Märchenhafte wird zum (allzu beliebigen) Surrogat fürs Konkrete. Auf seine Weise reflektiert dieses ortlose Filmunikat auch die Veränderungen, denen Regisseure unterliegen, die über lange Zeit im Ausland arbeiten. Dem "Unfisch" geht es deshalb wie seinem Titelhelden - von vielen bestaunt und bewundert, aber nicht in seinem Element. (Josef Lederle, film-dienst)
"Der Unfisch" - Glücksfee Maria Schrader erfüllt Männern Herzenswünsche in ihrer skurrilen Liebesgrotte.
"Der Unfisch" ist ein Untitel, weil dahinter niemand eine Bauernmärchenkomödie von spezifisch austriakischer Skurrilität und Verschrobenheit vermuten würde. Doch so ist es. Das Titeltier hat die Gestalt eines präparierten Wal-Kadavers, dessen Inneres als Liebesgrotte dient: Darin erfüllt als erotische Glücksfee die schöne, kokette Maria Schrader unermüdlich Mann um Mann einen Herzenswunsch. Leider sind, wie man weiß, die meisten Männerwünsche banal (Dollarbündel, Rolls-Royce, goldenes Haus), und deshalb verläppert die Komödie des österreichischen Regisseurs Robert Dornhelm in schwankhaften Niederungen. Nur der pfiffige Pfarrer, der sich als Lohn der Sünde Heiligkeit gewünscht hatte, schwebt nun strampelnd hoch über dem Dorfplatz. (DER SPIEGEL 10/1998)
Ein Bergsteiger stürzt ab und sieht, gerade noch gesichert und gerettet, mitten im Gebirge einen Wal: Das ist der Anfang. Ein Pfarrer wird im Inneren dieses präparierten Unfisches hochmütig, beginnt abzuheben, schwebt einige Meter über dem Boden: Das ist fast schon das Ende eines österreichischen Heimatfilms, der zwischen drohenden Stürzen in die Lächerlichkeit und Ahnungen von schwerelosem Fabulieren erstaunlich sicher erzählt ist.
Zehn Jahre sollen der Autor Michael Köhlmeier und der Regisseur Robert Dornhelm gebraucht haben, um das Geld und vor allem die naive Gewitztheit aufzubringen, die für ein Volksmärchen über unmögliche Wünsche und menschliche Gier nötig waren. Man bekommt ja doch zuerst eine Gänsehaut, wenn man die Inhaltsangabe von Der Unfisch hört: Die Männer eines kleinen Dorfes schlafen mit einer geheimnisvollen Frau im Inneren der „Attraktion der Weltmeere“, um ihre Sehnsüchte auf groteske Weise verwirklicht zu sehen.
Da wird ein Polizist zum Sheriff, der Bürgermeister hat plötzlich einen Tennisplatz in steiler Hanglage, ein Dorfnarr ist schnell Geigenvirtuose. Und das ergäbe vermutlich ein rechtes Bauerntheater, lärmiger und aufgesetzter noch als die ganzen Kabarettistenfilmchen der letzten Zeit, würde Köhlmeiers doch sehr forciertes Fabulieren nicht durch ein Timing und eine Sorgfalt geformt, wie sie der heimische Unterhaltungsfilm weitgehend vermissen läßt. Zehn Jahre sind eine lange Vorbereitungszeit, und wie man die nützen kann, um gerade im sogenannten leichten Fach Peinlichkeiten zu vermeiden, sieht man hier.
Durchwegs pointiert und frei von papierener Angestrengtheit sind die Dialoge, und die Schauspieler müssen gar nicht erst outrieren, um das Unwahrscheinliche erträglich werden zu lassen. George Kern etwa porträtiert einen sadistischen Besitzer von Dobermännern mit so viel Lust am Genre-Bösewicht, daß jede Pointe rund um diesen Sportwagen-Heini zündet wie in den besten Komödien der Wirtschaftswunderjahre. Andreas Lust und Eva Herzig sind als ewig mit Querelen befaßtes Liebespaar ebenso dezent wie etwa dcr geistliche Widerling Rudolf Wessely.
Daß zwischen den Nippes und den kleinen Glühlämpchen im Inneren des Wales Maria Schrader sehr schnell zum ewig entblößten Blickfang wird, dem man die Subversion gegen die ländlichen Pharisäer nicht immer anmerkt, fällt vor diesem Hintergrund weniger ins Gewicht.
Sicherlich ist Der Unfisch nicht unbedingt eine jener Produktionen, die man versierten Besuchern von Programmkinos ans Herz legt, sondern einer jener Main_stream_fil_me, wie sie etwa der ORF in Kooperationen mit Franz Antel (Bockerer 2) gerne zustande brächte, aber auf entsetzlichste Weise immer wieder verfehlt. Hier ist er tatsächlich geglückt, der erträgliche Film fürs Samstagnachmittagprogramm: Sich leichthin und ein bißchen übermütig mitreißen lassen, ohne sich in Grund und Boden genieren zu müssen – selbst das gibt’s hierzulande (alle zehn Jahre) nur einmal. (Claus Philipp, DER STANDARD, 26/9/1997)
Robert Dornhelm, österreichischer Filmemacher, hat letztes Jahr eine Geschichte des Bestseller-Schriftstellers Michael Köhlmeier verfilmt: "Der Unfisch", ein dörflich-heimeliges Sex-Märchen, ist ab morgen im Kino zu sehen.
Wo immer man hinschaut in Der Unfisch, beschleicht einen vor allem ein Gefühl: déjà vu. Karl Merkatz schleicht verkleidet durchs Bild, an seiner Seite Bibiana Zeller mit unglücklichem Gesicht; Rudolf Wessely drischt als Pfarrer die Dorfglocke, und August Schmölzer verbreitet als Bürgermeister, man kennt das ja, diese klassisch österreichische Hinterhältigkeit. Die Gesichter sind bekannt, die Art der Story auch. Der Unfisch, Robert Dornhelms jüngster Film, will ein Heimatfilm sein, sehr österreichisch eben - und doch ein wenig anders, ein klein bißchen neu, um eine Nasenlänge frecher, vielleicht: erotischer.
Am Berg, natürlich, geht Der Unfisch los, begleitet von skurriler Blasmusik, jenem maßgeschneiderten Soundtrack, ohne den die heimische Provinzkomödie nicht wäre, was sie ist. Ein Dorf liegt anfangs noch in Frieden da, ganz einfach in der Sonne, während ein glamouröses Mädchen (Maria Schrader) heranreist, um die Dinge dieser Welt, in die sie so gar nicht paßt, unwillentlich, aber nachhaltig zu ändern: Sie ist die Erbin eines hölzernen Wals, der auf dem Dorfplatz steht, eines Wals, den man bewohnen kann.
Und bald schon startet das Märchen, das Transzendente durch: Ein junger Mann (Andreas Lust), dem die Braut davongelaufen ist, schläft mit dem Mädchen im Innern des Wals, der magisch ist, soviel begreift man schnell. Sex mit der Eigentümerin im Wal-Séparée, das heißt für einen Mann hier, einen Wunsch frei zu haben.
Dabei passiert ein kleiner Unfall: Ein Mädchen wird in einen Hund verwandelt. Das müßte doch rückgängig zu machen sein, mit dem nächsten Mann zum Beispiel: Also wird die Heldin, aus Menschenfreundlichkeit, zur Mätresse des halben Dorfes, und Dornhelms kleine Parabel ohne große Umwege zur einfältigen Zote. Mit schlichter Moral: Die Menschen sind gierig, woran die Welt zugrunde zu gehen droht. Also wünscht sich einer nach dem anderen, was er gerade selber will, und eben nicht, was der Gemeinde nützen würde: eine Limousine, einen Tennisplatz. Aus dem vermeintlichen Glück, man hat's geahnt, wird Unfrieden, Unglück, Krieg.
"Man tut, was man kann", spricht der Bürgermeister generös und macht sich's für ein Stündchen bei dem Mädchen im Wal gemütlich, derweil die Liebenden, Braut und Bräutigam, zu Hund und Herrl degradiert im schönen grünen Gras im schönen alpinen Österreich melancholisch sitzen. So ist das mit dem Humor in Der Unfisch: nur eine neue Liaison von Austro-Kitsch und Austro-Sex(ismus). Schlag nach bei Antel.
In Der Unfisch klingt alles sehr beschwingt, und doch scheint hier bald gar nichts mehr vom Fleck zu kommen: bis sich dann noch, unvermeidlich eigentlich, die "Action" einstellt, mit einem bis an die Zähne bewaffneten Dorfpolizisten im Italo-Western-Kostüm und mit dem brennenden, durch den Wald wegrutschenden Holzwal schließlich, der, man kann's verstehen, das Weite sucht.
Die Schauspieler bekennen sich größtenteils (und passend zum Thema fast) zur Liebe zum Holz, zur lustigen Märchen-Schnitzerei aus Worten und Gesten, aus Deklamation und Fuchtelei. Auch in dieser Hinsicht ist Der Unfisch unverkennbar österreichisch. Und Maria Schrader, Dornhelms Hauptdarstellerin, sie hat nicht viel zu tun: nackt sein vor allem, zur Verfügung stehen, eine Projektionsfläche sein in jedem Sinn - für den Filmemacher, den Zuschauer, die Herren im Dorf. Sex ist hier nur ein kleiner Wunsch pro domo, mit dem man den Erfolg herbeizuzwingen sucht. Da nützt alle Ironie nichts und aller Märchenzauber, den der Geschichtenerzähler aus dem Off (Köhlmeier) und der Bildermacher (Dornhelm) zu fabrizieren beabsichtigen: Der Unfisch benützt seine Heldin ein wenig so wie die, über die der Film sich lustig macht. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 25/9/1997)
(...)Robert Dornhelms Der Unfisch, geschrieben von Michael Köhlmeier, bedient sich eines Märchenstoffes in alpinem Ambiente: Eine junge Frau, Typ Femme fatale (Maria Schrader), erreicht ein österreichisches Dorf, in dem ein verstorbener Schausteller sein lebensgroßes Walmodell geparkt hat. Die Frau ist Erbin, ihr gehört nun der Wal, der indes ein Geheimnis birgt. Wer mit der Eigentümerin im Inneren des Unfischs schläft, kriegt einen Wunsch erfüllt. Der erste Liebhaber verwandelt seine Ex-Freundin in einen Hund, und jeder weitere denkt nur an sich, an Macht und Mammon, während die gute Maria einen sucht, der das arme Mädchen rückverwandelt. So sieht die Heldin bald aus wie eine desillusionierte Prostituierte, während das Dorf (vorerst) floriert. Und Schrader durchläuft den Film nackt (oder als Sexbilligmythos), vom Filmemacher ebenso benützt wie von den Herren des Dorfes: die gebrauchte Frau.
Ein legitimes Erbe österreichischer Filmgeschichte: Denn auf nichts greift Der Unfisch mehr zurück als auf Franz Antels Werk der sechziger und frühen siebziger Jahre, auf jene wüste Mischung aus Kitsch und Sexismus, aus selbstironischem Heimatfilm und lukrativem Schauwertklamauk. Die provinzielle Sexposse ist nicht tot: Im Unfisch liegt Antels Vermächtnis. Die Weltpremiere, voller Saal, wurde heftig beklatscht. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 21/2/1997)
Wer sich im höchsten Moment der Lust noch so unter Kontrolle hat, daß er dabei etwas wünschen kann, hat Strafe verdient. So könnte die Moral dieses Erwachsenenmärchens lauten und wäre nicht die dümmste. Sie hat aber nicht nur eine Moral, diese etwas wunderliche Fabel über menschliche Unersättlichkeit - sie strotzt davon. Das macht sie weniger leichtfüßig, als sie daherkommen möchte. Ihr deftiger Humor stampft gern auf. Ihre Figuren sind so plump gepinselt wie auf bäuerlichen Hinterglasbildern. Alles trägt die holzschnittigen Züge älpischen Schwanks; tatsächlich schwankt dieser wie beschwipst zwischen gewitzter Satire und edler Einfalt.
Immerhin erinnern die besten Momente an die genialen Sticheleien des Ludwig Thoma, der einst seinen bayrischen Landsleuten in bissigen Karikaturen die Lederhosen strammzog. Daß Spießbürger und Schildbürger aus demselben lausigen Holz geschnitzt sind, ist z.B. auch eine Moral dieser filmischen Jahrmarktsattraktion. Eine heilige Sünderin namens Sophie, eine wundertätige Hexe mit rotem Haar und provozierenden Strapsen, bricht über ein Dorf herein und entlarvt Gier, Geilheit, Dummheit und Doppelmoral seiner Bewohner. Sie hat den kolossalen Wal geerbt, mit dem ihr Onkel und Schausteller über die Dörfer fuhr. Jetzt residiert sie im Bauch des zum Wohnmobil gestalteten Ungetüms auf dem Marktplatz eines Alpenkaffs. Vor ihrem Eingang stehen die männlichen Einwohner Schlange: Es hat sich schnell herumgesprochen, daß zwischen Sophies schönen Beinen Wünsche in Erfüllung gehen. Da drängen auch die bigottesten Ehefrauen zum Seitensprung. Bald fährt ein Bäuerlein mit dem Rolls die Jauche aus, protzt der Wirt mit einer Echtgoldfassade, schwebt der Pfarrer handbreit und mehr über dem Boden...
Der Hollywoodösterreicher Dornhelm hat über zehn Jahre an dem Stoff des Vorarlbergers Michael Köhlmeier herumgekaut, bevor er sich doch für diese Fassung entschied und sie im Herkunftsland realisierte. Ob sich der sogenannte Heimvorteil als solcher erwies? Jein. Nicht alle Darsteller waren ihren Rollen gewachsen. Die betörende Maria Schrader hingegen spreizt ihre Möglichkeiten im delikaten Spagat zwischen Unschuld des Herzens und Sinnlichkeit des Körpers zur bezaubernden Ikone. Insgesamt kein Unding, dieser "Unfisch". Keine Unmoral, seine Moral. Uneinsichten fallen einem wie Schuppen von den Augen. Aber alles zusammen halt doch ein österreichischer Kompromiß, dessen Herstellung oder fröhlichen Genusses man sich nicht groß zu berühmen, aber keineswegs schämen braucht. (Rudi John, KURIER)
Siehe IMDb
USA 1997. 138 min.
Regie: John Woo,
Buch: Mike Werb, Michael Colleary,
Musik: John Powell,
Kamera: Oliver Wood,
Schnitt: Steven Kemper, Christian A. Wagner,
Darsteller: John Travolta (Sean Archer), Nicolas Cage (Castor Troy), Joan Allen (Eve Archer), Alessandro Nivola (Pollux Troy), Gina Gershon (Sasha Hassler), Dominique Swain (Jamie Archer), Nick Cassavetes (Dietrich Hassler), Harve Presnell (Lazzaro), Colm Feore (Dr. Malcolm Walsh), John Carroll Lynch (Prison Guard Walton)
Kinostart: 26/9/1997
Im fünften Jahr seiner amerikanischen Emigration scheint das Kino John Woos wieder zu sich gefunden zu haben. Sein Faible für melodramatische Zuspitzungen, die Nähe zu sentimentaler Ikonografie und seine unbestrittene Meisterschaft, Actionsequenzen wie kein anderer in schwerelose Choreografien zu verwandeln, verbinden sich im jüngsten Opus erstmals nahtlos mit den Topoi Hollywoodscher Gangsterfilme - und deren Gigantomanie. Frei von jeder materiellen Begrenzung kann sich Woos Drang entfalten, alles in Bewegung aufzulösen und das Ensemble der Wirklichkeit immer wieder in grandiose Todes- und Zerstörungstänze zu verwandeln. Gleichzeitig ist ihm nicht verwehrt, die atemlosen "Martial-Art"-Sequenzen in jener Weise zu stilisieren, die direkt an seine früheren Hongkong-Filme anknüpfen. Das beginnt beim Thema, der spiegelverkehrten Bezogenheit beider Antagonisten, und setzt sich bis in einzelne Bildmotive und -einstellungen wie flackernde Kerzen, weiße Tauben oder die elegisch-sakrale Zeitlupe fort. Die Vorliebe des Regisseurs, seine einsamen, verschlossenen Figuren durch kleine Ticks oder Accessoires zu identifizieren, paßt perfekt ins populäre Genrekinos. Sieht man von einigen inhaltlichen Eigenheiten wie der am Ende bestärkten Kleinfamilie oder dem Nebenpart einer heranwachsenden Tochter ab, so sticht die große innere Verwandtschaft mit dem Frühwerk ins Auge: Woos einzigartiges Bewegungskino der Zeichen und Oberflächen hat sich in Amerika nach einigen mißglückten Versuchen als das alte entpuppt.
"Face/Off" erzählt die Geschichte zweier Männer, die in ihrer Feindschaft so aufeinander fixiert sind, daß sie nicht nur alles übereinander wissen, sondern sich im wörtlichen wie bildlichen Sinne zum Verwechseln ähnlich werden. Der FBI-Agent Sean Archer jagt den skrupellosen Terroristen Castor Troy mit einer Unerbittlichkeit, die an Fanatismus grenzt. Seit Archers kleiner Sohn bei einem Attentat Castors auf ihn zu Tode kam, kennt der Polizist kein anderes Ziel, als Castor zu beseitigen. Was nach 15 Filmminuten und der ersten Blut- und Feuerorgie auch erledigt scheint. Zu Hause verspricht Archer seiner auseinanderbrechenden Familie, daß jetzt alles anders werde - ohne zu ahnen, wie recht er damit behalten soll. Denn um an Castors Bruder Pollux und die Daten einer Giftgasbombe heranzukommen, die irgendwo in Los Angeles tickt, läßt sich Archer auf eine "schizophrene" Aktion ein: Anstelle seines Gesichts wird ihm das von Castor Troy verpflanzt und auch sein Körper kosmetisch so behandelt, daß er vom Terroristen, der im Koma liegt, nicht mehr zu unterscheiden ist. Während der Ermittler sich in Gestalt von Castor ins Hochsicherheitsgefängnis einschleusen läßt, erwacht dieser und zwingt die Ärzte, ihm Archers "Face" aufzusetzen. Der Böse in Gestalt des FBI-Mannes, der Polizist als leibhaftiges Double des Gewaltverbrechers. Jeder versucht, die Rolle des anderen zu spielen, um dessen Platz einzunehmen - und entdeckt Innenseiten einer Welt, die er bislang nur von außen seziert hatte: der Terrorist väterliche Fürsorge und die kleinen Freuden des Bürgertums, der Beamte das Gefühl, alles ein wenig mehr als Spiel zu betrachten.
Für die Hauptdarsteller John Travolta und Nicolas Cage bedeutete dies eine extreme schauspielerische Herausforderung, die sie mit Bravour bestanden: Beide hatten ihre Rolle und die ihres Spiegelbildes zu spielen sowie den vertauschten Part auch zu synchronisieren. Die Anverwandlung von Stil, Habitus und Technik des jeweils anderen gelingt beiden dabei so überzeugend, daß es dem Zuschauer auf Dauer sogar Mühe bereitet, die wahre Identität der Körper im Gedächtnis zu behalten. Vor allem Cage mutiert vom gnadenlosen Zyniker so perfekt in den malträtierten Polizisten, der erst eine Gefängnisrevolte anzetteln muß, um wieder frei zu kommen, daß er mit dieser (falschen) Rolle nahezu identifiziert wird. Travolta dagegen forciert als Maulwurf in der FBI-Zentrale seine bekannten Marotten, ohne an die kalte Skrupellosigkeit heranzureichen, mit der Cage die Rolle versah. Dennoch zählt es zu den beeindruckendsten Momenten des an Spektakulärem nicht armen Films, dem doppelbödigen Schauspiel zu folgen und die Reaktionen der Umwelt zu studieren. Hier werden die Unterschiede durchaus wahrgenommen, doch man freundet sich schnell und vor allem gerne damit an. Diese Beobachtung weist ins inhaltliche Zentrum des Films: auf die Frage nach dem Verhältnis von Identität und Maskerade; bildlich gesprochen nach dem, was zum Vorschein kommt, wenn man das "Gesicht" wegnimmt: "Face off". Den Weg der Psychologisierung seiner Figuren beschreitet Woo allerdings nur sehr zögerlich, so als wollte er das Sujet nicht überstrapazieren. Zwar ist am Rande gelegentlich die Rede davon, wie Ängste und alte Wunden Abwehrmechanismen erzeugen und ein befriedigendes Leben untergraben. Archer besteht anfangs sogar darauf, daß die Narbe, die ihn an den Tod seines Sohnes erinnert, nach der Aktion wieder an die alte Stelle gesetzt werden soll. Doch Woos visueller Virtuosität, das Genre und vielleicht auch eine Scheu, zu viel Innenleben preiszugeben, setzen einer Vertiefung enge Grenzen. Wenn Archer in der Schlußsequenz den fünfjährigen Sohn Castors an Sohnes statt annimmt und seiner Familie vorstellt, kurz davor sogar auf die Reimplantation der Narbe verzichtete, markiert die eine beträchtliche seelische Entwicklung, die freilich optisch durch flirrendes Gegenlicht und eine betont freudige Musik gleichzeitig ironisiert wird.
Woos elaborierte Ausdrucksweise lebt von einem hohe Maß an Distanz. Die spezifische Qualität seiner filmische Sprache ist das Produkt aus kunstvoller Montage, differenziertem Einsatz unterschiedlicher Zeitlupentempi und einer mitunter recht maniristischen musikalischen Kommentierung. Eine indirekte Kommunikationsweise, die die Zwiespältigkeit seiner Arbeiten verursacht, in denen nicht nur Gewalt ästhetisiert und Bewegung als Prinzip gefeiert wird, sondern der äußere Schein, die pure Oberfläche so große Bedeutung gewinnt. In die vier ausgedehnten Actionsequenzen - meisterhaft in ihrer Art - sind immer wieder Einzelszenen geschnitten, Details, Blicke oder Gesten durch Zeitdehnung hervorgehoben, wodurch der Erzählfluß diese seltsam tranceartige Qualität erhält, die an John Woo immer wieder begeistert. Gleichzeitig aber müssen diese Unterstreichungen wie etwas gelesen werden, was zwischen den Zeilen steht, um über dem grandiosen oder abstoßenden Spektakel Inhalt und Nuancen zu erspüren. Ob man dazu bereit ist, sich auf eine solche Lesweise einzulassen, scheidet und unterscheidet die Geister. (Josef Lederle, film-dienst)
Ein fulminanter Showdown zwischen Polizisten und Terroristen ist nur der Anfang von John Woos „Face/Off“, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse schnell verschwimmen: Nicolas Cage und John Travolta wechseln die Gesichter – und sind doch an sich selbst gefesselt.
Von Zeit zu Zeit, wenn alle Kräfte erschöpft, alle Taktiken ausgereizt und alle Spielchen gespielt sind, sinkt sogar das allzeit alerte Actionkino in sich zusammen und beginnt zu träumen. Es imaginiert etwa mit Lee Marvin letzte Gefechte über den tödlichen Point Blank hinaus, verharrt mit Sam Fuller im Shock Korridor, oder es befürchtet heute, wo alle Mittel des Blockbuster-Entertainments austauschbar scheinen, den totalen Gesichtsverlust:
Face/Off (Im Körper meines Feindes), der jüngste Film des seit wenigen Jahren in den USA arbeitenden Hongkong-Regisseurs John Woo, reiht sich auf fulminante Weise in jene Abfolge von Meilensteinen, bei denen radikaler Formalismus vor allem das Unbewußte des Genres freilegt, Ambivalenzen auch, denen scheinbar nur noch mit surrealen Plots beizukommen ist.
Dort, wo Face/Off beginnt, sind herkömmliche Thriller wortwörtlich am Ende. Ein Polizist (John Travolta), rächt die Ermordung seines Kindes durch einen Terroristen (Nicolas Cage) in einem beispiellosen Showdown, aber die Saat des Bösen ist noch gar nicht richtig aufgegangen. Für die Entschärfung einer Bombe muß der Cop die Identität des ins Koma gestürzten Verbrechers annehmen – ein altes Motiv, das Woo bis weit über die Grenze der Unglaubwürdigkeit hinweg ausreizt.
Aber was heißt unglaubwürdig, wo Woo mit der naiven Gläubigkeit alter chinesischer Schwertkämpfermärchen die Visagen zweier Gegner gegeneinander vertauscht, auf daß sich die beiden letztlich immer ähnlicher werden. Mittels Sci-Fi-Chirurgie wird Travolta zu Cage, während wiederum Cage erwacht und wenige Minuten später Travoltas Familie unterwandert.
Die Bombe, bald entfernt, gibt nicht länger das Maß der Explosivität vor. Gefährdet ist nicht länger ein ohnehin disparates Gemeinwesen – selten wurde ein Polizeiteam derart in einem Vakuum befindlich skizziert –, sondern das ganz private Ethos der beiden Antagonisten, die sich mit ähnlicher Eleganz umkreisen wie die beiden Gegenspieler/Partner in Woos fernöstlichem Klassiker The Killer.
Höhepunkt dieses Duells, in dem keiner sein Gesicht verlieren will, obwohl er es längst abgegeben hat, ist wohl jene Szene, in der Travolta und Cage einander durch zwei Spiegel belauern, um schließlich wutentbrannt auf jene (Spiegel-)Bilder zu feuern, in denen jeder für sich „der andere“ ist, während dahinter digitale Masken das eigene „Ich“ simulieren.
Stunts, Spezialeffekte und Beschleunigungen treten über soviel Beklemmung, über „Verrückung“ und Verrücktheit erstaunlich schnell in den Hintergrund. Wo junge superschlaue Woo-Imitatoren in Hollywood immer lauter und zynischer all ihre visuelle Munition hinausschleudern, wendet sich Face/Off nach innen – hinein in einen pochenden Schmerz, in dem süßes Delirium und finsterste Einsamkeit ineinanderfallen.
Einmal sitzt ein kleiner Junge mit einem Walkman inmitten einer grotesk brutalen Schießerei. „Somewhere over the rainbow“ wird in seinen Kopfhörern der Zauberer von Oz zum Schutz gegen die Anfechtungen einer unfaßbar gewalttätigen Welt.
Wenn Brian Wilson heute die Schizophrenie alter Beach-Boys-Songs in Laufbilder fassen müßte: Hier hätte er im Spiel mit Stimmen und exzentrischen (Dis-)Harmonien eine Vorgabe, auch in der ungeheuer fesselnden Prüderie, die John Woo walten läßt: „Ich und Er – wir leben seit einigen Tagen wirklich wie ein Paar zusammen“, sagt die Frau des Polizisten (Joan Allen) zu ihrem veränderten Mann, den ob ihres ungewußten, köstlichen Ehebruchs mit seinem Feind zu schwindeln beginnt. All die soften US-Erotik-Thriller der letzten Jahre sind vor soviel bebender Aussparung erregender, perverser Details endgültig nichtig.
Und diese Doppelbödigkeit eines Film Noir, dieses flirrende Spiel mit Licht und Schatten, Schuld und Erlösung rettet Woo sogar in ein Finale, das ihm angeblich vom Studio aufgezwungen wurde. Eigentlich hätte am Ende nicht klar sein sollen, wer da das Duell überlebt. Jetzt wird immerhin das Kind eines vormaligen Todfeindes in eine Kleinfamilie adoptiert – zum allgemeinen Segen oder zur
Fortsetzung der Katastrophe? John Woo läßt es offen in diesem melodramatischen, überreichen Meisterwerk. (Claus Philipp, DER STANDARD, 24/9/1997)
"Im Körper des Feindes", die dritte Hollywood-Arbeit des Hongkong-Action-Virtuosen John Woo: ein labyrinthischer Horrorthriller über den Gesichts- und Identitätsverlust, ein utopisches Meisterwerk.
Wie ein Traum, der Welt entrückt, beginnt dieser Film: ein Kind und sein Vater, John Travolta, in Zeitlupe bei einem Karussell, die Bilder zart gefärbt, wie handkoloriert, die Musik glockenhell-klingelnder, süßer Kitsch. Das irreale Bild der familiären Harmonie durchkreuzt ein naher Heckenschütze, Nicolas Cage, der sein Gewehr auf Travolta richtet, ihn ins Visier nimmt. Travoltas Lächeln gegen Cages finsteren Blick, das Gute gegen das Böse: ein archaisches Duell. Schließlich drückt Cage den Abzug: In slow motion durchschlägt die Kugel Travolta, dringt ein in den Körper des Kindes hinter ihm. Travolta bricht über dem toten Sohn zusammen, der Killer blickt erschrocken hinter der Waffe auf: Es gibt eine Moral in diesem Film, die selbst die Soziopathen noch respektieren.
Die Traumata sind installiert, die Feinde tödlich verfeindet, nach wenig mehr als drei Minuten Film: Sechs Jahre später, wie das Insert sagt, treffen Cage und Travolta, der Terrorist und der FBI-Agent, wieder aufeinander. In einem Hangar schießt der eine den anderen ins Koma, nach einer ungeheuerlichen Jagd am Flugfeld. Womit die Geschichte aber erst am Anfang steht: Hier sehen Einleitungen aus wie letzte kathartische Entgrenzungen. Face / Off (mit Im Körper des Feindes linkisch ins Deutsche übertragen) ist der dritte Hollywood-Film des Hongkong-Emigranten John Woo. Nach chinesischen Kriegs- und Gewalt-Epen wie The Killer (1989) und Bullet in the Head (1990) arbeitet er nun in Hollywood, Los Angeles, im Herzen der US-Filmindustrie. Nach dem schwachen Hard Target (1993) und dem mäßigen Broken Arrow (1996) überrascht Face / Off nun umso mehr: als Thriller, der sich selbst psychoanalysiert, der von Identität und Aktion spricht und vom atavistischen Konflikt zwischen saint und sinner; ein Film, der seine Spiegel- und Doppelgängermotive so lange überspitzt und überdehnt, bis er nur noch über sich selbst, über Genre & Wirkung, zu sprechen scheint: als hätte er sich selbst im Spiegel vor sich.
Face / Off ist auch, keineswegs zuletzt, ein Horrorfilm: Travolta läßt sich Cages Gesicht verpflanzen, um dem Bruder des Terroristen im Gefängnis Informationen über eine letzte tickende Zeitbombe entlocken zu können. Ein Chirurg entfernt die Gesichter vom Schädel der Patienten wie ein Enkel Victor Frankensteins. Und wenig später, nachts, setzt sich der eben noch komatöse Cage auf seiner Bahre plötzlich auf, tastet dorthin, wo sein Gesicht war: Er legt den Finger in offenes Fleisch. In solchen Szenen ist Woo erstmals näher am Horror als am Actionfilm. Cage, ohne Gesicht, aber am Leben, läßt sich, auf Rache sinnend, Travoltas Antlitz anpassen: das alte Motiv von der Nähe zwischen Cop und Gangster, ins Extrem getrieben.
Mit seinem Sujet setzt Woo das Messer dort an, wo andere Filmemacher ihre Operationen zuletzt, auf halbem Wege, beendet haben. Maskierungen und Identitätsverwischungen gehören wieder zu den Lieblingsspielen des Actionfilms: De Palmas Mission Impossible und Eastwoods Absolute Power sind zwei Beispiele für die neuen Täuschungsmanöver Hollywoods. Den Augen ist nicht mehr zu trauen, die Oberflächen trügen: Amerikas Geldkino hat man solche Erkenntnisse gar nicht mehr zugetraut.
Das triviale Drama, das Woo in Face / Off veranstaltet, mutiert nun, völlig überraschend, zu einer Frage des Schauspiels, bewegt sich von der bloßen Kinetik weg zu einem Diskurs über die oft unergründlichen Wege des Stils prominenter Filmschauspieler: Der introvertierte Travolta sieht sich da genötigt, Cages lüsternes overacting nachzustellen, Cage andererseits hat sich, als "Travolta", von den Manierismen zu verabschieden, die sein Erfolgsrezept sind. Bald verschwimmt auch dem Zuschauer die "Wirklichkeit" vor den Augen: Ist dem Äußeren noch zu trauen? In seiner Story vom Gesichts- und Identitätsverlust scheint Woo auch von Hollywood selbst zu sprechen, das sich in Äußerlichkeiten verloren hat, sich selbst nicht mehr kennt und nicht mehr reflektieren kann.
Face / Off verwandelt seine naive Idee so radikal weiter, wie sich im Kino die Figuren verwandeln. Der zum Verbrecher gemachte Travolta beginnt zum kriminellen Übergriff zu neigen, während Cages neues Gesicht das Gute in ihm herausfordert: Er entschärft - in einem klassischen Travolta-Tanzschritt - die eigene Bombe, weil er nur so seine Macht, das Prestige des Guten weiter ausbauen kann. Der Kriminelle wird, wenn er als Held erkannt wird, das Heldische forcieren, nicht das Kriminelle: Geänderte Oberflächen erfordern geänderte Maßnahmen. Und daß der böse "neue" Familienvater (Cage) tatsächlich auch der "bessere" sein kann, sexuell attraktiver, in jedem Sinn unterhaltsamer eben als der verbitterte "alte" (Travolta), auch das verschweigt Woo nicht.
Face / Off, wie am Schnürchen inszeniert, leugnet die eigene Künstlichkeit nicht. Seine Schauplätze sind die einer Studiowelt, die kein Außen mehr kennt , klinische, tote, entfärbte Räume: In High-Tech-Gefängnissen vollzieht sich dieser Film, und in Labors, die aus nichts als Glas, Metall und digitaler Technologie gebaut sind. Am Ende führt Woo die Dinge dennoch wieder auf das Allereinfachste zurück: auf eine einsame Kugel, die in Zeitlupe durch den Raum schießt, auf einen simplen Bluttest, der die wahre Identität, allen gewechselten Gesichtern und erlogenen Oberflächen zum Trotz, beweist. Die schönste, die gewaltigste Szene basiert auf einer dezidiert nicht -technoiden Idee: Ein Kind gerät ins Kreuzfeuer, in Lebensgefahr, aber die Tonspur fügt sich dem Inferno nicht. Ein Kopfhörer versorgt das Kind (und den Film) mit einem schwebenden Song, mit einem "Somewhere Over the Rainbow", das das Mündungsfeuer nur erträumt: Musik wie aus einer anderen Welt, ein utopischer Gegenentwurf zur Eskalation der Gewalt. Die Aura des Traumes wird Face / Off eben bis zuletzt nicht los. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 27/9/1997)
Der Meister der Action-Choreographie, John Woo, ließ John Travolta und
Nicolas Cage aus der Haut fahren.
Wenn Nicolas Cage schießt, dann schießt er richtig. In seiner Rolle als Castor Troy in John Woos neuer Gewaltorgie "Face/Off - Im Körper des Feindes" hat ihm der eigens für den Dreh engagierte Waffenexperte Rock Galotti eine ganz besonders stilvolle Waffe in die Hände gelegt: Kaliber 45, mit 24-karätigem Gold überzogen und handgearbeitetem Drachengriff. Castors Gegenspieler vom FBI hingegen müssen sich mit ein paar - fast schon veralteten - MP-5-Maschinenpistolen begnügen.
Die sorgsame Auswahl der Waffen, die in "Face/Off" zum Einsatz kommen, ist bei Woo Programm: Die eigentliche Essenz des Filmes liegt nicht in irgendeiner Botschaft, sondern in der immer neuen Inszenierung des tödlichen Showdowns. Woo verzichtet damit auf jene Pseudo-Moral, die viele amerikanische Actionfilme so schwer erträglich macht. Er inszeniert die Gewalt schlicht und unprätentiös, nur um ihrer selbst willen.
Der Plot, der in "Face/Off" dem Töten seine Richtung gibt, ist eine einfallsreiche Variation der Geschichte vom Kampf zwischen Gut und Böse. Der wird diesmal ausgetragen von dem Terroristen Castor Troy und dem FBI-Agenten Sean Archer (John Travolta).
Seit Castor bei einem Anschlag auf Archer dessen Sohn erschossen hat, widmet Archer sein Leben der Jagd auf den Killer. Er faßt ihn, aber wird ihn doch nicht los: Das FBI erfährt, daß Castor eine biologische Zeitbombe in Los Angeles deponiert hat. Nur sein verrückter Bruder Pollux weiß, wo sie sich befindet. Um Pollux die Wahrheit zu entlocken, schlüpft Archer in die Maske seines im Koma liegenden Gegners. Per Laseroperation wird Castors Gesicht fein säuberlich vom Kopf geschält und auf den Star-Agenten Archer transplantiert.
Von nun an ist der gute Archer der böse Castor - und John Travolta übernimmt die Rolle, die vorher Nicolas Cage gespielt hat. Es kommt noch besser: Castor, der aus dem Koma aufwacht, erschießt alle FBI-Mitarbeiter, die von der Operation wußten, und zwingt den Meisterchirurgen, ihm das im Kühlschrank der Retransplantation harrende Gesicht Archers zu übertragen. Der Rollentausch ist perfekt, das Böse kämpft in der Maske des Guten, Cage wird Travolta.
Wie die beiden ihren Rollentausch meistern, ist beeindruckend. Zu keinem Zeitpunkt kommt man in "Face/Off" auf die Idee, hier würde jemand nur den anderen spielen, die Illusion bleibt stets vollkommen. Gestik, Körperhaltung und Verhaltensweisen des einen werden plötzlich zu denen des anderen. Fast fragt man sich, ob John Woo seine beiden Hauptdarsteller nicht tatsächlich zum Chirurgen geschickt hat.
Zwischen die meisterhaft choreographierten Helikopterstunts, Explosionen und Hochgeschwindigkeitsjagden packt Woo ein paar ruhigere Szenen, in denen Cage und Travolta ihre Verwandlungskünste ausspielen können. Wenn etwa Archers Frau Eve (Joan Allen) sich nach wochenlanger Enthaltsamkeit plötzlich am Liebesfrühling mit ihrem (vermeintlichen) Ehemann erfreut; da wird aus dem Langweiler Archer plötzlich der Macho Castor, und Travolta gibt perfekt die Rolle, die eigentlich Nicolas Cage auf den Leib geschrieben schien.
Mehr als 50 Stuntmen waren angeblich an "Face/Off" beteiligt. Da John Woo das Inszenieren von Actionszenen, die er meist gleichzeitig mit mehreren Kameras aus verschiedenen Perspektiven drehen läßt, erstklassig beherrscht, wirbeln die Körper und Kugeln nur so durch die Luft, daß es eine Freude ist.
Doch im Gegensatz zu Woos Hongkonger Frühwerken wie "The Killer" oder "Bullet in the Head" zeigt sich das Gute in "Face/Off" auch nach seinem Sieg über das Böse versöhnlich. Castors Sohn, heimatlos geworden durch den Tod seiner Eltern, findet in Sean Archer einen neuen Vater, der ihn ganz selbstverständlich in die heile Welt der amerikanischen Kleinfamilie aufnimmt. (Peter Hegenberg, SPIEGEL ONLINE 39/1997)
Der Actionfilm-Regisseur John Woo über Gewalt, Erlösung, die Schauspieler Nicolas Cage und John Travolta und seinen neuen Thriller "Face/Off - Im Körper des Feindes".
SPIEGEL ONLINE: Herr Woo, als Sie zum ersten Mal das Skript für Ihren neuen Film "Face/Off" sahen, fanden Sie da die Grundidee der Geschichte, daß zwei Menschen die Gesichter tauschen, nicht ein bißchen ausgefallen?
Woo: Ausgefallen, aber ein sehr gutes Konzept. Wir haben versucht, diese Operation möglichst nicht so ekelhaft aussehen zu lassen. Vielleicht kann man so etwas in ein paar Jahren wirklich machen.
SPIEGEL ONLINE: Und das Gesicht welches Ihrer Hauptdarsteller hätten Sie dann gerne? Das von John Travolta oder das von Nicolas Cage?
Woo: Das von Nicolas Cage.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Woo: Sein Gesicht ist lustiger als das von John Travolta. Nick kann charmant aussehen, sexy, und manchmal wirkt er sehr geistreich und intelligent. Klar, John ist auch ein ansprechender Typ, aber für mich ist er ein bißchen zu groß.
SPIEGEL ONLINE: Gefiel Ihnen das Drehbuch von "Face/Off" sofort?
Woo: Das erste Mal gab man mir das Skript vor fünf oder sechs Jahren. Es war ein Science-fiction-Film mit sehr vielen Spezialeffekten. Es hatte ein Feeling wie "Blade Runner". Ich war damals erst ganz kurz in Hollywood und fühlte mich noch nicht reif für so einen computerisierten, hochtechnischen Film. Und ich mag auch Filme nicht besonders, bei denen es vor allem auf die Spezialeffekte ankommt. Also habe ich nein gesagt. Vor zweieinhalb Jahren kam Michael Douglas, der ja auch Produzent ist, dann auf mich zu und bestand darauf, daß ich den Film machte. Er kannte meinen Stil und dachte, ich könnte der Geschichte mehr Dramatik geben.
SPIEGEL ONLINE: Hat Ihnen die neue Version besser gefallen?
Woo: Sie entsprach viel mehr meinem Stil. Im Zentrum stand jetzt der Konflikt zwischen Gut und Böse, der in meinen Filmen immer das wichtigste Thema war. Ich empfand es als Herausforderung, daß die beiden Hauptdarsteller zwei verschiedene Charaktere überzeugend spielen mußten: den Guten und den Bösen.
SPIEGEL ONLINE: Aber das Setting war immer noch Science-fiction?
Woo: Ja. Ich habe dann Michael Douglas und dem Studio vorgeschlagen, 95 Prozent des futuristischen Zeugs wegzulassen, die Handlung in Los Angeles anzusiedeln und die Geschichte mehr auf die Charakterisierung der Personen zu konzentrieren. Sie waren sofort einverstanden.
SPIEGEL ONLINE: Und was genau waren Ihre Ideen?
Woo: Das Originalskript war in San Francisco angesiedelt nach einem Atomkrieg. Es ging vor allem um eine Bombe, die gefunden und entschärft werden mußte.
SPIEGEL ONLINE: Jetzt wird die Bombe schon nach einem Drittel des Film
entschärft.
Woo: Ich wollte sie so schnell wie möglich loswerden, damit ich mehr Zeit für die Hauptfiguren hatte, zum Beispiel für die Familienprobleme des Polizisten Sean Archer. Insgesamt haben wir etwa zwei Drittel des Skripts neu geschrieben.
SPIEGEL ONLINE: Was haben denn die beiden Drehbuchautoren dazu gesagt?
Woo: Die mochten meine Sicht auf die Dinge, und auch sie wollten, daß der Film emotionaler, anrührender wird.
SPIEGEL ONLINE: Wie auch in Ihren früheren Filmen geht es in "Face/Off" um die Frage, was gut und was böse ist. Was hat es nun zu bedeuten, daß der Böse, Castor Troy, am Ende des Films wie gekreuzigt tot an einem Zaun hängt und plötzlich sehr an Jesus erinnert?
Woo: Troy ist eine tragische Figur, und er tut mir leid. Er hat jede Menge Leute ermordet, aber ganz tief drinnen ist er ein guter Mensch.
SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel repariert er die Ehe des Polizisten.
Woo: Genau. Man kann die Welt nicht einteilen in gute und schlechte Menschen, jeder ist beides, und insofern sind wir alle gleich. Wir können nicht nur von den Besten lernen, sondern auch von den Schlechtesten. Der Terrorist Troy kann auch mit Archers pubertierender Tochter besser umgehen als Archer selbst.
SPIEGEL ONLINE: Sie benutzen in Ihren Filmen, in "Face/Off" zum Beispiel oder in ihrem früheren Hongkong-Thriller "The Killer", immer wieder das gleiche Motiv: die Kirche, in der furchtbar gemordet wird.
Woo: Das macht: meine Botschaft so klar. Gewalt und Haß zerstören, was schön ist, und machen den Himmel zur Hölle. Die Heiligenfiguren werden zerstört, die Bilder, die Einrichtung, alles wird zerschossen. Aber es geht auch um Erlösung. Die Kirche ist für alle da, für gute wie für böse Menschen. Ich schneide immer Bilder einer weißen Taube in diese Szenen, sie verkörpert Reinheit, Unschuld und Liebe und steht damit für den Helden. In allen meinen Filmen gibt es solche religiösen Motive.
SPIEGEL ONLINE: Früher galten Ihre Filme in Hollywood als zu gewalttätig. Heute haben die Studios eingesehen, daß die Zuschauer es offenbar mögen, wenn auf der Leinwand Menschen zu Dutzenden ermordet werden.
Woo: Die Zuschauer identifizieren sich mit dem Helden und wollen, daß er am Ende gewinnt. Also soll er ruhig die Bösen erledigen. Mit denen haben sie kein Mitleid.
SPIEGEL ONLINE: Es heißt, daß erst der Erfolg des Regisseurs Quentin Tarantino, dessen Filme als sehr brutal gelten, Ihnen in Hollywood die Türen geöffnet hat. Stimmt das?
Woo: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
SPIEGEL ONLINE: Jedenfalls ist Tarantino ein Bewunderer von Ihnen.
Woo: Ich bewundere ihn auch. Wir haben in vieler Hinsicht einen ähnlichen Stil.
SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?
Woo: Wir beide lieben die Zeitlupe, oft sind die Szenen stilisiert, und alle unsere Figuren sind gebrochene Charaktere, irgendwo in der Mitte zwischen gut und schlecht.
SPIEGEL ONLINE: Im Gegensatz zu "The Killer" hat "Face/Off" ein Happy End. Hat das Studio Ihnen das aufgezwungen?
Woo: In den USA war der Filmstart für den Sommer geplant, also wollte das Studio ein Happy-End. Aber der Schluß sollte nach deren Plan so aussehen, daß Archer zu Frau und Tochter zurückkehrt, Schnitt, Ende. Mein Vorschlag war, daß Archer den kleinen Sohn des Terroristen Troy mitbringt. Das war den Leuten vom Studio zu vielschichtig.
SPIEGEL ONLINE: Und wie haben Sie die überzeugt?
Woo: Das Studio machte sich Sorgen, wie das Publikum auf mein Ende reagieren würde. Also haben sie eine Testvorführung mit ihrem Ende gemacht, und mehr als 65 Prozent der Zuschauer fragten, wo denn nun Troys Sohn geblieben sei. Das war ein sehr menschliches Gefühl, sie wünschten dem Kind ein gutes Ende.
SPIEGEL ONLINE: Und wie sieht das aus?
Woo: Die Frau des Polizisten möchte in der Nacht nochmal überprüfen, ob der Mann neben ihr wirklich ihr Ehemann ist oder doch der Terrorist.
SPIEGEL ONLINE: Und findet sie es heraus?
Woo: Nein.
SPIEGEL ONLINE: In "Face/Off" müssen Nicolas Cage und John Travolta die Rollen tauschen. Wie haben sie sich darauf vorbereitet, die Körpersprache des anderen zu sprechen?
Woo: Wir haben für die Figuren Troy und Archer möglichst charakteristische Gesten, Bewegungen und Gesichtsausdrücke entwickelt. Dann haben die beiden sich gegenseitig imitiert. Wir haben zunächst mit jedem die Szenen gedreht, in denen der andere nicht vorkam, ich habe sehr schnell den Film geschnitten und dem jeweils anderen gezeigt. So konnten sie sich nochmal gegenseitig beobachten. Das hat wunderbar funktioniert. Es gab keine Eifersucht, keinen Wettkampf, Nick und John haben nur über die Arbeit geredet.
SPIEGEL ONLINE: Ist das ungewöhnlich? Es arbeiten doch dauernd Stars in Filmen zusammen.
Woo: In Hollywood sagt man: Wenn zwei Stars in einem Film mitspielen, hat man Probleme.
SPIEGEL ONLINE: Einige amerikanische Rezensenten fanden es befremdlich, daß in der blutigsten aller Szenen Troys kleiner Sohn über Kopfhörer - und damit auch der Zuschauer - Olivia Newton-Johns Interpretation des Liedes "Over the Rainbow" hört.
Woo: Das ist eine Anti-Gewalt-Botschaft. Wir hatten die Idee beim Drehen. Eigentlich sollte die Gang nur von der Polizei beschossen werden, und der Held rettet den Jungen, und das war es. Für mich ist alles, was ich beim Filmen sehe, wie Realität, und so fand ich es zum einen ziemlich langweilig, wie die Leute aufeinander schossen, und ich stellte mir die ganze Zeit die Frage, warum die sich umbringen, warum überhaupt Menschen sich gegenseitig ermorden. Das frustrierte mich und regte mich auf. Dann hatte ich die Idee, das unschuldige Kind vor diesem ganzen Morden zu schützen, indem es den scheußlichen Lärm mit etwas Schönem übertönt: Musik.
SPIEGEL ONLINE: Weshalb suchten Sie gerade "Somewhere over the Rainbow" aus?
Woo: Das erste Musical, das ich als Kind gesehen habe, war "The Wizard of Oz", daraus stammt der Song. Ich wünschte mich damals aus meiner gewalttätigen Welt weg, und in dem Musical waren alle Leute so schön, die Lieder waren schön, es war wie der Himmel für mich. Deshalb habe ich das Lied ausgesucht.
SPIEGEL ONLINE: Das US-Magazin NEWSWEEK hat über Sie geschrieben: "You can take John Woo out of Hongkong, but you cannot take Hongkong out of Woo." Sehen Sie das auch so?
Woo: Klar, ich bin immer noch Teil von Hongkong. Aber ich sehe mich eigentlich als internationalen Regisseur, ich will nicht, daß die Leute mich als Chinesen betrachten. Meine Filme handeln von Dingen, die alle Menschen betreffen, egal, ob sie im Westen oder im Osten wohnen. Aber ich werde nie vergessen, wo ich mal angefangen habe. (Das Interview führte Marianne Wellershoff. SPIEGEL ONLINE 39/1997)
Die Grundidee so genial einfach, so einfach genial - wie die mathematische Gleichung an sich. „Wie du mir - so ich dir“: diese Rechnung erzielt als Duellkonstellation in einem Meisterwerk filmischer Brutalästhetik totalen Gewinn. Um den Staatsfeind Nr. 1 zur Strecke zu bringen und seine massenmörderischen Bombenpläne zu vereiteln, läßt sich ein FBI-Agent operativ dessen Gesichtszüge verpassen. Im Gegenzug geht daraufhin der nur scheinbar mattgesetzte Terrorist bald mit dem Antlitz des Polizisten herum und ans teuflische Werk.
Der eine behäbig-überlegener Vernunftmensch und fast asketisch in abgeklärter Bescheidenheit, der andere von psychotischer Nervosität und heißkaltem Gemüts- wechsel: John Travolta und Nicolas Cage lernten sich die Körpersprache des anderen so geläufig an wie ein heimatliches Idiom. Das Ergebnis sind faszinierend intensive Augenblicke darstellerischer Homöopathie.
Der Reißer zerrt heftig an Nerven und Gemüt. Nie sah sich das biblische Gesetz von Aug um Aug, Zahn um Zahn derart wörtlich befolgt wie in dieser raffinierten Kernschmelze aus subtilem Psycho und rasender Action. Im zeitflächendeckenden Knattern der Ballermänner für primitive Aggressionsgelüste gehen auch die geflüsterten Kurzbotschaften an die Intelligenz des Zuschauers nicht unter. Dann, wenn man etwa begreift, daß der Gute, in seiner eigenen Falle und damit im Hochsicherheitsknast gefangen, schnell zum hemmungslosen Killer und bestialischen Amokläufer hochgärt. Oder weil man erkennt, daß indes der Böse - in der Familienvaterrolle seines Feindes - dessen vernachlässigter Frau ein besserer Liebhaber und der flüggen Tochter ein klügerer Erzieher wird.
John Woo, der erst spät nach Hollywood geholte Kultregisseur des Hongkong-Films, orgelt - nach einigen Fehlschlägen - virtuos auf sämtlichen Instrumenten seines Metiers - endlich wieder eine große Oper in Blei und Gefühl. Der Choreographie üppiger Schußwechsel verpaßt er ebenso die Zeitlupe wie subtil psychologischen Vorgängen. Nackte Gewalt und unmenschliche Greuel allerdings wüten bei Woo stets unzensuriert und dementsprechend schockierend. Man könnte dabei durchaus von der Tollwut extremer Übertreibung und Überziehung sprechen. Aber ein John Woo trifft auch mit dem überspanntesten Bogen noch sicher ins Schwarze. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
USA 1997. 103 min.
Regie: Mike Figgis,
Buch: Mike Figgis, Joe Eszterhas (uncredited),
Musik: Mike Figgis,
Kamera: Declan Quinn,
Schnitt: John Smith,
Darsteller: Wesley Snipes (Max Carlyle), Nastassja Kinski (Karen), Ming-Na Wen (Mimi), Robert Downey Jr. (Charlie), Kyle MacLachlan (Vernon), Glenn Plummer (George), Amanda Donohoe (Margaux), Thomas Haden Church (Don)
Kinostart: 26/9/1997
Max ist ein erfolgreicher Regisseur von Werbespots. In New York besucht er seinen besten Freund Charlie, den er auf Grund eines Streites seit fünf Jahren nicht
gesehen hat. Nun ist Charlie HIV-positiv, aber immer noch gesund genug, die von Max angebotene finanzielle Hilfe nur widerwillig anzunehmen. Als Max auf den
Rückflug nach Los Angeles wartet, lernt er Karen kennen. Durch einen Zufall verpaßt er sein Flugzeug und verbringt eine Nacht mit ihr. Beide sind verheiratet, so
daß er bereits am nächsten Morgen den Heimflug antritt. Doch Max beginnt sich zu verändern. Er wird zunehmend unzufrieden mit seiner Umgebung. Besonders
die Beziehung zu seiner Frau verschlechtert sich kontinuierlich. Ein Jahr später liegt Charlie im Sterben. Max will die Zeit bis zu seinem Tod in New York
verbringen, um so oft wie möglich bei ihm sein zu können. Dabei trifft er auch Karen wieder - sie ist nämlich Charlies Schwägerin.
"One Night Stand" basiert auf einem Skript von Joe Eszterhas ("Basic Instinct", fd 29 576; "Showgirls", fd 31 744), ein grelles Beziehungsdrama darf man
trotzdem nicht erwarten. Mike Figgis hat das ursprüngliche Drehbuch, das weitaus mehr Sexszenen enthielt als der fertige Film, so stark abgeändert, daß Eszterhas
seinen Namen aus der Credit-Sequenz streichen ließ. Der Film beginnt mit einem an den Zuschauer gerichteten Monolog von Max, denn seiner Sicht der Dinge ist
der Film verpflichtet. Max erzählt von seinem beruflichen Erfolg und hat keinen Anlaß zu falscher Bescheidenheit. Allerdings verunsichert ihn das bevorstehende
Treffen mit dem infizierten Freund, und er versucht, seine Angst hinter der Fassade des coolen Profis zu verbergen. Doch diese Fassade überzeugt ihn selbst nicht
mehr. Wenn Max sich in der Mitte des Films ein zweites Mal direkt ans Publikum wendet, ist seine Entfremdung von seiner Umgebung, von Small Talk und
falscher Freundlichkeit so weit fortgeschritten, daß der seinen Worten unterlegte Armani-Clip, den er selbst inszeniert hat, zum eleganten Symbol seiner Apathie
wird.
Los Angeles dient Figgis als Inbegriff einer hohlen, bunten Plastikwelt. Beinahe das erste, was Max am Flughafen in Los Angeles zu sehen bekommt, ist das
pinkfarbene Auto seiner Frau Mimi - kein gutes Omen, denn in Max' Augen ergänzen sich Mimi und die Stadt in ihrer lauten Aufdringlichkeit. Allerdings bemüht
sich Figgis, selbst ihrer Figur Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: einige Dialogsätze geben zu erkennen, daß auch sie über den Zustand ihrer Ehe nicht glücklich ist.
Um ihre Beziehung zu charakterisieren, braucht Figgis keine Worte. Allein die unterschiedliche Art und Weise, wie er den Sex mit Mimi und die Nacht mit Karen
inszeniert, gibt Auskunft über Max' Gefühle. Den Vollzug der Ehe zeigt Figgis in einer hell ausgeleuchteten, kompakten Szene. Mimi gibt lautstarke Kommandos
und brüllt sich in Ekstase - von Liebe keine Spur. Dem stehen knappe Momentaufnahmen der allmählichen Annäherung zwischen Max und Karen gegenüber:
kurze, intime Sequenzen, die sehr zurückhaltend ausgeleuchtet sind und Max in Form von Karens leisem Stöhnen bis ins Flugzeug verfolgen. Es ist die Sanftheit
solcher Szenen, die den Film prägt. Figgis will eben nicht durch Sinneseindrücke überwältigen, sondern dem Betrachter Augenblicke des Innehaltens gewähren.
Immer wieder gibt es eingefrorene Bilder, Ausblenden, die in einige Sekunden Schwarzfilm münden, und Momente der Stille. Figgis' Stil ist behutsam und zärtlich,
jede einzelne Sequenz bezeugt sein Einfühlungsvermögen. Selbst wenn Max nur Charlies Pfleger ein kleines Geschenk überreicht, ist dies nicht bloß eine beiläufige
Geste, sondern ein Moment voller Herzlichkeit und Wärme.
In den Händen eines anderen Regisseurs wäre dies vielleicht ein beliebiges Beziehungsdrama geworden. Doch Figgis verwandelt den simplen Plot durch die
feinfühlige Inszenierung in das Porträt eines Mannes, der Liebe und Tod als gegensätzliche Pole der menschlichen Existenz neu erlebt. Die Nacht mit Karen und die
Begegnung mit dem kranken Charlie lassen Max erahnen, daß Erfolg, Ansehen, Wohlstand letztlich nicht zum Glück führen - und man nicht unbegrenzt Zeit hat,
den richtigen Weg zu finden. Wie kostbar jeder einzelne Augenblick der Nähe ist, davon erzählt "One Night Stand" auf behutsame Weise. (René Claßen, film-dienst)
Mit "One Night Stand", einem anämischen Ehebruchs-Melodram, huldigt Mike Figgis, Regisseur von "Leaving Las Vegas", erneut einer Welt, die nur im Werbespot existiert.
Wo das Geld wohnt, werden die Dinge, ganz wie von selbst, stets reibungslos, sehr glatt: Die Interieurs und die Photographie, die Kleidung und der Jazz, sie alle sind in diesem Film, in dem das Geld sehr offensichtlich wohnt, die Definition des Wortes spiegelglatt . Mike Figgis, Regisseur von One Night Stand, tut sich da keinen Zwang an: Schöne Menschen in teuren Hotels, in noblen Apartments und edlen Roben in einem kostspieligen neuen Film, das ist Sinnlichkeit. Erst wenn kein grobes Korn und keine Hautunreinheit mehr die Vision seines Melodrams stört, erst da beginnt, nach Figgis, im Kino die Faszination.
Wesley Snipes, der hier - nicht ohne Grund - ausgerechnet einen Werbefilm-Regisseur mimt, bewegt sich durch die Bilder wie ein Model: Da ist jedes Lächeln Pose, jeder Handschlag schöne Oberfläche, ohne jedes Eigenleben, alles Individuelle, alles Menschliche strikt vermeidend. Snipes, so geht die Geschichte los, befindet sich auf business trip in Manhattan, wo er in irgendeiner Lobby Blickkontakt zur schönen blonden Nastassja Kinski aufnimmt. "You have a black heart", sagt sie ihm, unschlagbar vieldeutig, nachdem er sich in einem kleinen textilen Unfall mit schwarzer Tinte das Hemd besudelt hat. Man lernt sich abends näher kennen und verbringt die Nacht zusammen: kein Problem, es bleibt ja ein Geheimnis, schließlich ist man anderweitig glücklich verheiratet.
Der one night stand hinterläßt aber einen Geschmack, den der Ehealltag nicht ganz vergessen machen kann: Es kommt, wie's kommen muß, man sieht sich wieder, in allerdings peinlichen Zusammenhängen. Von da an geht's bergab mit dieser Geschichte, tiefer noch als man sich das je vorstellen könnte, bis hin zu einer Pointe, gegen die noch die banalsten Szenen davor in punkto Absurdität verblassen: Der Film kulminiert in einem schlechten Witz, in einer Wendung, für die man an Figgis' Stelle in den Boden versinken möchte. Und als wäre all das nicht genug, hat man dazu noch eine Aids-Geschichte erfunden, wohl um den Tod, wie sich das für eine anständige Story gehört, auch noch miteinzubinden: Robert Downey Jr., eben noch das blühende Leben, erkrankt bald schwer und stirbt, schwer atmend im Spitalsbett, aber immer noch von drolligem Humor, parallel zu den dringlichen Existenznöten und Sexgeschichten seines Freundes Snipes.
Joe Eszterhas (Basic Instinct), Hollywoods teuerster drehbuchschreibender Sexualneurotiker, hat One Night Stand gegen eine Millionengage wieder zu dem gemacht, was er so glänzend beherrscht: Seine Vision einer Welt, die vor allem am Liebesleben krankt, hat erneut eine Menge Haut und Fleisch und Geld zu bieten, aber eben weder Blut noch Leben. So anämisch, wie einem dieser Film entgegenkommt, geschönt wie ein Armani-Werbespot und erkenntnisarm wie ein Hamburger bei McDonald's, war das Starkino schon lange nicht mehr.
Und dann: der Sex, in seidenen Dessous und weich umspült von ätherischer Musik. Dieser Film, hier beginnt das eigentliche Problem, wird nicht einmal Voyeure zufriedenstellen: One Night Stand ist, so gesehen, eine Zumutung. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 27/9/1997)
Es gibt Fremdworte, die wie Gastarbeiter flugs in den Sprachschatz einreisen, sich dort unentbehrlich machend vermehren. So eins wie der Filmtitel, eine stehende US-Redensart: „One Night Stand“ steht für spotanen, einmaligen Sex längst auch in deutschem Gebrauch. Weil es so schön das schlimme Wort mit v vermeiden hilft. Diese Tatsache spart dem Film bei uns gleich den halben Werbeetat. Man sollte dennoch die Vorurteile zügeln. Auch angesichts der Erkenntnis, daß man dem Film noch weitere spekulative Absichten vorwerfen könnte.
Allein schon wegen der definitivsten, längsten und nacktesten Sexszenen der Filmgeschichte zwischen einem Schwarzen und einer Weißen. Allerdings ließ sich Mike Figgis’ Regie auf mehr ein als Bettgymnastik im Schachbrettmuster, durchgeführt von einer gereiften Nastassja Kinski und dem hier selbstironischen Black Hero Wesley Snipes. Mit schwarzem Humor und weißem Gewissen geht er der Frage nach der Chemie der Sinne und dem Sinn des Lebens nach; der - Figgis’ Problem - ziemlich banal zu sein scheint.
Eine zufällige Begegnung zwischen dem ultracoolen Werbefilmer Max aus Los Angeles und der elfengleichen Wissenschafterin Karen in New York, beide anderwärtig verheiratet, führt zum Einmalsex scheinbar ohne Folgen - und dann sind plötzlich der Folgen kein Ende. Parallel dazu das lange, schonungslos vorgeführte Sterben von Charlie an Aids, auch dieses Ergebnis von Sex-und-Hopp. Dieser homosexuelle Freund von Max verkörpert die Konsequenz aller existentiellen Risiken. Auch diese Metapher wäre als Spekulation interpretierbar. Wer aber lieber glaubt, daß der Film Herz hat als Kalkül, der wird damit sicher selig.
PS: Hinter den Kulissen dieses amerikanischen Sittenbilds ereignete sich das Lehrstück von Autors Triumph und Niederlage: 43 Millionen Schilling fürs Drehbuch kassierte Joe Eszterhas. Aber Figgis krempelte derart rigoros um, daß der Autor auf Namensnennung im Abspann verzichtete. Dem sichtbaren Fazit nach muß man auf seiten des Regisseurs und der Gefühle stehen, die er in uns auslöst. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
GB / NL 1996. 93 Min.
Regie: Marleen Gorris,
Buch: Eileen Atkins, nach einem Roman von Virginia Woolf,
Musik: Ilona Sekacz,
Kamera: Sue Gibson,
Schnitt: Robin Sales,
Darsteller: Vanessa Redgrave (Clarissa Dalloway), Natascha McElhone (die junge Clarissa), Rupert Graves (Septimus Warren Smith), Michael Kitchen (Peter Walsh), Alan Cox (der junger Peter Walsh)
Kinostart: 26/9/1997
"Aber ich mag Parties", hat die junge Clarissa einmal trotzig ihrem Freund Peter Walsh entgegnet, als dieser bei einer Feier wieder einmal mißgelaunt herumstand und zum Aufbruch drängte. 1923, dreißig Jahre später, ist Clarissa, durch ihre Heirat inzwischen Mrs. Dalloway, an einem Sommermorgen wieder einmal dabei, eine ihrer legendären Parties für die Londoner Gesellschaft vorzubereiten. Da erscheint überraschend Peter Walsh, den sie eigentlich in Indien vermutete. Clarissa begrüßt ihn herzlich, und auch ihm ist deutlich anzumerken, daß ihn ihre einstige Romanze noch immer nicht ganz kalt läßt. Jene Zeit vor dreißig Jahren, als Peter Clarissa bedrängte, seine Frau zu werden, sie jedoch, obwohl in ihn verliebt, zögerte, weil er ihr von künftigen gemeinsamen Abenteuern in fernen Ländern vorschwärmte, wo sie von einer Ehe doch in erster Linie Sicherheit erwartete. So entschied sich Clarissa schließlich gegen Peter und für Richard Dalloway. Ein Mann, der sie ebenfalls umschwärmte. Vielleicht nicht so attraktiv und faszinierend wie Peter, dafür aber grundsolide und verläßlich. Und eigentlich hat Clarrissa ihre Entscheidung nie bereut.
Peters unverhofftes Erscheinen läßt die Erinnerung an jene Tage in ihr wieder lebendig werden und irritiert Clarissa mehr, als sie sich selbst eingestehen mag. Doch zunächst müssen die Vorbereitungen für die abendliche Gesellschaft weitergehen, zu der sie Peter spontan einlädt. Zur selben Zeit wird in London ein junger Mann namens Septimus Warren Smith von seinen traumatischen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg geplagt. Mit wirrem Blick irrt er durch die Stadt, kritzelt seltsame Gedichte in einen Block und wird jenes Bild nicht los, wie sein bester Freund vor seinen Augen an der Front von einer Granate zerfetzt wurde.
Hier die feine Gesellschaft mit ihren Parties, da der arme Teufel, der noch immer unter den Folgen eines Krieges leidet, den jene längst vergessen habt. Zwei Facetten des Lebens in London Anfang dieses Jahrhunderts, die Virginia Woolf in ihrem Roman "Mrs. Dalloway" mit sozialkritischem Impetus zusammenfügte. Regisseurin Marleen Gorris, die für ihren letzten Film, "Antonias Welt" (fd 32 095), mit einem "Oscar" ausgezeichnet wurde, hat sich dieser Vorlage angenommen, ohne deren Schwächen filmisch beheben zu können. So laufen die beiden Handlungsstränge in Parallelmontage auch hier mehr oder minder unvermittelt nebeneinander her. Zwar begegnet Peter jenem Smith einmal im Park, und der Psychiater, der dem Kriegsveteranen eine unheilvolle Therapie verordnet, findet sich abends auf Clarissas Party ein, aber letztlich bleiben die Berührungen dieser beiden Welten ohne dramaturgische Stringenz. Darüber hinaus interessiert sich Marleen Gorris (so wie Virginia Woolf) auch wesentlich mehr für die Befindlichkeit ihr Titelheldin, weshab die 'Veteranen-Sequenzen' vielfach nur wie ein Appendix wirken, der seine Existenz allein dem sozialpolitischen Engagement verdankt. Die Stärken des Films liegen eindeutig in der zurückhaltenden, aber gleichwohl psychologisch differenzierten Inszenierung jener Gefühlsverwirrung, von der Mrs. Dalloway hier heimgesucht wird. Eine Frau, die seinerzeit nicht ihrem Herzen folgte, sondern aus Angst das Vernünftige tat und nun unvermittelt mit all ihren jahrzehntelang verdrängten Sehnsüchten konfrontiert wird - das schildert der Film überaus faszinierend. Wobei die Party als ebenso ritualisierte wie reglementierte Form der Ausschweifung zur Metapher für eine in Konventionen erstarrte Existenz fungiert. Vielfach wird dabei das Geschehen dreißig Jahre zuvor in Rückblenden wieder zum Leben erweckt, aber bisweilen sieht man Clarissa auch nur am Fenster stehen und ihren Erinnerungen nachhängen. So ein innerer Monolog ist filmisch normalerweise überaus problematisch, stört aber hier kaum, da mit Vanessa Redgrave als Mrs. Dalloway eine Mimin agiert, deren beredtem Gesicht man minutenlang zuschauen könnte, ohne daß -im vordergründigen Sinne- etwas passiert. Paraderolle heißt sowas gemeinhin. Aber ihrer virtuosen, mit dezenter Ironie versehenen Zeichnung der Titelheldin ist es letztlich allein zu verdanken, daß aus dem Film trotz einer Reihe von dramaturgischen Schwächen und Längen noch ein sehenswertes Stück Kino geworden ist. (Reinhard Lüke, film-dienst)
London 1923: Ein Sommertag. Die Wege einiger Menschen kreuzen sich an diesem Tag - auch dank der Geselligkeit von Mrs. Dalloway (Vanessa Redgrave), die am Abend eine Party für die Londoner Gesellschaft gibt. Überraschend besucht sie ihr Jugendfreund - und verschmähter Geliebter - Peter Walsh, den sie in Indien wähnte. Und zufällig sieht sie in Londons Straßen einen verstörten jungen Mann. Während die Erinnerungen der Mrs. Clarissa Dalloway zurück in eine heitere, fast ungetrübte Jugend gehen, wird der junge Fremde von Horrorvisionen seines Kriegseinsatzes verfolgt.
In einer eleganten, schwebenden Form flanieren die Erinnerungen durch den Tag und erzählen von unterschiedlichen Menschen in einer Gesellschaft. Oder besser: deuten an. Eine mögliche andere Liebe Clarissa zu ihrer Freundin. Eine unglaubliche Ignoranz der führenden Köpfe dieser Gesellschaft den Kriegsfolgen gegenüber.
Die Verfilmung des Virginia Woolf-Romans macht die verträumte, melancholische Lebensbilanz einer reifen Frau auf. Das ist allerdings auch schon die einzige Gemeinsamkeit zu "Antonia", dem letzten (guten) Film der Niederländerin Marleen Gorris. "Mrs. Dalloway" zeigt durchaus reizvolle Verbindungen und Figuren, doch ist er weniger ein handlungsbetonter Film als eine Stimmung. Ein gewisser Moment klarer Erkenntnis findet sich am Ende, bis dahin scheinen allerdings viele lange Kinostunden vergangen zu sein. So können die klugen und schönen Gedanken, die Formen von Freundschaft und Verbundenheit alleine nicht überzeugen.
Der historische Rahmen erinnert an die Filme von Merchant und Ivory. Insgesamt ist man versucht, den Titel in ein zutreffenderes "dull-away" umzutexten.
Selbstverständlich ist das Spiel Vanessa Redgraves bemerkenswert. (Aber das bietet ja auch schon ein Werbespot der schweizer Bank UBS.) (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)
Marleen Gorris hatte in "Antonias Welt" die Utopie vom Matriarchat als Kitsch-Epos realisiert. Nun ist mit ihrem neuen Film, "Mrs. Dalloway", ein Werk Virginia Woolfs an der Reihe.
Damals, als die Zukunft noch voller Verheißungen war, als die Freunde noch nah und die Grauen des Krieges fern waren, als jeder Tag Festtagscharakter hatte: Mit den Erinnerungen an dieses "Damals" füllt Mrs. Dalloway (Vanessa Redgrave) die Zeit zwischen Blumenkauf und Gästeempfang. Sie ist eine Dame der Gesellschaft, die einst ihr Jungmädchenglück gegen eine "gute Partie" eingetauscht hat. Nun ist alles anders, auch wenn die Dinge so schön aussehen wie früher. Mrs. Dalloway heißt die 1925 von Virginia Woolf kreierte Romanfigur, die im Fluß ihrer Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken den Zustand einer Gesellschaft mitzeichnete.
Mit der Verfilmung des Romans "Mrs. Dalloway" hat Marleen Gorris diesen Fluß in karamelfarbene Spitzendeckchen gebettet: ein Film, in der den Details der Oberfläche so große Aufmerksamkeit geschenkt wird, daß jedes Brodeln zum gemächlichen Gurren, jeder Schrecken zum genüßlich zelebrierten Trauerfall wird. Dem schönen Schein zum Trotz ist die Welt der alternden Mrs. Dalloway nämlich eine Ruine: Sie blickt Menschen in die Augen, die der Krieg zu psychischen Krüppeln gemacht hat; sie lebt mit einem Mann zusammen, der so langweilig wie reich ist; sie trifft auf ihre Jugendliebe und merkt, daß der Mann mit sich, ihr und der Welt nichts anzufangen weiß. Schließlich gibt sie eine Party, um die gute alte Zeit zu beschwören, muß aber feststellen, daß ihre ehemaligen Freunde zwar alt geworden sind, aber nichts mehr gut ist.
Auch Gorris gibt in Mrs. Dalloway ein Fest: ein Fest namens Geschichte. Egal, ob sie in Rückblenden die unbeschwerte Jugend von Clarissa Dalloway (Natascha McElhone) serviert oder die verheiratete Frau durch ihren ereignisarmen Alltag begleitet: Es bleibt alles ein (wenn auch, im Sinne Woolfs, fließendes ) Einerlei an gepflegten Kostümen, bildnishaften Gesichtern und selbstgefälligen Gesten. Daß die schmucke Welt der Mrs. Dalloway an weniger erbaulichen Realitäten, an Krieg und Korruption, Schaden genommen hat, vermittelt sich dem Zuseher wie eine TV-Nachricht, die man im gut geheizten Wohnzimmer in weichen Polstersesseln empfängt. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 26/9/1997)
Virginia Woolfs «Mrs Dalloway» gehört zu jenen Werken der Weltliteratur, vor denen sich eine Filmemacherin, ein Filmemacher eigentlich so fürchten müsste wie vor Joyce oder Proust: tiefe, fremde Gewässer, in die man sich nicht ohne innere Notwendigkeit stürzt. Schon gar nicht ausgestattet nur mit der Luftmatratze einer verlockenden Auftragsarbeit. Die mag vielleicht tragen für eine Strecke im komfortablen Swimmingpool einer Fernsehproduktion, aber auf der offenen See der grossen Kunst wird sie versagen müssen. Die Holländerin Marleen Gorris, einst feministische Provokateurin und später Erfolgsregisseurin von «Antonia's Line», sowie ihre englische Drehbuchautorin, die Schauspielerin Eileen Atkins, sind - es sei gleich vorweggenommen - darin untergegangen. Nicht ganz unrespektabel, aber nichtsdestoweniger ertrunken.
Gemäss ihrer Filmadaption wäre «Mrs Dalloway» ein gepflegter Roman über einen mehr oder weniger ereignislosen Tag im Leben einer Frau aus gehobenen Kreisen, die für den Abend eine Dinnerparty plant und im Laufe der Vorbereitungen von vielerlei Gedanken über ihr Leben bedrängt und beglückt wird. Der Bruch mit allen Traditionen des englischen Romans, die Technik des «stream of consciousness», wies «Mrs Dalloway» zwar bereits in seinem Erscheinungsjahr, 1925, als Produkt der Moderne aus. Schon für das Kino damals, ebenfalls ein Produkt der Moderne - das nicht zuletzt ebendiese zeitgenössische Literatur stark beeinflusste -, hätte eine Adaption dieses Romans aber wenn nicht das materielle Inventar des technischen Avantgarde-Mediums, so doch das Gros seines geistigen Niveaus weit überschritten - wie heute auch.
Wo die Literatur sich zu Beginn des Jahrhunderts nach innen wandte, spiegelte die Leinwand mehrheitlich den Fortschritt der Welt im Aussen. Es waren die in die Zukunft einer grenzenlosen technischen Entwicklung dampfenden Lokomotiven, die die Menschen im Kinosaal erbeben liessen, und nicht die Umsetzungen eines «Bewusstseinsstroms», nicht die Ahnungen von der Vergänglichkeit des Augenblicks, die eine fragile Frau gegen Ende ihres Lebens unsichtbar umtrieben. Das «moving picture» als perfektes Abbild eines Jahrhunderts, das als rasendes in die Geschichte eingehen würde, und nicht als reflexives. Krieg und Kino, Gewalt und Technik, die jenes symbiotische Paar der Filmgeschichte bilden, das sich ein hundertjähriges Leben lang treu sein würde, hatten bereits in der Pubertät zueinander gefunden - und die Liebe, die im Drama der Gefühle den grossen Rest der Leinwände füllte, wurde schon damals allzuoft nur als jene «matte Leidenschaft» inszeniert, auf die die Worte Virginia Woolfs noch heute passen: «eine grobschlächtige, langweilige Leidenschaft, wenn sie nicht Anteile von Phantasie, Intellekt und Poesie in sich hat». Sie treffen auch die Essenz dieser Verfilmung.
Nun handelt der Roman, wenn denn von Handlung gesprochen werden kann, sowohl vom Krieg wie von der Liebe, von beidem aber nur indirekt: im Abdruck der Erinnerungen, Beobachtungen, Gedanken und Reflexionen, die das Buch und seine Handvoll Protagonisten ausmachen: Neben Mrs Dalloway, einer durch Neigung ebenso wie äussere Umstände nostalgisch gestimmten Mittfünfzigerin, ist es vor allem der Kriegsveteran Septimus Warren Smith, ein von den Schrecken der Schützengräben traumatisierter junger Mann, dessen Tag nicht mit einer Party enden wird; auch nicht wie vorgesehen mit der Einlieferung in die Klinik, sondern mit seinem Selbstmord. Septimus ist sowohl Gegenpart - Kontrapunkt in Alter, Geschlecht, Klasse - wie Spiegelung von Mrs Dalloway. Obschon sich beide im Unterschied zu den meisten andern Figuren nicht kennen und ihre Wege sich nur indirekt kreuzen - wie das Indirekte überhaupt ein Schlüsselwort für diesen Roman ist -, besteht zwischen ihnen die grösste Verwandtschaft, ja eine eigentliche Intimität, die im Augenblick von Septimus' Tod sich zu einer Art Seelenvereinigung vollendet.
Es ist die enge Blutsverwandtschaft der tiefsten Verunsicherung, einer Todes- und damit Lebensangst, die im einen Fall in den weich gepolsterten Schranken einer britischen Middle-Class-Existenz gehalten werden, im andern aber als blutige Gespenster des Krieges attackieren. Mrs Dalloway, die einst als Clarissa einen Vornamen, eine eigene Identität und die Hoffnung ihrer Jugend hatte, wird sich noch eine Weile vor den in rosa Watte verpackten Angriffen der letalen Depression halten können. Doch wohl nicht mehr allzu lange; in kränkelnd einsamen Nächten im getrennten Ehebett regt sich, leise noch und fast unbemerkt, bereits die Sehnsucht nach dem gefürchteten Ende. Septimus aber stürzt sich ihm entgegen, hinaus aus einem Fenster ohne Aussicht - ein selbst erlassener Gnadenakt.
Dass beide Figuren zusammen Ausdruck einer gespaltenen Persönlichkeit sind, literarischer Abdruck der Autorin selbst ebenso wie Ausdruck des letzten Aufbäumens einer untergehenden Welt, versteht sich. Es dürfte wohl kaum einen Text der Weltliteratur geben, der, unter vielem andern, dermassen berührt als Zeugnis eines kommenden Selbstmordes (Woolf ertränkte sich 1941 im River Ouse), als Abschiedsbrief an die Nachwelt, als Zeugnis klarster Einsicht in die Endlichkeit des Lebens und heiterster Resignation vor seiner Schönheit. «What a lark! What a plunge!» ruft es staunend von der ersten Seite, und wir wissen, wo sich Jane Campion für das Ende von «The Piano» hat inspirieren lassen: «What a death! What a chance!»...
Es ist ein Liebesroman, der die Umarmung von Leben und Tod in Tönen feiert, die der Lyrik näher sind als der Prosa, ein Kriegsroman, der auf verschlungenen Umwegen - im System des Indirekten also wieder ganz direkt - das Mann-auf- Mann-Gemetzel des Ersten Weltkriegs in die guten Stuben der zivilen Gesellschaft schleppt. Leise, behutsam und hartnäckig wie eine Katze, die ihre greuliche Beute auf dem Perserteppich auseinandernimmt (rund siebzig Jahre später hat übrigens Pat Barker mit ihrer «War Trilogy» diese «weibliche» Kriegsperspektive zum grossen britischen Romanwerk über den Great War geführt, vielleicht zum definitiven Kriegsroman überhaupt).
Dort, wo Woolf bereits mit den Techniken des Kinos, mit Flashbacks, Parallelmontagen und Überblendungen arbeitete, haben Atkins und Gorris sie übernommen. Eine schwarze Limousine kreuzt die Wege aller Beteiligten mit der unausgesprochenen Drohung eines Leichenwagens, ein Werbeflugzeug schreibt am Himmel über allen ein Menetekel des lauteren Nonsense, die warnenden Glocken des Big Ben schlagen allen die Stunden, läuten ihnen die Vergangenheit ein und die Zukunft aus - Woolf hat die Übergänge und Rückblenden vorgegeben, der Film benutzt sie brav, aber ohne Eigenleben, ohne cineastische Imagination, in müder Regeltreue. Er bleibt gefangen in den Äusserlichkeiten einer Handlung, die die Banalität einer Dinnerparty nicht übersteigen, deren literarische Gestaltung aber mit bezwingender poetischer Kraft die Abgründe hinter den Belanglosigkeiten alltäglichen Lebens herbeibeschwört.
Weder geht die konventionelle Verfilmung den beklemmenden Tiefen dieses Texts auf den Grund, noch schwingt sie sich zu seinen poetischen Höhen empor. Was sie liefert, ist eine gepflegte Inszenierung von nostalgischen Rückblicken auf eine Nachkriegszeit, in der die schöne Welt der Mrs Dalloway in den letzten Zügen liegt und ein vertanes Frauenleben sich seinem Ende zuneigt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler liefern professionelle Leistungen, und das Casting hat für die Protagonisten verblüffend ähnliche «Jugendausgaben» gefunden: Vanessa Redgrave und Natascha McElhone als die ältere und die jüngere Clarissa Dalloway, Michael Kitchen und Alex Cox als deren eigentliche Liebe Peter Walsh, John Standing und Robert Portal als Richard Dalloway. Nur der junge Rupert Graves als gequälter Septimus ist seiner schwierigen Rolle nicht gewachsen. So, wie die Traditionen des Erzählkinos von der Moderne der Literatur noch immer überfordert sind. (Pia Horlacher, Neue Zürcher Zeitung, 12/9/1997)
Sie lebt nur noch für ihre gesellschaftsereignisreichen Parties, diese viktorianische Mrs. Dalloway. Sicherlich, weil sie ein erfüllteres Dasein einst ausschlug und dies beim unerwarteten Auftauchen des Jugendfreunds in langen, inneren Monologen schmerzlich erkennt. Ein berühmter Roman, in dem Virginia Woolf - Seelentaucherin durch den gemütsarmen Unterbau der Oberschicht Englands - eine Art weibliches Gegenstück zu James Joyces "Ulysses" versuchte: (im Juni 1923) ein Tag - ein Leben; jetzt auch ein Film. Für alle Männer, die etwas über weibliches Wesen dazulernen sollten. Für alle Frauen, die über männliches Unwesen den Kopf schütteln wollen. Für alle Männer und Frauen, die einer Oscarpreisträgerin, Marleen Goris ("Antonias Welt"), dabei zuschauen möchten, wie sie bei dieser eselsohrenreichen Literaturverfilmung elende Angst vor Virgina Woolf bekommen hat. (Rudi John, KURIER)
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USA 1997. 72 min
Regie: Richard Rich,
Buch: Brian Nissen, Richard Rich,
Musik: Lex De Azevedo, Clive Romney,
Schnitt: James Koford,
Darsteller: Michelle Nicastro (Stimme Odette), Douglas Sills (Stimme Derek), Jake Williamson (Stimme Clavius), Christy Landers (Stimme Uberta)
Kinostart: 26/9/1997
Der Zeichentrickfilm des ehemaligen Disney-Zeichners Richard Rich zeigt die Fortführung des Kinoerfolgs "Die Schwanenprinzessin". Prinzessin Odette und Prinz Derek haben ihre Sorgen mit dem bösen Zauberer Clavius. Dieser will in den Besitz einer Zauberkugel kommen, um die Macht zu übernehmen. Nachdem ihm dies gelungen ist, und er auch noch Dereks Mutter entführt hat, kommt es in einer Grotte zur alles entscheidenden Schlacht zwischen den Kontrahenten.
Nette Familienunterhaltung. (film.de)
Die Schwanenprinzessin und das Geheimnis des Schlosses entführt in ein mystisches Land mit majestätischen Schlössern - umgeben von einem traumhaften Zauberwald, in dem sprechende Tiere und ein böser Zauberer leben und beschert ein unterhaltsames Wiedersehen mit der schönen und mutigen Prinzessin Odette, ihrem Prinzen Derek und dem tierischen Freundestrio Flitzer, der Schildkröte, Jean-Bob, dem Frosch und Puffin, dem Papageientaucher.
In diesem neuesten Abenteuer geht es um die Kraft der Gefühle, um Mut und Tapferkeit, denn ein böser Magier versucht mit Hilfe einer Zauberkugel die Macht im Königreich an sich zu reißen. Hierzu ist ihm jedes Mittel recht, Skrupel und Gewissensbisse kennt er keine. Doch Derek, Odette und ihre sprechenden Tierfreunde sind wild entschlossen, ihn aufzuhalten und seine finsteren Pläne zu durchkreuzen...
Mit der Fortsetzung von "Die Schwanenprinzessin" ist den Rich Animation Studios wiederum eine zauberhafte und zugleich aufregende Phantasiegeschichte gelungen, die nicht nur kleine Kinogänger begeistert und königlich amüsiert. Der ebenfalls ganz im klassischen Stil gehaltene Zeichentrickfilm ist der zweite abendfüllende Trickfilm von Regisseur Richard Rich, der sich seine Sporen als Filmemacher für die Walt Disney Studios verdiente, bevor er 1986 sein eigenes gründete. In diesem flott inszenierten und animierten Märchen, in dem sich rasante Verfolgungsjagden mit romantischen Liebeszenen und pfiffig-witzige Dialoge mit peppigen Songs abwechseln, behält ganz nach Märchenart schließlich doch das Gute die Oberhand. (kinoweb)
Für alle Kinder, die sich mit dem Happyend des ersten, am Schwanenseeballett angelehnten Zeichentrickabenteuers "Die Schwanenprinzessin" nicht abfinden wollten. Also leben Prinz Derek und Prinzessin Odette keineswegs glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Müssen vielmehr den Kampf gegen den bösen Zauberer Clavius aufnehmen. Billiger Zeichentrick, aber irgendwie trotzdem nett erzählt. Und wenn sie nicht gestorben sind... nein, auf einen dritten Teil können wir dennoch gerne verzichten. (Rudi John, KURIER)
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USA 1997
Regie: George Casey,
Kamera: Rodney Taylor
Kinostart: 26/9/1997
Aufwendiger Dokumentarfilm, produziert vom Houston Museum Of Natural Science, gedreht von George Casey, einem erfahrenen IMAX-Regisseur ("Vulkane - Ring Of Fire") und dem Kameramann Rodney Taylor. Den deutschen Kommentar spricht Herwig Seeböck (in der Originalfassung Charlton Heston). Ein Fest für Freunde des Naturfilmgenres. (FALTER)
Ein riesiger Bär plantscht wie ein ausgelassenes Kind im See. Ewiges Eis gebiert mit donnerndem Krachen kurzlebige Eisberge. Ein hungriger Fuchs auf frustrierender Muscheljagd an bärigem Sandstrand. Polarkreises Frühlingserwachen aus der Adler-, Wasserspiele aus der Buckelwal- und Robbenperspektive. Überwältigend, als hätten diese Naturschauspiele das Reinhardtseminar absolviert. Wieder einmal absolut erlebenswertes IMAX. (Rudi John, KURIER)
USA 1996
Regie: Charles Laughton,
Buch: James Agee, nach dem gleichnamigen Roman von Davis Grubb,
Musik: Walter Schumann,
Kamera: Stanley Cortez,
Schnitt: Robert Golden,
Darsteller: Robert Mitchum (Harry Powell), Shelley Winters (Willa Harper), Lillian Gish (Rachel), Evelyn Varden (Icey Spoon), Peter Graves (Ben Harper), Billy Chapin (John), Sally Jane Bruce (Pearl)
Kinostart: 3/10/1997
Die beiden unschuldigen Kinder eines hingerichteten Raubmörders werden von dessen Zellengenossen, einem wahnsinnigen Wanderprediger, der die Mutter auf der Suche nach der versteckten Beute ermordet hat, gequält und verfolgt. Eine alte Frau nimmt sich ihrer an und verteidigt die beiden mutig. Vom deutschen Expressionismus beeinflußt, arbeitet der Film mit suggestiven Licht- und Toneffekten und erzeugt so eine irreale, beklemmende, manchmal schockierende Atmosphäre. Laughton bezeichnete seine einzige Regiearbeit als "alptraumhaftes Märchen". Der Film fand zunächst wenig Resonanz, wurde aber später als Werk mit originärer Filmsprache wiederentdeckt. (Lexikon des Internationalen Films)
Charles Laughtons einziger Ausflug ins Regiefach, "The Night of the Hunter", ein schwarzes Märchen, läuft nun, gut vierzig Jahre alt, endlich wieder im Kino.
Ein religiöser Fanatiker und Mörder, den schläfrigen Blick Robert Mitchums im Gesicht, reitet durch die Nacht, neuen Opfern entgegen. Auf seine Hände, die er zuweilen spielerisch miteinander kämpfen läßt, hat er die Worte Love und Hate tätowieren lassen: Immer läßt er die Liebe gewinnen, wenn die Hände ringen, schon um die Menschen von seiner Güte zu überzeugen. Später wird eine Frauenleiche tief unter Wasser, das Haar in sanfter Bewegung, die letzte Ruhe finden: The Night of the Hunter (1955), Charles Laughtons einzige Regiearbeit, jongliert mit beunruhigenden Bildern.
Zwei Waisenkindern reitet Mitchum, melancholisch singend, hinterher, die sternenklare amerikanische Nacht über sich: ein einsamer Killer. Die Kinder bedeuten ihm nur Geld. Aber sie stehen unter dem Schutz einer resoluten Dame, die (im wirklichen Leben) ein Stummfilm-Superstar von einst ist: Lillian Gish, bekannt aus den Melodramen Griffiths. Mit dem Gewehr wird sie auf Mitchum warten, und er wird kommen, um noch ein Lied zu singen, ehe er zuschlägt.
Die Kamera Stanley Cortez' betont das Schwarz und das künstliche Bild, dem deutschen Expressionismus eher zugewandt als dem Goldenen Hollywood, wie es Mitte der fünfziger Jahre, bunt und breit, sein Publikum unterhält: Die Nacht des Jägers, schwarzweiß und eng, bricht die Regeln der Industrie, wo immer das möglich ist. Ein Experiment mit dem Kino: nichts weniger als ein Meisterwerk. (Derzeit im Stadtkino, untertitelte US-Originalfassung.) (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 29/9/1997)
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