Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 27. Jänner 1998 neu angelaufene Kinofilme


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SHOOTING FISH (SHOOTING FISH)

GB 1997. 122 Min
Regie: Stefan Schwartz, Buch: Stefan Schwartz, Richard Holmes, Musik: Stanislas Syrewicz, Kamera: Henry Braham, Schnitt: Alan Strachan, Darsteller: Stuart Townsend (Jez), Dan Futterman (Dylan), Kate Beckinsale (Georgie), Nickolas Grace (Mr. Stratton-Luce), Ralph Ineson (Mr. Ray), Dominic Mafham (Roger), Clair Cox (Floss), Phyllis Logan (Mrs. Ross), Nicholas Woodeson (Mrs. Collyns), Peter McNamara (Geoff), Nicola Duffett (Mrs. Ray), Darren Renouf (Robin)
Kinostart: 27/2/1998

Dylan und Jez verbindet seit ihrer Waisenhauszeit eine dicke Freundschaft. In den letzten Jahren haben sie sich ganze zwei Millionen Pfund ergaunert. Die Realisation ihres Kindertraums, der Besitz eines stattlichen Eigenheims, ist in Griffweite, als sie auf die süße Georgie treffen. Diese schafft es, ihnen das Geld abzuluchsen, das sie dringend für ihr bankrottes Mongoloidenheim braucht. Am Schluß haben alle ihr Traumhaus, sind glücklich und verheiratet. Ein Film so glatt wie ein Spiegel. Eigentlich ein Schwindel. (Zoom, 10/97)

Mit ausgeklügelten Tricks erleichtern der redegewandte Amerikaner Dylan und der introvertierte britische Bastler Jez in London wohlsituierte Bürger um ihren Besitz. Als ihnen die charmante Georgie aus der Klemme hilft, werden die Verhältnisse romantisch-verzwickt, bis hin zu einem märchenhaften Happy-End, bei dem sich der Film allerdings in seinen eigenen Tricks verheddert. (Frank Arnold, tip, 22/97)

Der smarte Dylan und der Technik-Tüftler Jez sind ein gewieftes Gauner-Duo, ziehen der Londoner High Society mit Betrügereien das Geld aus der Tasche. Als die Studentin Georgie bei ihnen einsteigt, will sie auch an die Moneten - allerdings für einen guten Zweck. Britisches Kino mit Pfiff, subversivem Humor und voller schräger Ideen, das zeitweise den Bogen überzieht und einige Längen hat. (M.K.)

Beide sind Mitte 20, beide sind Waisen: der wortgewandte Dylan, ein smarter Amerikaner mit einem beneidenswerten Verkaufstalent, und der schüchterne Jez, ein liebenswerter Technikfreak. Gemeinsam jagen die Freunde ihrem Kindheitstraum nach: einem herrschaftlichen Landsitz und einer Million auf der Bank. Zielscheibe ihrer Schwindeleien sind dabei die Reichen und Mächtigen Londons. (Verleihprogramm)

Von der wiedererwachten Vitalität des englischen Kinos zeugen nicht nur seine internationalen Erfolge oder die erstaunliche thematische Bandbreite. Aufbruch und neue Kreativität signalisieren in letzter Zeit auch das zunehmende Interesse an formalen Experimenten. In Stefan Schwartz charmanter Komödie um zwei junge Betrüger sucht man vergeblich nach Anleihen des pointiert-sarkastischen Stils Marke Danny Boyle. Ebenso finden sich keine Bezüge zu den ironisch-herben Etüden in der Traditionslinie des sozialen Realismus. Als wollten Schwartz und Produzent Richard Holmes - die bereits als Leitfiguren einer "Multiplex-Generation britischer Filmemacher" gefeiert werden - , die politische Zäsur der neuen Labour-Regierung auch auf der Leinwand markieren, dominiert ein neuer, seltsam träumerischer Ton ihre Arbeit: eine Art filmisches Pendant zur "Easy Listening"-Musik, die auch im Soundtrack entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Beschwingt und flüssig gleitet die Gaunergeschichte dahin, frei vom Ballast der Gegenwart, die mehr oder minder lediglich als Spielball für den märchenhaften Plot dient.
Zwei Freunde Mitte 20 verbindet ein Kindheitstraum: ihr Schicksal als arme Waisen durch den Erwerb eines herrschaftlichen Anwesens zu kompensieren. Die Mittel dafür, zwei Mio. Pfund, wissen sie durch eine geschickte Kombination ihrer Stärken aufzutreiben. Der Amerikaner Danny ist ein smarter, wortgewandter Gesellschaftslöwe, der jede Situation zu seinen Gunsten wenden kann, solange er dabei nichts Schriftliches lesen muß. Während ihm sein Analphabetismus den Weg nach oben verbaut, hindert die Schüchternheit den Briten Jez an der Karriere als genialer Computer- und Technikfreak. Gemeinsam aber sind sie unschlagbar, und sei es nur im Lösen von Preisausschreiben, was ihnen mal Windeln, mal Glaswolle zum Isolieren von Dachgeschossen einbringt. Getreu ihrer Regel, ehrliche Menschen zu achten, Reiche aber zu schröpfen, haben sie erstaunliche Fertigkeiten entwickelt, Geldgier und Eitelkeit für ihre Zwecke umzumünzen. So verkaufen und verlegen sie das Dämm-Material weit unter Preis nicht nur einmal, sondern transportieren es über den Dachboden von Reihenhaus zu Reihenhaus. Oder drehen mit einem simplen Trick eine angeblich selbstleuchtende Neonröhre dem staunenden Patentamt an. Beim Versuch, ein sprachgesteuertes Computersystem großen Firmen schmackhaft zu machen, sind sie auf Hilfe angewiesen. Die Stenotypistin Georgie, die vom Nebenraum aus über Kopfhörer den Superrechner zum "Sprechen" bringt, durchschaut das Täuschungsmanöver, hält aber dicht, weil die beiden ihr glaubhaft machen, daß sie als Robin Hood der 90er Jahre das Geld für ein "Waisenhaus-Projekt" benötigen - was im Grunde auch der Wahrheit entspricht. Bis die Polizei dem Team doch auf die Schliche kommt und das Duo im Gefängnis um den Ertrag ihrer jahrelangen Arbeit fürchten muß, weil die Regierung neue Banknoten einführen will, durchlebt ihre Freundschaft eine empfindliche Krise: Beide haben sich in Georgie verliebt, die selbst in Geldnöten steckt. Um ein Heim für Kinder, die am Down-Syndrom leiden und in dem ihr Bruder lebt, vor der Schließung zu bewahren, fehlen ihr zwei Mio. Pfund. Wenn wundert es, wenn der Umgang mit Halbwahrheiten und Lügen die junge Frau da nicht auf neue Gedanken führte? Auch die Meister des "Shooting Fish" - ein Slang-Ausdruck aus dem Amerikanischen für "Übers Ohr hauen, betrügen" - sind vor eilfertigem Vertrauen nicht gefeit.
Wie in jedem Märchen sind die Helden gut, die Widersacher finstere Gesellen, und am Ende findet Herz zu Herzen. Für einen Film, der für ein breites jugendliches Publikum konzipiert ist, scheint dies ein reichlich simple Geschichte zu sein, die zudem ihr komisches Potential nur sehr dosiert ausspielt. Doch gerade in der souveränen Balance aller Elemente liegt der Zauber dieser wunderbar leichten Komödie begründet: mit bewundernswerter Nonchalance verzichtet sie auf alle wohlfeilen Effekte und hütet sich davor, das Breitwandformat als Einladung für übervolle Prospekte mißzuverstehen. Selbst der Londoner Gasometer, der Jez und Danny als Domizil und Vorratslager dient, ist so dezent ins Bild gesetzt, daß die Assoziation mit einer Räuberhöhle aus Tausendundeinernacht nur verhalten aufglimmt. Die schnellen Schnitte, mit denen die Trickbetrügereien und ihre haarsträubenden Verwicklungen manchmal inszeniert sind, bleiben in die Atmosphäre der spärlich ausgestatteten Räume eingebunden, und auch die Romanze zwischen Georgie und Jez entfaltet sich parallel zum Gesamtrhythmus kunstvoll verzögert. Dennoch gerät das Drehbuch im letzten Drittel etwas außer Atem, wenn eine Reihe weiterer Nebenfiguren und -stränge eingeführt wird und der Kampf um die Millionen überflüssige Kapriolen schlägt. Den Preis, den der Film für seine Kompromißlosigkeit zu entrichten hat, teilt er mit ähnlichen Produkten der neuen kulturellen Welle: Seine Leichtigkeit transzendiert keine Wirklichkeit, sondern plätschert entspannt und angenehm auf der Oberfläche der Dinge. Als Ausgleich zum realitätshaltigen Kino made in Britain macht dies Sinn, als Modephänomen wird es nur von kurzer Dauer sein, weil sein entspannender Reiz keiner längeren Beanspruchung standhält. (Josef Lederle, film-dienst>

Sie sind zwei ganz normale britische Arbeitslose in der Boom-City London: Jez (Stuart Townsend) ein technisches Genie, Fachmann für die Psychologie von Elektrogeräten und sozial eher ungeschickt. Dylan (Dan Futterman), der wortgewandte Amerikaner, meistert hingegen diesen Part und fungiert als geschickter Täuscher. Dylan und Jez haben sich in einem Gasometer sehr originell eingerichtet. Es wimmelt von technischen Spielereien und überraschenden Lösungen für die kleinen Probleme des Alltags. Zusammen füllen sie jedes Preisrätsel für Werbesprüche aus. Ihr trickreicher Arbeitstag beginnt mit einem britischen Frühstück, der Schinken dazu wird auf dem Kühler gegrillt. Mit nur einer geklauten Packung Glaswolle dichten sie gleich eine ganze Straße ab, praktisches Recycling für 50 Pfund pro Haus.
Als sie gerade einen leeren Computer als sensationell sprechende Spracherkennungsmaschine verkaufen, treffen Jez und Dylan auf die Teilzeitsekretärin Georgie (Kate Beckinsale), eine gutherzige, sozial engagierte, junge und reizende Frau. Nun hält Georgie überhaupt nichts von Betrügereien, wie sie die cleveren Jungs am laufenden Band produzieren. Da diese aber sehr viel von Georgie halten, erzählen sie, die "verdienten" Millionen seien für Waisenkinder. Stimmt auch: Jez und Dylan sind Waisen, die sich bald ein eigenes Schloß leisten wollen. Das könnte Georgie schneller haben: Ihr Verlobter ist mehr als reich, langweilig und extrem heiratswillig.
Doch kurz bevor die Millionen zusammen sind, spitzt sich die Lage der beiden gewitzten Lebenskünstler zu. Rachsüchtige Reihenhausbewohner nehmen die Verfolgung auf, Georgie soll bald heiraten und ein Knastaufenthalt drohen ein übles Scheitern herauf.
Viel Spaß, eine gute Portion Spannung, frische Figuren, flotte Musik und deutliche soziale Position machen "Shooting Fish" zum reichhaltigen Vergnügen. Dylan (Dan Futterman) sieht charmant aus wie ein junger Richard Gere. Jez überzeugt eher mit Schnell-Auszieh-Hosen und seiner netten Schüchternheit. Während "echte Briten", die dem Thatcherismus nachhängen, alles kaputtmachen, verbünden sich einfallsreiche und geschäftstüchtige junge Leute mit einer flotten Ablegerin des Establishments. Der Ausstattung des Produktionsdesigners Max Gottlieb mit seinen tausenden Ideen gebührt besonderer Dank. Regisseur Schwartz schrieb das Buch zusammen mit dem Produzenten Richard Holmes. Zusammen traten sie während ihres Studiums im Comedy-Act "The Gruber Brothers" auf. So nannten sie dann auch ab 1987 ihre Produktionsfirma, mit der sie kommerziell ausgerichtete Kinofilme produzieren wollen. Schon ihr erster Film "Soft Top, Hard Shoulder" (1993) heimste britische Preise ein. Das Branchenblatt Variety bezeichnete die "Gruber Brother" als Vertreter der "Multiplex-Generation", Mitzwanziger, die mit Hollywoodfilme aufgewachsen sind.
Übrigens: Der Titel ist ein amerikanischer Slangbegriff für Betrügereien, die mit großer Leichtigkeit getrickst werden. "Shooting Fish in a barrel" heißt wortwörtlich "einen Fisch in einem Faß erschießen" - wirklich keine schwere Aufgabe! (Günter H. Jekubzik, FILMtabs )

Filmisches Fast food. Die Krimikomödie «Shooting Fish» von Stefan Schwartz
Nicht jeder Fisch, der in trüben Gewässern schwimmt, heisst Wanda. Doch wenn im Titel einer Krimikomödie das Wort «Fisch» auftaucht, denkt man unwillkürlich an Charles Crichtons Erfolgsfilm aus dem Jahr 1988 - und setzt damit entsprechend hohe Massstäbe. Wenn man dann vernimmt, dass in der Krimikomödie von Stefan Schwartz überhaupt nie ein Fisch zu sehen ist, fühlt man sich in seinen Erwartungen betrogen - bis man erkennt, dass diese Enttäuschung direkt ins Zentrum des Films führt. Das Erwecken falscher Erwartungen ist nämlich zentrales Thema und roter Faden von «Shooting Fish». Der Titel ist ein amerikanischer Slang-Ausdruck, der soviel wie schwindeln, übers Ohr hauen bedeutet. - Der Zuschauer ist durch den richtig verstandenen Titel von Anfang an gewarnt, im Gegensatz zu den gutgläubigen Bürgern, die dem Gaunerduo Jez (Stuart Townsend) und Dylan (Dan Futterman) auf den Leim kriechen und ihm hohe Summen an Vorauszahlungen für Dinge aufdrängen, die nie geliefert werden können - beispielsweise einen Computer, der angeblich Sprache in geschriebene Worte umwandeln kann. In Wirklichkeit sitzt die Sekretärin Georgie (Kate Beckinsale) im Nebenraum und tippt die Worte der Kunden direkt auf den Bildschirm. Die von Jez und Dylan erschwindelten Summen entstammen letztlich der gleichen Quelle wie manche Pointen des Films: der Leichtgläubigkeit im Medienzeitalter. Wirklich treffende Pointen - etwa die Verhinderung einer Trauung in letzter Sekunde durch einen Anruf auf ein Handy, das der Bräutigam auch vor dem Altar in seiner Jackentasche trägt - sind relativ spärlich gesät. Doch dies merkt man erst in nachhinein, denn eine Qualität kann man «Shooting Fish» nicht absprechen: ein unwahrscheinliches Tempo.
Dieses Tempo überspielt neben der fehlenden Eleganz nicht zuletzt auch die irritierende Unbedarftheit, mit der sich aufdrängende Fragen und angeschnittene Probleme unter den Teppich gewischt werden. Nun sind Probleme zwar das letzte, was eine Komödie nötig hat, doch wenn sie sich im Drehbuch nicht vermeiden lassen, drängen sie nach einer komödiantischen Thematisierung. Doch dankbare Grundeinfälle verschwinden bald hinter der Hast, mit der der Film von Szene zu Szene eilt. Da tritt noch ein Mr Ray (Ralph Indeson) auf den Plan, der das Gaunerduo beklaut, sowie ein Mr Stratton-Luce (Nikolas Grace), dem die Liegenschaft mit dem Heim gehört, in dem Georgies mongoloider Bruder lebt. Nicht einmal die gemeinsame Liebe zu Georgie kann Jez und Dylan entzweien, denn Georgie hat noch eine Schwester: Schwartz vertraut der Quantität der Themen, nicht der Qualität. Und da er eine penetrante Moral zelebriert - die Menschen werden stets Opfer ihrer eigenen Gier -, versteht es sich fast von selbst, dass die ergaunerten Millionen schliesslich in das Heim für mongoloide Kinder investiert werden. Im Sinne einer kulinarischen Absicherung ist das hektische Geschehen zudem in einen Soundtrack von erlesener Popmusik eingebettet. Damit erhält «Shooting Fish» zwar nicht die fehlenden Ecken und Kanten, doch eine quirlige Verpackung: Fast food für Liebhaber des Unverbindlichen - allerdings mehr Fast als Food. (Gerhart Waeger, Neue Zürcher Zeitung, 10/10/1997)

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DIE KLEINE ZAUBERFLÖTE

D 1997. 62 Min
Regie: Curt Linda, Buch: Curt Linda, nach Emanuel Schikaneder und W.A. Mozart, Chefanimation: Susi Bauermann, Musik: Uli Kümpfel, Acapulco Terrace Orchestra, Kamera: Marilena Voicu, Schnitt: Barbara Zittwitz
Kinostart: 27/2/1998

(...) Das alternative Meisterstück dazu (Disney, die Red.) auf das der deutsche Film stolz sein kann, ist der Zeichentrickfilm "Die kleine Zauberflöte" von Curt Linda: Ein Kinderfilm, dessen ästhetische Qualitäten auch für Erwachsene offensichtlich sind und der trotzdem Kinder nie überfordert. Kunst und Volksvergnügen zugleich. Lindas Opern-Pop "Die kleine Zauberflöte" ist Höhepunkt seines Gesamtwerks (Marksteine: 1969 "Die Konferenz der Tiere", 1982 "Shalom Pharao", 1992 "Das kleine Gespenst") und mischt die vom Disney-System eingeebneten Sehgewohnheiten durch eine skurrile Komik auf, die auf biedere Niedlichkeit pfeift und Abstraktion mit Einfachheit koppelt. Dazu kommt die Märchenfrechheit auf Kulturheiligtümern herumzuhüpfen: Servus Mozart. (...) Abseits von allen Hollywood-Klischees einer der wenigen Fantasy-Zeichentrickfilme, die sich für die ganze Familie lohnen - nicht zuletzt als Einstieg in die große Mozart-Oper. (Ponkie, AZ, 8.1.98)

Eine der bekanntesten Opern des klassischen Europa zum ersten Mal in einer erzählten Form: Das Märchen von der Feindschaft des Tages mit der Nacht, die Fehde der Königin der Nacht mit ihrem Widersacher, Sarastro, Herrscher der Tage. Die Abenteuer des tapferen Prinzen Tamino, der um die entführte Pamina ringt, zwischen den Königreichen wandert und die Feindschaft von Tag und Nacht überwinden hilft. Die Geschichte des Vogelfängers Papageno, der unbedarft und lustig seines Weges zieht, unfreiwillige Waghalsigkeiten überstehen muß und letztlich seine Papagena findet. Eine Fabel voller Lug, Trug, Täuschung, wundersamer Wandlung, schwerer Prüfungen und mit einem glücklichen Ausgang. Eine Erzählung aus einem Reich vor unserer Zeit, als sich Mensch und Natur noch nahe standen und die Götter noch halfen. Eine Legende aus freimaurerischen Kreisen, bemüht, dem geistigen Wachstum des Menschen dienlich zu sein und seine moralische Evolution zu fördern. Ein Zeichentrickfilm, der die Grenzen des Mediums auslotet, der Spaß und Spannung vereinigt, das junge Publikum schlauer macht, ohne es belehren zu wollen und auf eine sehr moderne Art dem Guten, Schönen, Wahren verpflichtet ist. Verleihmitteilung (Katalog Filmfest München 1997)



Der Fantasie Flügel verleihen: Curt Lindas persönliches Credo ist zugleich der Generalnenner seines bewundernswerten Gesamtwerkes. Mit scheinbar unerschöpflicher Energie kämpft der Altmeister der deutschen Animationszeichner seit nunmehr dreieinhalb Jahrzehnten für eine eigenständige Traditionslinie im Trickfilmbereich, die sich den Marktmechanismen aus Hollywood oder Fernost nicht unterordnen will. Wie bei allen bisherigen Arbeiten entstand auch der jüngste Film in jahrelanger mühseliger Handarbeit - ohne Hilfe der Computer. Was manchem vielleicht als überholter Purismus erscheinen mag, entfaltet seinen Zauber in betörenden Szenerien voller nuancierter Farbigkeit, in denen die liebevolle Kolorierung zu anderem dient, als nur den Hintergrund zu füllen. Lindas detailversessene Prospekte sprühen vor Einfallsreichtum und (kindlicher) Kreativität: Seine Helden wandeln durch sie wie durch Traumregionen, in denen jeder Strauch, jeder Stein zum alles entscheidenden Schlüssel werden kann. Was im Realfilm oft nur unter großen filmtechnischen Anstrengungen möglich wird, vollzieht sich hier spielerisch und wie von selbst: die Verwandlung des Handlungsraumes in innere Seelenlandschaften.
Von daher lag ein Stoff wie Schikaneders Mozart-Libretto der Zauberflöte im Grunde schon lange nahe. Die Reise Taminos durch die verfeindeten Reiche der Nacht und des Tages bot Lindas Lust am Surrealen das passende Sujet für seine artifiziellen Grenzgänge zwischen Imagination und Wirklichkeit. Ohne Respekt vor dem berühmten Original entkleidete er das musikalische Drama seiner mystisch-esoterischen Gestalt und hob seinen märchenhaften Gehalt hervor. Tamino und sein Gefolge hetzen einem Wildschwein hinterher, als der Prinz vom Pferd stürzt und einen Unsinnsvogel sieht. Die Warnungen der Freunde mißachtend, jagt er dem schrillen Gecken hinterher - über das Ende der Welt hinaus. Dort trifft er nicht nur auf einen anderen gefiederten Gesellen, den schwatzhaften Papageno, sondern auch auf die Königin der Nacht. Ein Blick auf Paminas Medaillon genügt, um ihr die Geschichte vom Raub ihrer Tochter zu glauben. Ausgerüstet mit der magischen Flöte und begleitet vom hasenfüßigen Vogelhändler, eilt er ins Reich Sarastros, wo er gerade noch rechtzeitig kommt, um die Prinzessin vor den Nachstellungen Monostatos' zu retten. Vom Herrscher über den Tag eines Besseren belehrt, widersteht er den Einflüsterungen der Nacht und läßt sich auf die drei Prüfungen ein. Während das Plappermaul Papageno am Schweigen scheitert, dafür aber seine Pagagena findet, verliert der Märchenprinz auch im Aufstand der Elemente nicht das Vertrauen, um am Ziel aber jäh von seinen irdischen Jagdgefährten aus dem Traum gerissen zu werden.
Der abrupte Schluß mag mit den schwierigen Entstehungsbedingungen zusammenhängen, die statt der ursprünglich geplanten 80 Minuten nur eine 62minütige Fassung ermöglichten. Dem sinnenfreudigen Genuß ist dies jedoch so wenig abträglich wie der dramatischen Geschlossenheit, weil es Linda bei aller "altmodischen" Eigensinnigkeit glänzend versteht, seine Geschichte mit Tempo, Witz und einer überraschend musikalischen Lösung zu erzählen. Statt Gesang und Arien klingen die bekannten Opernmotive an den entsprechenden Stellen nur instrumental an und sind zugleich so weit zeitgenössischen Hörgewohnheiten angepaßt, daß Komponist Ulrich Kümpfel auch Techno-Klänge und Jazz-Improvisationen mit einfließen lassen kann. Eine ähnliche unverkrampfte Freiheit waltet auch in der Handlungsführung, die sich mit Feuereifer in die Ausgestaltung der abenteuerlichen Situationen stürzt und dabei eine Erfindungsgabe den Tag legt, die Humor, dezente Ironie und visuelle Gags zu einer amüsanten "kleinen" Neuschöpfung vereint. Daß dabei der von Nikolaus Paryla herrlich quengelnd gesprochene Pagageno und andere Nebenfiguren den eher blassen Königskindern die Schau stehlen, liegt in der Perspektive dieser auch Slapstick-Elementen nicht abgeneigten Adaption. Nur bei der Gestaltung Monostatos' und seiner Helfer, die wenig rühmlichen Vorlagen aus der deutschen Vergangenheit entsprungen sein könnten, ließ Linda jene Sensibilität vermissen, die seine Animation sonst auszeichnet. Wünschenswert wäre ein Bilderbuch zu diesem bezaubernden Film für Kinder und Erwachsene, weil es die filigranen Zeichnungen in ihrer ganzen Schönheit festhalten würde. (Josef Lederle, film-dienst)

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AMISTAD (AMISTAD)

USA 1997. 155 Min
Regie: Steven Spielberg, Buch: David Franzoni, Musik: John Williams, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Michael Kahn, Darsteller: Morgan Freeman (Theodorec Joadson), Nigel Hawthorne (Martin Van Buren), Anthony Hopkins (John Quincy Adams), Djimon Hounsou (Cinque), Matthew McConaughey (Roger Baldwin), Pete Postlethwaite (Holabird)
Kinostart: 27/2/1998

Auf dem Sklavenschiff "Amistad" kommt es im Jahre 1839 zu einer Meuterei. Den 40 Rebellen droht die Todesstrafe in einem Land, dessen offizielle Politik die Sklaverei noch befürwortet. Den Angeklagten bleibt nur eine Hoffnung: John Quincy Adams, der letzte noch lebende Gründervater der amerikanischen Unabhängigkeit und einer der ersten Präsidenten der jungen Demokratie. Er macht die Sache der Sklaven zu der seinen. (Verleihprogramm)

1839: Das Sklavenschiff "La Amistad" liegt vor der Küste Kubas. Den gefangengehaltenen Afrikanern gelingt der Aufstand. Sie töten die Besatzung und zwingen die beiden Verbleibenden, sie nach Afrika zu navigieren. Doch diese lenken das Schiff nur an der Küste entlang. Nach zwei Monaten werden sie abgefangen und in Amerika vor Gericht gestellt. Das Verfahren wird zu einem großen Duell zwischen dem amtierenden Präsidenten Martin Van Buren (Nigel Hawthorne) und seinem Vorgänger John Quincy Adams (Anthony Hopkins), der die Afrikaner verteidigt. Die wahre Geschichte bringt die Grundwerte Amerikas ins Wanken.
Starregisseur Steven Spielberg ("Jurassic Park", "Schindler`s Liste", ...) bringt erneut einen Film über Menschenrechte, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Durch die schauspielerischen Leistungen der mehr oder auch weniger bekannten Darsteller bekommt "Amistad" eine hohe Authenzität und Spannung eines packenden Gerichtsfilms. (film.de)

Die historisch verbürgten Ereignisse, von denen "Amistad" berichtet, sind eine Randepisode in der bewegten Geschichte der damals noch jungen Vereinigten Staaten. Ein Plagiatsprozeß, der um ein Haar die Premiere des Films verhindert hätte, brachte zwar ans Tageslicht, daß der Aufstand auf dem spanischen Sklavenschiff "La Amistad" bereits Gegenstand eines 1989 publizierten Romans war (Barbara Chase-Riboud: "Echo of Lions"), doch in landläufigen Geschichtsbüchern wird man ihn vergeblich suchen. Selbst in dem hervorragenden, kürzlich erschienenen Buch "The Slave Trade" von Lord Hugh Thomas, das sicher bald zum Standardwerk über den Sklavenhandel avancieren wird, finden die Amistad-Vorgänge keine Erwähnung. Doch Thomas hat dem Film inzwischen (in einem Beitrag für das "Wall Street Journal") bescheinigt, daß dessen Handlung - abgesehen von einigen internationalen Bezügen - den historischen Tatsachen entspricht. Gerade weil man derartig penible Faktentreue von einem Kinofilm gar nicht notwendig verlangen müßte, legt Spielbergs Gewissenhaftigkeit im Umgang mit der Vergangenheit Zeugnis davon ab, mit wieviel Ernst und Verantwortungsbewußtsein er inzwischen vorgeht, wenn er sich mit einem solchen Thema befaßt. Auch stilistisch hat Spielberg die kitschige Melodramatik weit hinter sich gelassen, mit der er einst Sujets wie "Die Farbe Lila" (fd 25 656) und "Das Reich der Sonne" (fd 26 701) behandelt hat. Seit seinem Holocaust-Film "Schindlers Liste (fd 30 663) scheint man es immer mal wieder mit einem Steven Spielberg zu tun zu bekommen, der das Bedürfnis verspürt, die ewig jugendliche Fantasiewelt seiner kassenträchtigen Abenteuergeschichten hinter sich zu lassen, um sich mit gewichtigen, bis in unsere Tage fortwirkenden Ereignissen zu beschäftigen, die mehr in ihm - und im Zuschauer - herausfordern als die unbeschwerte Freude am Fabulieren.
"Amistad" besitzt eine Reihe von Querverbindungen zu "Schindlers Liste". Beide sind Filme über Unrecht und Leid, das Menschen über andere Menschen gebracht haben, Filme über eine untilgbare, von Generation zu Generation sich forterbende Schuld und - mit den Worten, die der amerikanische Präsident John Quincy Adams in "Amistad" verwendet - über die tiefste Natur des Menschen. Wie aus abgründigen Bewußtseinsschichten scheinen die ersten Bilder von "Amistad" albtraumhaft ans Licht zu drängen: schmerzverzerrte Augen, blutende Finger, rinnender Schweiß, ein Nagel, der langsam aus dem Boden gelöst wird - das garstige Vorspiel zur blutigen Befreiung von den Peinigern. Es sind Schwarze aus der britischen Kolonie Sierra Leone, die 1839 das spanische Sklavenschiff "La Amistad" in ihre Gewalt bringen. Brutaler als Vieh sind sie aus ihren Heimatdörfern verschleppt, in Havanna als Sklaven verkauft und auf die "Amistad" zur Verschiffung an ihren Bestimmungsort gezerrt worden. Ziel der "Rebellen" ist die Rückkehr in ihre afrikanische Heimat; doch der Seefahrt unkundig und von zwei Weißen in die Irre geleitet, gelangen sie an die Küste von Connecticut, wo sie ins Gefängnis geworfen und vor Gericht gestellt werden. Die Prozesse müssen sie über sich ergehen lassen, die Sprache nicht verstehend, in der über ihr Schicksal verhandelt wird, und die Endlosigkeit der immer neuen Verfahren nicht begreifend, in die sie durch Formalismus und einen um seine Wiederwahl besorgten Präsidenten verstrickt werden. In den ersten beiden Prozessen ist es ein ehrgeiziger, aber aufrichtiger junger Immobilien-Anwalt, der sie vertritt. In der höchsten Instanz vermag er sich des ehemaligen Präsidenten John Quincy Adams zu versichern, der sich von seinen Kongreßgeschäften weglocken läßt und nicht nur das Gewicht seiner Person, sondern auch das Gewicht seiner Argumente in den Dienst der Sache stellt. Die Schwarzen kommen frei und werden auf Staatskosten nach Afrika zurückgebracht. Doch auch dieses Ende ist ein bitteres: Freigesprochen wurden sie nicht aus humanitären Gründen, sondern wegen einer juristischen Spitzfindigkeit. Ihre Familien finden die Geschundenen im Bürgerkrieg ihres Heimatlandes nicht mehr vor, und die spanische Königin Isabella II. läßt die Sache nicht ruhen, sondern versucht ihre Interessen bei nicht weniger als sieben amerikanischen Präsidenten durchzusetzen.
Spielberg rückt einen der Afrikaner in den Mittelpunkt, einen hünenhaften Schwarzen namens Cinque. Damit gibt er dem Publikum eine Identifikationsfigur. Das namenlose Unrecht wird zur Leidensgeschichte dieses Mannes, dem weder sein Stolz noch seine Stärke gegen die Übermacht der Gewalt zu helfen vermögen. Diesem dramaturgischen Kunstgriff verdankt der Film seine bewegendsten und eindrucksvollsten Szenen. Das Ausgeliefertsein eines selbstbewußten, intelligenten Mannes an eine ihm unbegreifliche Kultur reduziert deren Repräsentanten und Errungenschaften - Anwälte, Richter und Gesetze - zu Insignien eines selbstgefälligen, funktionalistischen Systems, in dem für den Betroffenen mehr der Eigennutz als das Recht ihren Platz gefunden haben. Geschickt kontrastiert Spielberg den "Rechtsstaat" der Weißen mit dem himmelschreienden Unrecht, das den Schwarzen seit ihrer gewaltsamen Entführung widerfahren ist. In das Prozeßgeschehen baut er zum Beispiel eine lange Sequenz ein, in der er die Torturen vorführt, denen Schwarze auf ihrer erzwungenen Atlantik-Überquerung ausgesetzt waren: Auspeitschungen, Gewaltakte und schließlich massenweises Ertränken der Sklaven, als der Proviant zu Ende zu gehen droht. An der üppig gedeckten Tafel des amtierenden Präsidenten Van Buren argumentiert unterdessen der Vertreter der Südstaaten für die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit des Sklavenhandels. Es ist manchmal ein grobes Raster, das Spielberg anlegt, bis hin zur regelrechten Karikatur (die jugendliche spanische Königin), doch im Kontext der auf Filmlänge zusammengepreßten Ereignisse bedarf es vielleicht solcher Zuspitzungen, um die horrende Situation in ein klares Licht zu rücken.
Wie sehr sich Spielberg den historischen Vorgängen verpflichtet fühlt, zeigt sich nicht zuletzt an der kommerzfeindlichen Mehrsprachigkeit des Film. Die Isolation der Schwarzen in einer ihnen völlig fremden Umwelt manifestiert sich am deutlichsten an der ihnen aufgezwungenen Sprachlosigkeit. Bis schließlich nach mühevoller Suche ein Dolmetscher gefunden wird, kann sich der Anwalt nicht mit den Angeklagten verständigen, und diese wiederum verstehen kein Wort von dem, was um sie herum vorgeht. Mit seinen Untertiteln unter den Konversationen der Schwarzen und mit den hilflosen Blicken und Gesten bei jedem Kommunikationsversuch der beiden sich so unendlich fernen Welten demonstriert der Film auffälliger als durch alle dramatischen Geschehnisse die Unvereinbarkeit des Denkens und Handelns. Andererseits wäre Spielberg nicht Spielberg, würde er nicht auch in einem noch so auf historische Treue bedachten Film zu Mitteln des Hollywood-Kinos greifen, die er wie kein Zweiter mit solcher Perfektion beherrscht. Den Ex-Präsidenten John Quincy Adams führt er mit allen Effekten einer absonderlichen mythischen Figur ein, und Anthony Hopkins kostet bis zum dramatischen Schlußplädoyer jede Kleinigkeit des schillernden Charakters aus. An einem der Prozeßhöhepunkte exponiert er Cinque in emotionaler Großaufnahme und ist raumfüllender Chorbegleitung als personifiziertes Symbol widerfahrener Ungerechtigkeit. Solche und ähnliche Zugeständnisse an den Massengeschmack sind fragwürdig, aber publikumswirksam. Und Spielberg weiß seit "Schindlers Liste", daß er eine unpopuläre Story, in der es mehr um Humanität als um Action geht, nur an ein Millionenpublikum herantragen kann, wenn er gelegentlich mit den Kunstgriffen aufwartet, für die er berühmt geworden ist. Deshalb auch wählt er vermutlich immer wieder John Williams als Komponisten, obgleich der selbst aus Konzentrationslager und Sklavenhandel nichts als große Oper zu machen versteht.
Daß sich trotz solcher Effekte schon in "Schindlers Liste" das Plädoyer für eine menschliche und menschenwürdige Gesellschaft behauptet hat und daß gleiches auch jetzt wieder der Fall ist, hat seinen Hauptgrund wahrscheinlich in der spürbaren Engagiertheit und Ehrlichkeit, mit der Spielberg diese Sujets angeht. Abermals wiederholt sich der Eindruck, daß sich Spielberg mit Filmen wie "Schindlers Liste" und "Amistad" auf einer Art Mission zu befinden scheint, als ob er sich verpflichtet fühle, seinem Publikum, das "Indiana Jones" und "Jurassic Park" zugejubelt und ihn zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht hat, etwas zurückzugeben; als ob er auf seine Weise dazu beitragen wolle, daß die Welt ein lebenswerterer Platz werde. Jedenfalls besitzt das heutige Hollywood keinen anderen Regisseur von Rang, der so offenkundig mit ganzem Herzen bei der Sache ist, wenn es darum geht, dem Publikum zu zeigen, wie wichtig es ist, Mensch zu sein. Die meisten Filmemacher scheinen - im Gegensatz zu Spielberg - längst nicht mehr zu wissen, was das überhaupt bedeutet. (Franz Everschor, film-Dienst)

Amistad basiert auf einem historischen Vorfall. Im Jahr 1839, 62 Jahre nach der US-Unabhängigkeitserklärung und knapp 20 Jahre vor Ausbruch des Sezessionskrieges, zu Zeiten der Präsidentschaft Martin Van Burens fängt ein Schiff der US-Marine vor der Küste Connecticuts den spanischen Frachter „La Amistad“ ab. An Bord befinden sich 53 Schwarzafrikaner, der spanische Kapitän und ein Besatzungsmitglied.
Ursprünglich im Laderaum gefangengehalten, hatten die Sklaven das Schiff gewaltsam unter ihre Kontrolle gebracht, mit der Absicht, sich vom Kapitän zurück in ihre Heimat navigieren zu lassen. Nun werden sie in New Haven inhaftiert und das juristische bzw. politische Feilschen beginnt. In mehreren Verfahren erheben diverse Parteien Anspruch auf den Besitz der lebenden Fracht des Schiffes. Da der Status des Sklaven nur auf in Sklaverei Geborene zutrifft, gilt es zu beweisen, daß es sich bei den Inhaftierten um gewaltsam verschleppte freie Menschen handelt.
Der philanthropische Ex-Präsident John Quincy Adams (Anthony Hopkins) denkt da schon wie ein Filmproduzent und legt mit Erfolg die Verwertung ihrer „Geschichte“ nahe. Später, vor dem Obersten Gerichtshof im Angesicht der marmornen Gründerväter, geht es bereits um das Freiheitsrecht jedes Individuums, und damit fast nur noch um die fortschrittlichen USA und ihren Gründungsmythos.
Daß Steven Spielberg auf seine Art mit diesem Film ein hehres volksbildnerisches Anliegen verfolgt, muß man gar nicht anzweifeln. Aber er greift dabei derart vordergründig auf Stereotype zurück, die nicht einmal mit Naivität zu rechtfertigen sind. Amistad lebt von altbekannten Gegensätzen: Schwarz und Weiß, Natur und Kultur, Nord und Süd, Männer und Frauen (in dem Sinn, daß letztere hier praktisch nicht vorkommen).
Eigentlich besteht Amistad auch aus zwei Filmen: Der eine ist ein etwas behäbiges Gerichtssaaldrama in historischen Kostümen, das von den weißen Protagonisten dominiert wird. Der andere erzählt, in fragmentarischen Details bzw. zum Teil märchenhaften Überhöhungen (Silhouetten unterm Sternenfirmament), vom Leiden der Afrikaner.
Während die „Amerikaner“, von Stars wie Matthew McConaughey, Stellan Skarsgard, Pete Postlethwaite oder Morgan Freeman verkörpert, teils bis zur Unkenntlichkeit maskiert erscheinen, werden die Afrikaner quasi „naturbelassen“ inszeniert. Viel nackte schwarze Haut, fein definierte Muskulatur, die mit allen möglichen Flüssigkeiten in Berührung gebracht wird: Blut, Schweiß und Tränen, Seifenschaum oder Öl (das die Sklavenhändler zur Attraktivitätssteigerung ihrer „Ware“ auftragen lassen). Spielberg kann sich nicht sattsehen an diesen Körpern und scheinbar ist niemandem aufgefallen, daß gerade dies die bevorzugte (eingeschränkte) Perspektive auf „Blackness“ ist.
Kaum hat jener Mann (Djimon Hounsou), der aus der Masse unverständlich sich gebärdender Sklaven herausgenommen, zu ihrem Helden und zum Verhandlungspartner ihrer Anwälte wird, den ersten englischen Satz gesprochen – „Gebet uns frei!“ –, schwillt John Williams’ Musik an. Und so, wie hier alles zugekleistert wird, sind die gesamte Dramaturgie und die Bilder des Films mit schwerer Zeichenhaftigkeit überladen bis zur Unerträglichkeit.
Da darf die Leidensgeschichte Jesu als Analogie ebensowenig fehlen wie üppige Schlachtengemälde am Ende. Die besten Absichten entschuldigen nicht die verkehrten Bilder. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 26/2/1998)

Die Entdeckung des Menschen im Sklaven. "Amistad": Steven Spielbergs Versuch, die Sklavenbefreiung und den Sezessionskrieg umfassend und exemplarisch abzuhandeln: ein gutgemeinter Fehltritt.
In einer Sturmnacht des Jahres 1839 leitet ein in Ketten gelegter Schwarzafrikaner im Bauch des Sklavenschiffs "La Amistad" eine Revolte ein. Von gelegentlichen Blitzen beleuchtet, scharren seine Finger nervös an einem Nagel - bis sie ihn, blutverschmiert, aus einer Holzplanke ziehen und damit ein schweres Kettenschloß öffnen. Dann geht alles schnell: Nachdem der Mann (Djimon Hounsou) sich selbst befreit hat, löst er seinen Mitgefangenen die Ketten, und gemeinsam stürmen die Sklaven an Deck, töten in zügelloser Wut fast die gesamte Schiffs-Crew - bis auf zwei Männer, die man zwingt, das Schiff zurück nach Afrika zu navigieren.
Obwohl nun die verschleppten Afrikaner von den beiden Spaniern hintergangen und schließlich an Amerikas Ostküste von der US-Marine abgefangen werden, scheint in besagter Sturmnacht der Grundstein für die Sklavenbefreiung in den USA gelegt worden zu sein. Das suggeriert wenigstens Steven Spielberg in dem Geschichtskapitel, das er in Amistad mit gutem Gewissen, aber heikel verknapptem Wissen zu (re-)konstruieren versucht.
Von der Festnahme der Sklaven und der folgenden Mordanklage bis zum finalen Freispruch durch das oberste Gericht der Vereinigten Staaten vergeht freilich sehr viel Zeit. Für die erneut angeketteten Sklaven eine leidvolle - und für Spielberg eine mühevoll mit Erzählsubstanz zu füllende Zeit. Zunächst gelingt es ihm noch, die Aufmerksamkeit wachzuhalten, indem er den Auflauf diverser Streitparteien schildert (vom kubanischen Händler über einen Vertreter der spanischen Krone bis zum US-Staatsanwalt), die vor Gericht mit absurden Argumenten ihren Anspruch an der "Handelsware" der Amistad geltend zu machen suchen.
Mitten in das Verhandlungs-Chaos - bei dem der Richter bereits im Begriff ist, die Sklaven an den Lautesten zu verscherbeln - läßt Spielberg nun ein rührend-rühriges Trio platzen. drei Männer, die aus unterschiedlichem Eigeninteresse für die Sklaven einstehen und schließlich (aus langsam wachsender Überzeugung!) mit allen Mitteln deren Freispruch durchfechten: Lewis Tappan (Stellan Skarsg†rd), der die Abschaffung der Sklaverei aus religiösen Motiven fordert; Theodore Joadson (Morgan Freeman), als freier Schwarzer ein Abolitionist aus Solidaritätsgründen; schließlich der junge Immobilien-Anwalt Roger Baldwin (Matthew McConaughey), der eigentlich nur Geld verdienen möchte.
Die Darstellung dieses abstrusen Interessensgeflechts hätte genügt, um Amistad zu einem spannenden Historiendrama zu machen. Aber offenbar wollte Spielberg nicht irgendeine Sklaven-Geschichte, sondern die Geschichte der Sklavenbefreiung erzählen - und noch eine (arg verkürzte) Ursachenforschung zum Sezessionskrieg mitliefern. Da der Fall der Amistad-Sklaven bald zu einem nationalen Politikum wird und der schwache US-Präsident Van Buren einen Bürgerkrieg befürchtet, wird gegen die Afrikaner eifrig intrigiert - bis sich schließlich der wackere Ex-Präsident Adams (Anthony Hopkins) für die Sache der Sklaven einsetzt und deren Freispruch erwirkt.
Spielberg schreibt damit Geschichte, deren Verlauf (wieder einmal) vom eisernen Handlungswillen weißer Männer bestimmt wird. Diese wälzen ihre Argumente eifrig im polit-melodramatischen Standard-Schmelzkäse, der in Amistad in bekannter Hollywood-Manier auf den Flammen des Patriotismus und Wertekonservativismus weichgekocht wird. Spielbergs verliebter (und daher viel zu lange an seinen Objekten klebender) Blick gilt den großen Gesten und Emotionen der Befreier - und weniger dem (in einer kurzen Rückblende skizzierten) Los der Sklaven.
Das, und nicht einmal so sehr die mißratene Dramaturgie, macht Amistad schließlich langweilig. Während der Hobby-Historiker Spielberg in Schindlers Liste (europäische) Geschichte immerhin noch auf imposante Weise verkürzt hat, ist die Umschrift der Geschichte der Afroamerikaner zum Märchen vom wackeren weißen US-Patriarchen in Amistad am Ende nur noch quälend. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 28/2/1998)

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MIMIC (MIMIC)

USA 1997. 100 Min
Regie: Guillermo Del Toro, Buch: Matthew Robbins, John Sayles, Steven Soderbergh, Musik: Marco Beltrami, Kamera: Dan Laustsen, Schnitt: Patrick Lussier, Darsteller: Mira Sorvino (Dr. Susan Tyler), Jeremy Northam (Dr. Peter Mann), Charles Dutton, Giancarlo Giannini (Manny), F. Murray Abraham, Josh Brolin, Alexander Goodwin (Chuy)
Kinostart: 20/2/1998

Ein Abwehrmechanismus der Natur ist die Mimikry, mit deren Hilfe Insekten sich verwandeln können und dann aussehen wir ihre Feinde. Die beiden Wissenschaftler Dr. Susan Tyler (Mira Sorvino) und Dr. Peter Mann (Jeremy Northam) haben die Aufgabe, einen gefährlichen Virus zu besiegen. Er hat bereits Tausende Kinder getötet. Dazu erzeugen sie mit Hilfe der Genmanipulation ein Insekt, das die absolute Anpassungsfähigkeit hat. Ihm gelingt es, den Virenträger zu töten. Doch drei Jahre später hat sich diese Fähigkeit soweit perfektioniert, daß die Tierchen sich nun auch Menschen angleichen können. Sie leben unter der Stadt und müssen vernichtet werden.
Ein Horrorschocker in der Folge von "Aliens", der ebenfalls nicht nur schleimig-schockierend ist, sondern auch mit guten schauspielerischen Leistungen aufwarten kann. Alles in allem kommt er aber nicht ganz an den mehrteiligen Vorfahren heran. (film.de)

(...) Hitchcocks Klassiker "Die Vögel" wird nicht nur in mehr als einer Szene effektvoll zitiert, sondern auch in der Struktur, den Spannungsmechanismen und der symbolischen Bildsprache von Del Toro konsequent als Vorbild verwendet. Die mutierten Monster sorgen für den modernen Touch. Zumindest das amerikanische Publikum amüsierte sich, nachdem der erste Schreck überwunden war, bestens, wenn die Hauptdarstellerin von einer fliegenden Kakerlake in die Tiefen der U-Bahn-Tunnel geholt wurde. (...) Rund 80 Personen arbeiteten am Design der animierten Kreaturen, die von Visual Effects Supervisor Brian M. Jennings per Computer generierter Graphik weiter animiert und in das Geschehen integriert wurden. Production Designer Carol Spier, eine langjährige Mitarbeiterin von David Cronenberg, schuf phantastische Sets in Toronto, die der Kanal-Unterwelt New Yorks eine neue, fast schon religiöse Dimension geben. (Filmecho/Filmwoche, 36/97)

Drei Jahre nach ihrem Einsatz gegen eine unheilbare Kinderkrankheit wachsen genmanipulierte Insekten auf Menschengröße heran und machen sich über die Bevölkerung von New York her. In der Kanalisation der Stadt liefert sich ein Häuflein Unerschrockener ein letztes Gefecht mit den mutierten Tieren. Ein handwerklich sorgfältig gestalteter Horrorfilm, der es jedoch bei puren Oberflächenreizen beläßt und trotz einiger Andeutungen der Geschichte keine Tiefe verleihen kann.
Eine unheilbare Krankheit befällt New Yorker Kinder. Während Mediziner keine Rettung finden, kann die Insektenforscherin Dr. Susan Tyler die Epidemie stoppen. Die von ihr genveränderten Insekten vernichten die Krankheitsüberträger: die in New York allgegenwärtigen Kakerlaken. Selbst sollen die Killerkäfer nach einer genetisch implantierten Lebenszeit von sechs Monaten sterben. Die im Genlabor erzeugte Kreatur mit dem bedeutungsvollen Namen "Judas-Breed" verrät jedoch nicht nur ihre Art, sondern auch seine Schöpfer. Drei Jahre später bringen Kinder der Wissenschaftlerin Tyler eine erstaunlich große Larve, die schnell als Abkömmling der Judas-Zucht erkannt wird. Gleichzeitig ereignen sich ungewöhnliche Morde in der Stadt. Bislang sah nur Chuy, ein autistisches Kind, den Mörder und ahmt seitdem zirpend-klappernde Geräusche mit zwei Löffeln nach. Der Junge nennt das nur schemenhaft erkennbare Wesen "Mr. Funny Shoes". Tyler macht sich, gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter Mann, der als offizieller Seuchenbekämpfer bei den Mordfällen recherchiert, auf die Suche nach weiteren Judas-Exemplaren. Nach einigen Schwierigkeiten mit der Bürokratie (und dem schlüssigen Fortgang der Handlung) tauchen drei verschiedene Gruppen in eine insektenverseuchte Unterwelt ein, denn die Gefahr kommt durch U-Bahn-Gänge in die Stadt. Die Wesen verstecken sich horrorgerecht in stillgelegten und vergessenen Tunnelnetzen. Auf der Flucht vor einer noch gesichtslosen Gefahr treffen die Menschen in einem alten U-Bahnhof zusammen, wo es zu extrem blutigen Kämpfen mit den menschengroßen Insekten kommt. Die neue Spezies imitiert ihre Opfer: Menschen in der U-Bahn. Nachdem sich ein überkorrekter U-Bahn-Wärter opfert, Peter Mann die Insektenbrut ausrottet und Tyler im finalen Duell Chuy rettet, können Tyler, Mann und Chuy als einzige Überlebende - und als neue Familienkonstellation - zum Tageslicht emporsteigen.
"Mimic" ist der erste amerikanische Film des Mexikaners Guillermo Del Toro, dessen moderne Vampirfilm-Variante "Cronos" (1992) durchaus beeindruckte. Für die Produktionsfirma Dimension steht "Mimic" in einer Reihe von drei Horrorfilmen: nach "Scream - Schrei!" (fd 32 822) wird demnächst das amerikanische "Nightwatch"-Remake folgen. Mit der permanenten Bedrohung in den vielen dunklen Räumen sorgt Del Toro in "Mimic" für eine vordergründige Spannung, die nur kurzzeitig bei didaktischen Einschüben zum Leben der Insekten pausiert. Doch die aus anderen Horrorfilmen - vor allem "Alien" (fd 22 226) - hinlänglich bekannten Elemente funktionieren ohne eigenständige Ideen letztlich nur mechanisch, so daß "Mimic" Spannung und Horror nur imitiert. Erstaunlich ist da schon die - nicht im Abspann vermeldete - Beteiligung von John Sayles und Steven Soderbergh am Drehbuch, denn der konventionelle Science-Fiction-Horror wurde nur mäßig mit weiteren Themen aufgepeppt. Im deutlich erkennbaren Subtext spielen Kinder eine besondere Rolle. Die erfolgreiche Wissenschaftlerin Tyler wird nicht schwanger und kann mit der Rettung Chuys endlich ihre Kinderliebe beweisen. Wie in "Vergessene Welt: Jurassic Park 2" (fd 32 664) müssen sich die scheinbar defizitäre Fortpflanzung und Erziehung der Gattung Mensch mit dem vorbildlicheren Aufzuchtsverhalten von mörderischen Monstern messen. Auffällig häufen sich dabei Attacken der Insekten gegen Priester (ein Priester ist das erste Opfer) und Kirchen. Beim Opfergang einer Figur wird explizit ein Rosenkranz mit Blut eingeschmiert, um die Insekten anzulocken. Noch aufdringlicher zeigt sich nur die Naivität der Forscher, die ihre Neuschöpfung nach "erfolgreichen Labortests" ins Freie lassen. Zugleich aber läßt "Mimic" bereits in seinen ersten Szenen - angesichts schmerzvoll schreiender Kinder- keine Zeit zur Reflexion über moralische Dilemma und wissenschaftliche Ethik. Obwohl die Rieseninsekten erzählerisch nur eine Variante des modernen Mythos der Kanal-Alligatoren darstellen, ist ihre Realisation durchaus bemerkenswert; sowohl ihre Menschen-Imitation als auch das Auseinanderfalten zu fliegenden Killern macht Eindruck. Ganz im Gegensatz zu solch formal-äußerlicher Qualität enttäuscht vor allem die Hauptdarstellerin Mia Sorvino, die ihrer mutigen Wissenschaftlerin Susan Tyler keine interessante Tiefe geben kann. Auch den anderen Rollen fehlt es an charakteristischem Gewicht, so daß stellenweise der Eindruck eines B-Pictures aufkommt. Als solches - oder mit brechender Ironie - hätte dieser angestrengt auf seinen Horror fixierte Film vielleicht besser funktionieren können. (Günter H. Jekubzik)

Die Schwarzfahrer des Fortschritts - Guillermo Del Toros Horrorfilm „Mimic“
Der Mensch hat die Städte erfunden, aber er hat sie nicht für sich allein: Ausdauernde Gattungen wie die Ratte oder die Kakerlake teilen sich mit dem Tagtier Homo sapiens die urbanen Gefilde. Nachts und unter Tag, in den Fugen der Häuser und in den Schächten der Untergrundbahn herrschen die Tiere, der Mensch findet sich dort nur mit Stirnlampe zurecht.
In New York haben die Leute mit der Schabe eine Art Auskommen gefunden. Darauf bezieht sich die Insektenforscherin Susan Tyler (Mira Sorvino) in einer halb scherzhaften Bemerkung, als sie ihr Genmanipulationsprogramm erläutert: Das Lachen der Zuhörer gleicht der Erleichterung nach einem Spuk, aber es kündigt auch Schlimmeres an.
Mimikry ist die gefährlichste Methode des feindlichen Tiers: Darauf lief zuletzt auch Alien IV hinaus, und Guillermo Del Toros Horrorfilm Mimic exerziert dieselbe schockierende Vorstellung an der Küchenschabe durch: Zur Eindämmung einer Seuche wurden sterile Tiere in die Population der Insekten eingeschleust. Kurzfristig verschwanden die Schädlinge tatsächlich, zum Zeitpunkt, da der Film einsetzt, tauchen sie wieder auf, monströs verwandelt, wenn auch vorerst nur den Forschern erkennbar.
Wie so häufig im Genre-Kino ist in Mimic die Eröffnung viel besser als das Finale. Del Toro führt uns an verkommene Plätze. Religiöser Fanatismus resultiert aus einer apokalyptischen Grundstimmung. Ein Junge sitzt an einem Fenster, starrt in den Regen und schlägt mit zwei Löffeln einen unheimlichen Takt: Das Schabengeräusch.
Die Logik ist suspendiert, hier gilt die höhere Ordnung der genetischen Defekte, die DelToro ins Mythische übersteigert. Dabei vergibt er sich im Verlauf der Geschichte einige Möglichkeiten, die unbedingt naheliegen würden: Der Abstieg zu den Müttern müßte eigentlich logisch in einen Showdown mit der Königin des gepanzerten Getiers münden, aber gegen Ende fällt die Spannungskurve von Mimic ein wenig ab. Die Konfrontation der Gentechnologen mit ihrer Frankenstein-Kreatur endet mit einigen dramaturgischen Willkürakten und einem konservativen Ende: Die U-Bahn kommt ex machina, jetzt fährt sie wieder nach Plan. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 3/3/1998)

Im Spiegelkabinett des neuen Fleisches. Guillermo Del Toro, neu in Hollywood, fertigte unlängst einen kleinen herben Auftrags-Horrorthriller namens "Mimic" an. Nun läuft er in hiesigen Kinos.
Die entgleisende Wissenschaft hat viel mit dem Exzeß des Horrorfilms zu tun: Man inszeniert, unter künstlichen Bedingungen, den Ausnahmezustand, erregt Skandal, Krankheit und Mutation, um nebenbei die Grenzen des Darstell- und Zumutbaren zu erforschen. Das Resultat, im Kino wie im Labor: Chaos und Lebensgefahr, aber eben auch Nervenkitzel und neues Wissen über das new flesh, das neue, veränderte Fleisch der Bewohner einer rasant mutierenden Welt.
In Mimic wird anfangs eine Seuche, die die Kinder New Yorks zu Tausenden dahinrafft, besiegt. Gentechniker entwickeln eine neue, artifizielle Insektenart, die eine Epidemie erstickt - und eine andere gebiert. Für die Spätfolgen des gutgemeinten Experiments interessiert sich Mimic, der Film, für den man einen jungen Spanier namens Guillermo Del Toro - nach dessen elegantem Debüt Cronos - in den Regiesessel gebeten hat.
Insektenmutationen entstehen also im Dunkeln, tief unter der Stadt, menschengroße Abkömmlinge jener künstlich kreierten Spezies, die in einem Akt monströser Mimikry überleben. Mimic beutet den alten Ekel vor größeren Insekten kenntnisreich und fleischlich, wenn auch nicht sonderlich originell aus, stilistisch an Tourneurs Schattenhorror, Alien und den alten Body Snatchers orientiert.
Der faszinierende Designerhorror des Vorspanns, nahe an Seven, täuscht noch ein wenig über den traditionellen Ansatz Del Toros hinweg: Bilder wie aus dem Kopf eines Zwangsneurotikers, aufgespießte Schmetterlinge und Photoserien, in Überblendung mit Zeitungs-Schocknachrichten, die die Vorgeschichte zu Mimic erzählen.
Danach stellt sich bald Routine ein. Del Toro erweist sich dennoch als stilsicherer Horrormythologe, der die ältesten Tricks des Angstkinos kennt und effizient zu nützen weiß: Sein Reich, ein mystisches Underground-New-York, kennt wie jede gute Geisterbahn kaum Tageslicht; die Heldin arbeitet nachts allein im Labor, draußen wütet das Gewitter; die Insekten, auf die der Film stößt, werden langsam größer, von der gemeinen Küchenschabe bis zur mannshohen Schleim/Fleisch-Kreation, bis in die Vernichtungslust des showdown hinein.
Mimic leidet allerdings an der mangelnden Präsenz seiner Mimen: Komödiantin Mira Sorvino (Mighty Aphrodite; Romy & Michelle) hat hier spürbar zuwenig Raum, von dem wenig charismatischen Helden an ihrer Seite (Jeremy Northam) ganz zu schweigen. Die Insekten selbst, in bestechenden Spezialeffekten (Make-Up-Meister: Rob Bottin und Rick Lazzarini) zum Leben erweckt, sind die eigentlichen Stars. Auch darin bleibt Mimic seinem Genre, dem B-Horror treu: Im Labyrinth der blühenden Phantasie gehen reale Figuren allzu schnell verloren. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 5/3/1998)

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DIE AKTE JANE (G.I. JANE)

USA 1997. 125 Min
Regie: Ridley Scott, Buch: David Twohy, Danielle Alexandra, Musik: Trevor Jones, Kamera: Hugh Johnson, Schnitt: Pietro Scalia, Darsteller: Demi Moore (Lt. Jordan O'Neil), Viggo Mortensen (Master Chief John Urgayle), Jason Beghe (Royce), Scott Wilosn (C.O. Salem), Anne Bancroft (Senatorin Lillian DeHaven)
Kinostart: 27/2/1998

Die karriereversessene Senatorin DeHaven (Anne Bancroft) sucht sich die Offizierin Jordan O`Neil (Demi Moore) aus, um sie als erste Testperson an dem berühmt-berüchtigten Rekrutentraining der Eliteeinheit der Navy-Seals teilnehmen zu lassen. Dort findet O`Neil eine tiefe Ablehnung, insbesondere vom ausbildenden Master-Chief John Urgayle (Viggo Mortensen), vor. Sie muß mit härtesten Torturen rechnen und wird natürlich nicht im mindestens geschont. Doch mit kahlrasiertem Kopf steht sie die Qualen durch und kann bei einem Kampfeinsatz in Libyen zeigen, was sie gelernt hat.
Demi Moore mal ganz anders. Nach den Superflops "Striptease" und "Nicht schuldig" zeigt sie hier, daß sie bereit ist, alles für eine erfolgreiche Rolle zu geben. Das passable Ergebnis von rund 50 Millionen $ in Amerika gibt ihr Recht. Regisseur Ridley Scott ("Thelma & Louise", "Alien") zeigt wieder, daß er starke Frauen gut ins Licht setzen kann. (film.de)

Ein weiblicher Nachrichten-Offizier wird als erste Frau ins Trainingsprogramm einer amerikanischen Spezialeinheit aufgenommen. Nach vielen Anfeindungen und Demütigungen durch die harte Ausbildung und die Verleugnung alles Weiblichen gewinnt sie den Respekt der Soldaten und ihres Ausbilders. Ein ganz auf den äußeren Effekt hin inszenierter Film, der zwar vorgibt, für Gleichberechtigung einzutreten, diese jedoch durch die Wahl seiner Mittel hintertreibt. Das Ergebnis ist ein ärgerlicher Film, der das Militär distanzlos verherrlicht.
Spätestens seit seinem Road Movie "Thelma & Louise" (fd 29 188) gilt Ridley Scott, der von sich behauptet, keine Angst vor starken Frauen zu haben, als versierter "Frauenfilmer". In der Tat hat er bereits am Anfang seiner Kinokarriere mit Sigourney Weaver in der Rolle des Officer Ripley in seinem stilbildenden Science-Fiction-Horrorfilm "Alien" (fd 22 226) eine Frau in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Nur: Bei Scott verschiebt sich das Weibliche zugunsten des Männlichen. Ripley hat keinen Vornamen und funktioniert nur, weil sie perfekter als alle Männer agiert; und Thelma und Louise können ihre Flucht quer durch Amerika nur fortsetzen, weil sie die Spielregeln einer männlich dominierten Gesellschaft akzeptieren und für ihre Zwecke nutzen. Mit "Die Akte Jane" hat Scott seinem persönlichen Blick auf das spezifisch Weibliche nun ein vorläufiges I-Tüpfelchen aufgesetzt und eine starke Frau in einer der letzten Männer-Domänen etabliert. Frauen in der Armee sind zwar ein alter Hut, aber Frauen in der Elite-Kampfeinheit "SEALS", das ist schon etwas ganz Besonderes.
Am Anfang steht der Kampf der Senatorin DeHaven für die Rechte der Frau, und wo könnte Gleichberechtigung besser eingeklagt werden als in einem der verschworensten Männerbünde, der kämpfenden Truppe, und besser noch, in einer Einheit, die auch für Operationen hinter den feindlichen Linien ausgebildet wird? Kaum gibt der Kongreß grünes Licht, da steht auch schon Lt. Jordan O'Neil in den Startlöchern, um ihre patriotisch-feministische Aufgabe zu erfüllen. Sie rückt ein ins Ausbildungslager von Salem, hat natürlich einen schweren Stand, muß alleine schlafen, da der überharte Ausbilder offenbar die sexuelle Desorientierung seiner Truppe fürchtet, und hat all den Drill und die Schindereien zu ertragen, die männliche Kameraden scharenweise die Einheit verlassen lassen. Während die Männer den abendlichen Glocken-Appell nutzen, um den Dienst zu quittieren, nutzt O'Neil die Härte des zynischen und sie verachtenden Master Chiefs um selbst härter zu werden. Sie schindet sich, stählt ihren Körper, schneidet sich die schönen langen Haare ab, geht auf in ihrer neuen Aufgabe. Dann der geprobte Ernstfall: eine Übung unter Kampfbedingungen. Bei der Eroberung einer kleinen Insel, erhält O'Neil das Kommando und muß gegen ihre Ausbilder antreten. Ein männlicher Offizier "verbockt" den Einsatz, und alle "Aggressoren" geraten in eine Gefangenschaft, die nicht von ungefähr an die Vietnam-Filme der 80er Jahre erinnert. Folterungen sind an der Tagesordnung, und das Drehbuch will es, daß O'Neil besonders hart herangenommen wird. Halbtot geprügelt kann sie sich schließlich ihrer Haut erwehren und dem Master Chief eine gebrochene Nase und erhebliche Unterleibsschmerzen zufügen. Ein vulgärer Machospruch rundet die Sache ab und bringt ihr endlich die volle Anerkennung der Jungs ein - sie ist halt doch eine(r) von ihnen. Doch nun hintertreibt Senatorin DeHaven den Erfolg, war sie doch eigentlich mehr an O'Neils Scheitern interessiert. Flugs wird dieser eine lesbische Affäre angedichtet, O'Neil wird unehrenhaft entlassen, nimmt sich jedoch die Senatorin zur Brust und kann zur Freude ihrer Kameraden und des Masters Chiefs die Wiedereinstellung betreiben.
Ärgerlicher Nachklapp: Ridley Scott zeigt einen Kommandoeinsatz in Lybien, bei dem O'Neil ihre Sonderklasse beweisen kann, etliche lybische Soldaten das Leben verlieren und die Amerikaner nur unwesentliche Blessuren davontragen. Dann sind Ordensverleihung und Tränen angesagt, und ein grauenhafter Film ist endlich zu Ende. In "Die Akte Jane" ist Körperlichkeit angesagt, nicht subtile Schauspielkunst. Da wird geschwitzt und gestöhnt, Muskeln werden zur Schau gestellt und gestählt, die Weiblichkeit wird auf dem Altar des Männlichen geopfert. Scott tut alles, um die Wandlung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Die sich fast pausenlos bewegende Kamera täuscht Dynamik vor, düster-ästhetisierte Nachtaufnahmen sollen Reiz verstrahlen, zeitverlangsamte Sequenzen (keine Zeitlupe!) unterstreichen den dramatischen Prozeß, und auch die Montage wird den Prinzipien der Effekthascherei untergeordnet. Das mag alles legitim sein, doch wie Scott Pein, Qualen und Schmerz zu ästhetisieren versucht, das hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Jedes inszenatorische Mittel ist ihm recht, um die Wandlung O'Neils zu visualisieren. Schinderei findet ihren Ausdruck in Schweiß und nicht in seelischen Qualen, die Scott erst gar nicht zu thematisieren versucht, paßt es doch nicht in sein dramaturgisches Konzept, das auf Hochglanz und schön-schrecklichen Schein angelegt ist, nicht auf Tiefe und psychologische Auslotung der Personen. Scott ist zu seinen Anfängen zurückgekehrt, er macht wieder effektvolle Werbefilme, doch wofür er wirbt, bleibt schleierhaft: für den Feminismus oder die US-Armee? Wahrscheinlich für Letzteres. Dafür spricht auch der Schlußteil des Films: Der völkerrechtswidrige Lybien-Einsatz der SEAL-Einheit wird als "Militär-Abenteuer" thematisiert, nicht auf seine politischen und ethischen Dimensionen hin hinterfragt. Ein Macho-Spiel ohne Nachspiel, dafür aber mit viel Ballerei und natürlich einer schwitzenden und vor Anstrengung keuchenden Demi Moore. Die Kinogänger haben Ridley Scott so manchen stilbildenen Film zu verdanken - "Die Akte Jane" hätte er ihnen und sich selbst ersparen können. (Hans Messias, film-dienst)

Die Senatorin Lillian DeHaven (Anne Bancroft) hat wohl den Mund etwas vollgenommen: sie hat behauptet, Frauen könnten ebensogut als Soldaten an der Front stehen wie Männer. Nun sucht sie ein weibliches Wesen, daß die Aufnahmeprüfung bei den Ledernacken bestehen kann. Ihre Wahl unter einigen Kandidatinnen fällt auf Jordan O'Neil (Demi Moore, Striptease), die bereits im Militärinnendienst arbeitet.
Gegen den Willen ihres Freundes Royce (Jason Beghe) entscheidet Jordan, sich tatsächlich der Herausforderung zu stellen. Im Ausbildungslager angekommen, sind die Konditions- und Kratfproben zwar nicht gerade ein Zusckerschklecken für die junge Frau; schlimmer sind aber die Behandlung durch die mitstreitenden Männer, die eine Frau in der Kompanie zuerst nicht akzeptieren wollen, vor allem aber durch den Ausbildungsleiter John Urgayle (Viggo Mortensen), der sie noch härter drillt als die männlichen Anwärter auf eine Militärlaufbahn. Ihre Mitstreiter bekommt O'Neil nach und nach auf ihre Seite, dafür erscheint ein neuer Gegenspieler auf der Bildfläche: die Presse, die eigentlich nichts von Jordans Aufnahmeprüfung bei der kämpfenden Truppe erfahren sollte hat doch irgendwie davon erfahren und daraus gleich die Schlagzeile auf der ersten Seite gemacht.
Da sieht man's mal wieder: Politiker tun doch wirklich alles, um im Gespräch zu bleiben und Wählerstimmen zu bunkern. Der Film gibt allerdings weit weniger her als man sich von der Idee verspricht. Zu lange verweilt Ridley Scott, von dem man beispielsweise mit "Blade Runner" schon echte Meisterwerke gesehen hat, bei den Problemen, bei Nebensächlichkeiten. Eine der wenigen wirklich interessanten Szenen ist die, in der Demi Moore sich selbst die Haare schneidet. Nicht, weil das ein besonders bewegender Moment in der Filmgeschichte wäre, sondern weil es erstaunlich ist, daß eine Frau wie sie ihre schönen, langen Haare opfert. (heinz online)

'Die Akte Jane': Kriegspropaganda im Tarnanzug. Demi Moore in Ridley Scotts schlechtesten Film
"Das Thema des Films ist provokant. Amerikaner sind an Frauen in der Army gewöhnt, aber Frauen in einer kämpfenden Einheit, das ist auch für sie neu", sagt Regisseur Ridley Scott über "Die Akte Jane". Es geht um Emanzipation, Politik und Vorurteile - zumindest oberflächlich. Denn diese Themen dienen bloß als Tarnanzug, unter dem sich Kriegspropaganda versteckt. Hauptdarstellerin Demi Moore spielt den weiblichen Rambo, beim Training stellt sie allerdings Silikon-Rundungen statt gewaltigen Bizeps zur Schau.
Navy-Offizierin Lt. Jordan O'Neil (Moore) nimmt die historische Herausforderung an: Als erste Frau darf sie am knochenharten Ausbildungsprogramm der Elite-Truppe SEALS teilnehmen. Zunächst stößt die Soldatin bei ihren Kameraden auf Ablehnung, sexistische Sprüche und viele Hürden. Doch O'Neil hält alle Schikanen durch, bis sie fast an den politischen Machtspielen einer Senatorin (Anne Bancroft) scheitert. Aber was sind schon Schreibtisch-Intrigen gegen die Schikanen der Ausbildner? So setzt sich die wackere Offizierin im Pentagon und Felde gleichermaßen durch - und bekommt als Belohnung einen Einsatz in Libyen...
"G.I. Jane" (Originaltitel) will Diskussionen auslösen, die Öffnung des Bundesheeres für Frauen verpaßt der Produktion zusätzliche Aktualität. Scott hat den Großteil der 125 Minuten jedoch mit Truppenübungen gefüllt - eingefangen in stilistisch perfekte Bilder, unterlegt mit treibender bis pathetischer Musik. Transportiert wird die Geschichte von einem Star mit Luxuskörper und Modellgesicht: Moores Charakter wirkt allein optisch unglaubwürdig.
Scott durchleuchtet nur im Ansatz die gesellschaftliche Dimension hinter dem Fall. Seine Darstellung von Gleichberechtigung beschränkt sich in erster Linie darauf, daß Lt. O'Neil von ihrem Vorgesetzten genauso brutale Schläge ins Gesicht bekommt wie ihre männlichen Kollegen. Erst als "G.I. Jane" ordentlich blutet, haben diese endlich Respekt vor ihr - eine traurige bis hilflos wirkende Aufarbeitung der Problematik. Während in Scotts Werken wie "Alien" oder "Thelma & Louise" selbstbewußte Frauen den Ton angeben ließ, ordnet sich diesmal die starke Protagonistin letztendlich dem System unter.
Der Versuch einer kritischen Betrachtung der Materie erstickt im Ansatz, Anne Bancrofts gute Darstellung einer windigen Senatorin wird zur Rahmenhandlung degradiert. Am Ende geben sich sämtliche Kämpfer bekehrt, sie akzeptieren die Amazone. Denn in der Army sind alle tolle Kerle, denen Kameradschaft über alles geht - echte Patrioten, wie Ridley Scott uns lehrt. Das nehmen ihm offenbar nicht einmal Amerikaner ab, denn die zeigten nur mäßiges Interesse an der "Akte Jane".(APA) (DER STANDARD, 24/2/1998)

Dienst ist Krieg: Das härteste Pin-Up-Girl Hollywoods. "Die Akte Jane" uniformiert einen Hollywoodstar: Demi Moore, freiwillige Frau in der US-Navy, durchlebt eine Kriegsausbildung unter wilden Männern. Regisseur Ridley Scott hat dazu, wider Willen, die Screwball-Comedy des Jahres orchestriert.
Die Politik ist zynisch. Soviel immerhin ist selbst diesem Film bekannt: Eine texanische Senatorin (Anne Bancroft) versucht hier, sich beliebt zu machen, indem sie feurig für die Aufnahme weiblicher Rekruten in eine Spezialeinheit der US-Navy plädiert, in Wirklichkeit aber gar nicht will, daß ihre Kandidatin die Ausbildung besteht. Diese aber tendiert zum Heldischen - und macht der intriganten Politikerin also einen Strich durch die Rechnung. G. I. Jane (zu deutsch: Die Akte Jane) schließt das kriegerische US-Actionkino mit dem aktions- und kriegsverliebten Amerika kurz. Und eine nur, versichern die Filmemacher, kam überhaupt je in Frage, G. I. Jane zu spielen: Star Demi Moore übernahm, als Co-Produzentin, daher die Hauptrolle.
In Hollywood gibt es inzwischen Erzählweisen, die für gar nichts mehr Zeit haben, die am eigenen Überdruck zu ersticken drohen. G. I. Jane ist so ein Fall: Vom ersten Augenblick an an ergießt sich das hektisch dudelnde Hintergrund-Orchester über die Erzählung, legt sich wie ein Ölfilm über die dahin hastenden Dialoge, die atavistischen Konfrontationen und die ständigen Körpereinsätze seiner Heldin.
Der Körper Demi Moores stellt hier erneut, wie schon in Ein unmoralisches Angebot und Striptease , das Zentrum, das Herz der Geschichte dar: Regisseur Ridley Scott, der mit G. I. Jane seine werbeästhetische Auffassung des Themas "Frauenkino" (siehe Thelma & Louise) noch genauer definiert, untersucht seine Protagonistin beim Härtetest, bei der Trainingsfolter mit dem Blick des Voyeurs: Demi beim Liegestützkurs im flachen Wasser (eine Art Wet-T-Shirt-Contest ), Demi im Kampf gegen bizarre Stahlwalzen in der Wüste - und Demi, wie sie vom zu aus Trainingszwecken blutig geschlagen wird: Eine eigene Analyse der sadomasochistischen Bildwelt dieses Films brächte reiche Ergebnisse.
Unter dem Deckmantel der heroischen Präsentation einer Soldatin läßt der Filmemacher keine Gelegenheit aus, seine Heldin zu foltern, sie in Situationen der Demütigung und Vergewaltigung zu bringen. In Hollywood hat diese Taktik freilich Tradition: Amerikas neues Actionkino, von Stirb langsam bis zu Cliffhanger, baut auf ein Heldentum, das sich gerade aus der besonders üblen Behandlung der Heldenkörper ergibt. Nur die Starken kommen durch, geteert und gefedert zwar, aber am Leben: Erst die physische Tortur schafft Kino-Überlebensgröße.
Muskelpaket Demi Moore läßt sich in G. I. Jane, der "vollen Gleichstellung der Frau" zuliebe, der SEALS-Spezialeinheit der Navy zuteilen, und findet sich im Ausbildungslager der Härtesten unter den Harten wieder. Ein Mann, den man unterwürfig Master Chief zu nennen hat, macht sich - eine Karikatur seiner selbst: Viggo Mortensen - an die Arbeit, den Willen der unwilligsten Männer (und jenen der unliebsamen Dame im Team) zu brechen. Dienst ist Krieg, und Scott braucht 125 Minuten Spielzeit, um dazu den Beweis zu führen. Die menschenunwürdige Ausbildung mündet übergangslos in einen blutigen Ernstfall, den dieser Kriegskitschfilm am Ende auch noch braucht: Und siehe, die tapferen amerikanischen boys (und nun eben auch: girls) töten und sterben in Libyen so stilsicher, wie sie ihr Testprogramm daheim absolviert haben.
Das abgekartete Spiel, das die Politik im Film mit der armen Demi treibt, entspricht sehr genau dem Spiel, das der Regisseur mit dem Film veranstaltet: jedes Wort eine Hülse, jeder Konflikt ein Cartoon - und jeder Blick ein Volltreffer, mitten ins Herz des Allerbanalsten. Wenn Moores Liebster bedeutungsvoll noch die Worte "Sie werden Cornflakes aus deinem Schädel essen" spricht, so darf die Textprobe paradigmatisch für die schriftstellerische Qualität des Drehbuchs gelesen werden.
Die bemerkenswerte Häufung geist- und bewußtloser Momente gewinnt in G. I. Jane daher bald unvermuteten Unterhaltungswert. Das Scheitern des Filmemachers an der Verdeckung seiner niederen Motive gerinnt zur Basis einer Screwball-Comedy wider Willen: G. I. Jane ist der mit Abstand schlechteste amerikanische Film der letzten Monate - und als solcher eine große Chance für all jene, die schon länger darauf warten, Star-Trotzkopf Demi Moore - das Pin-Up-Girl des reaktionären Hollywood - gequält und ausgebeutet, geteert und gefedert serviert zu bekommen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 28/2/1998)

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