GB, USA 1996. 109 min
Regie: Mark Herman,
Buch: Mark Herman,
Musik: Trevor Jones,
Kamera: Andy Collins,
Schnitt: Michael Ellis,
Darsteller: Pete Postlethwaite (Danny), Tara Fitzgerald (Gloria), Ewan McGregor (Andy), Jim Carter (Harry), Kenneth Colley (Greasley), Peter Gunn (Simmo), Mary Healey (Ida), Melanie Hill (Sandra), Philip Jackson (Jim), Sue Johnston (Vera)
Kinostart: 3/10/1997
Grimley, ein Bergbaustädtchen in der Grafschaft Yorkshire, 1992: Der Kampf um die Kohlenzechen, der in den 80er Jahren tobte und den die Kumpel verbissen, aber erfolglos gegen die Thatcher-Regierung führten, ist noch in bester Erinnerung. Die Stimmung ist gedrückt, denn eine neue Schließungswelle droht, von der auch Grimley betroffen ist. Gewiß keine idealen Voraussetzungen für die Grimley Brass Band, die traditionelle Bergmannskapelle des Ortes, die Bandleader Danny endlich einmal für die natioanle Endausscheidung in die Londoner Royal Albert Hall führen will. Doch vor dem Hintergrund der sozialen Katastrophe ist der Probeeifer der Kumpel erloschen, politisieren und diskutieren ist angesagt und Danny kann sie nur mit Mühe motivieren, zumindest so lange bei der Stange zu bleiben, bis die Schließung der Zeche beschlossene Sache ist. Neuer Elan kommt in die Truppe, als eine junge talentierte Flügelhornistin um ein Vorspiel bittet und entgegen allen Traditionen in den Männerverein aufgenommen wird. Bald stellt sich heraus, das Gloria aus Grimley stammt und schon in Kindertagen mit Andy, dem Posaunisten, befreundet war. Für beide Grund genug, diese Freundschaft wieder aufleben zu lassen, während die anderen Musiker bei jeder sich bietenden Gelegenheit über die körperlichen Vorzüge ihrer Mitstreiterin tuscheln können.
Bei aller Gemeinsamkeit tut sich ein tiefer Graben zwischen den anfangs kämpferisch eingestellten Bergleuten auf, als die Zechenleitung eine großzügige Abfindung anbietet und eine Urabstimmung ins Leben ruft. Eine überwältigende Mehrheit entscheidet sich gegen den Arbeitskampf und für das sichere Geld, Dannys Dirigententräume scheinen damit zerstoben und auch die Beziehung zwischen Gloria und Andy erleidet einen Riß, als sich herausstellt, daß sie im Auftrag der Bergwerksgesellschaft ein Gutachten über die Zeche erstellen soll. Die Kumpel glauben an Verrat und unterstellen ihr unlautere Absichten. Doch sie geht idealistisch ans Werk, legt ein positives Gutachten vor und fällt aus allen Wolken, als sie erkennen muß, daß die Schließung seit langem beschlossene Sache ist und ihre Arbeit bloß den schönen Schein wahren sollte.
In dieser Situation erleidet Danny einen Lungenkollaps und sein Sohn Phil, natürlich auch Bandmitglied, organisiert ein Abschiedsständchen. Arbeitslos, ohne Geld, gepfändet und von seiner Frau und den Kindern verlassen, schlägt er sich als trauriger Clown durchs Leben und tritt bei Kindergeburtstagen auf. Doch es gelingt ihm nicht mehr, seine Verzweiflung abzuschütteln. Erst nach einem Selbstmordversuch erwacht der alte Kampfeswille und wider Erwarten reißen sich die Kumpel noch einmal zusammen, um in London anzutreten: jetzt erst recht und besonders für Danny lautet die Devise.
Man muß kein Freund von Blasmusik sein, um diesen Film ins Herz schließen zu können. Es wird zwar viel musiziert, doch die Musik steht nicht für sich, sondern als Metapher für Gemeinschaft und Solidarität, und spätestens als die Grimley Brass Band in der Royal Albert Hall Rossinis "Wilhelm Tell Overture" anstimmt und sich in einen wahren Rausch hineinsteigert, wird deutlich, daß diese Menschen angetreten sind, um der herrschenden Klasse den Marsch zu blasen. Um zu demonstrieren, daß man ihnen zwar die Arbeit nehmen kann, aber nicht Stolz und Würde. In der Tat steht Mark Hermans zweiter Spielfilm in einer guten alten englischen Filmtradition, beschwört die Kraft der Solidarität, die Würde des arbeitenden Volkes, die Freude am einfachen, unverbogenen Leben und den Mut, der aus Freundschaft geschöpft weden kann. Es liegt auf der Hand, daß man an Ken Loach und Mike Leigh denken muß, doch durch die Mischung verschiedener Sujets, den oft abrupten Wechsel zwischen Komödie und Drama und den Mut zum Sentiment setzt sich Herman von den beiden Altmeistern ab und liefert eine höchst eigenständige Arbeit, die den Zuschauer verschmitzt lachen läßt und ihm Augenblicke später den sprichwörtlichen Kloß im Hals beschert. Bei aller Leichtigkeit der Inszenierung ist der Film von einer spürbaren Wut geprägt, Wut auf die Tory-Regierung, die sich wenig um die Balange des kleinen Mannes schert, sondern deren Gesetze auf die Bedürfnisse des Kapitals zugeschnitten sind. Ein parteiischer Film, eine Seltenheit zu einer Zeit, in der es vielen politisch unkorrekt erscheint, eindeutig Partei zu ergreifen.
Sinn für Details und eine stimmungsvolle Kameraarbeit, die immer wieder die Gesichter der Protagonisten sucht, um ihre Gefühle und Stimmungen in den Vordergrund zu rücken, die sich Zeit für die Figuren nimmt und bei ihnen verweilt, runden den Film ab, dessen größtes Kapital jedoch seine großartigen Hauptdarsteller sind. Inmitten der Laiendarsteller und wirklichen Musiker wirkt Pete Postlethwaites Danny wie ein Fels in der Brandung, ein wenig aristokratisch und stur, der unbeirrt an seinem großen Ziel festhält und der um die Macht der Gemeinschaft weiß und dieses Wissen vermittelt, ohne dies nur ein einziges Mal anzusprechen. Jungenhaft und schlaksig wirkt Ewan McGregor, dessen Andy eine stoische Ruhe ausstellt, die scheinbar nichts aus der Fassung bringen kann, doch in seinen Augen glimmt Verletzlichkeit auf. Stephen Tompkinsons Phil ist die große tragische Figur des Films, nicht weil er alles Unglück auf sich zu ziehen scheint, sondern weil er schon zu Beginn aufgegeben hat, er hat keinen Glauben mehr und keine Träume, spielt nur noch seinem Vater zuliebe in der Band, mutlos und ohne Hoffnung. Und natürlich Tara Fitzgerald, deren Gloria eine glaubhafte Naivität verströmt; eine junge Frau, deren Idealismus überzeugend wirkt, die sich wie der pfadfinderhafte Kumpel gibt, es jedoch auch faustdick hinter den Ohren hat. Sie alle tragen zum Gelingen des Films bei, der voller leisem Humor den Mut zum Träumen ebenso beschwört wie das Zutrauen auf die eigene Kraft und das Vertrauen auf die Mitmenschen. Mit einer solchen Haltung wird aus dem noch so schäbigsten Pub Heimat und ein Hort der Geborgenheit, weil sich Menschen mit großen Herzen in ihm treffen. (Hans Messias, film-dienst)
Die "Grimley Colliery Band" hat ein großes Ziel: Sie möchten die beste Blaskapelle Englands werden. Unter der Leitung ihres Kapellmeisters Danny versuchen sie alles, um dieses Ziel zu erreichen. Doch die Mitglieder der Gruppe sind von der Schließung ihres Arbeitgebers, der Grimley-Kohlegrube, bedroht. Außerdem haben die Youngsters mit komplizierten Beziehungsproblemen zu kämpfen.
Ein schöner englischer Musikfilm, der seine Figuren und ihren Lebensraum intensiv beleuchtet. Dabei sind die 107 Minuten immer unterhaltsam und mit lustiger Musik bestückt. (film.de)
Wer als Schulkind Detlev von Liliencrons «Die Musik kommt» auswendig lernen musste, geht der Blechmusik entweder für immer verloren - oder wird ihr stets eine gewisse Anhänglichkeit bewahren. Die ersten Anflüge enigmatischer Poesie - Brumbrum, das grosse Bombardon - jedenfalls hinterlassen bleibende Eindrücke, und wenn die Grimley Colliery Brass Band, vielfüssige, laute und etwas schmuddlige Protagonistin von «Brassed Off», schon nicht viel gemein hat mit den strammen Grenadieren und den rosenroten Herren Leutnants des Dichters, so setzt sie sich doch mit ebensoviel Aplomb in Szene: Klingkling, bumbum und tschingdada / zieht im Triumph der Perser Schah? / Und um die Ecke brausend bricht's / Wie Tubaton des Weltgerichts...
Doch haben weder der Pfauenthron noch das Weltgericht diesen Tönen Pate gestanden - und dem liebenswürdigen kleinen Film aus England höchstens Margret Thatcher und ihre Arbeitsabbau-Spezialisten. Allerdings unerwünschterweise. Die Grimley-Blaskapelle ist nämlich ein (verschupftes) Kind der britischen Kohleminen, und wenn ihre Musik gewiss eines von deren schöneren Schürfgütern darstellt, ergibt sich insgesamt vielleicht doch nicht gerade ein Orchester, mit dem man vor den Fräcken und Roben der Salzburger Musikfestwochen aufspielen wollte. Schliesslich rekrutiert es sich «nur» aus den Grubenarbeitern einer Kleinstadt im Norden Englands. Deren Name, Grimley, ist zwar frei erfunden, nicht aber ihr Realitätsbezug: «grim» und «grime», die Anspielungen auf die Härte der Arbeiter-Existenz in solchen Bergwerksorten und auf die russigen Schmutzschleier, die über ihnen hangen, verweist das Interesse von Anfang an in die richtigen Bahnen: Sowenig sich die Kumpels, die abends und am Wochenende nach der Schufterei im Stollen mit grauen Gesichtern und grossem Enthusiasmus ihre Instrumente spielen, an die Liebhaber von gediegener E-Musik wenden, sowenig wird sich die handfeste und gefühlvolle Tragikomödie an ein Kinopublikum richten, das unter «Brassed Off» einen cinephilen Musikfilm erwartet.
Die Titelähnlichkeit mit «pissed off» dürfte da, neben einigen andern möglichen Slang-Konnotationen, schon eher zutreffen, entwickelt sich doch die über weite Strecken eher humorig-sentimental erzählte Geschichte von der Band, deren trauriger Untergang mit der Schliessung ihrer Zeche besiegelt wird, am Ende zu einer ziemlich rabiaten Abrechnung mit jener (Wirtschafts-)Politik der achtziger Jahre, die die Zechenschliessungen ohne Rücksicht auf Verluste vorantrieb und schwarze Zeichen setzte für eine Entwicklung, in der das Ende der Kohleindustrie nur ein Anfang sein sollte. Wenn die Band nach langem Kampf ums Überleben schliesslich in der Royal Albert Hall ihren - voraussichtlich halt doch letzten - triumphalen Auftritt hat und als Siegerin aus dem nationalen Wettspiel hervorgeht, dämpft das trotz allen Feel-good-Faktoren eines traditionellen Drehbuchs nicht den bitteren Unterton, der diese Geschichte befeuert.
Denn das Ableben einer Grubenarbeiter-Band - eines wundersamen Gebildes, das gegen alle grimmigen Lebensumstände, gegen alle Knappheit von privaten und kollektiven Ressourcen zustande gekommen ist, als ein Triumph kreativer Sehnsucht in der nackten Plackerei unter und über Tag -, dieses Ableben weist weit über die Verknüpfungen individueller Charaktere und Schicksale zu einer Blaskapelle hinaus. Auf das Ende einer historischen Epoche nämlich, oder «coal is history», wie einer einmal sagt; auf das Ende einer traditionellen Lebensart; auf das Ende der Idee von Arbeit als konstituierendem Element einer sozialen Gemeinschaft und vielleicht auf das Ende der Arbeit überhaupt; auf das Ende des politischen Willen zur Überwindung von ärgster Armut hie und exzessivem Reichtum da; und auf das Ende der Hoffnung, dass in einer solidarischen Gesellschaft die Moral vielleicht auch einmal vor dem Fressen kommen könnte.
Die kleine Brandrede, mit der der Dirigent schliesslich den Siegespokal zurückweist, nennt auch gleich die Profiteure des Unglücks beim Namen: Thatcher und Konsorten wurde in britischen Filmen der Marsch zwar schon öfter geblasen, aber noch selten so explizit wie in «Brassed Off». Ein bisschen spät, mag man einwenden, aber die Erben derer, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben und doch jene Blechmusik anführen, in der «Brass» nur noch Geld bedeutet, sind halt weiterhin wichtig am Tun.
Regisseur Mark Herman hat sich seit dem grossen Grubenstreik 1984 mit einem Projekt zum Thema beschäftigt; seine hervorragenden Protagonisten, Pete Postlethwaite als leidenschaftliches Herz (und Staublunge) der Truppe sowie Jim Carter als sein depressiver Gegenpol, stammen selbst aus dem Norden und aus ähnlichen Milieus; und auch die junge Garde (Tara Fitzgerald und Ewan McGregor sorgen für einen romantischen Erzählstrang) scheint ihre politischen Sympathien und Antipathien zu teilen - «Brassed Off» ist offensichtlich ein engagiertes Gemeinschaftswerk mit einer Botschaft, gelegentlich ein bisschen didaktisch, hie und da zu gefühlig, nicht immer ganz stilsicher in den Übergängen zwischen Komik und Tragik, aber voll schöner Verve und bodenständiger Sinnsuche. Dass der Film dreizehn Jahre nach den Streiks im Kern der Sache an Aktualität nichts eingebüsst hat, trägt nicht wenig zum traurigen Unterton seiner kämpferischen Fröhlichkeit bei. Denn Kohle mag Geschichte sein, aber «Kohle» regiert die Welt mehr denn je. (Pia Horlacher, NZZ, 15/8/1997, Nr.187)
Wenn britische Bergbauarbeiter, denen auf lange Sicht die Staublunge und auf kürzere Sicht die Arbeitslosigkeit droht, für ein Hobby wie die Blasmusik besonders viel Atemvolumen und Probenzeit benötigen, dann scheint das am Beginn von Brassed Off noch ein Ambiente für eine immerwährende, konventionelle TV-Seifenoper zu sein.
Ehefrauen schimpfen über Gatten, die den letzten Notgroschen in die Kassa ihrer Kapelle legen. Pummelige Groupies sind Anlaß für derbe Männerwitze auf den gemeinsamen Fahrten zu Musik-Wettbewerben. Die Tochter eines ehemaligen Kumpels hat als Wirtschaftsprüferin die Chance, das von der Schließung bedrohte Werk zu retten. Und der Kapellmeister (Pete Postlethwaite in einer Glanzrolle), der so gerne einmal ein Konzert in der Londoner Albert Hall dirigieren würde, ist bereits todkrank.
In eher konventionellen Bildern wirkt das alles anfangs bläßlich inszeniert, erst recht, wenn man sich die letzten proletarischen Arbeiten eines Mike Leigh (Secrets and Lies) oder Ken Loach (Raining Stones) vergegenwärtigt. Die formlose Alltäglichkeit und Banalität, die der Regisseur Mark Herman in Brassed Off zunächst beschwört, ist letztlich eine formidable Basis für ein zunehmend anrührendes Arbeitermelodram, in dem selbst kleine Siege nicht über katastrophale Bedingungen hinwegtäuschen.
Der Selbstmordversuch eines Familienvaters, der Frau und Kinder nicht mehr erhalten kann; Verzweiflung über zerbröckelnde Solidarität unter Arbeitskollegen und Freunden; dagegen die kurzen, trügerischen, aber kostbaren Harmonien im gemeinsamen Musizieren: Groschenromanfiguren gewinnen zunehmend an Tiefe in einem Episodenreigen, der in eine der ergreifendsten Szenen dieses Kinojahres mündet.
Die Albert Hall ist erobert, die Existenzängste keineswegs beseitigt, wenn die Musiker mit ihrem siechen Anführer auf dem Deck eines Stockbusses durch das nächtliche London kreuzen. Die Freude über einen Sieg und der Stolz über eine Brandrede vor ergriffenem Konzertpublikum weichen in diesem märchenhaften Moment langsam wieder dem Bewußtsein, daß der nächste Tag der Glorie ein Ende bereiten könnte. Die Menschen, die da zwischen Straßenlaternen zu schweben scheinen, haben eigentlich nur den Boden unter den Füßen verloren.
Brassed Off, dieser kleine triviale Trauergesang aus dem England vor Tony Blair, sei als Lehrbeispiel jedem heimischen Filmemacher ans Herz gelegt: Wie hier entlang von realen sozialen Katastrophen mit sparsamsten, auch TV-kompatiblen Mitteln erzählt wird, ohne das Kino zu verraten und die Haltung zu verlieren, das vermißt man im österreichischen Spielfilm der letzten Jahre. Scheinbar ist es so naheliegend, daß man es immer wieder aus den Augen verliert. (Claus Philipp, DER STANDARD, 3/10/1997)
Power und frecher Charme haben den Schotten Ewan McGregor zum Kino-Idol gemacht. Nun beginnt die Weltkarriere.
Der schicksalsschwere Augenblick kommt bald nach Beginn der Geschichte: Er hat sie nach ihrem ersten abendlichen Drink im Pub bis vor die Haustür begleitet, und da fragt sie ihn, ob er noch zu einer Tasse Kaffee raufkommen wolle in ihre möblierte Bude.
Er stammelt: "Ich mag keinen Kaffee" und macht sich hastig davon: Angst des Provinzproleten vor der attraktiven, selbstbewußten, gebildeten Großstädterin, Klassenkrampf also. Da wir uns aber im Kino befinden, in dem britischen Grubenarbeiter- und Arbeitslosigkeitsfilm "Brassed Off", gehen natürlich beide in Revision, denn im Grunde fliegen sie doch seit dem ersten Blick-in-Blick aufeinander, daß es raucht. Die Krisen kommen später.
Im sogenannten wirklichen Leben, nicht nur in London, ist er nicht der Typ, der sich aus dem Staub macht, doch es beengt ihn die Unannehmlichkeit, daß er nicht einfach und ungestört im Pub um die Ecke ein Bier zischen kann: Er ist nun mal Ewan McGregor, die Rakete von Kerl, die mit dem Film "Trainspotting" hochging, und also nach den Oasis-Brüdern das umschwärmteste Jugendidol der Nation.
Er ist 26, er ist ein Provinzprolet aus dem hinteren Schottland, doch es konnte nicht sein, daß er nicht bald auffiel, nachdem er den Weg auf eine Schauspielschule in London gefunden hatte: bei diesem Aussehen, dieser elektrisierenden Vitalität, die ihn strahlen läßt, und dabei alle Verwundbarkeit tief in den grauen Augen. Er muß ein Arbeitsbesessener sein, denn er hat sich kaum Verschnaufzeit gegönnt, seit er 1992 von der Schule weg einen Part in der TV-Bürokratie-Satire "Lipstick On Your Collar" bekam und rasch hinterher die Hauptrolle in einer britischen Fernsehfassung von Stendhals "Rot und Schwarz". Das schottische Erbe und eine Glasgow-Connection haben ihn in die Kino-Karriere katapultiert: Der Regisseur Danny Boyle drehte mit ihm 1994 die maliziöse Farce "Shallow Grave" ("Kleine Morde unter Freunden") und dann die Junkie-Ballade "Trainspotting", von deren Riesenerfolg niemand geträumt hatte. So eröffnete das Tauchbad in einer verdreckten Toilettenschüssel dem Draufgänger McGregor den Weg in den internationalen Glamour.
Er wurde mit Lockenperücke in dem amerikanischen Jane-Austen-Film "Emma" von Gwyneth Paltrow umschwärmt, er ließ sich nackt in Peter Greenaways Hongkong-Erotikum "Die Bettlektüre" von Kopf bis Zeh mit japanischen Schriftzeichen bemalen, er stolzierte in Irland als Kunst-Gärtner in barocken Kniehosen durch die schwerfällige Kostümkomödie "The Serpent's Kiss" - in "Brassed Off" nun endlich hat er wieder handfeste Kino-Realität und die heimatlich schwere Erde des Nordens unter den Füßen.
"Brassed Off" spielt in Yorkshire, dem einst blühenden britischen Kohlenpott, den Zechenschließung um Zechenschließung in ein kahles Depressionsland verwandelt haben, und der Autor-Regisseur Mark Herman, der aus Yorkshire stammt, hat in einem phantasievollen Kraftakt zustande gebracht, daß - gegen alle Wahrscheinlichkeit - ein Arbeitslosigkeitsdrama nicht flügellahm und mit Kummerfalten daherkommt, sondern von einer störrischen, geradezu wütenden Überlebenslust erzählt.
Das ist nicht nur Ewan McGregors Sache, der als Kumpel Andy den Kaffee der flotten Blondine Gloria (Tara Fitzgerald) zu schätzen lernt. Um sie herum baut Mark Herman einen scharf geprägten Kleinstadt-Mikrokosmos auf und entwickelt besonders eindringlich ein Vater-Sohn-Drama (zwischen Pete Postlethwaite und Stephen Tompkinson), das, sehr kohlenpott-typisch, das örtliche Amateur-Blasorchester in den Mittelpunkt rückt: Während die Zeche abgewickelt wird und der Ort in Trübsal sinkt, macht die lokale Blech-Band wunderbar Furore - einer der schönen kleinen Siege der Kunst über die Wirklichkeit.
Ewan McGregor, der Rastlose, hat inzwischen schon wieder ein paar Filme gedreht (als Rockstar in "Velvet Goldmine" oder, zum drittenmal mit dem Regisseur Danny Boyle, als schottischer Desperado im Wilden Westen in "A Life Less Ordinary"), und nun stürzt er sich in ein Abenteuer, das ihn in die fernsten Galaxien und bis ins nächste Jahrtausend befördern wird: Mit ihm als Star hat George Lucas in London die Dreharbeiten zu seiner neuen "Star Wars"-Trilogie begonnen. Vom Hauptdarsteller der ersten hat man danach nie mehr viel gehört, doch einem Feuerkopf wie Ewan McGregor wird das nicht passieren. (DER SPIEGEL 40/1997)
Die Geschichte ist, in unseren profitwütigen Zeiten, immer die gleiche. Erst greifen ein paar Herren im grauen Anzug zum Rechenstift. Dann erschrecken sie über rote Zahlen. Schließlich wird ein Fabrikstor für immer zugesperrt, und Hunderte Menschen im Arbeitsdrillich stehen auf der Straße. Der britische Film „Brassed Off“ läßt solch eine Arbeiter-Saga im Kumpelmilieu spielen.
Ein großes Kohlebergwerk steht vor der Schließung. Zwar wird offiziell noch von Rettung und neuen Rentabilitätsrechnungen geheuchelt, doch in Wahrheit ist das Schicksal der Grube längst entschieden: Aus, Schluß, vorbei. Ein Stoff wie dieser ließe sich trefflich fürs Fernsehen zuschneiden, doch bei „Brassed Off“ paßt er auch ins Kino. Das hat klingende Gründe. Denn die Kumpel haben nicht nur ihren Zorn und ihre Ängste - sie haben auch Musik. Der Soundtrack schmeichelt sich als blecherner Ohrwurm ins Herz des Zuschauers. Das ist insofern bemerkenswert, als die Bergleute keine gängigen Ton-Waren abliefern, sondern Blasmusik.
Erstaunlich kunstfertige Blasmusik allerdings. Überdies erfüllen die Klänge für die Menschen und den Film noch einen weiteren Zweck. Die Kapelle dient den Kumpels nämlich in doppeltem Sinn als Kapelle. Als Ort der Einkehr, in dem die Existenzsorgen zumindest für kurze Zeit vertrieben werden können. Wie gewaltig diese Sorgen sind, das wird vom Film in präzise ausformulierten Geschichten erzählt.
Prächtige Typen poltern über die Leinwand: Der Pleite-Bergmann, der von Frau und Kindern verlassen wird. Der Dirigent, der der Staublunge und den Ärzten trotzt. Der Kumpel und das Mädchen aus besseren Kreisen, die trotz Klassenkrampf die Liebe wagen. All das macht den Film zu einem kleinen, feinen Kino-Ereignis. (Gunther Baumann, KURIER)
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D 1997. 108 Min
Regie: Rainer Kaufmann,
Buch: Ralf Hertwig, Kathrin Richter, nach dem gleichnamigen Roman von Ingrid Noll,
Musik: Ludwig Eckmann, Maximilian Geller,
Kamera: Klaus Eichhammer,
Schnitt: Ueli Christen,
Darsteller: Katja Riemann (Hella Moormann), Jürgen Vogel (Levin Graber), Richy Müller (Dieter Krosmansky), Isabella Parkinson (Margot Krosmansky), August Zirner (Pawel Siebert), Dagmar Manzel (Dorit Meissen), Andrea Sawatzki (Alma Siebert)
Kinostart: 3/10/1997
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis "Deutschlands erfolgreichste Kriminal-Autorin" als Stofflieferantin fürs Kino entdeckt wurde. Ingrid Noll, die 55jährig ihren ersten Roman ("Der Hahn ist tot") veröffentlichte, feierte 1994 mit dem Bestseller "Die Apothekerin" ihren bislang größten Erfolg und wurde bereits als die deutsche Antwort auf Patricia Highsmith gefeiert. Allein diese Popularität dürfte auch der Verfilmung das Interesse sichern - auch wenn der Film vor allem die Schwächen der litarischen Vorlage plastisch vor Augen führt und sie sich fatalerweise zueigen macht: einer Vielzahl bestechender Detailbeobachtungen steht der eklatante Mangel eines tragfähigen erzählerischen Netzes gegenüber, so daß man vergeblich nach einem anhaltenden Spannungsbogen sucht und die Aufmerksamkeit zunehmend erlahmt.
Dabei ist die spröde Apothekerin Hella Moormann eine ausgesprochen faszinierende (Kunst-)Figur: Die 30jährige mit Vorliebe für Außenseiter, Hypochonder und Sonderlinge liebt Menschen, denen es schlecht geht, weshalb sie auch ihren Beruf gewählt hat, den sie in Heidelberg ausübt. Geprägt von einem tödlichen Kindheitserlebnis, sehnt sie sich intensiv nach normalem bürgerlichem Glück mit Haus, Mann und Kind (wobei ihr die Reihenfolge egal ist), ist dabei aber innerlich so angespannt, daß sie sich aus Furcht vor weiteren Lebenskatastrophen ins introvertierte Singledasein zurückgezogen hat. Als ihre Wünsche dann doch wahr werden, erweist sich das bürgerliche Ideal zunächst als Bumerang, als, so Hella, der "Albtraum meiner erfüllten Wünsche". Drei Männer spielen dabei eine Rolle: Levin, Student der Zahnmedizin, der Hella in seiner Mischung aus kindlicher Direktheit und unberechenbarer Verschlagenheit so fasziniert, daß sie zunächst seine Liebhaberin und später gar seine Ehefrau wird, als Levins unter dubiosen Umständen verstorbener Großvater Hella als Alleinerbin seines Vermögens einsetzt; dann taucht Dieter auf, ein sinisterer, zur Gewalt neigender Mann, der soeben aus dem Gefängnis entlassen und von Levin ausgenutzt wurde und sich nun in der von Hella und Levin bezogenen großväterlichen Villa einnistet; und schließlich ist da der eher bieder-normale Pawel, dessen Frau den Verstand verloren hat, und der sich ausgerechnet in jener Silvesternacht, in der sich Levin und Dieter im Kampf um die Gunst der schwangeren Hella beinahe umbringen, als lebbare Alternative anbietet.
Die Geschichte ist weitschweifig und verwickelt, und nicht nur Hella, die zumeist aus dem Off kommentierende Chronistin ihres eigenen Lebens, entgleiten, zumindest vorübergehend, die Ereignisse. Was als doppelbödig pointiertes Melodram beginnt, mutiert zwischenzeitlich zur unentschlossenen Komödie mit Akzenten einer bizarren Farce, um sich dann immer mal wieder an den Seitentrieben eines mal morbiden, mal makaber-drastischen Krimis zu versuchen. Dieses Changieren zwischen den Genres, das unberechenbare Spiel mit verdrängten Wünschen und lange unterdrückten Trieben, mit Schein und Sein könnte eine reizvolle erzählerische Strategie sein, würde sich die Handlung nicht in den vielen Episoden und den nicht minder zahlreichen Nebenfiguren verlieren, die ermüdenderweise noch bis kurz vor Schluß eingeführt werden. Immer wenn es in diesem Wust dann bedeutsam werden soll, muß eine blitzlichtartige Aufblende ins blendende Weiß herhalten, um zu verdeutlichen, daß jetzt etwas Entscheidendes geschehen ist. Dabei hätte der Film solche "Zaubertricks" im Prinzip gar nicht nötig, da er mit erstaunlicher handwerklicher Gediegenheit aufwarten kann: vom erlesen "schön" gestalteten Vorspann über die perfekte, zugleich subtil gehandhabte Ausstattung, den stringent durchkomponierten Soundtrack bis zu manchem kameraästhetischem "Schmankerl", etwa dem raffinierten Spiel mit der wechselnden (Tiefen-)Schärfe beim erotischen Nachlaufen in der Enge der Apotheke. Dieses in vielen Details außergewöhnliche formale Niveau ist freilich fast schon kontraproduktiv im Hinblick auf die stoffliche Vorlage, die dringend einer der Ökonomie dienlichen Entrümpelung bedurft hätte. So aber krankt "Die Apothekerin" allzu deutlich an einer fehlenden dramaturgischen Struktur, vor allem aber auch an der nötigen Portion Abgründigkeit, die Hellas Odyssee durch die bürgerliche Welt des alltäglichen Horrors hätte spannend werden lassen. (Horst Peter Koll, film-dienst)
Hella (Katja Riemann) hatte schon als Kind kein Glück mit dem männlichen Geschlecht. Nach einer Jugend in einem Mädchenpensionat ist sie nun im Alter von 30 Jahren als spröde Apothekerin beschäftigt. Sie lernt den verwegenen Studenten Levin (Jürgen Vogel) kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Notgedrungen heiratet sie ihn sehr schnell, da er nur so an das Erbe seines Großvaters herankommen kann. Dieser war zuvor unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Doch die Ehe entpuppt sich als kompliziert. Der ehemalige Gangsterkollege von Levin Dieter (Richy Müller) zieht in die Villa ein. Hella erwischt ihren Levin mit der Frau von Dieter, woraufhin sie selbst ihr Herz bei Dieter ausschüttet. Doch Dieters Frau Margot (Isabella Parkinson) kommt bei einem Fenstersturz ums Leben, Hella wird schwanger. Sie weiß aber nicht, ob Levin oder Dieter der Vater ist. Da taucht im sympathischen Pawel ein dritter Mann für sie auf. In einer Silvesternacht kommt es schließlich zur unvermeidlichen Katastrophe.
Eine schräge Mischung aus Komödie und Krimi, in der die Akteure zu Höchstform aufspielen und eine unkonventionelle, aber schlüssige Handlung bis zum furiosen Finale ausgereizt wird. (film.de)
"Die Apothekerin": Katja Riemann gibt, nach Ingrid Noll, das Mauerblümchen, das Gefallen an den Blumen des Bösen findet. Ein neudeutsches Hochglanz-Krimi-Melodram mit ein wenig Humor.
Eine Frau entdeckt sich selbst in der Beseitigung anderer. Die Schuld daran teilen sich ihr Gatte (Hallodri und Erbschleicher) ihr Liebhaber, (verkorkster Ex-Sträfling) und die Tücke der (guten) Gelegenheit. Der Zufall will es, daß die schüchterne, alleinstehende Apothekerin unentwegt und zufällig an Hindernisse gerät, die sie lehren, daß man diese am besten - und gründlichsten - gleich mitsamt den daran beteiligten Personen beseitigt. Zunächst geht das nicht ganz ohne schlechtes Gewissen, aber allmählich gewöhnt man sich daran: Schließlich macht Übung die Meisterin.
Die Apothekerin basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Ingrid Noll, einem sarkastischen, leise anti-bourgeoisen Psycho-Krimi. Der deutsche Regisseur Rainer Kaufmann hat diesen Stoff nun als komische Heldensaga adaptiert. Seine Protagonistin heißt Katja Riemann, eine Frau, deren Qualitäten sich am besten im Zusammenspiel von Zerbrechlichkeit und Stärke entfalten. An Riemann, dem Kinoliebling der Nation, lassen sich allerdings kaum Abgründe entdecken: Der Reiz am Bösen, den Nolls Apothekerin nach und nach entdeckt, wird im Film durch psychologisch motivierte Handlungen ersetzt. Riemann ist da ein Mitgefühl heischendes Sensibelchen, dem man eher vertraut, als daß man ihm alles zutrauen würde.
Dabei schlägt Kaufmann zunächst einen durchaus lakonischen Erzählton an. In einer knappen Rückblende sieht man gleich zu Beginn die kleine Hella (Riemann), wie sie aus Versehen (und mit ungerührter Miene) ihren ersten Toten produziert. Weiter geht es mit der ersten, so großen wie fatalen Liebe: Levin (Jürgen Vogel), ein unwiderstehlicher Charmeur und unausstehlicher Egoist. Hella heiratet ihn, der vermutlich am Tod seines vermögenden Großvaters Schuld hat - und erbt einen prachtvollen Landsitz. Die bis dahin recht pointenreiche Handlung wird ab da mit schweren melodramatischen Stimmungsbildern angereichert, die auf die schnoddrig eingeflochtene (schwarze) Komik treffen. Es hätte nicht geschadet, wenn nicht jeder Blick auf diese (aus den Fugen geratene) Welt dem Kunstbild-Standard des deutschen Neunziger-Jahre-Kinos entspräche. Aber Die Apothekerin ist eben - seine Heldin inklusive - genau das, was man "publikumsfreundlich-modernes" deutsches Kino nennt. So gesehen, hätte der Film auch schlimmer ausfallen können. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 3/10/1997)
Eigentlich will die Frau nur ein Kind, ein Haus und einen Mann. Doch dann bröckelt der Apothekerin ihre biedere Fassade weg.
Die Hölle, das sind immer die anderen. Schön, wenn die anderen einfach wegsterben wie die Fliegen. Pro Beerdigung eine Sorge weniger. Zu Risiken und Nebenwirkungen von schwarzen deutschen Komödien fragen Sie "Die Apothekerin".
Eigentlich kann nicht viel schiefgehen: Deutschlands erfolgreichste Krimi-Autorin Ingrid Noll hat mit der gleichnamigen Romanvorlage einen Bestseller gelandet. Regisseur Rainer Kaufmann greift mit der Rollenbesetzung auf ein altes Rezept zurück: Mit "Stadtgespräch" (1995) und Katja Riemann als alleinstehender Radiomoderatorin ist er bekannt geworden. Krimi-Ingrid und Komödien-Katja: Bewährtes für den Doppelwhopper des deutschen Kinoherbstes.
Also schon wieder Katja Riemann. Gerade noch Schlagzeugerin der Knastband "Bandits", jetzt schon Apothekerin Hella, mit den gleichen Problemen wie Radiomoderatorin Monika in "Stadtgespräch": Frau, um die 30, will nichts weiter als eine nette Beziehung, vielleicht ein nettes Haus und ein nettes Kind ( Reihenfolge egal). Aber sie kriegt drei Männer und nichts als Ärger.
Den ersten Kick erhält Hellas tristes Liebesleben, als der Zahnmedizin-Student und Kindskopf Levin (Jürgen Vogel) ihr sprödes Pharmazeutinnenherz erobert. Die beiden heiraten, ziehen in die günstig geerbte Luxusvilla und alles könnte so schön sein. Ist es natürlich nicht. Wo Bargeld und junges Glück lacht, ist auch ein Störenfried nicht weit: Die schlampige Haushaltsgehilfin Margot (Isabella Parkinson) zieht sich routiniert den frischgebackenen Ehemann über den gelackten Nagel. Dann erbricht sie sich auf einer Party auch noch über das Apothekerinnenkleid. Leider fällt sie dann beim Putzen aus dem Fenster. Oooops - der zweite Todesfall nach dem reichen Opa, der der Apothekerin nicht ungelegen kommt. Seltsame Unfälle häufen sich. Bald hält vor ihrem Haus öfter der Notarztwagen als die Müllabfuhr.
Kaufmann rettet Nolls subtilen Alltagshorror gut in den Film hinüber. Die eigenwillige Mischung aus morbidem Humor und sarkastischer Tragik, aus Krimi und Komödie kommt bestens ohne einen coolen Kommissar aus. Jürgen Vogel ("Kleine Haie", "Das Leben ist eine Baustelle") zeigt Mut zur Häßlichkeit: Ziegenbärtchen und Zahnprothese, und beides sitzt irgendwie verkehrt in seinem Gesicht. Mit der spröden Katja Riemann gibt er ein Liebespaar zum Zusammenbrechen ab. Und wenn dann noch Richy Müller als wortkarger Zweitliebhaber dazustößt, ist ein echtes "Trio Infernale" unter einem Dach. Die Fetzen fliegen, das Haus brennt ab, Zuckerkuchen wird gereicht - von Mord keine Rede.(Anja Wessler, SPIEGEL ONLINE 40/1997)
Die Apothekerin - Lacht kaputt, was euch kaputtmacht
Was euch giftet, das vergiftet! Und: auch so manche Mitgift wird buchstäblich bzw. wörtlich angewandt! So tönt die jüngste weibliche Frohbotschaft des neuen deutschen Filmwunders, in dessen bunter Kollektion neuerdings auch schwarzer Humor graut. Dieser hier, nach dem Romanbestseller von Ingrid Noll, läßt gedämpft zuerst die Männer lachen und angenehm die Frauen gruseln; anschließend läuft’ genau umgekehrt. Um dennoch gemeinsam Spaß dran zu haben: Lacht kaputt, was euch kaputtmacht!
Es gibt viele Frauen, deren wehes Gefühlsleben bleibt unheilbar: sie geraten immerfort an den Falschen (Mann). Derlei fatale Anlage bildet den pochenden Nerv etlicher Erfolgskrimis. Die vorliegende Verfilmung mag sich zwar in schwächeren Momenten mit flauen Witzchen auf den Magen schlagen. Aber wie dieser Thrillerschriller auf komische Weise das Ungeheuerliche ganz normal findet, löst auch bei harmloseren Naturen perfides Behagen aus; als hätte man mental bei der gerechten Sterbehilfe an einem Bitterbösewicht mitgewirkt.
„Den Alptraum meiner erfüllten Wünsche“ nennt - sich in Sehnsucht nach Gatte, Haus und Kindern verzehrend - Hella Moormann ihre Leidensgeschichte, die zur Heilsgeschichte gerät. „Ich liebe Menschen, denen es schlecht geht. Deshalb bin ich auch Apothe- kerin geworden“, verrät die Drogenmischerin eingangs in trüber Abgeklärtheit und hat recht. Die 30jährige Blondine ist der stille Hafen, in den ein Pulk auf sie abfahrender Hypochonder, Depressiver und Neurotiker einf... ...nein, einfahren tut dabei stets sie selbst.
Etwa mit dem leichtsinnigen und -sinnlichen Levin, der nicht nur in schnellen Autos ohne Umschweife sein Ziel anstrebt auch bei ihr im Bett und noch mehr bei seinem Großvater, den er tunlichst rasch beerben will, koste es (die anderen), was es wolle.
Ebenso bei dessen gewalttätigem Freund Dieter, dem narbigen Exsträfling mit harter Faust, weichem Gemüt und jüngerer, schamloser Schwester, welche offenbar Opa den Haushalt auch bezüglich der Hormone führte und sich sichtlich zur Erbmasse zählt.
Wird Hella mit dem ebenfalls verheirateten Mitleidsgenossen Pawel ein Hoffnungslauf in eine glücklichere Zukunft angeboten, obwohl ihm seine geistig umnachtete Frau als erbarmungswürdiger Pflegefall untrennbar verbunden ist? Auf die Lösung kann man jedenfalls Gift nehmen. (Rudi John, KURIER)
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USA 1997. 102 min
Regie: Mick Jackson,
Buch: Jerome Armstrong, Jerome Armstrong, Billy Ray,
Musik: Alan Silvestri,
Kamera: Theo van de Sande,
Schnitt: Don Brochu, Michael Tronick,
Darsteller: Tommy Lee Jones (Mike Roark), Anne Heche (Dr. Amy Barnes), Gaby Hoffmann (Kelly Roark), Don Cheadle (Emmit Reese), Jacqui Kim (Dr. Jaye Calder), Keith David (Lt. Ed Fox)
Kinostart: 3/10/1997
Dies also ist der zweite der rivalisierenden Vulkanfilme dieser Saison. Er ist aufwendiger, aktionsreicher, schneller und ironischer als der erste ("Dante's Peak", fd 32 457). Ist er deshalb der bessere Film? Wahrscheinlich schon für die Bürger von Los Angeles und für Touristen, die vor ein paar Monaten noch den berühmten Wilshire Boulevard hinuntergeschlendert sind. Wer einmal im County Museum of Art war, in Macys Art-Deco-Kaufhaus ein Schnäppchen gemacht oder einen neugierigen Blick auf die beständig vor sich hin blubbernden La Brea Tar Pits geworfen hat, dem wird dieses Magma-Spektakel gewiß die Nerven in Schwingung versetzen. Man braucht Lokalkenntnisse, um die anvisierte Ungeheuerlichkeit erfassen zu können, aber auch um die zahllosen ironischen Anspielungen zu verstehen: zum Beispiel ein U-Bahn-Fahrer, der "Writing Screenplays That Sell" liest, oder bildschirmbekannte Reporter, die noch den letzten Funken Sentimentalität aus einer Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes herausquetschen. Wäre diese Stadt Berlin, München oder Hamburg, so würden vermutlich auch deutsche Zuschauer gespannt auf der Sitzkante hocken, wenn Potsdamer Platz, Stachus oder Reeperbahn im Lavastrom versinken. So aber ist es für die meisten von ihnen wohl nur eine weitere exotische Lokalität, die der überbordenden Fantasie heutiger Katastrophen-Spezialisten geopfert wird und deren urbane Spitzfindigkeiten sich der Übertragung in die deutsche Mentalität widersetzen.
Mehr als alle bisher in Los Angeles angesiedelten Filme ist "Volcano" auch eine Auseinandersetzung mit der Hybris dieser Stadt, die ihre etwas schläfrige kalifornische Unschuld vor mindestens drei Jahrzehnten schon zu verlieren begann. Längst zum Zentrum von Industrie, Kultur und Rassenintegration an Amerikas Westküste geworden (neuerdings von San Franciscos Bay Area mit Silicon Valley in ihrer Spitzenstellung bedroht), hat sich die selbstbewußte Metropole durch Erdbeben, Rassenkrawalle und Kriminalität einen mindestens ebenso herausragenden Ruf verschafft. Wo Schwarze von Polizisten fast zu Tode geprügelt werden, ein ganzer Stadtteil durch tektonische Beben verwüstet wird und die Häuser der Bürger vor dem Zorn aufgebrachter Minderheiten nicht sicher sind, da braucht man sich nicht zu wundern, wenn Drehbuchautoren dort die ideale Vorlage für apokalyptische Fabeln wie "Volcano" zu finden glauben.
Zurerst sind es bloß giftige Gase, die aus der Erde strömen, sich ungewöhnlich schnell erwärmendes Wasser in den Teichen der Parkanlagen, in die Luft geschleuderte Kanaldeckel und (siehe "Dante's Peak") die vor nichts Halt machende Vorstellungskraft einschlägiger Wissenschaftler, die Irritation hervorrufen. Doch "Volcano" hält sich nicht lange mit der Vorgeschichte auf. Er springt gleich hinein ins volle Digitalvergnügen. Es ächzt und brodelt aus den Effektlautsprechern, und bald ist der Beweis dann auch auf der Leinwand zu betrachten: Unter dem Wilshire Boulevard öffnet sich die Erde und spuckt Feuer und Verderben. Kein Star diktiert mehr den Gang der Handlung; es ist die eruptierende Lava, die den Lauf der Ereignisse bestimmt. Der ist vorgezeichnet durch Abwasserkanäle, U-Bahn-Tunnel und Straßenschluchten. Überlisten kann die Naturkräfte nur, wer sich auskennt im über- und unterirdischen Gewirr der Großstadt. Zum Helden der Stunde mausert sich deshalb ein beherzter Krisenexperte, der die eigene Tochter der Obhut von Fremden überläßt, damit er selbst Hand anlegen kann, um die Stadt vor dem Schicksal eines neuzeitlichen Pompeji zu bewahren.
Die Special Effects sind ausgeklüngelt und beeindruckend. Der Realismus des Katastrophenfilms erklimmt einen neuen Höhepunkt, denn auf dem Gelände des Flugzeugsbauers McDonnell Douglas haben die Produzenten fast lebensgroß eine Meile von Los Angeles' Luxusstraße rekonstruiert, um sie hernach mit Bedacht zerstören zu können. Es gibt von Anfang bis Ende viel zu sehen. Die Kameraperspektiven wechseln schneller, als sich nachhalten läßt, und das Ausmaß der Verwüstung nimmt immer endzeitlichere Dimensionen an. Wenn sich trotzdem das Interesse mehr an kleinen Details wie dem zunehmenden Ascheregen und sekundenschnellen Magmabomben fixiert statt an der großen Zerstörungsflut, dann liegt das wieder einmal daran, daß dem Film die Story und den Figuren die psychologische Einmaligkeit fehlen: Wo die großen Ereignisse bereits dem naivsten Zuschauer voraussehbar sind, wo an Stelle von Charakteren Kinoroboter agieren, da hält man sich an den kleinen Dingen fest, die noch nicht zur alltäglichen Leinwand-Routine gehören.
Nach einer Stunde hat "Volcano" im Grunde den Inhalt seiner Trickkiste preisgegeben. Was danach folgt, sind nichts als Variationen, Übersteigerungen und Wiederholungen. Der Katastrophenfilm rein technischer Konzeption stößt damit ersichtlich an seine Grenzen. Auch wenn hinter ihm ein gar nicht so dummes Konzept zu stehen scheint, hat er doch nicht das Zeug dazu, zwei Stunden durchzuhalten. Schon "Twister" (fd 32 099) verschoß alle seine Munition in der ersten halben Stunde, schon "Independence Day" (fd 32 118) fiel es schwer, zum Schluß noch mit etwas Außergewöhnlichem zu überraschen. Die Ökonomie der Mittel ist heutigen Regisseuren ebenso abhanden gekommen wie den Autoren die Konstruktion einer in sich selbst spannenden Story. Hitchcocks "Die Vögel" (fd 11 963) oder John McTiernans "Stirb langsam" (fd 27 183) empfehlen sich zum Studium. (Franz Everschor, film-dienst)
Los Angeles: Die Stadt wird von einem Erdbeben geschüttelt, doch dies ist nur ein Vorbote auf eine viel größere Katastrophe. Im Inneren der Erde kommt es durch eine Erdkrustenverschiebung zu einem Lavaausbruch, dessen Oberfläche mitten in L.A. liegt. Ein gigantischer Verwüstungsstrom zieht sich durch die Stadt und ihre Tunnel. Einzig der Chef der Notfallzentrale Mike Roark (Tommy Lee Jones) behält einen ruhigen Kopf und versucht mit Unterstützung der Seismologin Dr. Amy Barnes (Anne Heche) die Katstrophe abzuwenden.
Den Vergleich zum "Vorgänger" "Dantes Peak" braucht dieser Katastrophenfilm zu keinem Zeitpunkt zu
scheuen. Die Handlung ist zwar ebenso absurd, doch die Special Effects sind eher besser und der Drehort L.A.
um einiges brisanter als das Kuhkaff in "Dantes Peak". (film.de)
Nach Außerirdischen in New York jetzt Lava in Los Angeles. Leider wird der Hauptdarsteller von einem Lavastrom an die Wand gespielt.
Der letale Reigen beginnt mit schwefelhaltigen Dämpfen, die der Kanalisation entweichen. Das Wasser im See ist plötzlich warm, und mehrere leichtere Erdbeben künden von einer kommenden Katastrophe. Doch die Bevölkerung merkt nichts, die Verantwortlichen drücken sich vor Entscheidungen, die bedrohte U-Bahn wird nicht evakuiert, und plötzlich ergießt sich ein Vulkan in die Straßen von Los Angeles.
Da erwacht in Mike Roark (Tommy Lee Jones) der Heldenmut, der Chef der zuständigen Notfall-Leitzentrale läßt seinen Urlaub sausen, um die Magmaströme umzuleiten. Tommy Lee Jones hat in Hollywood eine Position, die ihm - wie in "Men in Black" ausgiebig praktiziert - Eingriffe ins Drehbuch erlaubt. Diese Möglichkeit hätte er auch in "Volcano" nutzen sollen.
Doch Jones glänzt noch nicht einmal vor der biederen Katastrophen-Kulisse als Schauspieler von Format. Der Lavastrom spielt ihn glatt an die Wand. (Oliver Schäfer, SPIEGEL ONLINE 40/1997)
Hier wird so heiß gegessen, wie gekocht wurde. Filmisches Fast food als Last food. Glühende Asche regnet, flammendes Magma brodelt, sprühende Lava explodiert und das alles auf Amerikas teuerstem Pflaster, dem Wilshire Boulevard. Hollywood hat nämlich den Untergang von Pompeji zeitlich in die Gegenwart korrigiert und nach Los Angeles verlegt. Immerhin vermelden historische Quellen, daß das antike Vorbild sechs Jahre vor seiner Apokalypse ebenfalls von Erdbeben heimgesucht worden war.
Natürlich wird neben den (maskenbildnerisch beeindruckenden) Todesopfern der (mit superteuren Spezialeffekten beschworenen) Naturgewalten vor allem auch der Zuschauer verkohlt: Phantasterei, heißt es aus Fachkreisen. Na wenn schon. Die Klasse eines Katastrophenfilmes mißt man nicht am Wahrscheinlichkeitsfaktor seiner Untergangsstory oder wissenschaftlich seriösen Details. Wer sich vorm schwarzen Mann fürchten will, fragt ja auch nicht, ob dessen Farbe echt oder der Typ vielleicht sogar weiblich ist.
Ein Katastrophenfilm erreicht sein Klassenziel im glaubwürdigen Beängstigen, Mitfühlen - und zuletzt erleichtert aufatmen lassen. Sein Schrecken muß überzeugen - hier tut er das zur Genüge. Alles wurde um diesen Vulkanausbruch versammelt, was zu filmklassischen Unglücksszenarios als nötig erachtet wird: eindringliche Warner, die niemand ernst nimmt, bis die ersten Skeptiker ins (verbrannte) Gras beißen.
Menschliche Schicksale, erst hautnahe gebracht, um deren Inhaber sodann unverzüglich in Not und Gefahr zu bringen und solche sukzesive zu steigern. Anschließend dutzendweise Rettungen in letzter Sekunde. Alles wird ständig am Siedepunkt gehalten - bis auf den erotischen Faktor, der glimmt auf Sparflamme; hier darf nur Feuer in Brunst ausbrechen... (Rudi John, KURIER)
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D 1997. 87 Min
Regie: Eberhard Junkersdorf, Jürgen Richter, Michael Coldewey,
Buch: Bert Henry, Dagmar Kekulé, Georg Reichel,
Musik: Peter Wolf,
Kinostart: 3/10/1997
Als Walt Disney 1922 seine ersten Filme zeichnete - freche, in die Gegenwart versetzte Märchenadaptionen - , waren auch die "Bremer Stadtmusikanten" darunter. Es ist kaum zu verstehen, warum sein Studio in späteren Jahren der Versuchung widerstand, dieses poesievolle Tiermärchen der Gebrüder Grimm in einen Langfilm zu verwandeln. Überhaupt kennt die an Märchenvariationen so reiche Filmgeschichte nur wenige Adaptionen der Vorlage: Hubert Schongers schon zur Entstehungszeit antiquiert wirkende Version aus den 50er Jahren scheute sich nicht, die Hauptrollen von mit Tiermasken notdürftig kostümierten Schauspielern verkörpern zu lassen. Abgesehen von einem hübschen kurzen Puppenfilm der Diehl-Brüder entdeckte erst Jim Henson Anfang der 70er Jahre das wahre Potential der Geschichte für eine hinreißende Muppet-Fernsehversion.
Nun, da erstmals in größerem Umfang in Deutschland abendfüllende Trickfilme produziert werden, erscheint die Wahl des für den Trickfilm reizvollen Stoffs besonders glücklich. Verlegt in die Gegenwart, erlebt man in der Exposition in kurzen Episoden die unterschiedlichen Schicksale der Helden, die es aus verschiedenen Gründen auf Wanderschaft zieht: Buster, der Jagdhund, soll verkauft werden, weil er lieber mit hübschen Füchsinnen tanzt als sie zu jagen; Fred, der Esel, wird dem Abdecker überstellt, nachdem der Müller zur Automatisierung übergegangen ist; die Katze Gwendolyn, die von ihrer verstorbenen Tante ein Vermögen erbte, soll aus naheliegenden Gründen aus dem Weg geräumt werden; Gockel Tortellini schließlich wird von seinen weiblichen Artgenossinnen vertrieben, weil inzwischen selbst in Hühnerställen eitles Machogehabe unpopulär geworden ist. Das so aufeinandertreffende Quartett entdeckt alsbald seine Liebe zum Gesang, doch erst in der Großstadt gibt es Möglichkeiten, als Straßenmusikanten zu reüssieren. Eigentlich hatte man zu diesem Zweck nach Paris reisen wollen, doch das nahegelegene Bremen ist verlockend genug - auch wenn auf dem Ort ein Fluch lasten soll. Ein ominöser Dr. Gier und sein Großkonzern "Mix-Max" tyrannisieren die Hansestadt, in der seither Singen und Lachen verboten sind. Den Tieren aber macht Dr. Gier ein verlockendes Plattenangebot. Als sie sich jedoch weigern, etwas anderes als die Werbehymne des Konzerns anzustimmen, lernen sie die finsteren Verliese kennen, in denen sie mit zahlreichen anderen Vierbeinern vor den firmeneigenen Schlachtmaschinen zittern müssen. Ein Trick aber eröffnet ihnen die Freiheit: scheinbar zur Reue gekommen, stimmen sie bei einer Fernsehgala die Werbehymne an, die sie zum revolutionären Freiheitslied umgedichtet haben.
Nicht erst die "bandits" in Katja von Garniers gleichnamigem Musikfilm versuchen die Aufbruchsutopien ihrer Songs zu realen Fluchten zu nutzen - im Tierreich ist dergleichen schon lange bekannt. Eine einfache, klare Handlungsidee und hübsche Figurenentwürfe heben die Produktion deutlich von der Masse ab, und es ist gerade der Verzicht auf überschäumenden Aktionismus, rasantes Tempo oder anekdotische Nebenhandlungen, die den Film (etwa gegenüber Don Bluths Märchenadaptionen) auszeichnen. Insbesondere der kindlichen Wahrnehmung kommt die sorgfältige Arbeit an den einzelnen Charakteren sehr entgegen. Problematischer ist das ästhetische Konzept einer durchgängigen Kombination von Zeichentrick und Computeranimation. Da überzeugt zwar der Ansatz, die feindselige Technik und den Großstadtmoloch Bremen mit Computermitteln zu animieren - der visuelle Eindruck aber bleibt uneinheitlich. Es scheint, als habe man es mit einem jener kombinierten Trick- und Realfilme zu tun, in denen flächige Trickfiguren vor fotografierten Schauplätzen agieren. Diesen Zwiespalt hätte man nur lösen können, indem man für eine plastische Modulation der Animationszeichnungen wie in "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" (fd 27150) gesorgt hätte. Stattdessen wurde versucht, auch gemalte Hintergrundzeichnungen wie Fotografien zu behandeln, indem man sie in Unschärfe rückte. Vom Reiz jener "Multiplan"-Effekte, wie sie Disney einführte, um die Flüchtigkeit der Zeichnung zu überwinden, ist dies weit entfernt - statt realer Plastizität entsteht eher ein Eindruck des Disparaten, und gerade die Schönheit guter Hintergrundmalerei wird verschenkt. Auch die Idee eines "Metropolis" Bremen (Dr. Gier trägt die Züge des Mabuse-Darstellers Rudolf Klein-Rogge) überzeugt kaum und widerspricht insbesondere dem realen Charakter dieser Stadt. In fast jedem japanischen Anime sieht man diese finsteren Großstadtvisionen - wie reizvoll wäre es dagegen gewesen, ein Gefühl für die existierende Hansestadt und ihre Mischung aus alter und neuer, aus Wohn- und Industriearchitektur im Trickfilm zu vermitteln? Unverständlich ist die Entscheidung, alle Beschilderungen im Bild in englischer Sprache zu halten - in einem amerikanischen Film, der in Deutschland spielte, wären sie deutsch. Ästhetisch gesehen, erweckt vor allem die zweite Hälfte den Eindruck, als habe Dr. Giers leblose Technik selbst einen Teil der Gestaltung des Films übernommen. Dies ist umso bedauerlicher, als gerade die konventionell animierten Passagen vorzüglich gelungen sind. In Verbindung mit dem reizvollen und kindgerechten Drehbuch hätte aus diesem achtbaren Film ein deutscher Trickfilmklassiker werden können. (Daniel Kothenschulte, film-dienst)
Bei ihren bisherigen Besitzern haben die furchtlosen Vier keine gute Zukunft vor sich. Daher beschließen die Katze Gwendolyn, der Hund Buster, der Esel Fred und der Hahn Gwendolyn singend zu Erfolg zu kommen. Ihr Ziel ist Paris, doch durch einen verdrehten Wegweiser landen sie in Bremen. Dort residiert ausgerechnet der "Mix-Max"-Konzern des fiesen Dr. Gier. Sie landen in seinen Fängen und versuchen gemeimsam sich und einige Artgenossen zu befreien.
Ein perfekter deutscher Zeichentrickfilm, der in jederlei Hinsicht mit Disney-Filmen mithalten kann. Tolle Musik, perfekte Zeichnungen, eine rührende (Happy End-)Story sowie bekannte Sprecher (Mario Adorf, Klaus-Jürgen Wussow, ...) lassen einen hoffentlich auch internationalen Erfolg erhoffen. (film.de)
Sind Animationsfilme nur für Kinder da? Irgendwie schon, aber nicht unbedingt. Dieser furiose Trickfilm aus Deutschland begeistert auch Erwachsene. Regisseur Eberhard Junkersdorf hat eine High-Tech-Variante des Märchens von den Bremer Stadtmusikanten angefertigt.
Esel, Hund, Katze und Hahn müssen sich in einem düsteren Bremen, dessen Stadtansichten an den legendären „Blade Runner“ erinnern, gegen die Machenschaften des ultrabösen MixMax-Konzerns durchsetzen. Das gelingt ihnen mit Mut und köstlichem Chorgesang. Der fetzige Soundtrack stammt von Österreichs Rockstar Peter Wolf. Die Sprecher: Mario Adorf, Joachim Kemmer, Katharina Thalbach. (Gunther Baumann, KURIER)
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