USA 1997. 124 Min
Regie: Michael Caton-Jones, Remake des Zinnemann-Films,
Buch: Chuck Pfarrer. nach Kenneth Ross,
Musik: Carter Burwell,
Kamera: Karl Walter Lindenlaub,
Schnitt: Jim Clark,
Darsteller: Bruce Willis (Der Schakal), Richard Gere (Declan Mulqueen), Sidney Poitier (Cater Preston), Diane Venora (Valentina Koslova), Tess Harper (The First Lady), J.K. Simmons (Witherspoon), Mathilda May (Isabella), Stephen Spinella (Douglas), Richard Lineback (McMurphy), Jack Black (Lamont), John Cunningham (Donald Brown), David Hayman, Steve Bassett, Ravil Isyanov, Serge Houde
Kinostart: 13/3/1998
In dem lose von dem gleichnamigen Fred-Zinnemann-Thriller von 1972 inspirierten Action-Reißer um die Hatz auf einen politischen Auftragskiller findet sich gleich dreifach alterprobtes Talent in den Hauptrollen. Action-Star Bruce Willis liefert sich in der Titelrolle mit dem nur noch selten auftretenden Oscar-Preisträger Sidney Poitier und dem ergrauten Frauenschwarm Richard Gere ein nicht immer strikt den Gesetzen der Logik folgendes Katz-und-Maus-Spiel, das allemal packend genug ist, um neben Genrekollegen wie "Con Air" oder "The Rock" zu bestehen. (Blickpunkt: Filme, 49/97)
Der Schakal (Bruce Willis) ist einer der gefürchtetsten Killer auf der Welt. Von der russischen Mafia angeheuert, macht er sich mit seinem eigenen Zeitplan und Identität daran, für 70 Millionen Dollar Kopfgeld eine der bekanntetsten Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten zu töten. Doch das FBI kommt ihm auf die Schliche und setzt mit Carter Preston (Sidney Poitier) und seiner russischen Kollegin Valentina (Diane Venora) zwei Leute auf ihn an. Doch ohne den nötigen Killerinstinkt haben sie keine Chance. Deshalb lassen sie sich vom inhaftierten Ex-Terroristen Declan Mulqueen (Richard Gere) unterstützen. Dieser willigt nur ein, weil seine große Liebe Isabella (Mathilda May) zwischen die Fronten gerät. Eine mörderische Jagd nimmt ihren Lauf.
Ein hochspannender Film mit einer Riege an Topdarstellern, der zwei Stunden schnell vorbeigehen läßt. (film.de)
Russische und amerikanische Sicherheitskräfte jagen den internationalen Top-Terroristen "Schakal", der im Auftrag der "Russen-Mafia" einen prominenten Repräsentanten der westlichen Welt eliminieren soll. Die ambitionslose Neuverfilmung eines bereits 1972 von Fred Zinnemann adaptierten Romans von Frederick Forsyth wartet zwar mit zwei hochbezahlten Superstars und vielen modischen Effekten auf, vermag aber seiner Vorlage keinerlei neue Facetten abzugewinnen. Im Gegenteil: Die Neuinszenierung fällt in jeder Hinsicht ab.
Langsam aber sicher wächst sich die "Russenmafia" zur Landplage der Unterhaltungsindustrie aus. Ob Vorabendserie vom Münchner Geiselgasteig oder Millionen-Produktion aus Hollywood - allenthalben müssen diese Knallchargen Feindbild-Defizite des ausgedienten Kalten Krieges kompensieren. Im vorliegenden Fall geht da so: Russisches Sondereinsatzkommando liquidiert unter Mithilfe amerikanischer Experten einen Moskauer Paten. Daraufhin erklärt die postsozialistische "ehrenwerte Gesellschaft" dem FBI den Krieg, beauftragt einen internationalen Top-Terroristen (alias "Der Schakal" alias Bruce Willis) mit einem spektakulären Attentat. Los geht die Hatz von Gut auf Böse und umgekehrt und rund um den Erdball. Auf Seiten des FBI streitet mit Valentina Koslova auch ein knallhartes Flintenweib (Frage: "Wie ist ihr Vorname?" Antwort: "Major!") sowie der ehemalige IRA-Terrorist Mulqueen, dem als Alternative zu lebenslanger Haft (ganz wie Snake Plissken in John Carpenters "Die Klapperschlange", fd 23 077) eine Kollaboration nahegelegt wurde. Als Einzelgänger ist der "Schakal" extrem gefährlich: High-Tech-Experte, Organisationsgenie und Verwandlungskünstler in einem, vor allem aber ohne jede Skrupel, bleibt er seinen Widersachern immer einen Hauch voraus. Niemand geringeres als die "First Lady" der Vereinigten Staaten soll während einer mildtätigen Veranstaltung von ihm eliminiert werden. Selbstredend kommt es erst nach zwei Stunden Filmhandlung und entsprechend häufigen, aktionsgeladenen Wechselfällen zum alles entscheidenden Showdown. Selbstredend wiederum gelingt den konzertierten Kräften des Guten noch einmal der Triumph über das personifizierte Böse.
Auch wenn sich die Produzenten der aktuellen Version von "Der Schakal" dagegen sträuben würden, muß Fred Zinnemanns Original aus dem Jahr 1972 (fd 18 505) zum Vergleich herangezogen werden. Denn sehr schön läßt sich dadurch feststellen, wie einerseits ein nicht sonderlich origineller Stoff optimal ausgereizt wurde, wie spekulativ und letztlich ambitionslos andererseits mit demselben Material umgegangen werden kann - Caton-Jones' Fassung zieht in allen Belangen eindeutig den kürzeren. Der Einzelgänger bei Zinnemann entfaltete seine Aura des Geheimnisvollen aus dem Zwiespalt zwischen eiskalter Berechnung und völliger Unberechenbarkeit. Station für Station wurde dem Zuschauer die Genialität des Bösen als reibungslos funktionierendes Uhrwerk vorgeführt. Dies schuf zwar noch keinen Charakter (in beiden Filmen bleiben Hintergrund und Motivation des Terroristen nebulös), führte aber doch zu einer gewissen Sogwirkung sowie zur immer akuter werdenden Frage, wie denn dieses Monstrum überhaupt noch aufzuhalten sein wird. Aktivitäten der Gegenpartei blieben bei Zinnemann weitgehend ausgeblendet, erst am Ende wird dem Unhold durch Zufall der Garaus gemacht. Es ist mithin der menschliche Faktor, der die Killer-Maschine scheitern läßt. Ganz anders im Hollywood-Aufguß: In klassischer Parallelmontage versucht die Inszenierung, die Aktionen von Spieler und Gegenspieler gegenseitig zu dynamisieren. Fatalerweise läuft dieses Verfahren völlig ins Leere. Um ihre erzähltechnischen Schwächen zu kaschieren, streut die Regie nun um so mehr modische Effekte ein: Stunts, Explosionen, Computerspielereien usw. Doch über diese Details wird man in wenigen Jahren ebenso amüsiert lächeln wie über Science-Fiction-Filme der 50er Jahre. Wenn z.B. die Bestellung einer Super-Kanone über das Internet erfolgt oder die nicht enden wollende Justierung dieser Waffe per Laptop vorgenommen wird, winkt schon jetzt der unfreiwillige Humor mit der Zaunslatte. Nein, dieses Remake verdient sein Vorbild nicht. Bemerkenswert übrigens, daß sich der Titelvorspann von "Der Schakal", im Gegensatz zur Hauptveranstaltung, nachhaltig einprägt. Zu einer aberwitzigen Sound-Collage aus sowjetischen Kampfliedern und den Industrial-Beats von "Massive Attack" wird komprimiert die Geschichte der UdSSR erzählt. Intelligent kompilierte und verfremdete Dokumentaraufnahmen bilden somit den Hintergrund für die Credits eines Spielfilms, der dann schwächer ausfällt als seine Verheißung. Möglicherweise erlebt man derzeit eine Renaissance des Titelvorspanns - Beispiele wie die von "Der Schakal", "Sieben" oder "Mimic" machen zumindest glauben und hoffen, daß diese Arabeske der großen Produktionen zur Diaspora einer neuen filmischen Avantgarde werden könnte. (Claus Löser, film-dienst)
Mit dem Untergang des sozialistischen Imperiums wurde das Reich des Bösen erst richtig installiert: Diese historische Erkenntnis wird Hollywood nicht müde zu behaupten. In den Weiten des russischen Hinterlandes blüht der Terrorismus, bei seinen Proponenten verhalten sich Intelligenz und Gewaltbereitschaft indirekt proportional. Wenn man einem Schurken das Handwerk legt, heuert dessen Bruder einen Schakal an für ein Attentat, Motiv: blinde Rache, Opfer: ein hochrangiger Amerikaner.
Ziemlich umständlich erzählt Michael Caton-Jones in seinem Remake eines noch gar nicht so alten Thrillers von Fred Zinnemann die Geschichte vom Schakal neu: Der Profikiller plant ein Attentat auf den FBI-Direktor, seine Verbindungen sind weltweit, seine Verkleidungen lächerlich. In der trivialen Logik der Produzenten ist es ausgeschlossen, die Geschichte ohne positiven Gegenspieler zu erzählen.
Also bekommt Bruce Willis, den die Regie immer dann bedingungslos ins Recht setzt, wenn er dicke, schwitzende Nebenfiguren zerfetzt, ein Pendant in Richard Gere, der zwar auch getötet hat, allerdings „im Krieg“ und für die gute Sache der IRA.
Unter der Oberaufsicht von Sidney Poitier jagt nun also das FBI einen Unsichtbaren. Zweimal kommt es zum Blickkontakt der Kontrahenten. Das Publikum ist immer genau im Bilde über die Manöver beider Seiten: Daraus bezog auch die Vorlage ihre Spannung, aber bei Zinnemann lief die Geschichte bei gleichzeitiger Hochspannung auf ihre ironische Relativierung durch den minimalen Zufall hinaus. In der ärgerlich plumpen Version von Michael Caton-Jones läuft alles auf einen Showdown hinaus, in dem zwei alternde Supermänner einander nichts schenken. Wie langweilig. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 14/3/1998)
Zu jedem Mord die passende Frisur. "Der Schakal": Bruce Willis gerät als Multitalent-Killer an den geläuterten Mörder Richard Gere - in einem überall lahmenden Remake des vor einem Vierteljahrhundert erstmals verfilmten Forsyth-Klassikers.
Mit dem Ende des Kalten Krieges ist dem Kino der Agenten und Polit-Hasardeure ein überaus fruchtbares Aktionsfeld verloren gegangen. Weil man lieb gewordene Gewohnheiten aber nicht einfach aufgibt, sobald sie keinen Sinn mehr ergeben, bedient sich Hollywood des Ost-Schauplatzes inzwischen als Startrampe für Verbrechen größeren Kalibers.
Solche Verbrechen beginnen beispielsweise in einer Winternacht vor einer Bar in Moskau. Es hat bei diesen wahrscheinlich die Russenmafia die Finger im Spiel. Und sie werden natürlich von jemandem bekämpft, dem das Wohl der Menschheit im allgemeinen und der Amerikaner im besonderen ein Anliegen ist. In Der Schakal beginnt das großkalibrige Verbrechen mit einer Aktion, die eigentlich zu dessen Beendigung gedacht gewesen wäre: Um einen Ost-Mafioso festzunageln, fallen das amerikanische FBI und die russische Miliz gleich im Verbund in dessen Stammlokal ein.
Dummerweise kommt der Mann bei dieser Aktion um, sodaß dessen noch mächtigerer Bruder ein gegen die US-Politiker gerichtetes terroristisches Exempel statuieren will. Damit ist die Bühne hergerichtet für den Auftritt des "Schakals": eines kaltblütigen, hochprofessionellen und weltweit gefürchteten Terroristen. Da dieser Figur eine persönliche Geschichte vorenthalten wird, konzentriert sich die Aufmerksamkeit ihres Darstellers Bruce Willis hauptsächlich aufs Make-up: Zu den gefürchteten Qualitäten das "Schakal" gehört nämlich auch seine Verwandlungskunst - und auch wenn Regisseur Michael Caton-Jonas einem nicht wirklich klar machen kann, wann der Verwandlungskünstler wieso in welche Rolle schlüpft, bereitet einem Bruce Willis mit seinen Verkleidungen doch Freude. (In puncto Maskerade und Frisur-Artistik wirkt Der Schakal noch ein klein wenig origineller als in der Ausstattung seiner - im übrigen miserabel ausgeleuchteten - genreüblichen Schauplätze.)
So überragend scheinen die Fähigkeiten des Super-Terroristen zu sein (er ist zu allem Überfluß ein Hightech-Genie), daß ihm bestenfalls mit seinesgleichen beizukommen ist. Also nehmen seine unbedarften Verfolger, der FBI-Agent Carter Preston (Sidney Poitier) und die russische Majorin Valentina Koslova (Diane Venora), die Hilfe eines zu lebenslänglicher Haft verurteilten Ex-Terroristen (Richard Gere) in Anspruch. Der kommt aus Hollywoods Terror-Hauptlager Irland, ist der hohen Künste des kriminalistischen Katz-und-Maus-Spiels kundig - und hat mit dem "Schakal" noch eine persönliche Rechnung offen.
Das archaische Motiv des auf gerechte Rache gründenden Zweikampfs muß dabei den eher handlungshemmenden Auftritt dieses Iren legitimieren - und tatsächlich weiß Caton-Jones mit der Figur nichts anzufangen, was sich nicht mühelos ins Persönlichkeitsprofil der offiziellen Verbrecher-Jäger hätte einschreiben lassen. Außer als Pistolenhalter braucht der Regisseur den Iren allerdings, um den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Krieger zu illustrieren: Der eine tötet für Geld, der andere aus (inzwischen freilich revidierter) Überzeugung; der eine hat eine alles erklärende Geschichte, der andere besteht aus reiner Gegenwart.
"Er war böse. Jetzt ist er tot und weg. Das ist das einzige, was zählt", merkt Richard Gere noch an, nachdem er den "Schakal", was allerdings vorherzusehen war, eigenhändig umgelegt hat. Deswegen werden wir ihn auch sehr bald wieder vergessen haben, diesen Verbrecher, der nur dafür konstruiert wurde, um von irgendwem aus dem Weg geräumt zu werden. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 14/3/1998)
Egal, wie lange die Jagd dauert, am Ende war er noch immer Sieger. Unbeirrt und mit unheimlicher Geduld verfolgt der kaltblütige Mörder, seinen Auftraggebern und den internationalen Geheimdiensten nur unter dem Namen "Schakal" bekannt, seine Opfer über Wochen und Monate, um sie dann mit Präzision zu erledigen.
Bruce Willis spielt in "Der Schakal" einen gefühllosen Berufskiller, der sich nach seinem lukrativsten Auftrag, der Ermordung der amerikanischen First Lady, eigentlich ins Privatleben zurückziehen will. Aber diesmal läuft nicht alles wie geplant: Schon bald sind ihm der FBI-Mann Carter Preston (Sidney Poitier) nebst seiner russischen Kollegin Valentina Koslova (Diane Venora) auf den Fersen - und der ehemalige IRA-Terrorist Declan Mulqueen (Richard Gere), der mit ihm eine Rechnung offen hat.
"Der Schakal", die Neuverfilmung von Fred Zinnemanns Klassiker, lebt vor allem von Bruce Willis' brillantem Spiel. Wandlungsfähig schlüpft er in unterschiedliche Verkleidungen, um den von der russischen Mafia in Auftrag gegebenen Mord vorbereiten zu können: Ob als bierbäuchig polternder amerikanischer Biedermann mit Halbglatze, flippiger Weltreisender in Hawaiihemd oder platinblond gefärbter Schwuler - Willis scheint seine Rolle als Bösewicht zu genießen. Wer den Schakal beim Jagen stört, muß sterben. Die Skrupellosigkeit des Killers wird durch plakative Szenen betont: Ein ahnungsloser Homosexueller wird mit einer erschreckend beiläufigen Handbewegung erschossen, weil der Killer dessen Wohnung braucht. Und der dickliche, unangenehm redselige Bastler der computergesteuerten High-Tech-Kanone, die der Schakal für den geplanten Mord braucht, muß in einer grausamen Szene als Versuchskaninchen für das überdimensionale Mordwerkzeug herhalten.
Die zunächst hilflosen Einkreisungsversuche des FBI enden in einem recht unorthodoxen Schachzug: Preston und Koslova holen den Ex-Terroristen Mulqueen aus dem Gefängnis und setzen ihn auf den Schakal an, denn Mulqueen kennt als einziger dessen Gesicht. Und außerdem will er sich rächen für seine frühere Geliebte Isabella (Mathilda May), die wegend des Schakals das gemeinsame Kind verlor.
In dieser arg konstruierten Beziehung zwischen den beiden Gegenspielern - die ähnlich, aber irrwitzig brillant, in "Face/Off" durchexerziert wurde - liegt auch die Schwäche des routiniert inszenierten Thrillers. Für Spannung und Action opfert der Regisseur Michael Caton-Jones die Chance, aus dem Haß der beiden Männer auch ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel werden zu lassen. Gere, der sich für seine Rolle einen irischen Akzent antrainierte, wirkt blaß und bekommt auch keine Gelegenheit, eine sich anbahnende Beziehung zu der russischen Agentin Koslova auszuleben. Die Liebesgeschichte fiel dem Schneidetisch zum Opfer.
Auch der Show-down in den Schächten der Washingtoner U-Bahn leidet unter Ungereimtheiten: Als die beiden Männer sich gegenüberstehen, taucht aus dem Nichts Isabella auf und erschießt den Schakal. Als alles vorbei ist, soll der FBI-Agent Preston den Häftling Mulqueen eigentlich wieder ins Gefängnis zurückbringen und läßt ihn laufen. (Anika v. Greve-Dierfeld, SPIEGEL ONLINE 11/1997)
Bei Zinnemann hätte man in die bis zum Zerreissen ausgereizte Spannung sogar einen Augenaufschlag hören können. Beim Remake bekommt man nicht einmal mit, wenn es einen vor Staunen selbst auf den Hintern setzt, etwa weil mit dem legendären Vorbild geradezu vogelfrei umgesprungen wurde. Wir sollten uns dennoch angewöhnen, Neuverfilmungen als Denkmäler zu sehen. Oder auch als Gedächtnismessen, durch die den oft begrabenen, verblichenen, vergessenen Originalen erneute Aufmerksamkeit gezollt wird; wobei ein direkter Vergleich häufig offenbart, was für brillante Filme das waren...
„Der Schakal“, Fred Zinnemans Einführung bzw. Einfühlung in die tote Seele eines eiskalten, regungslosen, kannibalistischen Charakters... ...unwiederholbar, unerreichbar, ultimativ. Den Kopierern muß das bewußt gewesen sein, also setzten sie mehr auf große Stars, wilde Action, eine Promiskuität der Schauplätze; übernahmen auch nur die Grundstruktur von Zinnemanns diabolischem Zeitwettlauf (nach dem Roman von Frederick Forsythe). Jetzt lärmen darin laute Menschen, Auseinandersetzungen, Effekte, Schüsse, Detonationen anstelle der nervenaufreibenden Stille, tödlichen Ruhe und schweigenden Unbeirrbarkeit, die beim ersten „Schakal“ so unheimlich und angsteinflößend auf den Kreislauf wirkten.
Zwar gelang der Anschluß der inzwischen historisch gewordenen Urstory an den herrschenden Zeitgeist perfekt, von den russenmafiosen Auftraggebern bis zu den Zielpersonen im Fadenkreuz. Aber verheerende Panik wird nur auf der Leinwand angerichtet, nie wirklich im Bewußtsein des Zuschauers. Sicherlich, auch äußerlich wirkende Reize können ziemlich wirksam sein. Weshalb das spekulative Duell zwischen Bruce Willis als chamäleonisierendem Berufskiller und Richard Gere als Ex-IRA-Terrorist mit Herz durchaus den knallharten Punch eines Fights zwischen Mike Tyson und Evander Holyfield erreicht.
Wobei eher Willis als gejagter, aber ungerührter Killerprofi mit häufig wechselndem Maskengebrauch den Biß hat und Gere durch etwas verschwommene Glaubwürdigkeit in der Rolle des emotionsgeladenen Jägers ein Stück Image bzw. Ohr verliert. Noch immer läuft mir ein Schauer über den Rücken, höre ich in der Erinnerung das Knacken des brechenden Genicks aus jener Szene Zinnemanns, in welcher sich der Mörder einer Mitwisserin entledigt... ...vom vorliegenden Remake wird vermutlich nicht einmal das Echo jener Schüsse länger im Gedächtnis haften, durch die ein liebesbedürftiger Schwuler dem Killer Quartier und Leben überläßt.
Soll diese zweite Wahl dennoch Kasse machen: in Ordnung, ganz so übel ist sie nicht - die Klasse bleibt jedenfalls beim Vorbild.(KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
USA 1997. 155 Min
Regie: Clint Eastwood,
Buch: John Lee Hancock, nach John Berendt,
Musik: Lennie Niehaus,
Kamera: Jack N. Green,
Schnitt: Joel Cox,
Darsteller: Kevin Spacey (Jim Wiliams), John Cusack (John Kelso), Jack Thompson (Sonny Seiler), The Lady Chablis (selbst), Alison Eastwood (Mandy Nichols), Irma P. Hall (Minverva), Paul Hipp (Joe Odom), Jude Law (Billy Hanson), Dorothy Loudon (Serena Dawes), Anne Haney (Margaret Williams), Kim Hunter, Geoffrey Lewis
Kinostart: 13/3/1998
Savannah, eine traditionsreiche Stadt an der Küste von Georgia, wird geschockt durch einen scheinbar sinnlosen Mord. Jim Williams war ein angesehener Antiquitätenhändler, bis er eines Morgens die tödlichen Schüsse auf Danny Hansford abfeuert. Niemand begreift die rätselhafte Tat, für die es auch vor Gericht manche Deutung gibt. (Verleihprogramm)
Savannah in den Südstaaten der USA: Hier feiert Jim Williams (Kevin Spacey) seine jährliche Weihnachtsparty. Zu Gast ist der Reporter John Kelso (John Cusack) aus Manhattan, der Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen dem schwulen Gastgeber und seinem Liebhaber Billy Hanson (Jude Law) wird. Einen Tag später ist Hanson tot. Williamsen behauptet, ihn in Notwehr erschossen zu haben. Doch darüber hat ein Gericht zu entscheiden. Es kommt zu einer detaillierten Verhandlung.
Basierend auf dem Erfolgsroman von John Berendts zeigt Clint Eastwood den Charme des südlichen Amerika. Ähnlich wie im Buch ist auch der Film Basis für den Auftritt einer ganzen Reihe an mehr oder minder skurrilen Gestalten und Persönlichkeiten. Doch leider sind in einem Film zwangsläufig alle Personen unmittelbar vorhanden, wodurch die mögliche Phantasie des Romanes abgeblockt wird. Auch wirken einige Szenen in die Länge gezogen. Dennoch ist der Film ein schönes Portrait von Savannah. (film.de)
Die bessere Gesellschaft von Savannah in den amerikanischen Südstaaten trifft sich im Haus eines Antiquitätenhändlers zur traditionellen Weihnachtsfeier. Das verschwiegene Einverständnis der Bürger auch mit unorthodoxem Lebensstil wird aufgestört, als im Haus die Leiche eines jungen Mannes gefunden wird. Ein nach dem gleichnamigen Bestseller von John Berendt entstandener Film, der zunächst mit viel Gespür für die Exzentrizitäten der Figuren und Atmosphären gestaltet ist, in der zweiten Hälfte aber in die Konventionalität eines nicht einmal richtig spannenden Gerichtsfalls abrutscht.
Hollywoods Vorliebe für literarische Bestseller führt immer wieder einmal dazu, daß ein Buch verfilmt wird, das man besser ausschließlich der Fantasie des Leserpublikums überlassen hätte. John Berendts "Midnight in the Garden of Good and Evil" ist ein solches Buch. Seit über drei Jahren führt es die Bestsellerliste der "New York Times" an, und dabei ist es nicht einmal ein Roman, sondern ein "Sachbuch", obwohl auch dieser prosaische Begriff auf Inhalt und Stil der exzentrischen Südstaaten-Geschichte kaum zutrifft. Clint Eastwood hat sicher genau gewußt, auf was er sich mit der Verfilmung einläßt, und eine Stunde lang hat es den Anschein, als ob er sich souverän über alle Schranken konventioneller Dramaturgie und landläufiger Kommerzialität hinwegzusetzen vermöge. Doch umso enttäuschender kommt dann der Zusammenbruch eines filmischen Konzepts, der über weitere anderthalb Stunden nichts als die Angst vor der eigenen Courage demonstriert.
Der ausufernde Stoff der Vorlage nimmt sich in der Verdichtung des Films wesentlich kurzatmiger aus und wird auch dadurch nicht zugänglicher, daß die Figur eines nach Savannah entsandten Reporters hinzugefügt wurde, der - ebenso außenstehend wie der Kinozuschauer - die Ereignisse miterlebt. Das Wort "Ereignis" benutzend, stößt der Rezensent sogleich an denselben Stolperstein, der Clint Eastwood wohl am meisten zu schaffen gemacht hat. Denn nicht die Ereignisse sind es, die dem Buch zu seiner eigentümlichen Faszinationskraft verhelfen, sondern die Reflexe, die von Figuren und Atmosphären der kleinen Stadt und von der Hypokrisie ihrer Einwohner ausgehen. Als der Film beginnt und der New Yorker John Kelso staunend und mehr als nur ein bißchen irritiert in die bunte Entourage des Antiquitätenhändlers Jim Williams hineinstolpert, über dessen Weihnachtsfeier er für ein Magazin berichten soll, da hat es den Anschein, als ob Eastwood sich anschickte, wie ein kleiner amerikanischer Fellini die Beobachtung der Kuriositäten dieser an Absonderlichkeiten überreichen Südstaatengemeinde der Verfolgung eines sich zunächst nur in Ansätzen abzeichnenden Handlungsfadens vorzuziehen. Seine Kamera gleitet zwischen den eigenartigen Typen dieser in verschwiegener Verschworenheit selbstverständlich einverständigen Gesellschaft mit agiler Behendigkeit hin und her, die Exzentrizitäten zu einem ebenso schillernden wie ironischen Gesellschaftsporträt verbindend. Je länger die erstaunte Orientierungssuche des jungen Zufallsreporters aber dauert, umso weniger verwunderlich mutet die Adoration Savannahs für den neureichen Kunsthändler an. Verwunderlich hingegen ist diese ganze Stadt, in der alles gestattet oder zumindest toleriert zu sein scheint, solange das stille Einverständnis ungestört bleibt, die Dinge nicht beim Namen zu nennen.
Genau dazu aber kommt es, als in Williams' Arbeitszimmer Schüsse fallen, ein junger Mann tot aufgefunden und dem Kunsthändler der Prozeß gemacht wird. Staatsanwalt und Verteidigung zerren ans grelle Tageslicht, was ganz Savannah natürlich längst wußte, aber doch nicht so unumwunden ausgesprochen sehen wollte: daß Williams mit ebendem getöteten jungen Angestellten ein homosexuelles Verhältnis unterhielt. So wie Savannah durch den lauten Skandal verstört wird, zeigt sich auch Eastwood im Konzept seines Films durcheinander gebracht. Die trockenen Vorgänge im Gerichtssaal gewinnen die Überhand, die versuchte Entwirrung und immer offenbarere Unentwirrbarkeit der Ereignisse jener Nacht, die zu der unglückseligen Anklage geführt haben, schieben sich in den Mittelpunkt des Interesses, und der orientierungslose Reporter muß sich als kriminalistischer Spurenleser üben. Was so vielversprechend begonnen hatte, versandet in der Konventionalität eines nicht einmal spannenden Gerichtsfalls. Eastwood hat sich alle Mühe gegeben, die Atmosphäre des von Berendt beschriebenen Savannahs "originalgetreu" auf die Leinwand zu bringen. Da sind all die kruden Figuren des Buches: von dem Mann, der einen imaginären Hund spazieren führt, bis zu der Drag Queen The Lady Chablis, die sich - nach vergeblichen Besetzungsversuchen - im Film selbst spielt und den Hauptakteuren mehr als einmal die Schau stiehlt. Auch der Voodoo-Zauber auf nächtlichen Friedhöfen ist nicht ausgespart. Aber es hilft alles nichts. Kaum, daß der Prozeß begonnen und Savannahs Staranwalt Sonny Soiler - gespielt von einem glänzend aufgelegten Jack Thompson - das Heft in die Hand genommen hat, verheddert sich Eastwood hoffnungslos in dem Bemühen, einer Story Hand und Fuß zu verleihen, die gerade deshalb so faszinierend war, weil ihr alles zu fehlen schien, was einen alltäglichen Sinn hätte abgeben können. (Franz Everschor, film-dienst)
Clint Eastwood: Ballermann oder Filmkünstler? Die Frage steht immer noch im Raum wie ein einsamer Cowboy auf einer verlassenen und verstaubten Westernstraße. Clint Eastwood hat mit seinen "Brücken von Madison County" Frauen verzückt, die den alten Brutalo "Dirty Harry" abgrundtief verachten würden. Sein "Bird" war eine Hymne auf die Jazzmusik, die er selbst am Piano spielt und komponiert. Dabei zerbrachen seine Figuren sicher mehr Finger als das Piano Tasten hat. Nach dem mäßig spannenden Thriller "Absolute Power" zeigt "Midnight in the Garden of Good and Evil" wieder eine andere Seite des Künstlers Eastwood.
John Berendt sollte eigentlich nur 500 Worte über die Weihnachtsfeier eines ungewöhnlichen Mannes in der Südstaaten-Provinz von Savannah schreiben. Heraus kam ein "nicht-fiktiver Roman": "Midnight in the Garden of Good and Evil" basiert auf dem in den USA scheinbar sehr populären Erlebnisbericht von John Berendt, der wie die Hauptfigur John Kelso nach seltsamen Ereignissen als New Yorker in Savannah, Georgia hängenblieb.
Die Zeitschrift "Town & Country" war schon immer scharf auf Jim Williams (Kevin Spacey), einen neureichen Kunstkenner, der sich mit aristokratischen Utensilien umgibt, ein Zigarrenraucher, ein Patriarch - ein echter Charakter! Sein Südstaaten-Slang ist (in der Originalversion) zu genießen und gerade noch zu verstehen. (Was nicht für alle Figuren gilt.) Eine langsame Kamera enthüllt schnell den seltsamen Ort mit eigenartigen Originalen: Ein alter Schwarzer im antiquierten Anzug führt Tag für Tag ein leeres Hundehalsband spazieren. Einen verstört wirkenden Weißen (Geoffrey Lewis) umschwirren Fliegen, Bienen und Käfer, die er mit Fäden an seine Kleidung gebunden hat. Außerdem trägt er ein Fläschchen Gift mit sich - die ganze Dorfgemeinschaft bangt um seine Laune und ihre Trinkwasserqualität.
John Kelso (John Cusak) blickt verständlicherweise meist sehr dumm, zumindest erstaunt in die Gegend. Nicht nur wenn die Voodoo-Frau (Irma P. Hall) ihm rät, sich mit den Toten zu vereinigen, um die Lebenden zu verstehen. Irgendwann kommt der Yankee, wie sie ihn in Savannah nennen, zur Erkenntnis: New York ist langweilig!
"Midnight in the Garden of Good and Evil" kann in den Süden entführen, denn er ist ungewöhnlich, fremd und reizvoll. Mit einem satten ruhigen Rhythmus und präsenten Figuren, dank sehr guter Besetzung. Doch es gibt leider auch ein Ereignis, einen Wendepunkt: Jim Williams erschießt nach der großen Party seinen jähzornigen Liebhaber Billy (Jude Law). Jim sagt, es war Selbstverteidigung, doch die Anklage lautet auf Mord. Jim und sein leutseeliger Anwalt und Sportfan Sunny schicken John in die Gemeinschaft, um Stimmen und Stimmungen zu sammeln. Eine geschickter Clou, lernt John doch so auch noch den Transvestiten Lady Chablis (Nathan Lane) kennen. Aber auch langweilige Gerichtroutine handelt sich der Film damit ein. Da müßte zuerst die Schere ansetzen, denn "Midnight in the garden of good and evil" hat nicht nur einen ziemlich langen Titel, der Film selbst ist auch über-überlang.
Überraschend nimmt der Film (und Eastwood?) den Voodoo mit seinem Glauben an Wiedergeburt und seinen unheimlichen Kräften ganz ernst! Ebenso bleibt die Homosexualität von Jim Williams ganz selbstverständlich. Ohne Seitenhiebe oder Entgleisungen! Und es gab noch eine Erkenntnis: Als Filmkritiker ist man doch furchtbar verdorben. Dauernd lauern Vermutungen und Verschwörungen hinter den Gesichtern und es dauert eine Weile, bis man begreift, dies ist eine ganz einfache Geschichte, so wie vor hundert Jahren erzählt wurde. Ohne doppelten Boden, nichts Selbstreflexives, Postmodernes, nicht mal was Modernes! Hat Kritiker sich einmal in diese Welt eingelebt, erschüttert die Simplizität der Dramaturgie nur noch einmal: Daß Kelso von einer Lüge vollkommen geschockt wird, rührt fast schon, wirkt aber trotzdem sehr weltfremd.
PS: Eastwoods Tochter Alison (nein - keine Ähnlichkeit zu sehen) darf die nette Blumenverkäuferin Mandy spielen. Daß sie blaß bleibt, liegt nur an der dünnen Rolle. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)
Gruppenbild mit Totschlag. Clint Eastwoods exzentrischer Film „Midnight in the Garden of Good and Evil“
Mitternacht im Garten von Gut und Böse: Der Titel bezieht sich auf ein seltsames Ritual auf einem nächtlichen Friedhof in Savannah. Eine alte Voodoo-Priesterin fordert einen reichen Immobilienhändler (Kevin Spacey), der des Mordes an seinem Liebhaber beschuldigt wird, auf, gute und böse Gefühle dem Toten gegenüber herauszulassen. Es ist verblüffend, wie strikt Clint Eastwood in dieser Szene auf naheliegende unheimliche Elemente verzichtet.
In naturalistischer Ausleuchtung, die ein weiteres Mal die Bilder von Eastwoods bewährtem Kameramann Jack N.Green prägt, gehen hier zwei Menschen einem geradezu alltäglichen Handwerk nach. Pragmatisch plaziert die Frau diverse Requisiten um das Grab; ebenso selbstverständlich kommt der Millionär ihren Aufforderungen nach. Erstaunen spiegelt sich einzig im Gesicht ihres Zeugen wider: Der junge Journalist (John Cusack), der eigentlich nach Savannah kam, um eine gepflegte Gesellschaftsreportage zu recherchieren, sieht sich plötzlich mit einer veritablen true crime story konfrontiert, die von Exzentrikern wiederholt ins Absurde getrieben wird.
Schon in der Romanvorlage Midnight in the Garden of Good and Evil sah der amerikanische Reporter John Berendt die wahre Geschichte eines Verbrechens eher als Chance, eine ganz spezifische urbane Atmosphäre einzufangen. Immer wieder zerfällt sein Buch in Episoden zwischen dem konservativen Bürgertum und einem unterhaltsamen Milieu von Eskapisten: Dem berühmten Transvestiten und Entertainer The Lady Chablis (der im Film auch eine Hauptrolle spielt) kam etwa bei der Aufklärung des Falls eine entscheidende Rolle zu.
Nicht im Verfolgen linearer Handlungsstränge, sondern vielmehr in der Totalen eines vielfach bewegten Gruppenbildes entwickelt sich Berendts Text. Frei von dominanten Charakteren im konventionellen Sinn entsteht ein Ensemblespiel von mitunter kaum noch entschlüsselbaren Gesten und Taten. Eastwood, der vielleicht auch deshalb erstmals seit seiner Jazz-Biographie Bird auf eine Rolle in einer Regiearbeit verzichtet hat, begegnet dieser Vorgabe mit vorsichtigen Anleihen bei dokumentarischen Mitteln.
Noch grobkörniger als zuletzt in Perfect World oder Absolute Power sind Bilder, in denen etwa ein schwarzer Hausdiener einen Phantomhund ausführt. Schier unerträglich aufgeladen ist eine Tonebene, auf der zwischen plätschernden Stadtbrunnen und rauschenden Baumkronen die Reden der Protagonisten kaum verstehbar werden – dennoch ist von der deutschen Fassung abzuraten.
Ganze 150 Minuten benötigt Eastwood, diese Spannungszustände in einem großen Schwenk über Savannah aufzulösen. Spätestens diese Überlänge löste bei vielen US-Kritikern erbostes Kopfschütteln aus, die auch einen Mangel an epischen Elementen als Unfähigkeit deuteten. Tatsächlich strapaziert die Gleichförmigkeit, mit der Eastwood sich „verzettelt“, die Geduld der Zuseher.
Man sollte aber schon gesehen haben, wie sehr er, der mittlerweile wirklich niemandem mehr „etwas beweisen“ muß, sich mit zunehmend uneitlen Mitteln zu einer Vorliebe bekennt, die ihm Hollywood jahrzehntelang kaum erlaubte: Respektvolle Beobachtung von Menschen, die Eastwood im Alter immer mehr zum Rätsel werden. (Claus Philipp, DER STANDARD, 13/3/1998)
Weihnachten und Voodoo: Zu Fuß durch Savannah Clint Eastwoods eigenwilliger neuer Film bewegt sich gelassen an einem Mordfall in Savannah vorbei. "Mitternacht im Garten von Gut und Böse": kein Starvehikel, kein Melodram, kein Thriller. Ein rarer, sonniger Kleinstadtfilm.
Weihnachten ist ungefähr das letzte, woran einen die Bilder dieses Films denken lassen. Im tiefen Süden Amerikas, in einer Stadt namens Savannah, Georgia ist die Sonne noch im Dezember stark. Das Licht der Stadt scheint mildernd nicht nur auf die Menschen zu wirken, sondern auch auf die Form des Films. Ein entspannter Spaziergang durch Savannahs schöne Altstadt ist das erste, was Clint Eastwood mit seiner jüngsten Regiearbeit, seiner zwanzigsten, anstellt: Ein junger Schriftsteller (John Cusack) erreicht die Stadt, um für ein Magazin Bericht zu erstatten von der alljährlichen, luxuriös zelebrierten Weihnachtsparty eines Antiquitätenhändlers (Kevin Spacey).
Eastwoods Film trägt einen schönen, wenn auch gewundenen Titel: Midnight in the Garden of Good and Evil, das deutet dunkle Mysterien und Debatten über Recht und Unrecht an, Dinge jedenfalls, die Eastwood mit seinem neuen Film nur am Rande liefert. Spacey, der großzügige Gastgeber, eine Art Ehrenbürger in Savannah, empfängt den Journalisten freundlich, führt ihn durch sein Haus, die Küche und schließlich in ein Hinterzimmer, das seine Gemäldesammlung beherbergt. Ein Bild, das der Reporter als Übermalung erkennt, gibt einen wesentlichen Charakterzug seines Eigentümers preis: Mit "I rather enjoy not knowing" beantwortet Spacey die Frage, was sich denn unter der obersten Schicht des Bildes verberge. Von schönen Oberflächen und bewahrten Geheimnissen erzählt, dementsprechend, Eastwoods Film.
Der Tod ist präsent in dieser Erzählung, die schon mit dem Grab des Songwriters Johnny Mercer, eines Sohnes Savannahs, beginnt. Im Lauf des Festes erzählen später zwei überspannte Damen lachend von den blutigen Selbstmorden ihrer Gatten - und nach dem Ende der Party kommt es zu einer aktuellen Bluttat: Der Hausherr erschießt seinen jungen Liebhaber, einen zornigen jungen Mann, angeblich in Notwehr. Der junge Autor beschließt, den Skandal aufzuzeichnen, ihn - mit Hilfe des Mordangeklagten - zu einem Buch zu machen. Das ist der ereignisreiche Anfang dieses Films, aber danach scheint er fast stehenzubleiben, schweift immer wieder vom Thema ab, um die Leute, ihre Lebensweisen, ihre Stadt anzuschauen: Midnight ergibt sich bald dem Anekdotischen, dem seltsamen Humor seines Filmemachers, den die Mordgeschichte, um die es eigentlich gehen müßte, gar nicht sehr interessiert.
Ein wenig gleicht der Star des Films, Kevin Spacey, seinem Regisseur: nicht äußerlich, aber doch in seiner Ungreifbarkeit, in der Unvorhersehbarkeit der Richtungen, die er einschlägt. Wie Spacey läßt sich Eastwood mit dieser Inszenierung nicht in die Karten schauen, wendet sich an jeder Ecke (man könnte sagen: dekadent) neuen Dingen zu. "You're deep in voodoo country", sagt Spacey, stets einen Schuß Christopher Walken in der Stimme und der Gestik - und es ist wahr: Im Süden sind Aberglauben und Voodoo-Praktiken am Leben, und wieder führen alle Wege zum Tod, in einen Friedhof, der hier zum Schauplatz nächtlicher Rituale wird, die die alten Fragen nach Gut und Böse, nach Schuld und Unschuld aber nicht lösen, eher noch unklarer machen.
Die Geschichte hinter Midnight, die Tat und der Mordprozeß, ist in ihrem Kern (und in einer Figur, in Selbstdarsteller und drag queen The Lady Chablis) authentisch: Aus dem Material hätte ein anderer Filmemacher vielleicht einen Thriller gebaut, jedenfalls ein Vehikel für eine Handvoll prominenter Schauspieler. Eastwood tut nichts von all dem: Er läßt Cusack, Spacey und Alison Eastwood, seine Tochter, nicht wie Stars aussehen, macht sie vielmehr - mit klassischem Eastwood-Understatement - zu Weggefährten, die einem während der Passage durch die Stadt und die unzähligen Nebenlinien der Erzählung die Zeit vertreiben sollen.
Und Eastwood macht ernst mit der Zeit: Er nimmt sich zweieinhalb Stunden filmischer Laufzeit, um die Details des Lebens im Süden zu studieren, um an den Spleens der Leute teilzuhaben und ihrem breiten Akzent zu lauschen, ihrer gedehnten, gelassenen Sprache. Die unaufdringlich schönen Bilder des langjährigen Eastwood-Kamerakomplizen Jack N. Green passen dazu ebenso wie die weiche Montage, die einen Stil der Überblendungen, der sanft ineinander schmelzenden Bilder generiert.
Mit dem Beginn des Gerichtssaaldramas, das Eastwood wie nebenbei verfolgt, verliert der Film rapide an Originalität. Man sieht aber auch hier noch deutlich, daß dem Regisseur das Außen wichtiger ist als das Innenleben seiner Story. Mitternacht im Garten von Gut und Böse ist eine Milieustudie geworden, getragen von Respekt, Intelligenz und Liebe zu seinen Figuren: ein Film, der sich - als hätte er dahinter Wesentlicheres entdeckt - seine Erzählung absichtlich selbst durchkreuzt. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 14/3/1998))
John Berendts dokumentarischem Roman "Midnight in the Garden of Good and Evil" ging wie vielen Werken der gehobenen Literatur der Ruf voraus, nicht verfilmbar zu sein. Berendts schrulliges, kaleidoskopisches Porträt der Südstaatenmetropole Savannah schien zu weitläufig und differenziert, nur oberflächlich verknüpft mit einem spektakulären Mordprozeß in der örtlichen High Society, um eine Spielfilmhandlung gradlinig voranzutreiben.
Aber der Drehbuchautor John Lee Hancock hat ein Script vorgelegt, für das sich Clint Eastwood als Regisseur begeisterte. Hancock hat den Chronisten John Berendt kurzerhand dessen eigener Geschichte einverleibt: Als Klatschreporter John Kelso (John Cusack) legt er dem Zuschauer den roten Faden durch den wabernden Pfuhl aus Voodoo-Kult und rückständiger Etikette, aus gediegenem Wohlstand und gepflegter Idiotie.
Kelsos Zeitung hat ihn von New York ins ferne Savannah beordert, um über die spektakuläre Weihnachtsfeier des alteingesessenen Antiquitätenhändlers Jim Williams (Kevin Spacey) zu berichten. Als Williams im Anschluß an die Feierlichkeiten seinen Liebhaber erschießt, verlängert sich Kelsos Aufenthalt auf unbestimmte Dauer und der geplante Magazinbeitrag wächst sich zu einem Buchprojekt aus. Er will den anstehenden Prozeß dokumentieren und die Hintergründe der Tat recherchieren. Da weitet ihm das mystisch-schwüle Reizklima am Unterlauf des Savannah-River die Sinne.
Sie lebe zu lange hier, um noch irgend etwas für unmöglich zu halten, sagt ihm eine Kellnerin, und auch Kelso beginnt bei der Wertung seiner Beobachtungen den gängigen Kriterien der Vernunft die Gefolgschaft zu verweigern. Ein Mann, der einen unsichtbaren Hund am Halsband führt; ein anderer, der sein markantes Haupt in einem summenden Halo von Schmeißfliegen versteckt, die er sich mit Bindfäden ans Revers geheftet hat - Kelsos Erkundungen gleichen einem Gang durch ein Kuriositätenkabinett, dem sich mit der Floristin und Barsängerin Mandy (Alison Eastwood, Clints talentierte Tochter) eine höchst ansehnliche, wenn auch dem Fortgang der Geschichte kaum zuträgliche Begleitung zur Seite gesellt.
Eastwood hat nach eigenen Angaben das Script vor dem Buch gelesen, und vermutlich hätte er es dabei belassen sollen. Die nachträgliche Lektüre von Berendts Bestseller scheint ihn weniger inspiriert als verunsichert zu haben. Denn er sucht nach jener Vielfalt, die sein Drehbuchautor einer möglichst stromlinienförmigen Filmdramaturgie geopfert hat.
So gibt es bestechende Momente, allen voran die Auftritte von The Lady Chablis, eines seit Berendts Bucherfolg amerikaweit bekannten Transvestiten, der/die sich hier in einer beeindruckenden Performance selbst darstellt. Aber der Film erreicht keine Authentizität. Das Skurrile scheint eher gesucht als gefunden, wirkt inszeniert und nicht dem wahren Leben abgeguckt.
Das mag einer allzu funktional am Mordprozeß orientierten Erzählstruktur zuzuschreiben sein, die den Blick nie wirklich freigibt auf die üppigen Details im Umfeld des Geschehens. Aber vielleicht läßt sich auch wirklich nicht jeder Buchbestseller in einen profitablen Kinoerfolg ummünzen.
Eastwood erreicht in seinem epischen Erzählduktus wohl die Wirkung eines Romans, verfehlt aber dessen Nachwirkung: den nachhaltigen Eindruck erlesener Bilder. Sein Film bleibt nicht haften. (Manfred Müller, SPIEGEL ONLINE 11/1997)
Keine Blume welkt dramatischer als eine exotische Blüte. Die Südstaaten der USA sind voll von solchen Operettenfiguren der Natur, mit ihren lasziven Düften, fast obszön geöffneten Blätterkelchen und der Zeitlupe theatralisch zaudernden Verblühens, faulen Verfaulens. An dieser Dramaturgie des Südens und seiner sinnlich wuchernden Vegetation nahm offenbar Clint Eastwood für seine neueste Regiearbeit Maß. Darin schmust er - mit Stil, aber ohne Zeitgefühl - mit einem Sproß der Literatur.
Niemand soll sich daher zu ihm ins Kino verirren ohne wirklichem Interesse an seinem pointiert-pointilistischen Sittenbild einer südlich-dekadenten Kleinstadt-Society und ihren nebelschwadigen Abgründen von Vodoo bis „Rausbistdu.“ Dazu benötigt man jenen Schizo-Blick zwischen traumverloren und geistesgegenwärtig, wie er für Liebhaber von Aquarien typisch ist, mit ihrer Mischung aus glasgeschützter Distanz und engagiertem Interesse an Leben und Lebenlassen, Fressen und Gefressenwerden, Tarnen, Täuschen, Liebe, Töten.
Der Schauplatz Savannah. Stadt in Georgia, USA, a. d. Mündung des Savannah River. Gegr. 1733. 200.000 EW. Holz-, Tabak- und Textilindustrie, Fischerei. Hafen. Eastwood beginnt sein mehr mental-soziales Sightseeing am Friedhof, und nichts wäre passender und morbider zugleich. Was sich als Buch (von John Berendt) drei Jahre in den Bestsellerlisten der New York Times hielt, wird freilich von vitaleren, geraffteren Augenschmäusern rasch aus den Kinos verdrängt werden.
Wiewohl die Beobachtungen eines attraktiv coolen Jungautors am Puls eines Gesellschaftsskandals frivoles Vergnügen an gewandten Sagern, gepfefferten Dialogen und mysteriösen Ereignissen bedeuten. Der eigentliche Fall: ein schwerreicher Antiquitätenhändler und schwuler Gesellschaftslöwe erschießt - Notwehr oder nicht? - seinen Liebhaber, der als multisexueller Lustknabe auch sonst ziemlich umtriebig war.
Spätestens wenn die Sache zu guter Letzt als zunehmend erschlaffender Gerichtsthriller verhandelt wird, könnte auch echten Interessenten noch flau werden. Wer möchte schon das Schicksal selbst der faszinierendsten Blütenschöpfung verfolgen, bis sie zu Laub und Staub zerfallen ist... Und Clint selbst weiß es auch, läßt er doch über die Trauer des Südens den kecken Spruch verbreiten: „Meiner Mutter sagte immer: zwei Tränen auf's Grab und dann... leck mich am Arsch!“ Dichterworte... (KURIER)
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