A 1997. 90 Min
Regie: Kurt Palm,
Buch: Kurt Palm nach Flann O´Brien,
Musik: Chrono Popp,
Kamera: Wolfgang Lehner,
Schnitt: Karina Ressler,
Darsteller: Werner Wultsch (Bran), Hermann Scheidleder (Onkel), Andreas Lust (Brinsley), Andreas Karner (Dermot Trellis), Karl Ferdinande Kratzl (John Furriskey)
Kinostart: 14/11/1997
Der „geniale Dilettant“ erfüllt im Kulturbetrieb eine wichtige Funktion: Er schafft Genuß ohne Anstrengung des Begriffs und der Form, und er verdoppelt den Genuß, weil er sich sogar noch kritisch gebärdet. So ergeben sich Filme, Texte, Inszenierungen, die „mit herkömmlichen Beschreibungsmustern schwer zu messen“ sind.
Der irische Schriftsteller Flann O’Brien war mit Sicherheit kein genialer Dilettant, aber er hat gelegentlich einen simuliert. Sein Roman In-Schwimmen-Zwei-Vögel ist die stark illuminierte Vorwegnahme der Postmoderne unter deutlichem Rückbezug auf Laurence Sterne. Ein Romancier und seine Figuren führen darin einen erbitterten, dabei durchaus verschlafenen Krieg um die Vormacht über das Fiktionale: Wer erzählt wen?
Der österreichische Impresario Kurt Palm hat O’Briens Roman einer mehrstufigen Verwertung unterzogen, beginnend mit einer Marathon-Lesung, die dem „Geist“ des Buches noch recht nahe war. Aber schon die Theaterfassung, mit Szene-Figuren wie Hermes Phettberg besetzt, mußte auf die Inszenierung von elementaren Formulierungen wie der folgenden verzichten: „Einige Zeit verstrich über beiläufiger Dialektik.“
In der nun vorliegenden Filmfassung, die gleichzeitig Palms Debüt als Spielfilmregisseur darstellt, ist der Roman endgültig auf eine In-haltsangabe skelettiert, die als Mitternachtseinlage bei einem Maturaball gerade durchgehen würde: Männer ohne Nerven machen sich auf eine Reise ohne Ziel. Unterwegs sammeln sie purzelnde Asketen und gute Feen ein. Am Ende kommt es zu einem Tribunal gegen den Autor, bei dem eine Kuh die wichtigste Belastungszeugin ist. (An dieser Stelle haben einige Leute im Kino gelacht.)
Der Film hat zwar 10 Millionen Schilling gekostet, begibt sich aber mit voller Absicht in Gefilde unterhalb aller herkömmlichen Beschreibungsmuster: Deswegen darf sich niemand daran stoßen, wenn die Akteure ihren Text hilflos stammeln, ausgenommen Wolfgang Bauer und Harry Rowohlt, die als Brummbären hier ganz bei sich sind; wenn die Montage ständig unfreiwillige Verfremdungseffekte erzeugt; wenn die Spannungskurve deutlich unter die Fadgrenze sinkt (Name der rhetorischen Figur, hätte O’Brien geschrieben: Antiklimax).
Das geschieht vermutlich mit Methode, hat aber etwa mit Michael Kreihsls Charms’ Zwischenfälle nichts zu tun und ist auch im weiten Land des Skurrealismus im österreichischen Film einzigartig ungenial. Der Roman sagt die Wahrheit: „Symbolische Bedeutung des Vorhergehenden: Verdruß.“ (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 17/11/1997)
Harry Rowohlt entdeckte und übersetzte den irischen Dichter Flann O’Brien für den deutssprachigen Markt. Kurt Palm verfilmte an versponnenen Orten in und um Wien dessen Roman „In Schwimmen-zwei-Vögel“ mit Rowohlt, Karl Ferdinand Kratzl, Stefan Weber und anderen. Ab 14. November wird man das Ergebnis sehen können.
Es ist Kurt Palms besondere Note, sich mit Dingen zu beschäftigen, auf die sonst niemand käme, diese an Orten zu realisieren, die sonst niemand auswählen würde, und mit Leuten zu arbeiten, die sonst niemandem einfielen.
Er hat sich lange mit irischen Dichtern auseinandergesetzt, und daher scheint ihm der Roman von Flann O’Brien, In Schwimmen-zwei-Vögel, den er ja auch schon auf die Bühne gebracht hat, nur naheliegend. Ein „Monumentalwerk“, wie es der Übersetzer und nun im Film als Schauspieler agierende Harry Rowohlt nennt: „Fast jeder, der es liest, ist danach für die Gegenwartsliteratur verloren.“
Als ich Rowohlt nach seinen Kenntnissen der irischen Sprache frage, meint er: „Null. Weil sowieso nur drei Prozent aller Iren Gälisch können, finde ich, wenn ich das auch noch könnte, wäre das schon ein bißchen sehr deutsch. Ich glaube, daß es inzwischen schon mehr Deutsche gibt, die es können, als Iren.“
Auf die Frage nach seinem Beruf bestätigt er ohne Zögern: „Übersetzer. Wenn man 93 Bücher übersetzt hat, ist man ja wohl hauptsächlich Übersetzer.“ Welche Autoren? „Die kennen Sie ja doch nicht.“ Aha. „Ich habe bei Suhrkamp eine dreijährige Verlagslehre gemacht“, wischt er alle Zweifel vom Tisch, er hätte vielleicht keinen „anständigen“ Beruf, „außerdem habe ich Setzer und Drucker gelernt. Ich kann also mustergültige Manuskripte abliefern, was andere Kollegen erst lernen müssen.“
„Seine Trinkfähigkeit ist enorm“, zollt ihm Karl Ferdinand Kratzl Anerkennung. Im Film spielt Rowohlt die Rolle des gewaltigen altirischen Sagenhelden Finn Mac Cool, einen wirr redenden Prahler, der ein Zwitter irischer Pub-Kultur und keltischer Redekunst ist. Kratzl spielt den John Furriskey, eine Romanfigur des Autors im Autor Dermot Trellis. Dieser, ein Romanautor, ist die Erfindung des Autors Bran, der natürlich eine Erfindung O’Briens ist. Die Figuren all dieser Autoren bevölkern den Roman, bis einer Gruppe das alles zu dumm wird, ihrem Autor Dermot Trellis den Prozeß macht und ihn umbringt.
Als ich mich Kratzl zuwandte, um mich nach seiner Rolle zu erkundigen, ergab sich folgender Dialog:
Kratzl: „Ich spiele den Furriskey, ein Bösewicht. Aber mit einer Liebesszene.“ Daraufhin muß ich zugeben, den Roman erst bis zur Hälfte gelesen zu haben, mich an keine Liebesszene erinnern könne. „Schon Kopfschmerzen?“ „Nein“, sage ich, „aber ich blicke noch nicht ganz durch und habe daher noch einmal von vorne begonnen. Diese Undurchsichtigkeit macht das Palm-Projekt so faszinierend für mich.“
Kratzl, der Philosoph unter den Kabarettisten: „Das ist eine gute Kunstdefinition, daß man sich nicht auskennt, es aber so faszinierend findet, daß man nicht loskommt davon. Das ist jedenfalls wahrhaftiger, als wenn ich von vornherein wüßte, was es ist. Da schlafe ich ja gleich ein.“
Trotz allem die Frage an Palm, welcher Teufel ihn wohl geritten habe, dieses Buch zu verfilmen. Und wie er es denn anlegen würde. Er geht gleich auf die zweite Frage ein: „Ich habe versucht, jene Strenge aus dem Roman herauszukristallisieren, die sich erstens einmal dazu eignet, den Roman filmisch umzusetzen, aber auch das Wesen und den Geist adäquat widerspiegelt. Es gibt Dinge im Roman, die für mich a priori uninteressant sind, das sind alle Geschichten, die mit irischer Politik und Geschichte zu tun haben. Das habe ich vollkommen herausgelassen. Die mythischen Sachen habe ich gelassen. Für mich ist der Film eine Mischung verschiedenster Genres. Es gibt Elemente des Abenteuer-, des Action-, des Märchenfilms, des Western, ein Genre-Mix eben, und entsprechend ist das Drehbuch geschrieben.“ Mit Laienschauspielern? „Durchaus nicht, einige sind vom Burgtheater, dann Leute wie Rowohlt und Kratzl, die schon in mehreren Filmen gespielt haben, Showleute wie Stefan Weber.“
„Ich kenne das Buch nicht“, sagt dieser. „Zuerst dachte ich, es wäre ein Westernfilm und fragte mich, was soll ich in einem Western, das liegt mir überhaupt nicht, als Cowboy herumzurennen und zu ballern. Ich warte noch auf eine große Rolle, den Romeo in ,Romeo und Julia’ oder so etwas. Ich kriege doch immer Rollen, die mir nicht liegen, Besoffene, Drogendealer, Westernheld... Ich habe mich schon bei der Löwingerbühne erkundigt, wie ein Westernheld aussieht.“
Die Komik des Romans liegt in Flann O’Briens gnadenloser Art, Denken und Lebensart der Iren zu persiflieren. In seinem Buch The Poor Mouth (An Béal Bocht), eine Erzählung, die O’Brien in gälischer Sprache verfaßte, gibt es eine Stelle, wo dies ganz unvermittelt zum Ausdruck kommt: „Wir sind gälische Iren von gälischen Vorfahren. Wer gälisch ist, wird es immerdar bleiben. Ich selbst habe vom Tage meiner Geburt an nie etwas anderes gesprochen als Gälisch... Es gibt nichts Schöneres und nichts Gälischeres in diesem Leben als wahre und wahrhaftige gälische Iren, die in reinem gälischen Gälisch über die gälische Sprache sprechen... Lang lebe die gälische Sprache!“
In O’Briens Prosa, auch der englischen, verbinden sich verschiedene literarische Techniken, die allesamt auf die Satire ausgerichtet sind: Übertreibung, Verzerrung, Vermischung von Stilelementen, Handlungsebenen und Personen. Allein die Orte, an denen die Handlung festgezurrt ist, purzeln durcheinander, als würde Würfelpoker gespielt.
„In Schwimmen-zwei-Vögel“ erhält seinen Titel von einer Insel im Shannon, dem schönsten und längsten Fluß Irlands. Die Insel „Swimm-Two-Birds“ (Snámh-dá-én) ist jener Ort, an dem sich Sweeny, ein wahnsinnig gewordener keltischer König mit einer Vorliebe für Baumhäuser und -höhlen, der Sage nach aufgehalten haben soll. Die Orte der Handlung sind ebenso mythenbehaftet wie die Figuren, die jedoch selbst dann, wenn sie keine mythischen Figuren sind, vom Autor den Mythos auf den Leib geschrieben bekommen.
Diese Konfigurationen in die Sprache des Films zu übersetzen, dürfte sicher die große Herausforderung für Regisseur Kurt Palm gewesen sein. Vielleicht ein absolut unmögliches Unternehmen. Und daher ein Wagnis, wie er es zu lieben scheint. (Frank Tichy, DER STANDARD, 7/11/1997)
Theaterregisseur Kurt Palm hat mit "In Schwimmen-zwei-Vögel" sein Kinodebüt absolviert: eine österreichisch-irische, überfüllte kleine Groteske nach einem Text Flann O'Briens.
Schauspiel ist eher ein Hilfsausdruck für das, was die Leute in diesem Film tun: Nur im aller-elementarsten Sinn lassen sich die Darstellungen in In Schwimmen-zwei-Vögel als Schau-Spiel bezeichnen, weil sie eher nur ein Spiel mit dem Schauwert der Mimen hier sind. Die vielen Auftretenden stehen nicht für etwas, sie sind nur. Die Geschichte, um die sich Kurt Palms Regiedebüt rankt, ist alles andere als leicht erzählt: Ein Schriftsteller berichtet von seinen Bemühungen, einen Roman zu starten. Darin treffen Figuren aufeinander, die nicht recht zusammenpassen und ihrerseits von allem Anfang an ein Eigenleben führen: Die Erzählung, durch die Cowboys, Bohemiens, Sagenhelden und irische Arbeiterdichter streifen, beginnt die Ebenen so konsequent zu wechseln, daß Räume und Zeiten entwertet werden - bis nichts als die reine Fiktion, die narrative Materie, aus der die Literatur (in Palms Fall auch: das Kino) sich speist. In Schwimmen-zwei-Vögel, nach einem Roman Flann O'Briens (Originaltitel: At Swim-Two-Birds) gedreht, bezeichnet erstens einen Ort in Irland - und eben den Versuch, auf mehreren Ebenen auch als Film nutzbar zu sein: als Komödie, als Studie des Selbstreflexiven, als abgefilmtes Absurdes Theater.
Palms Unterfangen fügt sich - nahtloser als man glauben könnte - in eine bestimmte Tendenz im neuen österreichischen Film: Viele der jüngeren Arbeiten, von Michael Kreihsls Charms Zwischenfälle bis zu Hanekes Das Schloß, operieren in diesem Gebiet, aufgerieben zwischen Theater und Film, Hysterie und Trauer, Selbstreflexion und Weltabbildung.
Bigger than life, könnte man sagen, ist alles an diesem Film: Harry Rowohlt, der - als Übersetzer O'Briens eine perfekte Wahl - dieser verwirrten Geschichte eine gewisse Monumentalität verleiht; die seltsame Musik des Chrono Popp, die jede triviale Kehrtwendung phantastisch färbt; oder die Ausstattung Ursula Hübners, die gerade in den desolaten Lebensräumen der Protagonisten dieses Films eine Liebe zum bizarren Detail entwickelt, die doch sehenswert ist. Die Kippbewegung ist das Leitmotiv: Vom Kostümfilm schlingert Palm in einen niederösterreichischen Western, von dort aus, unter anderem, umweglos in das Billig-Splatter-Movie. In Schwimmen-zwei-Vögel stellt, wenn man will, die Perversion des heimischen Kabarettfilms dar, die letzte Zündstufe des Abstrusen im Kino - und in dieser Hinsicht markiert Palms Arbeit einen Endpunkt: Von hier aus geht gar nichts mehr.
Mit sichtbarer Lust an einer Art Gegen-Schönheit hat Palm besetzt: Karl Ferdinand Kratzl nackt, das ist eine Herausforderung an die Blicklust, die man dem Kino nachsagt; und etwa Andreas Sobik oder der dämonische Johannes Freisinger, die zu den wenigen realen Schauspielern hier gehören, auch sie spielen, hat man den Eindruck, eher nur ihren seltsamen Fassaden hinterher. Palm, wenn man das nach Arbeit eins schon sagen darf, ist ein gesichts- und körperfixierter Filmemacher.
Zu den Problemen von In Schwimmen-zwei-Vögel gehört die Tatsache, daß jede Szene neue Assoziationen produziert und sehr diverse kulturelle Produkte nahelegt: Wenn "Drahdiwaberl"-Boß Stefan Weber als gunman die Szenerie betritt, denkt man an die Western Helge Schneiders; wenn der wahnsinnige König im Vogelnest hoch oben im Baum sitzt, fühlt man sich Monty Python nahe; und Fritz Ostermayers klerikale Semi-Persiflage erinnert wieder an Palms Theaterarbeit. Zuviel Kultur, zuviele Quellen, zuviel Meta-Spaß: Am Ende, nach dem personellen und erzählerischen Overkill dieser wendungsreichen O'Brien-Adaption, bleibt allerdings das Gefühl zurück, daß sich das Kino inmitten einer Kino-Überbeanspruchung selbst verloren hat. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 15/11/1997)
Ein Außenseiter. Der Palm. Erfinder von Hermes Phettberg und der "Nette Leit Show", notorischer Regisseur avantgardistischen Theaters. Jetzt hat er 90 Minuten Filmmaterial belichtet, manche würden lieber sagen: Unterbelichtet. Aber halt: Nur keine Ungerechtigkeiten. Im nur scheinbar seichten Gewässer schwimmen Originalität, Schalk, (Selbst)ironie sowie untergründelnder Witz und alles keineswegs den Bach hinunter. Also mehr, als von etlichen österreichischen Hervorbringungen fürs Kino gewohnt. Insofern ging Palm freilich kein Risiko ein, als er von Haus aus nach einem exotisch gemusterten Stoff griff: Beim Roman des Iren Flann O'Brien ist nicht nur der Titel absichtsvoll verkeilt. Auch hat bei ihm Erheiterung mit Anheiterung zu tun, seine Lustigkeit Lust auf Tragik. Dem tut der Film gleich, auf ähnlich vertrackte Art. "Er genoß die Hilflosigkeit seiner Figuren, die ihm völlig ausgeliefert waren", heißt es bei einem Autor, der einen Schriftsteller erfindet, der seinerseits Autoren kreiert. Da steckt im Körper der Gruselstory ein Muskel- stück Heldenepos, eine Speckschwarte Westernromantik, blutet wund eine wehleidige Königssage, geht eine gute Fee den Weg aller Tugend und ein Teufel zu sich selbst. Die ineinander verschachtelte Handlung er- innert an jene russischen Marioska-Puppen, die so lange eine jeweils kleinere Kopie in sich tragen, bis man zuletzt auf den harten Kern gerät. Nur den sucht man "In Schwimmen-zwei-Vögel", benannt nach einer Insel im Shannon, die nur im Buch vorkommt, vergeblich. Was man findet, sind Kalauer ("Er wollte ums Verrecken nicht Sterben"), einen abstrusen Figurenfundus, fantasievolle Fallstricke und doppelten dramaturgischen Boden. Palms Gemütszustand diebischer Freude sucht Gleichgesinnte und wird sie finden. Wieviele, muß sich zeigen. Bei der "Nette Leit Show" waren es auch ein paar mehr, als viele dachten. (Rudi John, KURIER)
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USA 1997. 139 Min
Regie: Jean-Jacques Annaud,
Buch: Becky Johnston nach Heinrich Harrer,
Musik: John Williams,
Kamera: Robert Fraisse,
Schnitt: Noëlle Boisson,
Darsteller: Brad Pitt (Heinrich Harrer), David Thewlis (Peter Aufschnaiter), B.D. Wong (Ngawang Jigme), Mako (Kungo Tsarong), Danny Denzogpa (Regent), Jetsun Pema (Great Mother)
Kinostart: 10/10/1997
1939 macht sich der Österreicher Heinrich Harrer (Brad Pitt) in den Himalaya auf. Sein Ziel: Der Nanga Parbat. Doch die Expedition mit seinem Landsmann Peter Aufschnaiter (David Thewlis) wird infolge des Zweiten Weltkrieges gestoppt, beide landen in einem Gefangenenlager. Nach etlichen mißglückten Versuchen gelingt ihnen der Ausbruch, sie irren auf der Flucht in Richtung Tibet umher und landen schließlich in der verbotenen Stadt Lhasa. Harrer wird dort zum Berater des jungen Dalai Lama, dem er westliche Neuigkeiten vermittelt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Um jedoch seinen eigenen Sohn nicht gänzlich zu verlieren, kehrt Harrer nach sieben Jahren nach Österreich zurück. Peter Aufschnaiter dagegen heiratet in Tibet und bleibt dort.
Der Film basiert auf den Memoiren des bekannten Bergsteigers und zeigt einen faszinierenden Blick in die einsame Berglandschaft des Himalaya und die geheimnisvolle Stadt Lhasa. Dabei wird die Bedrohung und Invasion Chinas dargestellt. Der Ablauf hat jedoch einige Längen, der über 130minütige Film hätte problemlos auf spannende 90 gekürzt werden können. (film.de)
Loblied auf einen selbstsüchtigen Nazi, purifizierte Bergsteiger-Story oder spirituelles Bekehrungsdrama? "Sieben Jahre in Tibet" liefert von allem ein bißchen, kann sich aber für nichts entscheiden. Brad Pitt spielt Heinrich Harrer, den legendären und von der neuesten Forschung politisch angekratzten österreichischen Bergsteiger. Mehr als alles andere ist "Sieben Jahre in Tibet" ein Brad-Pitt-Film geworden. Mit gebleichtem Haar und (im amerikanischen Original) dickem Akzent drängt er sich in nahezu jede Einstellung, seinen Verehrern auch als arroganter Arier generös austeilend, was sie von ihm erwarten: sein unwiderstehliches Lachen und seine blanke Brust. In den Schatten verweist ihn eigentlich nur der 14jährige Sohn eines Diplomaten aus Bhutan, der die Rolle des jugendlichen Dalai Lamas spielt: eine Offenbarung an Ehrlichkeit, Spontaneität und kindlicher Spiritualität - krasser Gegensatz zu dem angelernten Glamour des Hollywood-Stars, der selbst verschmutzt und zerlumpt und angeblich am Ende seiner Kräfte immer noch Brad Pitt bleibt.
Pitts Charisma steht in merkwürdigem Kontrast zu der Rolle, die er spielt. Denn der junge Heinrich Harrer ist kein Sympathieträger. Der Film führt ihn sogleich als egozentrischen Karrieristen ein, der seine hochschwangere Frau verläßt, um sich einer deutschen Expedition zum Nanga Parbat anzuschließen. Auch in der Gemeinschaft der Bergsteiger bleibt er ein Außenseiter. Die Eroberung des Berges mißlingt, und der ausbrechende Zweite Weltkrieg führt für die Expeditionsmitglieder in ein englisches Kriegsgefangenenlager. Dort in der Isolation beginnt Harrer, erste Vatergefühle zu entwickeln, und erfährt vom Scheidungsbegehren seiner Frau. Nach vielen mißlungenen Versuchen gelingt ihm die Flucht aus dem Lager. Gemeinsam mit dem ehemaligen Expeditionsleiter kommt er nach Tibet. Mit Geschick, Verstellung und mehr als ein paar Notlügen gelangen die beiden nach Lhasa, der verbotenen Stadt. Es dauert nicht lange, bis der heranwachsende Dalai Lama auf Harrer aufmerksam wird. Er hofft, der Europäer könne ihm die tausend Fragen beantworten, die ihn beschäftigen und die nichts mit der buddhistischen Philosophie zu tun haben. Harrer erweist sich als nützlich, bastelt ein Radio und baut dem Dalai Lama sogar ein richtiges Kino. Er erliegt der Faszination seiner Umgebung und beginnt gleichzeitig, in dem jugendlichen Dalai Lama ein Surrogat für den verlorenen eigenen Sohn zu sehen.
"Sieben Jahre in Tibet" gibt sich Mühe, so authentisch wie möglich zu sein. Obgleich aus finanziellen und politischen Gründen in den Anden statt im Himalaya gedreht werden mußte, sieht alles ganz echt aus. Annaud ließ sogar 100 tibetanische Mönche importieren, um sein Lhasa an der argentinisch-chilenischen Grenze mit Authentizität auszustatten. Schon in seinen früheren Filmen hat er bewiesen, daß er mit Landschaften umgehen kann. Auch hier sind die Panoramen der kargen Hochgebirswelt das Beste, was der Film zu geben hat. Die Wandlung Heinrich Harrers vom arroganten Egoisten zum Menschenfreund bleibt hingegen in abstrakten Dialoghinweisen stecken. Annaud läßt die Story so ungehindert ausufern, daß der Zuschauer längst jedes Interesse an der Psychologie des blonden Helden verloren hat, bevor die eigentliche Handlung losgeht. Viel von dieser Unkonzentriertheit ist aber auch dem Drehbuch zuzuschreiben, das kaum Anlaß liefert, etwas anderes als eine Neuauflage der exotischen Hollywood-Epen der 50er Jahre zu inszenieren. All der äußere Aufwand erweist sich letztlich als verschenkt. Weder die historischen und politischen Implikationen, die zur Besetzung Tibets durch Maos chinesische Kommunisten führen, werden aufgearbeitet, noch vermittelt der Film auch nur einen Hauch von dem spirituellen Reichtum der buddhistischen Religion. Jeder Ansatz zur Vertiefung bleibt in hohlen Sprechblasen stecken, die peinlich an amerikanische Seriengeschichten vom Schlage "Kung Fu" erinnern. Wer sich für das Sujet interessiert, ist nach wie vor besser beraten mit Frank Capras 60 Jahre altem Film "In den Fesseln von Shangri-La" (wohlgemerkt nur in der ungekürzten Fassung) oder sollte lieber auf Martin Scorseses "Kundun" warten. (Franz Everschor, film-dienst)
Hollywoodstars und Popidole engagieren sich in Filmen und Benefizkonzerten für ein freies Tibet. Vor dem Start der Bestsellerverfilmung "Sieben Jahre in Tibet" sorgten Enthüllungen aus der Nazi-Vergangenheit des Autors Heinrich Harrer für Turbulenzen.
Wohin immer es ihn noch verschlagen werde, "die Sehnsucht nach diesem Land wird mich begleiten", notierte der Forscher am Ende seiner Reise. Das Anliegen seines Berichts aber sei nicht sentimental, sondern politisch: Es gehe ihm darum, "Sympathie zu wecken für ein Volk, dessen Wille, in Freiheit und Frieden leben zu dürfen, in der Welt bisher sowenig Beachtung gefunden hat".
"Sieben Jahre in Tibet" heißt der Reisebericht, den der Österreicher Heinrich Harrer im Jahr 1952 veröffentlichte; in 48 Sprachen übersetzt und bislang rund viermillionenmal verkauft, wurde das Buch zum Weltbestseller.
Erst jetzt aber scheint es, als gehe der Wunsch des Autors in Erfüllung: Unter den Stars der amerikanischen Unterhaltungsindustrie scheint es derzeit kaum ein wichtigeres Thema zu geben als den Freiheitskampf der Tibeter gegen die seit 1950 andauernde Okkupation ihres Landes durch China - und Hollywood stellt sich an die Spitze der Bewegung, die gespeist ist aus Verehrung für den Dalai Lama, spiritueller Schwärmerei und Antikommunismus.
Jean-Jacques Annauds Verfilmung der "Sieben Jahre in Tibet" (mit dem auf arisch blondierten Brad Pitt in der Rolle Harrers), die nächste Woche in die deutschen Kinos kommt, macht nur den Anfang. Zu Weihnachten startet "Kundun", Martin Scorseses Version der Lebensgeschichte des Dalai Lama, in den USA - und dort bereits angelaufen ist der Anti-China-Thriller "Red Corner" mit Richard Gere.
Der bekennende Buddhist Gere spielt einen US-Geschäftsmann, der in Peking fälschlich des Mordes an einer jungen Frau beschuldigt wird und in die Mühlen der chinesischen Willkürjustiz gerät.
Am vergangenen Mittwoch versuchte sich Gere im Washingtoner Lafayette Park zudem als politischer Redner: Sein Appell für ein freies Tibet richtete sich weniger an die knapp 2000 Demonstranten als an Chinas Staatspräsidenten Jiang Zemin, der 200 Meter entfernt im Weißen Haus bei Bill Clinton zu Gast war. Gemeinsam mit der "International Campaign for Tibet" organisierte Gere - als Gegenprogramm zum State Dinner mit Clinton und Zemin - ein "Stateless Dinner" mit Hollywood-Prominenz wie Harrison Ford, Uma Thurman und Sharon Stone.
Die Tibet-Begeisterung der US-Stars belegen auch Popsänger wie Tina Turner und Paul Simon, die mit dem Buddhismus sympathisieren; der New Yorker Musiker Adam Yauch, als Mitglied der Gruppe Beastie Boys zu Ruhm gekommen, organisiert eine "Free Tibet"-Konzertreihe und hat damit bereits knapp zwei Millionen Mark gesammelt. Eine CD und ein Konzert-Film sollen weiteres Geld für den guten Zweck einbringen.
Die kraftvollste Agitation zugunsten der Tibeter aber kommt aus Hollywood. Offenbar hat die Filmindustrie China den Propagandakrieg erklärt. "Sieben Jahre in Tibet" und "Kundun" zeigen, worüber Staatsmänner und Wirtschaftslenker nur ungern sprechen: die brutale Unterdrückungspolitik im von China besetzten Tibet.
Weil, so der US-Autor und China-Fachmann Orville Schell, "Mickymaus im Gegensatz zu Madeleine Albright sehr schwer zu kontrollieren ist", gab es schon während der Dreharbeiten für "Kundun" und "Sieben Jahre in Tibet" massiven Druck von chinesischer Seite. Weder Scorsese noch Annaud durften in Tibet drehen, der eine wich nach Marokko, der andere in die Anden aus. Außerdem drohte Peking dem Disney-Konzern, der Scorseses Film produzierte, mit Nachteilen auf dem Riesenmarkt China. Pläne für einen Disneypark bei Schanghai sind vorerst blockiert.
Diverse Stars, darunter Tibet-Aktivist Gere, prangerten sogleich den Versuch "der weltweiten Zensur" an - und da Disney weder das Gesicht noch seine Stars verlieren wollte, blieben die Manager bei dem 50 Millionen Mark teuren "Kundun"-Projekt. Schließlich engagieren sich auch Paul Newman, Ethan Hawke, Goldie Hawn und die Regisseure Oliver Stone, George Lucas und Bernardo Bertolucci für die unterdrückten Tibeter und den Dalai Lama.
Mitunter zeitigt das Engagement der Entertainer bizarre Folgen. In vielen US-Kinos, die "Sieben Jahre in Tibet" zeigen, läßt die "International Campaign for Tibet" seit Anfang Oktober 300 000 Informationspakete verteilen - die Kombination von Kino-Emotion und Aufklärung rührte etwa die Sängerin Mariah Carey zu Tränen, zumal sich die Tibeter, wie sie sagt, "so um alle Lebensformen sorgen, sogar um Würmer".
Die "Washington Post" beobachtete verwundert, daß in der Sache Tibets konservative Abtreibungsgegner "gemeinsam mit Gewerkschaften, Liberaldemokraten, Menschenrechtsorganisationen und so überraschenden Verbündeten wie dem Talkshowmaster Oliver North mobil machen".
Im Fall von "Sieben Jahre in Tibet" kollidierte der geballte Goodwill allerdings mit neu aufgetauchten Details aus der Biographie des Autors Heinrich Harrer. Der hatte in seinen Büchern verschwiegen, daß er 1938 der NSDAP und der SS beigetreten war. Als ein österreichischer Rundfunkjournalist in US-Archiven Unterlagen über die Nazi-Vergangenheit Harrers - unter anderem ein (möglicherweise rückdatiertes) Dokument für seine SA-Mitgliedschaft - fand und diese im "Stern" veröffentlichte, war "Sieben Jahre in Tibet" allerdings schon abgedreht.
Regisseur Annaud ließ sich mit dem Satz "Ich hatte immer das Gefühl, daß an der Geschichte etwas nicht stimmte" zitieren und ging durch ein paar nachträgliche Änderungen des Films auf die neuen Fakten ein: Der Kino-Harrer übt nun ansatzweise Reue für seine Nazi-Vergangenheit.
Der reale Harrer antwortet auf die Vorwürfe im SPIEGEL-Gespräch genauer: "Es ist absoluter Unsinn, daß wir die Eiger-Nordwand für die Nazis bestiegen haben", rechtfertigt er sich - gibt aber auch zu, seine SS-Mitgliedschaft sei "einer der großen Irrtümer meines Lebens" gewesen. China kam der Skandal gelegen, um den Pro-Tibet-Film als Nazi-Film zu denunzieren.
Der Film selbst ist eher ein opulent bebildertes Abenteuerepos als ein Werk der Agitation. In gemächlicher Pracht erzählt Annaud nach, wie der Österreicher Harrer im Mai 1939 zu einer "großdeutschen" Nanga-Parbat-Expedition aufbricht, bei Kriegsausbruch in britische Gefangenschaft gerät und schließlich mit dem haßgeliebten Seilgenossen Peter Aufschnaiter (David Thewlis) in Richtung Tibet flüchtet.
Nach fast zweijähriger und rund 2500 Kilometer langer Wanderung durch die Himalaja-Region betraten Harrer und Aufschnaiter am 15. Januar 1946 die für "Langnasen" in der Regel verbotene Hauptstadt Lhasa. Die Tibeter päppelten die Fremden auf und faßten schließlich Vertrauen zu ihnen. Um ihm westliches Wissen zu vermitteln, wurde Harrer zum damals 14jährigen Dalai Lama vorgelassen. Bis heute gehört er zu dessen Freunden.
Der Film endet wie Harrers Buch kurz nach der Besetzung Tibets - und also mit der Vertreibung aus dem Paradies.
Tibet, das bereits in der Zwischenkriegszeit durch den auch verfilmten Bestseller "Der verlorene Horizont" als magischer Ort verklärt wurde, hat bis heute wenig von seiner Faszination eingebüßt: Mag die Kultur des lange von der Außenwelt abgeschlossenen Landes von den Chinesen auch zunehmend zerstört sein - für westliche Tibet-Begeisterte wie Richard Gere verspricht der Kampf um das Land Erlösung von "jenen Kräften in mir selbst, die mich unzufrieden und unglücklich machen".
Gegen die Strahlkraft des Dalai Lama und seiner Hollywood-Unterstützer bringen die Chinesen demnächst ihr erstes eigenes Film-Geschütz in Stellung. Sie engagierten den früheren Chef des Hollywood-Studios Tri Star und ließen ihn einen Tibet-Historienfilm drehen - mit anti-westlicher Propaganda. In "Red River Valley" planen böse Briten die Besetzung Tibets. (DER SPIEGEL 45/1997)
"Sieben Jahre in Tibet": Der Franzose Jean-Jacques Annaud läßt den Amerikaner Brad Pitt in der Rolle des Österreichers Heinrich Harrer die Herzen der Tibetaner erobern.
Es wird der Tag kommen, an dem Reinhold Messners Begegnung mit dem Yeti als Kostümmelodram auf der Leinwand erscheinen wird. Aber vorher ist - ohnehin längst überfällig - ein älterer Star-Alpinisten-Kollege an der Reihe: Heinrich Harrer, der Eiger-Nordwand-Pionier und Himalaya-Abenteurer, der seine schriftstellerischen Neigungen sehr geschickt zur Pflege seiner Heldenaura nutzte.
Im Jahr 1953 erschienen Harrers Tibet-Reiseerinnerungen - und es ist erstaunlich, daß der langjährige Verkaufserfolg des Buches die Spielfilm-Megalomanen nicht schon längst auf den Plan gerufen hat. Die Grenzerfahrungen von Männern über der Baumgrenze haben nun einmal einen bestimmten Popularitätsbonus. Und wenn diese Männer auch noch aussehen wie Brad Pitt, hat man es sozusagen schon mit einem Pop-Hit zu tun.
Tatsächlich sind die ersten zwanzig Minuten von Sieben Jahre in Tibet packend genug, um nicht nur Dia-Vortrag-Anhänger in Bann zu ziehen: Nachdem Harrer (Pitt) sich im hakenkreuz-behangenen Grazer Bahnhof im Streit von seiner Frau verabschiedet hat, nimmt er mit dem erfahrenen Bergsteiger-Kollegen Peter Aufschnaiter (David Thewlis) den Nanga Parbat in Angriff. Von Gewissensbissen über sein egoistisches Verhalten der hochschwangeren Gattin gegenüber geplagt, unterlaufen ihm beim Aufstieg einige Patzer, die seinem Team einmal fast das Leben kosten.
In lapidar skizzierten, zugleich äußerst spannungsvoll montierten Szenen vermittelt Annaud auf eindrucksvolle Weise das feeling einer solchen Extremtour. Aber eine Lawine bereitet der Tour - und diesem Film-Kapitel - ein frühes Ende. Als Kriegsfeinde werden Harrer und Aufschnaiter von den Briten in einem Gefangenenlager interniert, von wo aus sie in einer aufreibenden Flucht nach Tibet gelangen.
Tibet präsentiert sich den Abenteurern schließlich als eine Art Paradies, in dem sie nicht nur Freunde fürs Leben gewinnen, sondern auch als Kultur-Apostel geschätzt werden. Während Aufschnaiter die tibetanische Schneiderin und einzige attraktive Frau am Ort Pema Lhaki zur Frau nimmt, wird Harrer bald zum Hausfreund und Privatlehrer des 11jährigen Dalai Lama.
Aus der tiefen Wertschätzung, die Heinrich Harrer in seinen Reiseerinnerungen für die tibetanische Kultur und Religion zum Ausdruck bringt, wird bei Annaud ein freundschaftlich gestimmter Kultur-Kolonialismus: Brad Pitt verleiht dieser Figur einen gönnerhaften Charme, dem sich der liebenswerte junge Dalai Lama freilich nicht entziehen kann. Im Nu zum Intimberater Seiner Heiligkeit avanciert, wird Harrer zum mondän gebildeten Heilsbringer eines Bergvolks, das von Annaud zum Lieferanten farbenfroher Kulissen degradiert wird.
Sieben Jahre in Tibet ist aber nicht nur Abenteuerfilm, sondern sehr vordergründig auch Persönlichkeitsdrama: die Geschichte eines eigensüchtigen Starrkopfes, der im Laufe seiner Odyssee zum jovialen Zivilisationsbotschafter reift. Kern des Dramas bleibt der Umstand, daß Harrer seinen in der fernen Heimat aufwachsenden Sohn an einen "neuen" Vater verliert, noch bevor er ihn jemals zu Gesicht bekommen hat.
Im Vergleich zur Dimensionierung dieses Familiendramas haben die salopp eingeflochtenen historischen Tragödien des Films - Österreich im Nazi-Taumel und der Einfall Chinas in Tibet - rein dekorativen Charakter. Als Harrer schließlich nach Österreich zurückkehrt, besucht er seinen verlorenen Sohn: Mit einer vom Dalai Lama geschenkten Spieldose lockt er den Bub, der sich vor seinem geläuterten Rabenvater versteckt hat, aus dem Badezimmer. Zu irgendwas war die Begegnung mit der tibetanischen Kultur also doch gut. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)
Heinrich Harrers Leben für Tibet kommt nun ins Kino. Seine SS-Vergangenheit wird ihm immer noch angekreidet.
"Du bist der beste Botschafter für Tibet." Diese Anerkennung erhielt Heinrich Harrer, Österreichs bedeutendster Bergsteiger, einst höchstpersönlich vom geistlichen Oberhaupt Tibets, dem im Exil lebenden Dalai Lama. Zur US-Premiere des Kinofilms "Sieben Jahre in Tibet", der Verfilmung des gleichnamigen autobiographischen Buches von Harrer, war der 85jährige Tibet-Forscher nicht geladen worden, berichtet die britische Zeitung "The Guardian". Mit Absicht. Im Mai 1996 hatte Harrer öffentlich bekannt, daß er 1938 der NSDAP und der SS beigetreten war. Ein ungünstiger Moment für die Filmproduzenten, da die Dreharbeiten des 70-Millionen-Dollar-Epos unter der Regie von Jean-Jacques Annaud mit Hauptdarsteller Brad Pitt voll im Gange waren.
Die emotionalen Wogen glätteten sich vorerst. Der aus Kärnten gebürtige Bergpionier drückte in einer Presseaussendung sein Bedauern aus. Die Nazi-Mitgliedschaft, die für ihn nur ein formaler Akt gewesen sei, bezeichnete er als "eine Verirrung", die "vielleicht größte" seines Lebens, und: "Ich bedauere sie zutiefst." An Kriegsverbrechen konnte Harrer nicht beteiligt gewesen sein. Er geriet 1939 auf dem Rückweg von seiner Expedition zum Nanga Parbat als feindlicher Deutscher in Gefangenschaft der britischen Kolonialmacht. Mit einer dreiseitigen Story zum Thema "Harrer" wartete nun der britische "Guardian" auf.
Der wahre Grund für Harrers unrühmliche Vergangenheit liege laut "Guardian" im Herzen der Nation selbst. In Österreich hätten Sportarten wie Bergsteigen, ähnlich wie der Fußball in England, quasi-religiösen Status. Der "Deutsch-Österreichische Alpenverein", dem Harrer angehörte, habe mit seinen faschistoiden Zügen als geistiger Hintergrund maßgeblich Harrers nationalsozialistische Vergangenheit beeinflußt. Ein weiterer Auswuchs nationalsozialistischer Rassenideologie seien Expeditionen nach Tibet gewesen. Das Nazi-Regime habe eine besondere Affinität zu Tibet gehegt, berichtet der "Observer".
SS-Reichsführer Himmler vermutete im tibetischen Volk, das angeblich aus Skandinavien ausgewandert war, einen verlorenen Arier-Stamm und schickte daher seine Wissenschaftler nach Tibet. Die freundliche Aufnahme des Volkes brachte dem Dalai Lama den Vorwurf ein, ein Freund der Nazis gewesen zu sein - die "Beijing Review" dementierte dies heftig.
Allen Einwänden zum Trotz versprechen die "Sieben Jahre in Tibet" ein Kassenschlager zu werden. Die Österreich-Premiere findet in Anwesenheit von Heinrich Harrer am heutigen Mittwoch in Graz statt. (DIE PRESSE, Susanne Kummer, 12/11/1997)
Ein Österreicher als Hollywoodheld. Einer dieser strahlenden, verwegenen Burschen von Schrot, Kimme und Korn, wie sie ein anderer Österreicher nur spielen darf. Allein das wäre Motiv genug zum Filmanschauen. Diesen Fall haben wir ja definitiv noch nie gehabt; zum Worldwide Hero solcher Art war bisher Amadeus nicht heroisch genug, Schindler schon, aber zuwenig Österreicher, und Baron von Trapp eh nur Statist.
Dagegen Heinrich Harrer, einer von uns, noch am Leben und schon really bigger than life, dazu äußerst wohlmodelliert in Adonisgestalt von Superdarling Brad Pitt. Sehenswert natürlich auch dieser, zumal in Unterhosen. Und dazu die Weisheit dieses Kinostücks, seine Zentralfigur vom zähledernen, kruppstahligen Volkshelden voll häßlicher Charakterfehler zum erkenntnisinnigen, fühlenden Herzenshelden reifen zu lassen. Als seis damit nicht genug, bezaubert der französische Regiemagier Annaud mit dem mystischen Reiz einer fernen, exotischen und paradiesisch scheinenden Welt, dem theokratischen Mönchsstaat Tibet.
Sowieso faszinierend und packend, sogar noch fünfzig Jahre danach, das (Über-)Lebensabenteuer des Kärntners Heinrich Harrer. Der als Erstbesteiger der Eiger-Nordwand seinen Ruhm in einer nazideutschen Nanga-Parbat-Expedition mehren wollte. Dabei scheiterte. Vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht, in Indien in britische Gefangenschaft geriet. Flüchtete und schließlich nach langen Irrwegen tibetanisches Asyl erhielt. Vertrauter und Lehrer des damals elfjährigen Gottkönigs Dalai-Lama wurde.
Dabei wohl mehr lernte als lehrte. Ach ja, das „Nazi! Nazi!“-Geschrei. Dagegen ist nichts zu sagen, wo es als Anklage oder Warnung angebracht scheint. Aber bei Harrer...
...sollte ihm jemals wirklich brauner Dreck angehaftet haben, so hat er sich den längst ehrlich abgeschrubbt; auch blond ist er längst nicht mehr. Harrer wurde wirklich und gilt noch immer als enger Freund des Dalai-Lama. Buddhismus und Faschismus aber schließen einander aus wie Wasser und Feuer.
Die Verfilmung von Harrers autobiographischem Buch schildert akkurat die Geschichte einer Wandlung. Vom hochfahrenden, selbstgefälligen, egomanischen und -zentrischen Einzelgänger zum Bereuenden, Einsichtigen, ja Erleuchteten. Tibets Gebetsmühlen mahlten da langsam, aber sicher. Also doch eine Einschränkung, also doch nicht einer der lupenreinen Hollywoodhelden. Denn die bleiben sich letztlich immer gleich. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
USA 1997. 123 Min
Regie: Mimi Leder,
Buch: Michael Schiffer, Andrew Cockburn, Leslie Cockburn,
Musik: Hans Zimmer,
Kamera: Dietrich Lohmann,
Schnitt: David Rosenbloom,
Darsteller: George Clooney (Thomas Devoe), Nicole Kidman (Julia Kelly), Marcel Iures (Dusan Gavrich), Alexander Baluyev (Alexsander Kodoroff)
Kinostart: 14/11/1997
Infolge des START-Abkommens werden im Ural Atomraketen abgebaut. Zehn Sprengköpfe sollen mit einem Zug in ein Entsorgungslager transportiert werden. Doch keine Stunde später explodiert der Zug mit einer riesigen Atomexplosion. Es sieht nach einem tragischen Unfall durch einen Frontalzusammenstoß mit einem Personenzug aus. Doch das Weiße Haus geht auf Nummer sicher und entsendet den Spezialisten für Atomschmuggel Colonel Thomas Devoe (George Clooney) und die Nuklear-Wissenschaftlerin Dr. Julia Kelly (Nicole Kidman). Diese finden schnell heraus, daß die Explosion nur die Kraft von einer oder zwei Sprengköpfen hatte. Vermutlich wurden die übrigen zuvor entfernt. Die beiden entdecken die gefährliche Fracht beim Transport in den Irak. Zwar gelingt es ihnen, den Konvoi zu stoppen, doch ein Sprengkopf fehlt. Dieser befindet sich in der Hand eines serbischen Extremisten, der ihn vor der UN in New York zünden will...
Spannende Unterhaltung in klassischem Stil. Dies ist zwar nicht besonders überraschend, aber professionell umgesetzt. (film.de)
Sicher: "Projekt: Peacemaker" ist das jüngste Manifest eines weiter gewachsenen Selbstbewußtseins der USA als Weltpolizei, eine Illustration militärischer Allmacht, ein ebenso nachdrücklicher wie lässiger Stiefeltritt gegen alle, die das moralische System der USA in Frage zu stellen wagen. Aber: Auf diesem Fundament einen Actionthriller zu bauen, ist in Hollywood längst eine Tradition, die jeweils nur variiert wird durch eine Angleichung an die sich ändernde politische Situation; und seit jeher tut das der Qualität der Filme nicht von vornherein Abbruch. Im vorliegenden Fall wird der Übermut der Helden und insgesamt der US-Armee als gegeben vorausgesetzt, nicht hinterfragt, aber auch nicht zelebriert. Er dient vielmehr als Freibrief, der es den Helden ermöglicht, sich aller erdenklichen Mittel zu bedienen, um ihren Auftrag zu erledigen, ganz nach dem Vorbild eines James Bond. Und wie der britische Superagent stellen auch die Helden dieses Films potentiellen Weltzerstörern nach, die im Begriff sind, sich in entlegenen Regionen der Welt ein Imperium aufzubauen - man kommt viel herum in "Projekt: Peacemaker."
Die Geschichte ist einfach. Ein russischer Zug mit Atomraketen wird überfallen, die Sprengköpfe werden gestohlen, und kurze Zeit später erschüttert eine Atomexplosion eine entlegene Gegend des Ural, um den Diebstahl zu vertuschen. Eine Expertin des Weißen Hauses für Atomschmuggel und ein Spezialist des Pentagon für Sonderkommandos aller Art werden mit einem kleinen Mitarbeiter- und Soldatenstab auf den Fall angesetzt. Zuerst geht es nach Wien, um über einen russischen Offizier mögliche Hintermänner herauszufinden; Begleiterscheinungen sind das handgreifliche Verhör eines Wiener Geschäftsmannes in allerfeinster spätbarocker Dekoration sowie eine selbstmörderische Verfolgungsjagd durch die caféhausreiche Innenstadt. Danach geht es nach Bosnien (das recht behutsam bebildert wird) und nach Afghanistan, weil die Bösen in Richtung Irak unterwegs sind; aber bald darauf drängt sich die Erkenntnis auf, daß das eigentliche Ziel der Angreifer die USA selbst sind.
Daß es sich bei dem Film um das Kinodebüt einer (wenngleich preisgekrönten) Fernsehhandwerkerin handelt, ist ein Phänomen. Mimi Leder sorgte, auch als Produzentin, für einige Folgen von Serien wie "Emergency Room" und "L.A. Law", bevor sie den Sprung ins Kinogeschäft wagte. "Projekt: Peacemaker" aber ist ein virtous inszenierter Actionfilm, daß man das Werk eines abgebrühten Genre-Routiniers vor sich zu haben glaubt; ein Film, der seine Mittel derart effizient und dosiert anwendet, daß er keinen Moment den Verdacht von Ausstattungs-, Special-Effects- oder Stuntkino weckt. Selbst der um der Authentizität willen betriebene Aufwand, an Originalschauplätzen zu drehen, wobei jeweils reichlich Schrott hinterlassen wird, wirkt nie ausgestellt; im Gegenteil reicht Mimi Leder oft (scheinbar) nur ein Ausschnitt des Geschehens, mit dem Erfolg, daß die Bedrohlichkeit der Situation noch gesteigert wird - dies auch dank der grandiosen Kameraarbeit des ehemaligen Fassbinder-Kameramanns Dietrich Lohmann, dessen Bilder zum Hyperrealismus tendieren und dadurch besonders einprägsam sind.
Die Regisseurin weiß offensichtlich sehr gut, daß die beste Actionszene wirkungslos verpufft ohne eine schlüssige, von glaubhaften Figuren getragene Geschichte. Geschickt werden im drehbuch Spuren gelegt, Motive wiederholt, Dialoge aufgegriffen und zugleich gängige Handlungsschemata aufgebrochen. Die Hauptfiguren variieren die bekannten Muster wenig, aber in einem entscheidenden Maße, und generieren einen Heldentypus, der routiniert seiner Arbeit nachgeht, in deren Verlauf aber die eigenen Grenzen erkennt und übersteigt: die Bürokratin mit dem Laptop hier, der im Kalten Krieg erprobte Haudegen mit der Faust dort. Nicole Kidman bleibt als Regierungs-Fachfrau glaubhaft, weil ihr bei allem Einsatz keine Verwandlung zur Amazone abverlangt wird; ihre derzeitige Karriere als eine der wandelbarsten Hollywoodschauspielerinnen scheint unaufhaltsam. George Clooney betreibt die Schauspielerei zwar ein wenig mit der Brechstange, sein Charisma aber ist unbestreitbar; nur Armin Mueller-Stahl spielt wie immer sich selbst. "Projekt: Peacemaker" ist nach "Men In Black" (fd 32 733) der zweite große Actionfilm des noch jungen "Dreamworks"-Studios von Spielberg/Katzenberg/Geffen, doch neben jenem Alien-Klamauk ist dieser Actionfilm das weitaus beachtlichere Werk. (Oliver Rahayel, film-dienst)
"Projekt: Peacemaker": George Clooney rettet die Welt im haarsträubenden Produktions-Debüt des "DreamWorks"-Studios Steven Spielbergs.
Es gibt zwei Arten von Terroristen: zum einen die brutalen Killer, die für Geld alles tun; zum anderen die Ideologen, deren Verletzungen in blindem Haß wüten. Vor ihrem abendfüllenden Großeinsatz gegen ein internationales Terrorkommando streiten sich der windige US-Soldat Devoe (George Clooney) und die National-Security-Beamtin Dr. Kelly (Nicole Kidman) darüber, welche Sorte denn nun gefährlicher sein. Im Laufe ihres Terroristen-Bekämpfungs-Projekts wird sich zeigen, daß sie es mit den einen wie mit den anderen zu tun haben - und daß beide Seiten gleich gefährlich sind.
Noch vor dem Einsatz des wackeren Pärchens werden die Koordinaten der politischen Weltkarte in bekannter Hollywood-Manier aktualisiert: In Bosnien wird weiter gemordet (obwohl ein Frieden nach dem anderen ausgehandelt wird); in Rußland werden Atomwaffen verscherbelt (obwohl sie verschrottet werden sollen) - und die USA retten noch immer die Welt vor Terroristen jeder Couleur (obwohl niemand sie dazu aufgefordert hat).
Konkret geht es um zehn nukleare Sprengsätze, die ein äußerst skrupelloser russischer General in seine Gewalt bringt. Im Zuge des brutalen Überfalls auf den prekären Eisenbahntransport läßt er gleich eine nukleare Sprengladung explodieren - womit dem Zuseher das Ausmaß der möglichen Folge-Katastrophe visuell eindrucksvoll vermittelt werden soll. Im amerikanischen National-Security-Bunker wittert man Gefahr und setzt den Rußland-kundigen Soldaten Devoe auf die Sache an. Seine Einsatz-Partnerin ist die rührige Dr. Kelly, die fortan an der Seite des brutalen "Friedensmachers" ihr Scherflein zur Terrorismus-Bekämpfung beitragen (und öfter noch die Nerven verlieren) wird.
Regisseurin Mimi Leder schickt die beiden zunächst nach Wien, wo Gut und Böse (im Palais Auersperg und anderen historisch wertvollen Plätzen) zum ersten Mal zeigen, wie sie miteinander umzugehen gedenken. Außerdem führt sie ihr Wettlauf mit der gefährlichen Fracht über die Türkei und bald an die nördliche Grenze des Iran, dessen weltberühmte Terroristen bereits auf die Ladung warten. Zwar gewinnen die Weltretter diesen Wettlauf, aber ein an der Terroraktion beteiligter Bosnier hat sich derweil mit einem Sprengkopf aus dem Staub gemacht.
Der wiederum soll im UNO-Center in New York zur Explosion gebracht werden - weil ein radikaler Bosnier dem Westen zeigen möchten, wie sich Krieg anfühlt. Ein neuer Wettlauf beginnt, neue Großtaten folgen und erneut wird die Welt bzw. deren Zentrum vor dem Fanatismus gerettet.
Projekt: Peacemaker beschert einem ein Déjà-vu nach dem anderem: Kollisionen und Explosionen, gebrochene Nasen und Herzen - Dr. Kelly weint (nach 1.500 Atombomben-Opfern in Rußland) um das Leben einiger US-Soldaten - sowie jede genreübliche Variante der last minute rescue. Clooney und Kidman schließlich wirken hier wie falsch plazierte Genre-Zitate. Am quälendsten aber setzt der (deutsche) Hollywood-Starmusikant Hans Zimmer diesem bereits hypertrophen Spektakel zu: mit einem Soundtrack, der wie ein Leuchtstift jede story-line markiert und damit endgültig für den sinnlichen Overkill sorgt.
Schöne Sache, wenn Hollywoods "Friedensmacher" am Ende wieder einmal alles unter Kontrolle haben. Als vertrauensbildende Maßnahme sollten aber vielleicht einmal die Köpfe (sprich: Produzenten, Autoren, Regisseure) des Kontrollamts ausgewechselt werden. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)
„Gott, ich vermisse den Kalten Krieg“. Der Stoßseufzer eines frustierten US-Generals aus diesem dröhnenden, penetrant heroischen, aber durchaus funktionstüchtigen Actionmassaker könnte in Wahrheit eher von einem Hollywoodfilmproduzenten sein. Ohne Reich des Bösen keine ordentliche Beschäftigungspolitik für heldenhafte US-Agenten. Sicher, so was wie Atomwaffenschmuggel gibt es tatsächlich, aber bei dieser cinetaktischen Materialschlacht spielt Wirklichkeit die Rolle eines genmanipulierten Chihuahua, den Dr. Frankenstein mit einem Saurierschwanz wedeln läßt.
Deshalb muß jetzt schon ein abtrünniger russischer General erfunden werden, der zur Tarnung skrupellos tausende Menschen im Ural durch einen Atomschlag vernichtet, um auf eigene Faust Atomwaffen auf dem Schwarzmarkt an exjugo- slawische Terroristen verscherbeln zu können. Dann erst kann George Clooney, der Macho im Softie-Look und Colonelsrang, zum Einsatz kommen. Und zusammen mit der püppchenhübschen Emanzenkarikatur Nicole Kidman als Nuklearfachfrau Dr. Kelly die Welt retten („Sorgen Sie dafür, daß der neue Offizier Befehle einer Frau akzeptiert!“).
Nach den ungeschriebenen, aber liebgewordenen Filmgesetzen müssen sich Dr. Kelly und der Colonel erst zusammenraufen (ohne sich freilich näher zu kommen), bevor sie einander so sinnvoll ergänzen wie ... na, sagen wir halt: Mann und Frau. Nur daß ihre kleinen Differenzen nicht wenige Unschuldige ins Gras beißen lassen. Aber so verlangts die Handlung und die zieht das Publikum immerhin mit, als wäre es selber akut lebensgefährdet. Wo doch in diesem explosionsfreudigen Militärspektakel das einzige echte Risiko für den Zuschauer in störenden Zahnfüllungen aus Popcornschalen oder Sportgummimasse besteht.
Im Verlauf ihres Jobs und den dabei unvermeidlichen Anpassungsritualen gerät das Pärchen auch nach Wien, das wie Preßburg aussieht, was vermutlich nur jene stört, die an das viele Geld denken, welches die Amis beim Dreh auf den Originalschauplätzen ausgegeben hätten. Ein guter Punkt, die Frage „Wer, zum Teufel ist Mimi Leder?“ zu beantworten: Die Regisseurin kommt wie ihr männlicher Hauptdarsteller vom Fernsehen, d. h. „Emergency Room“. Bond-Fans mag übrigens auffallen, daß der Plot den jüngsten Einsätzen von 007 arg artverwandt wirkt.
Nur daß hier die Guten Mercedes fahren dürfen (die Bösen in BMWs). Plüschterminator George Clooney wäre übrigens mit Sicherheit der bessere Bond. Daran ist nicht zu rühren; schon gar nicht zu schütteln. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
DK / IRL GB 1996. 104 Min
Regie: David Keating,
Buch: Gabriel Byrne, David Keating nach Ferdia MacAnna,
Musik: Michael Convertino,
Kamera: Bernd Heinl,
Schnitt: Ray Lovejoy,
Darsteller: Catherine O'Hara (Cathleen), Jared Leto (Frankie Griffin), Christina Ricci (Erin), Gabriel Byrne (Jack Griffin)
Kinostart: 14/11/1997
1977 in Irland. Frankie (Jared Leto) ist ein normaler 17jähriger Junge, den die typischen Gedanken dieses Alters umtreiben. Da sind auf der einen Seite gleich zwei Mädels, die ihm im Kopf herumspuken, dann ist da seine (geliebte ?!) Schule, Feiern am Strand und natürlich die Mutter, bei der er nicht sicher ist, ob sie ein Verhältnis ausgerechnet mit einem ekligen Politiker hat.
So ist nunmal das Heranwachsen, das hier lustig und unterhaltsam erzählt wird. (film.de)
Mit 17 fängt auch in Irland das Leben an. Jedoch geschieht das dort ein wenig anders. Zumindest war das im Sommer 1977 so. Man muß nicht unbedingt verstehen, um über die Leiden des jungen Frankie lachen zu können. Ein wenig Knowhow aber kann keinesfalls schaden und daher sollten sachdienliche Hinweise vor Genuß dieses verfilmten Schüleraufsatzes über irische Mannwerdung beachtet werden.
Gewöhnlicher irischer Humor lacht so laut wie er deftig ist. Seine Scherze poltern so auffällig wie Sommersprossen auf bleicher Irenhaut. Eine gewisse Gewöhnungsbedürftigkeit schmückt seine Pointen, die nicht am hochkarätigen Spott eines Oscar Wilde oder die geistreiche Angriffslust eines G. B. Shaw gemessen werden können, obwohl die Genannten Iren waren. Damit sind wir im weichen Rückenmark jenes Lustspiels, das für seinen Helden vorerst ziemlich traurig aussieht:
Beim letzten der irischen Könige (Titel) handelt es sich nämlich nur um einen äußerst verunsicherten, ganz netten Burschen, der sicher ist, bei der Reifeprüfung und den Mädchen durchgefallen zu sein. Bis er nach Wochen sein Zeugnis erhält, treibt er sich halt um. Und gar nicht so katastrophal, wie er uns glauben machen will. Liebevoll wird seine Familie als Horde von Exzentri- kern, Chaoten und Narren denunziert. Gabriel Byrne, irischer Paradeschauspieler („Die üblichen Verdächtigen“), nahm sich einer bestgesellerten autobiografischen Jugendbeichte an, schrieb das Drehbuch und spielt als Frankies Vater einen mäßig erfolgreichen Schmierenschauspieler, Jäger des flüchtigen Erfolgs.
Von der verrückten Mutter, irisch-anarchistisch bis ins katholische Wollunterzeug, profitiert die Story allerdings mehr. Frankie selbst verblaßt daneben samt seinen hormon- und existentiellen Problemen. „Wie kommt es, daß ich Dinge erst kapiere, wenn es zu spät ist“, fragt er sich bange. Darauf gibt ihm nicht einmal der Film eine Antwort, und das ist auch ein bißchen lustig. (Rudi John, KURIER)
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