Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 31. Juli 1998 neu angelaufene Kinofilme


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KITCHEN (WO AI CHUFANG)

JAP / HONGKONG 1997. 124 Min
Regie: Yim Ho, Buch: Yim-Ho nach dem gleichnamigen Roman von Banana Yoshimoto, Musik: Otomo Yoshihide, Uchihashi Kazuhisa, Kamera: Poon Hang Sang, Darsteller: Yasuko Tomita (Aggie), Jordan Chan (Louie), Law Kar Ying (Emma), Karen Mok (Jenny), Lau Siu Ming (Mr. Chiu)
Kinostart: 31/4/1998

"Sex ist einfach. Liebe ist schwer." "Die Zeit ist der größte Dieb auf der ganzen Welt." Dies sind nur zwei Zitate aus dem Film von Yim Ho, in dem sich Louie, ein flippiger Friseur, und Aggie, eine melancholische Schönheit mit einer Leidenschaft fürs Kochen, kennenlernen. Louie muß den Tod ihrer Großmutter, Aggie den grausamen Tod seiner Mutter, die eigentlich sein Vater ist, verdauen. Sie trösten sich gegenseitig, doch erst Jahre später in Hongkong gelingt es ihnen, ihre Liebe auszuleben.
Ein sinnlicher Film über die Hongkonger Generation X, in dem alle handelnden Personen mit dem Verlust von nahestehenden Personen konfrontiert werden und lernen mit dieser Situation umzugehen. Dabei spielt Kochen und Essen eine besondere Rolle. (film.de)

Konfuzius sagt: Der Weg von der Trauer zurück ins Leben führt über die Liebe (...und die geht durch den Magen).
Gerade 24 Jahre alt war die Japanerin Banana Yoshimoto, als ihr Kultroman KITCHEN zuerst die japanischen und dann die weltweiten Bestseller-Listen eroberte. Die Millionenauflagen sprechen dafür, daß KITCHEN auf ebenso artifizielle wie globale Weise das weltweite Lebensgefühl der Generation um die Zwanzig getroffen hat. Yim-Ho ist es daher auch problemlos gelungen, die Geschichte von Tokio nach Hongkong zu übertragen. Obwohl er die Erzählperspektive verändert (nicht die weibliche, sondern die männliche Hauptfigur erzählt die Geschichte), hält er sich sehr eng und erstaunlich stilsicher an die Vorlage. Aus einem ungewöhnlichen Roman ist ein ebenso ungewöhnlicher - und sehr schöner - Film geworden.
Aggie und Louie sind über drei Ecken verwandt. Sie ist ein schönes, etwas scheues Mädchen und verfügt über einen ungewöhnlich sensiblen Geruchssinn. Eine Karriere als Spitzenköchin ist ihr gewiß. Er ist ein philosophierender, flippiger Friseur, ein Maulheld und Möchtegern-Verführer und zugleich ein grüblerischer, feinfühliger Melancholiker. Die beiden begegnen einander beim Begräbnis von Aggies Großmutter. Aggie ist wie betäubt vor Schmerz über den Verlust ihrer letzten nahen Verwandten. Immer tiefer verkriecht sie sich in ihre Wohnung, und die Küche wird zur wärmenden Zuflucht in einer Welt grenzenloser Einsamkeit.
Louie hat sich in Aggie verliebt und versucht, sie aus ihrem Weltschmerz zu reißen. Da kommt ihm Emma zu Hilfe, seine schrill auftretende Mutter, die ein großes Herz für ihre Mitmenschen hat und ein ungewöhnliches Geheimnis hütet. Aggie erliegt Emmas Überredungskünsten und zieht in deren Wohnung.
Von Emma und Louie mit viel Herzenswärme und allen Möglichkeiten einer High-Tech-Küche umsorgt, finden Aggies Sinne langsam wieder Gefallen an den Genüsse des Lebens. Sie ist drauf und dran, Louies Gefühle zu erwidern, als ein tragischer Zwischenfall die beiden auseinanderreißt.
Jahre später trifft Louie wieder auf Aggie - mit einem Bärenhunger und dem brennenden Wunsch, ihr endlich seine Liebe zu gestehen...
KITCHEN ist ein Film von großer optischer Schönheit und erzählerischer Präzision. Eine Geschichte über Trauer und Genuß, über die Einsamkeit und die Liebe. Effektsicher inszeniertes Kino mit tieferen Einsichten. Zen, oder die Kunst einen Roman zu verfilmen. Yim-Ho ist dieses Kunststück gelungen.

"Es ist, als würde man eintauchen in andere Sphären, Welten. In einen warmen Ozean, dessen Wellen und Strömungen geradezu zum Treibenlassen einladen. Es ist, als würde man mit dem Rücken im Wasser liegen, die Realität nur noch aus weiter Ferne wahrnehmen. Man ist bei sich und seinen Gedanken. Eine Handvoll Einstellungen genügen Yim-Ho, um diese wohltuende Abgeschlossenheit zu etablieren. Sein Film nimmt Helden und Zuschauer an der Hand. Aber es ist kein Festhalten, vielmehr ein Haltgeben in einer Phase der Haltlosigkeit und Irritation. In Yim-Hos KITCHEN fühlt man sich gut aufgehoben." (Tip Berlin)
"Ein Film von überraschender formaler Komplexität, einer Mehrsichtigkeit, wie man sie vielleicht bei einem kubistischen Gemälde vermuten würde. Ein ebenso verspielter wie stilsicherer Film, thematisch ernsthaft und ambitioniert, zugleich stets überzeugend - unterhaltsames Erzählkino." (filmdienst)
(Alle Texte: Votivkino)

Aus der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einer hypersensiblen Kochkünstlerin, einem jungen Friseur und dessen Mutter entwickelt sich ein Versuch über ein gegenwärtiges Lebensgefühl: die Unsicherheit zwischen Jugendlichkeit und Erwachsensein sowie der eigenen Identität innerhalb der Geschlechterrollen. Ein ebenso verspielter wie stilsicherer Film, thematisch ernsthaft und ambitioniert, zugleich stets überzeugend als unterhaltsames Erzählkino.

Wollte man die asiatische Filmkunst nach ihren gelegentlichen deutschen Programmkinoerfolgen beurteilen, müßte man sie für eine spezielle Form der Kochkunst halten. Sei es die Nudelsuppe aus Itamis "Tampopo" oder gleich Ang Lees ganzes - galt in den 70er Jahren der Kampfsport als wichtigste Zutat insbesondere des Hongkong-Kinos, so ist es heute die Sojasoße. Welche Erwartungen mag da ein Film wecken, der den Titel "Küche" trägt? Was Partygänger schon immer wußten, läßt sich nach der Philosophie der japanischen Starautorin Banana Yoshimoto durchaus auf die meisten Lebensbereiche ausdehnen: in der Küche findet das Leben statt. In der volkstümlichen Psychologie ist dieser Ort seit jeher assoziiert mit Wärme und Geselligkeit, im Zeitalter der Wohngemeinschaften aber gewann er eine weitere Bedeutung: Wie oft wundert man sich über leutselig-familiäre Heimatverbundenheit solcher WG-Küchen, die zugleich Empfangszimmer und Salon sind, zuallererst aber das universelle Elternhaus. Vielleicht fühlt man sich deshalb auch gleich heimisch am zentralen Schauplatz dieses Films.
Die Kochkünstlerin Aggie ist mit einer besonderen sinnlichen Wahrnehmung gesegnet: es ist ihr Geruchssinn, der sie die Welt durchdringen und Wetterveränderungen diagnostizieren läßt. Erst im warmen Licht des Kühlschranks und beim Klang seines sonoren Brummens fühlt sie sich nach dem Tod ihrer Großmutter noch heimisch. Beim Begräbnis hatte sie Louie kennengelernt, einen jungen Friseur, den Yim Ho in bewußter Abkehr vom Roman den Film kommentieren läßt. Nicht von ungefähr erinnert sein Monologisieren an die Arbeiten Wong Kar-wais mit ihren tagebuchartigen Selbstbetrachtungen melancholischer Einzelgänger. Anders als bei Wong freilich schwingt meist ein wenig Altklugheit mit, ersetzen wohlplazierte Lebensweisheiten die impressionistische Flüchtigkeit. Eine nette Nichtigkeit wie "Die Zeit ist der größte Dieb der Welt" gehört natürlich eher ins Poesiealbum als in ein aufrichtig geführtes Tagebuch. Aber genau das eben ist "Kitchen" im Gegensatz etwa zu Wongs "Happy Together": ein Poesiealbum, ein hübsches Stück Kunstgewerbe, und warum auch nicht? Jene Kritiker haben wohl nicht unrecht, die hier den Ausverkauf einer gestern noch avantgardistischen Ästhetik diagnostizieren. Aber hat nicht das Mainstream-Kino stets die Errungenschaften der Avantgardisten aufgesogen und seinen eigenen Erzählkonventionen untergeordnet? "Hätte ich gewußt, daß Aggie meine Seelenschwester ist", sagt Louie an anderer Stelle, "wäre ich hiergeblieben und hätte gewartet, daumenlutschend in meiner Wiege bis zu unserem Treffen." Von selbstverliebter Kindlichkeit ist sein Charakter wie der Ton des gesamten Films. "Kitchen" ist die Momentaufnahme eines fast unmerklichen Bruchs, den sich das Leben in heimtückischer Weise für den Beginn der Twen-Jahre aufgehoben hat: den Moment, an dem die Kindheit endgültig vorüber ist, und man sich überlegen muß, ob sie sich nicht mit anderen Mitteln verlängern ließe. Dies klingt fast wie eine weitere von Louies Binsenweisheiten, auch wenn es bereits ein Wort für dieses Phänomen gibt: am "Peter-Pan-Komplex" soll inzwischen halb Japan erkrankt sein, zumindest aber sind es die Helden dieses Films. Es ist keine ernstere Diagnose als zum Beispiel Liebeskummer. Jede der Figuren ist sich dessen bewußt, und nur so läßt sich auch ihre verzweifelte und doch nicht minder liebenswerte Kindlichkeit verstehen. In Louies Gegenwart überwindet Aggie ein wenig ihre Einsamkeit. Verständnis findet sie insbesondere bei seiner Mutter Emma, die eigentlich sein biologischer Vater ist, der sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. So wird im Zusammenleben der drei die geliebte Küche tatsächlich zu einer Art WG-Küche. Der Frieden freilich endet jäh, als Emma überraschend von ihrem engstirnigen Verehrer getötet wird, der nichts von ihrer Vergangenheit als Mann gewußt hatte. Louie zieht sich in seiner Trauer aufs Land zurück, und auch die Verbindung zu Aggie reißt ab, die nach Europa reist, um endlich Kochkunst zu studieren. Jahre später aber laufen sich beide in Hongkong über den Weg, um sich mit einer inzwischen fast intimen Frage zu begrüßen: "Hast du Hunger?"
Durch die Aufwertung der Figur Louies gewinnt "Kitchen" als Film eine überraschende formale Komplexitität, eine Mehransichtigkeit, wie man sie vielleicht bei einem kubistischen Gemälde erwarten würde. Das Leben sei ein Kaleidoskop, äußert Louie einmal, doch was bliebe zu tun, wenn nur schwarze Steine im Objektiv zu sehen sind? Auch der Filmstil gleicht einem Kaleidoskop: Ähnlich wie dieses optische Spielzeug aus der Vorzeit des Kinos überführt Yim-Ho seine disparaten Bausteine in ein harmonisch-symetrisches Gefüge. Und ebenfalls wie bei Wong Kar-wai ist ein suggestiver Pop-Song, ein Hit des Teenie-Stars Cass Phang, allgegenwärtig. Er besitzt die gleiche verklärte Mädchenhaftigkeit, die exponierte und doch gebrochene Lebenshaltung der weiblichen Heldin des Films. "Das Leben und die Natur predigen nicht zu uns", sagt Yim Ho, "aber sie lehren uns, Erfahrungen zu sammeln und zu unseren Entscheidungen zu finden. Das versuche ich auch mit meinen Filmen zu erreichen." (Daniel Kothenschulte, film-dienst)

Künstlerischer Generation X - Camp um eine Transsexuelle, deren Sohn und dessen potentieller neuer Freundin
Emmas Freundin ist hohen Alters verstorben und hinterließ einzig ihre Enkelin Aggie. Emmas Sohn Louie reist von Hongkong in die Geburtsstadt der Freundin, um an der Trauerfeier teilzunehmen. Betreten stellt er den depressiven Gemütszustand Aggies fest, die verstummt vor sich hin blickt und im Kühlschrank übernachtet. Emma weiß nur zu gut, wie schmerzlich der Verlust eines geliebten Menschen sein kann – ließ sie sich doch einst einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, um den Geist seiner Frau aufrecht zu erhalten und seinem Sohn eine auch physisch bessere Mutter zu sein – und lädt Aggie zu sich und Louie in die Wohnung.
Louies eifersüchtige Freundin Jenny ist davon überhaupt nicht angetan und trotzt sich aus der Beziehung heraus. Als Aggie aus ihrem Trauerschmerz erwacht, scheint sich Jennys Prophezeiung tatsächlich selbst zu erfüllen, allerdings soll ein weiterer Schicksalsschlag die beiden möglichen Seelenverwandten voneinander fernhalten...
Endlich dürfen wir einen Generation X - Film genießen, der noch etwas Neues zu bieten hat. Die Handkamera mit den hektischen Schnitten wurde ebenso zu Hause gelassen wie die gemächliche, versteckte Kamera, die in scheinbarer Echtzeit ein WG-Leben dokumentiert. Stattdessen ließ Regisseur Yim-Ho Kameramann Poon Hang-Sang großes cineastisches Feingefühl aufwarten. Mit immer wieder wirkungsvollen Bildern komponierte Yim-Ho unvermutete Kamerafahrten, täuscht die ZuschauerIn bei Szenenbeginn gelegentlich mit ausgeklügelten Einstellungen.
Das Augenscheinlichste an Kitchen dürfte hingegen die eindringlichste Camp-Attacke seit Bette Davis sein. Sei sie modisch ausgedrückt durch gitftgrüne Kunstfellhandtaschen für vollkommen vertuckte Hetero-Frisöre, drei knallebunte Lavalampen als zentraler Blickfang in der Küche oder mit einer gnadenlosen Melodramatik, angefangen vom theatralischen Tränenabwischen des Gegenüber, über eine Transsexuelle, die nicht erklärt, sich umgewandelt zu haben, weil sie sich in einem Männerkörper als Frau fühlte, sondern weil sie den Verlust der Gattin nicht ertragen hatte, bis hin zu einer Mordszene, in der sich das niedergestochene Opfer immer und immer wieder aufbäumt, um den nächsten Stich abzubekommen. Nicht zu vergessen das Hauptthema des Filmes, das Trauern um eine geliebte Person. Nach Kitchen fühlt sich die ZuschauerIn, als habe sie nie richtig getrauert. Denn Emma lässt sich in diesem Prozess das Geschlecht umwandeln, Aggie greift wachträumerisch nach dem Mond, wenn sie gerade einmal aus ihrem Kühlschrank gekrochen kommt und Louie zieht für Monate in sein Heimatdorf und leidet dort weiter – an dem unbekömmlichen Essen.
Das Schauspielern überschreitet immer mal wieder, vollkommen bewusst, die Grenze zur Grimassenschneiderei und kommt damit davon. Von welchem anderen Film darf dies schon behauptet werden?
Kitchen war ursprünglich ein shojo manga, also Mädchen-Komik aus Japan, dessen Verfilmung beweist, dass dieses Genre zwar über die Maßen kitschig sein kann, aber auch auf groteske Weise raffiniert und ungewöhnlich unterhaltend, für das Rollenverhalten von Frauen und Männern ungemein anregend. Nach diesem Film lässt sich nie wieder mit Sicherheit sagen, ob die tuntigen Filmfrisöre notwendigerweise tatsächlich schwul sind, oder eben einfach nur Tucken. (quer-view)

"Leben ist das, was sich ereignet, während wir mit anderen Plänen beschäftigt sind." John Lennon hinterließ uns diesen Satz. Daß die oft beschworene Generation X ihn auch heute immer noch verwendet, will uns dieses Melodram aus Hongkong beweisen. Basierend auf dem mittlerweile zum Kultbuch avancierten gleichnamigen Kurzroman der Japanerin Banana Yoshimoto zeichnet Regisseur Yim-Ho ein beeindruckendes Bild der Jugend, des Lebens und des Leben-Lernens.
Die Story: Die junge Aggie verliert sich selbst in der Trauer um ihre geliebte Großmutter und flüchtet sich an den ihr angenehmsten Ort - ihre Küche. Sie wird von Louie, einem flippigen Friseur, und seiner Mutter Emma aufgenommen. Die beiden helfen ihr, den Schmerz zu überwinden. Doch das Glück in der neuen Familie zerbricht, als Emma von einem Verehrer erstochen wird. Nun ist es Louie, der von seinem bisherigen Weg abkommt und Aggies Hilfe braucht, um sich selbst wiederzufinden.
Aber der Weg der Liebe ist mühsam, und Aggie bringt das auf den Punkt, wenn sie sagt: "Sex ist einfach. Liebe ist schwer." Regisseur Yim-Ho bringt poetisch-philosophische Bilder auf die Leinwand, getragen von der verzaubernden Musik von Otomo Yoshihide, die auch manche Länge, die sich in die Poesie eingeschlichen hat, auffängt und ausgleicht.
Die deutsche Synchronisation kann hier oft nicht mithalten, ja stört beinahe als zu hart. Andererseits konterkariert sie manchmal die Kitschkultur, die dem Film innewohnt, auf heilsame Weise. (Heike Obermeier, KURIER)

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DIE ZEITRITTER (LES COULOIRS DU TEMPS - LES VISITEURS II)

F 1998. 117 Min
Regie: Jean-Marie Poiré, Buch: Jean-Marie Poiré, Musik: Eric Levi, Kamera: Christophe Beaucarne, Schnitt: Chaterine Kelber, Jean-Marie Poiré, Darsteller: Christian Clavier (Jacquoille/Jacquart), Jean Reno (Godefroy), Muriel Robin (Béatrice/Frénégonde), Marie-Anne Chazel (Ginette), Christian Bujeau (Jean-Pierre), Claire Nadeau (Cora), Pierre Vial (Eusaebius/Ferdinand Eusebe)
Kinostart: 5/6/1998

Fünf Jahre nach dem Überraschungserfolg von "Die Besucher" kehrt Ritter Godefroy aus dem Mittelalter erneut in die Gegenwart zurück, um seinen Knappen und die Familienjuwelen seiner Braut zu suchen. Der als Fortsetzung gedachte Film ist nicht viel mehr als eine mit hohem tricktechnischen Aufwand betriebene Wiederholung, die seinem Hauptdarsteller ein Forum für naiv-unbeholfene Attacken verschafft. Viele der computergenerierten "special effects" hängen inhaltlich in der Luft und sind nur mit Blick auf den amerikanischen Filmmarkt zu erklären.

Die Gallier und der Zaubertrank: eine unendliche Geschichte. Schon anno Domini hatten sie damit gelegentlich ihre liebe Not, wenn Babies in den Kessel fielen oder der Druide sich schmollend im Eichenhain verzog. Rund tausend Jahre später soll, schenkt man Regisseur Jean Marie Poiré Glauben, einer aus der Sichelgilde die Lust an der Kraftmeierei verloren und sich in esoterischere Gefilde begeben haben: Reisen durch die Zeit. Was dabei herauskam, waren "Die Besucher" (fd 30 230), die sich 1993 in Kettenhemd und Schnabelschuhen durch die Gegenwart kalauerten. Während Ritter Godefroy de Montmirail aber alsbald an die Seite seiner Braut Frénégonde zurückeilte, fand sein Knappe Jacquouille Gefallen an Blechkisten und blinkendem Tand und schickte einen seiner Nachfahren an seiner statt ins Mittelalter. Dieses vage Ende bildet den Ausgangspunkt des Sequels, in dem Jean Reno und Christian Clavier erneut die Schmerzgrenze der Klamotte testen. Während der Diener mit Mundgeruch und Fußschweiß der Moderne zu Leibe rückt und zielstrebig das noble Haus von Jean-Pierre und Béatrice de Montmirail in Schutt und Wasser legt, lodert auf dem Burghof der Scheiterhaufen: Das Handy des Hotelbesitzers Jacquart (Clavier in einer Doppelrolle) ist in die Hände des Inquisitors gefallen. Ritter Godefroy plagen indessen andere Sorgen: Unter dem Edelsteinen, die der diebische Jacquouille entwendet und ins 20. Jahrhundert geschleppt hat, befindet sich auch der Zahn der seligen Rolande. Eine Reliquie, die in der Familie seiner Verlobten seit Jahrhunderten Nachkommenschaft garantiert und ohne die es keine Vermählung geben kann. Außerdem droht seinem Land Tod und Verderben, weil das Zeittor solange offen steht, solange Jacquouille, Jacquart und die Juwelen sich nicht wieder an ihrem angestammten Platz befinden. Was bleibt dem Edlen mit dem strengen Blick schon anderes übrig, als erneut einen tiefen Schluck aus der Flasche des Zauberes zu tun?
Fünf Jahre haben sich Poiré und Co-Autor Christian Clavier Zeit für die Fortsetzung ihrer Komödie gelassen, um "keine Serie im kommerziellen Sinne zu produzieren". Genau dort aber ist das 46 Millionen Mark teure Nonsense-Spektakel gelandet, dessen abermals offenes Ende - die beiden Zeitritter landen in den Wirren der französischen Revolution - den dritten Teil schon in Aussicht stellt. Man kann die "Fortsetzung" auch als Startschuß betrachten, weil es sich im Grunde um nicht viel mehr als eine finanziell und tricktechnisch aufgemotzte Wiederholung des Originals handelt. Die Ouvertüre auf dem mittelalterlichen Schauplatz ist nicht mehr als ein pittoreskes Zwischenspiel, um Claiver erneut ein Forum für seine tolpatische Verfremdungen der Gegenwart zu geben. Mal auf den Spuren von Jacques Tati, mal im Sog der Grimassen von Louis de Funès, zappelt und hampelt der Komiker durch Supermärkte und Wohnzimmer, ohne daß aus den naiven Attacken mehr als Trümmerhaufen und Wortmüll entstände. Die Belustigung, die man angesichts seiner Verwüstungen empfindet, ist die über den Toren, der es nicht besser weiß, ohne daß zugleich ein Erschrecken über die Torheit der Zeit aufblitzen würde. Jean Reno hingegen bleibt seiner Rolle des unterkühlten Helden treu, was ihm angesichts von Claviers Clownereien kaum Anstrengung abverlangt. Das für europäische Verhältnisse gigantische Budget floß größtenteils in computergenerierte Spezialeffekte, deren technische Perfektion erneut den internationalen Standard französischer Animation demonstriert. Selten allerdings dient die Kunst der Techno-Magier dazu, den Albereien Profil oder Tiefenschärfe zu verleihen. Nur Jacquoilles' Kampf mit dem Feuerwehrschlauch, eine gelungene Variation aus Tatis "Mein Onkel" (fd 8235), gerät zur deftigen Wasserschlacht, bei der sich erahnen läßt, welche abgrundtiefe Komik in der Konfrontation verschiedener Zeitalter gesteckt hätte. Daß sich viele Tricks allein mit Blick auf den amerikanischen Filmmarkt erklären lassen, zeigt deutlich die Grenzen solcher "Spielereien" auf. Wäre ein Teil dieser Energien in die Ausarbeitung des Drehbuchs geflossen, hätte sich mancher kurzatmige Schlenker vermeiden und der Schlagabtausch auf anderes als verfaulte Zähne und Golfbälle konzentrieren lassen. Doch die Druiden der Gegenwart sind alt geworden und hängen asthmatisch am Schlauch: durch den strömt zwar genügend Luft zum Überleben - in Frankreich zählte man nach 13 Wochen rund 10 Millionen Zuschauer - aber nicht der Saft, der die Kraft verleiht, mit dem man Eichen fällt. (Josef Lederle, film-dienst)

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SPECIES II (SPECIES II)

USA 1998. 95 Min
Regie: Peter Medak, Buch: Chris Brancato, Musik: Edward Shearmur, Kamera: Matthew F. Leonetti, Schnitt: Richard Nord, Darsteller: Michael Madsen (Press Lennox), Natasha Henstridge (Eve), Marg Helgenberger (Dr. Laura Baker), Mykelti Williamson (Gamble), George Dzundza (Colonel Burgess), Justin Lazard (Patrick Ross)
Kinostart: 31/7/1998

Die Species aus dem ersten Teil von 1995 sind besiegt. Doch ein Astronaut war auf der ersten bemannten Raummission zum Mars infiziert worden. Dort lag die Wurzel des Übels. Nun hat dieser Astronaut leider Nachwuchs in die Welt gesetzt, der nicht minder außerirdisch böse ist. Gemeinsam mit der Mensch-Monster-Mischung Eve versucht Lennox die Monster zu vernichten.
Ein Science-Fiction-Action-Horror-Film mit den bekannten Bestandteilen Außerirdische, Gewalt, Schleim und Sex. Damit kann nicht viel neues herauskommen, außer der Tatsache, daß hier auch noch das Model Natasha Henstridge vorgeführt wird. Nur für ausgewiesene Fans von fiesen Monstern empfehlenswert. (film.de)

Nach geglückter Mars-Mission kehrt der zum Alien mutierte Kommandeur eines Raumschiffes zur Erde zurück und bringt Tod und Verderben über die Menschheit. Ein aus winzigen Zellresten geklontes weibliches Alien und ein unerschrockener Mann stellen sich der Bedrohung. Verspätete Fortsetzung eines blutrünstigen Science-Fiction-Films, die den Vorgänger an Ekeleffekten mühelos übertrifft, ihre Gewaltorgie jedoch ohne Sinn und Verstand abspult und durch fehlende Suspense nicht mehr als ärgerliche Langeweile erzeugt.

Übersteigt der Profit an den amerikanischen Kinokassen die magische 100 Mio. Dollar-Grenze, ist ein Sequel schon beschlossene Sache. Dieses Marketin-Gesetz gilt zumindest für Genrefilme. Daß ein zweiter Teil aber drei Jahre auf sich warten läßt, ist eher ungewöhnlich. Roger Donaldson realisierte 1995 die nicht ganz neue Idee, eine Mensch-Alien-Mutation auf der Erde Amok laufen zu lassen. Die als Entdeckung gefeierte, allerdings bald schon wieder in Vergessenheit geratene Natasha Henstridge spielte damals die ebenso perfekte wie schöne Tötungsmaschine, deren Vernichtung die Erde vor Schlimmerem bewahrte. Jahre später, unter neuer Regie und mit anderem Konzept, nimmt das Unheil trotzdem wieder seinen Lauf.
Patrick Ross und seine Crew sind gerade dabei, ein neues Kapitel der Raumfahrtgeschichte zu schreiben. Sie werden die ersten Menschen auf dem Mars sein. Für den Sohn eines Senators ist es der Höhepunkt seiner Karriere, für die Menschheit soll die geglückte Expedition endgültig das Tor zur Weite des Sonnensystem aufstoßen. Eine kleine Übertragungsstörung zu Beginn des Rückfluges nimmt keiner sonderlich ernst, da alle der glorreichen Heimkehr entgegenfiebern. Unmerklich hat sich jedoch etwas aus den Bodenproben extrahiert und ist in Ross eingedrungen, wo es seine mutagene Arbeit beginnt. Wie schon Sil aus dem Vorgängerfilm, der außer Kontrolle geratenen weiblichen Kreuzung aus menschlicher und außerirdischer DNS, wird wieder ein Mensch-Alien auf der Erde ein zerstörerisches Werk beginnen, um sich zu vermehren und die Erde einer überlegenen Spezies untertan zu machen. Press Lennox, der seinerzeit schon im Kampf mit Sil siegreich blieb, wird wieder aktiviert, um es mit einem ungleich überlegeneren Monster aufzunehmen. Eigentlich eine aussichtslose Situation, wären da nicht die Geheimlabore des Staates, in denen unter der Aufsicht von Dr. Laura Baker winzige Zellreste der vernichteten Sil zu einer Doublette herangeklont wurden. Sil 2, jetzt Eve genannt und eigentlich harmlos, soll helfen, den amoklaufenden Ross zu eliminieren. Doch ein weiteres Mal geraten die Dinge völlig außer Kontrolle.
Die Variation des Bekannten soll hier also in Form einer Verdoppelung funktionieren, muß aber als gescheitert betrachtet werden, weil bereits der zugrundeliegende Plot mehr als fragwürdig war. Sicher, der groteske Hellseher (Forest Whitaker) aus dem ersten Teil erübrigt sich, weil Eve das bessere, weil glaubwürdigere Medium für die Suche nach dem Alien abgibt. Doch die faszinierende Ausgangsidee, daß der Mars durch außerirdische DNA verseucht ist, die dort vor Urzeiten alles Leben auslöschte, verschenken sowohl der Autor als auch der Regisseur zugunsten einer oberflächlichen Gewaltorgie, in der sie ihren Film-Mutanten, seinem Vermehrungstrieb folgen und äußerst unappetitliche Metzeleien anrichten lassen. Als greller Horrorfilm funktioniert "Species II" bis zu einem gewissen Grad, sind doch die Ekelszenen - zumindest in der Originalversion - breit ausgespielt und auf hohem maskenbildnerischen Niveau. Da Suspense aber völlig fehlt und den Machern häufig jeder Geschmack abhanden kommt, erzeugt der Film nur ärgerliche Langeweile. Selbst mögliche Deutungsversuche über das vielleicht gestörte Verhältnis der Amerikaner zur Sexualität geben dem Film keinen tieferen Sinn. H. R. Gigers kunstvoll-schreckliche Mensch-Maschinen-Fantasien gehen spätestens im Finale in Stroposkop-Blitzen und im dilettantisch wirren Schnitt unter. Kaum zu Glauben, daß Peter Medak einmal mit "Die Krays" (fd 28 552) dem Genre-Kino interessante Impulse geben konnte. (Jörg Gerle, film-dienst)

Das Rätsel der blauen Hemdchen
Das erste Spezies war eine sportliche Blondine, die mit außerirdischer DNA gezeugt wurde und in der Freiheit reihenweise Männer verschlang oder zumindest zerstückelte. Nun trifft es die Frauen: Ein Star-Astronaut und karriereversprechender Politikersohn namens Patrick Ross (Justin Lazard) bringt von seinem Mars-Ausflug wieder ganz üble DNA mit. Ergebnis ist ein außerirdischer Macho, in dessen Blut reines Viagra fließen muß, denn kann nur noch an eines denken: Fortpflanzung. Die Fremden sind ziemlich weit hergekommen, extrem bösartig, hinterhältig und mörderisch, aber es treibt sie das Gleiche an, wie unser Geschlecht...
Währenddessen langweilt sich ein Klon der Species 1-Frau im Labor bei amerikanischem TV und gemäßigten Alienanteilen. Eve (Natasha Henstridge) ist ein mächtig menschliches Versuchskaninchen, das von der Laborleiterin Laura (Marg Helgenberger) sehr rücksichtsvoll behandelt wird. Brav läßt Eve immer wieder austesten, wie man ihre Spezies ausrotten könnte.
"Species 2" lehrt vor allem eines: KEIN SEX - mann und frau weiß ja nie, was man sich beim Kontakt mit Fremden (=Aliens) so einfängt! So zeigt der Film einige für den amerikanischen Film durchaus freizügige Dinge - und straft sie direkt grausam blutig ab. Nur der überlebt, der tatsächlich zehn Tage lang enthaltsam bleibt. Und sich nebenbei strickt an die Rassentrennung hält - so strickt, daß er nur an Weibchen ähnlich dunkler Hautfarbe interessiert ist. (Dabei ist es nur einer von vielen Widersprüchen des Films, daß er trotzdem sichtbar auf erotisch motivierwilliges Publikum abgestimmt ist.)
Nach gut gesetzten ersten zehn Minuten kommt nichts mehr. Die Billigversion des Vorgängers arbeitet mit weniger guten Schauspielern und mit nur einem Bruchteil der Sorgfalt. Ganz schwache Dialoge und Beziehungen zwischen den Figuren sind deutlich erkennbar das Werk von Serientätern. Und Serie ist an sich banal: "Another fucking Alien on the loose!" Zeitweise sieht "Species 2" so eher nach "Ghostbusters 4" aus als nach einem gruseligen Science-Fiction-Thriller. Weshalb alle menschlich wirkenden Zöglinge des Aliens das gleiche blaue Hemdchen anhaben, wird ein ewiges Rätsel bleiben. Oder nehmen bösartige Aliens immer einen Koffer Kinderkleidung mit, wenn sie fremde Planeten besiedeln?
Für den Schauer entsprangen viele Monster aus dem Computer, die aber alle nicht beeindrucken können. Ur-Vater H.R. Giger hat sich mittlerweile von diesen Aliens verabschiedet. Sie wollen eklig und schleimig sein, doch es wirkt irgendwie trocken, dieses braune Flubber. Das liegt sicher an der nachlässigen Inszenierung, aber vielleicht auch an zuwenig realistischer Struktur und Oberfläche, denn daran mangelt es den Computerkreaturen noch am meisten.
Dazu gibt es sehr viele unnötige Bilder und dumme Fehler im Detail: Einige der militärischen Hampelmänner kreisen wohl immer noch mit dem Hubschrauber über dem Drehort. Ihr letzter Satz war: "Wir greifen in die Party ein, wenn unsere Zeit gekommen ist..." Daß überhaupt noch Erdproben per Hand vom Mars genommen werden müssen, ist ebenso unsinnig wie die Gesundheitsüberwachung der Astronauten nach der Landung lächerlich. Etwas Kluges zeigt der Film doch: Raumfahrt angetrieben von den Sponsorengeldern der Industrie! Nur wenn der erste Schritt auf den Mars von einem Nike-Schuh getan wird, ist der enorme Kostenaufwand überhaupt tragbar. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)

Diskont-Invasion mit Alien-Sexbombe. "Species II" nimmt mit Marsverstärkung einen zweiten Anlauf zur Eroberung der Welt.
Würden sie dieser Frau eine Unterhose abkaufen? Wohltrainiert und braungebrannt läuft Natasha Henstridge (siehe Photo) nach längerer Kunstpause erneut durch einen "Species"-Film und bedroht die lüsterne Männerwelt mit dem Tode. Wer vor dem Model, das bei Gelegenheit auch in H&M-Unterwäschespots zu sehen ist, seine Kleidung ablegt, spricht am besten gleich ein letztes Gebet dazu. Die "Species"-Werbebotschaft ist eindeutig: Leidenschaft endet tödlich.
Zur Erinnerung: Fremde Himmelsmächte ließen 1995 im "Species"-Originalfilm der Erde einen Funkspruch zukommen, der neben allerlei Nützlichem auch eine Anleitung zur Manipulation menschlicher Erbanlagen enthielt. Das Wesen, das von risikofreudigen Wissenschaftlern im Reagenzglas zusammengerührt wurde, hatte je nach Gemütslage das Aussehen der leichtbekleideten Filmdebütantin Henstridge oder die Gestalt eines tentakelbewehrten Außerirdischen.
"Alien"-Designer H. R. Giger hatte letzteren diesmal nicht als schleimige Bestie, sondern als extraterrestrische Sexbombe entworfen, bestens geeignet als Posterschmuck fürs Jugendzimmer. Einziges Triebziel der gefährlichen Gattung: Verbreitung durch geschlechtliche Vereinigung. Das verspricht mehr Nacktszenen und ist vor allem wesentlich billiger, als eine großangelegte UFO-Invasion aus dem Weltall. Aliens denken da wie B-Picture-Produzenten.
"Species II", nach drei Jahren Wartezeit jetzt aus Pandoras Büchse geschlüpft, unterstreicht die Familienangelegenheit gerne: Forschungslabor und gläsernes Alien-Gefängnis kennt man schon, und auch Natasha Henstridge hat sich kaum verändert, bloß paßt zum vertrauten Gesicht ein neuer Name.
Eve ist ein Klon des Originalmonsters, der in einem männerfreien Milieu herangezogen wurde - zwecks Dämpfung der Triebe. Die Zuchtmethode zeigt unberechenbare Wirkung: Eve guckt gerne Baseball-Übertragungen und sagt "Ich bin ein halber Mensch". Aber bei passender Gelegenheit verabschiedet sie sich dann doch durchs Panzerglas, um sich in Freiheit mit einem frisch eingeflogenen Artgenossen zu treffen.
Der ist die Speerspitze einer anderen Diskont-Invasion, die sich zu Filmbeginn angekündigt hat. Noch preisgünstiger als die Funkspruchvariante, die den ersten Gen-Code übermittelt hatte, ist es nämlich, einfach ein paar Millionen Jahre mikrobengroß und träge auf einem Planeten herum zu liegen und darauf zu warten, daß jemand vorbei kommt, den man infizieren könnte. Ein Nasa-Marsmissionsteam bringt den "Species II"-Virus unbemerkt mit nach Hause, diesmal im Männerkörper eines Astronauten.
Der frischgebackene Nationalheld verwandelt alsbald jedes Liebesnest in ein Schlachthaus. Zehn Minuten dauert es, bis seine Opfer nach der Empfängnis Kinder gebären, die mit der Körpergröße von Fünfjährigen aus dem zerrissenen Mutterleib steigen. Die Kids sehen aus wie die Zweitbesetzung von "Les Misérables", aber als geeichter Kinogänger weiß man natürlich, daß mit der Truppe nicht zu spaßen ist - Weltherrschaft wird angestrebt.
Peter Medak inszeniert mit innereienreichen Gemetzeln, aber vor allem durchgängig inspirationsfrei. Wie schon in Teil Eins erweist sich schließlich ein von Michael Madsen gespielter Spezialagent, zehn Kilo schwerer als beim letzten Auftritt, als einziger natürlicher Alienfeind im irdischen Biotop. Schwerbewaffnet kämpft sich der darwinistische Retter durch Trashdialoge und Penetrierungsphantasien aus dem Computer, verfolgt die Außerirdischen wie x-beliebige Schwerverbrecher und macht dann kurzen Prozeß.
Das garantiert nicht nur das Überleben der Menschheit, sonder gegebenenfalls auch eine weitere Fortsetzung des Spiels. Keine sehr beruhigende Perspektive. (Robert Weixelbaumer, DIE PRESSE, 3/8/1998)

Der Anfang ist irgendwie rührend. Ein Astronaut kratzt am Mars-Gestein, und die Kulissen schauen herzerfrischend dilettantisch aus. So, als wäre die Szene beim Nachbarn ums Eck in der Garage gedreht worden. Der Rest macht weniger froh. "Species II" verzichtet auf kreative Eigenleistung und wühlt statt dessen in der Requisitenkammer des Science-Fiction-Genres. Bei "Akte X" etwa oder bei der "Alien"-Serie. Die Dialoge haben den Esprit eines Telefonbuchs, wobei viel pseudowissenschaftliches Gefasel aus den Mündern der Schauspieler tropft.
Auch sonst tropft und schlatzt es ausgiebig. Die Außerirdischen treten (so sie sich nicht in den Körpern schöner Menschen verbergen) wieder einmal als eklige Schleimbatzen auf. Schließlich bestätigt der erzreaktionäre Horror-Streifen auch noch die lustfeindliche Überzeugung derjenigen Zeitgenossen, die glauben, daß Sexualität Teufelszeug sei. Denn das Böse wächst hier aus dem Liebesakt. Alle Frauen, die mit dem von den Aliens befallenen Mann schlafen, erleiden noch im Bett einen gräßlichen Tod und bringen ein neues Monster hervor.
Männliche Urängste vor den Frauen waren schon im ersten "Species"-Film ein Thema. Da war der Schurke ein mörderischer Außerirdischer in der Gestalt eines bildschönen Mädchens. Weil man in der Fortsetzung auf den Anblick der feschen Blondine nicht verzichten wollte, wurde sie geklont. Aus der schlimmen Sil (alias Natasha Henstridge) entstand eine Eve, halb Mensch, halb Alien. Die wird zwar wegen extraterrestrischer Aggression in einem Hochsicherheitstrakt verwahrt, darf aber diesmal am Schluß zur Rettung der Menschheit beitragen. Na ja. Eine matte Sache.
"Das ist hier doch nicht irgend so ein Akte-X-Fall," murmelt irgendwann ein Schauspieler. Richtig. Auf "Die Akte X", den Kinofilm, müssen wir noch eine Woche warten. (Gunther Baumann, KURIER)

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MARTHA TRIFFT FRANK, DANIEL & LAURENCE (MARTHA - MEET FRANK, DANIEL AND LAURENCE)

GB 1998. 88 Min
Regie: Nick Hamm, Buch: Peter Morgan, Musik: Ed Shearmur, Kamera: David Johnson, Schnitt: Michael Bradsell, Darsteller: Monica Potter (Martha), Rufus Sewell (Frank), Daniel (Tom Hollander), Joseph Fiennes (Laurence), Ray Winstone (Pedersen)
Kinostart: 14/8/1998

Martha hat von Los Angeles die Nase gestrichen voll! Ein 99 Dollar-One-Way Ticket nach London soll für sie der Beginn eines neuen Lebens sein. Kaum in London angekommen trifft Martha an einem Tag auf Frank, Daniel und Laurence. Jeder der drei verliebt sich in die schöne Amerikanerin auf seine Weise. Der Haken an der Sache ist: die drei Jungs sind alte Freunde. Und wer ein richtiger Kumpel ist, der teilt alles- fast alles. Aber bei dieser Traumfrau hört die Freundschaft auf! Jeder will sie, keiner hat sie. Martha selbst ahnt nicht, in was sie da hineingeraten ist. Als sie es merkt, fängt das Chaos richtig an...
Martha trifft Frank , Daniel & Laurence ist eine beschwingte, klevere Komödie mit einem jungen, unkonventionellen Schauspielerensemble, das den Aufwind des jungen britischen Kinos unterstreicht. Der ultimative Sommerhit zum Händchenhalten! (film.de)

Drei seit langem befreundete Engländer verlieben sich unabhängig voneinander in ein und diesselbe Amerikanerin, die einen One-Way-Flug nach London genommen hat, um hier einen Neustart zu wagen. Romantische Komödie, die durch ihre raffinierte, elliptische Erzählweise für sich einnimmt, auch wenn sie in konventionellen Kinoklischees befangen bleibt und ihre Leitmotive inhaltlich nicht verankern kann. In Anlage und Atmosphäre zeugt die schön ausgedachte Liebescharade von Eigensinn und britischer Erzähltradition.

"Zwei sind ein Paar. Drei einer zuviel. Aber vier die absolute Katastrophe!" Mit diesem Slogan, der den etwas drögen Titel transparenter machen soll, verrät der Verleih alles - und zugleich nichts. Denn das Raffinement von Nick Hamms erfrischender Liebeskomödie um drei Engländer und eine junge Amerikanerin steckt in ihrer elliptisch-gebrochenen Erzählstruktur, bei der überraschend lange unklar bleibt, wer hier eigentlich um wen kreist. Daniel ist ein Londoner Yuppie aus der Musikbranche, erfolgreich, arrogant und selbstverliebt. Auf dem Flughafen von Minneapolis stolpert eine blonde Frau über seine Edelkoffer: Martha, die 99 Dollar in der Tasche und nur einen Wunsch im Kopf hat - weg von hier, egal wohin. Ihre Barschaft reicht für London und - dank Daniels zielstrebiger Subvention - für einen Platz neben ihm. Daß sein Imponiergehabe nicht verfängt, nimmt ihn für die unkomplizierte Fremde ein. Nach der Landung kann er sie überreden, auf Kosten seiner Firma in einem noblen Hotel zu übernachten. Als "Gegenleistung" soll sie am nächsten Tag mit ihm zu Mittag essen. Statt ihrer aber muß er mit seinen Freunden Frank und Laurence vorlieb nehmen, die er in höchster Verzweiflung zusammentrommelt. Nicht nur, daß Martha verschwunden ist; sie hat auch mit einem anderen die Nacht verbracht: "Dinner for two" in ihrer Suite. Frank, ein abgerissener, arbeitsloser Schauspieler, kann sich angesichts einer solchen Ironie des Schicksal keiner hämischen Kommentare enthalten: des öfteren schon hat Daniel ihm seine Eroberungen ausgespannt. Ehe der Streit in Handgreiflichkeiten ausartet, explodiert Laurence, ein introvierter Bridge-Lehrer, der normalerweise die rivalisierenden Streithähne beschwichtigt, und rennt genervt aus dem Lokal. Die konsternierte Stimmung bietet Frank wenig später den willkommenen Anlaß, zum wiederholten Mal einen Vorsprechtermin sausen zu lassen und im Hyde-Park herumhängt. Dabei gerät er mit einer angetrunkenen Frau ins Gespräch, die ihm ihr Liebesleid klagt. Blond, fremd, Flughafen: Martha. Von Rache- und Abenteuergefühlen gleichermaßen beflügelt, legt er sich ins Zeug - und gibt Laurence kurz telefonisch Bescheid, wer ihm da über den Weg gelaufen ist. Marthas miese Laune hellt sich angesichts des euphorischen Begleiters merklich auf. In einer Kunstgalerie scheint er seinem Ziel schon zum Greifen nahe, als Martha plötzlich spurlos verschwunden ist.
Erzählt wird dies in langen Rückblenden. Der Film beginnt fast am Ende mit einer frühmorgentlichen Beichte: Laurence klingelt in desolater Verfassung seinen Nachbarn, einen Psychiater, aus dem Bett und entfaltet stockend und stammelnd, wie drei Freunde binnen eines Tages jedes Vertrauen zueinander verloren haben. Anfangs zugeknöpft, dann anteilnehmend und bald immer erregter, kitzelt der Zuhörer Laurence Rolle in diesem Drama hervor: den Konflikt zwischen tief empfundener Loyalität und eigenem Glücksverlangen. Denn auch Laurence ist verliebt und es bedarf keiner großen Fantasie, um zu erraten, in wen. Die näheren Umstände müssen hier ausgespart bleiben, weil das Drehbuch in diesem Augenblick zu einer dritten und vierten Erzählperspektive anhebt, die den großen Reiz dieses vermeintlichen Reigens ausmachen. Wie sorgfältig Autor Peter Morgan und Regisseur Nick Hamm das feine Netz der einzelnen Ebenen gesponnen haben, läßt die starke Konstruktion des Plots kaum ins Bewußtsein treten und tröstet auch über das inhaltliche Leichtgewicht dieser romantischen Komödie hinweg. Durch die ebenso überraschenden wie eleganten Wendungen, für die Hamm öfters schöne bildliche Auflösungen findet, nimmt man beschwingt auch eine Reihe konventioneller Kinoklischees in Kauf: daß die Charaktere trotz einer Vielzahl von Details reine Leinwandfiguren bleiben; daß dem Leitmotiv, daß es Momente im Leben gibt, in denen man mit einer einzigen Entscheidung den Lauf seines Schicksals wenden kann, jede erzählerische Verankerung fehlt; auch daß die Kamera mitunter rührseliger Sentimentalität frönt. Selbst wenn man gewisse Parallelen zwischen der Hauptdarstellerin Monica Potter und Julia Roberts nicht abstreiten will und gelegentlich auch andere hollywoodsche Anklänge ausmachen kann, so zeugt Anlage und Atmosphäre dieses unspektakulären, aber liebenswerten Films von Eigensinn und britischer Erzähltradition. Das Leben in London mag zwar in den letzten Jahren in einer Reihe englischer Filmen wesentlich authentischer und ungeschminkter beleuchtet worden sein; Hamms Komödie aber führt an Plätze und Orte, die weder touristisch noch filmisch abgegriffen sind. Bei aller Begeisterung und Sympathie für diese kleine, schön ausgedachte Liebescharade muß allerdings auch eingeräumt werden, daß dem lustvolle Perspektivenwechsel gegen Ende die Ideen ausgehen, weshalb der Schluß zwar romantischen Sehnsüchten, nicht aber dem Witz und der erzählerischen Versiertheit der ersten Hälfte genügt: die elliptischen Bahnen haben sich zum simplen Kreis verflüchtigt. (film-dienst)

Ein Freund, ein guter Freund... "Martha trifft Frank, Daniel & Laurence": Eine liebliche Liebeskummerkomödie kippt vor Unbeschwertheit ins Schwerelose.
Junger Mann begegnet junger Frau. Beide sind alleinstehend, mit Witz gesegnet und von recht gewinnendem Wesen. Situationen wie diese sind im Kino der Rohstoff, aus dem, je nach Verarbeitung, die banalsten wie auch die schönsten love stories entstehen. Martha trifft Frank, Daniel & Laurence entwickelt das schlichte Modell konsequent weiter: Die betreffende Frau trifft nacheinander auf insgesamt drei Männer, von denen jeder alleinstehend, witzig und interessant ist - und sich also bald in sie verliebt.
Ihren dramatischen und einigermaßen komischen Mehrwert schöpft die solcherart zur Potenz erhobene Liebesgeschichte allerdings aus dem Umstand, daß die drei Verliebten Freunde sind. Als erster am Zug ist Daniel (Tom Hollander), ein erfolgreicher Musikproduzent, der seinen Rückflug nach London kostenaufwendig umbucht, weil er im Flugzeug neben der Blondine sitzen möchte, der er auf dem Flughafen zufällig begegnet ist. Die Amerikanerin Martha (Monika Potter), mit einem One-Way-Ticket nach London unterwegs, um dort ein neues Leben anzufangen, zeigt sich empfänglich für Daniels Flirt, taucht aber anderntags zum Rendezvous nicht auf.
Per Zufall mischt sich nun Daniels Freund Frank (Rufus Sewell) ins Spiel: Nach einem Streit mit Daniel stößt der arbeitslose Schauspieler in einem Londoner Park auf die emotional angeknackste Martha, aber auch er verliert sie aus den Augen. Erfolg beschieden ist indes Laurence (Joseph Fiennes), dem zurückhaltenden Dritten im Bunde. Bei ihm ist es vielversprechenderweise Martha, die die Initiative ergreift - und bei ihm sind nun weder Gefall- noch Rachsucht das Fundament der sich anbahnenden Liebe.
Die Art, in der der britische Regisseur Nick Hamm diese dritte Variante favorisiert, ist bedauerlicherweise etwas zu einleuchtend, um als Überraschung durchzugehen. Sowohl in der Inszenierung als auch in der Besetzung der Rolle des von Martha Auserwählten kreiert Hamm so etwas wie den idealtypischen Sieger in einem Gutmenschen- und Lifestyle-Wettbewerb. Laurence ist der Liebenswerteste und Modischste in dieser Welt, deren Protagonisten ausnahmslos schrullig, aber liebenswert und schick sind. In der scheinbaren Beiläufigkeit, mit der Hamm das existentielle Theater seiner Helden beobachtet, liegt etwas von der konstruierten "Zwanglosigkeit" der Darsteller eines Videoclips. Zwar bemüht er sich um einen Erzählton, in dem (wie in den Filmen Hal Hartleys) gefällige Situationskomik durch lakonischen Ernst konterkariert wird. Martha... aber bleibt in seiner Image-Choreographie zu selbstverliebt, um auch nur eine Erzählpassage lang mehr zu sein als eine harmlos-spaßige Variation zum großen Thema. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 1/8/1998)

Wenn die Liebe auf den Zufall trifft
Martha ist Amerikanerin und fliegt nach London. Im Jet trifft sie Daniel, den Yuppie. Der ist rasch flirtmäßig entflammt, aber Martha kann seine Begeisterung nicht teilen. Auf dem Flugplatz trifft sie dann Laurence, den Bridge-Lehrer. Der gefällt ihr, sehr sogar, doch wie eine Fata Morgana ist er rasch wieder verschwunden. Schließlich trifft Martha Frank, den verkrachten Schauspieler. Der würde sie gern als Munition auf seinem Selbstzerstörungs-Trip verwenden, doch sie entzieht sich durch Flucht.
Der Film als Ganzes trifft vor allem eines: Den Zufall in seiner unwahrscheinlichsten Form - und damit den Schmerz-Nerv des Zuschauers. Denn zwar begegnet Martha den Herren Frank, Daniel und Laurence unabhängig voneinander, aber die sind die besten Freunde der Welt. Wie halt das Leben so spielt. Natürlich strebt die Komödie der Verbindung von Martha und Laurence entgegen.
Aber weil das Drehbuch an allen Ecken ächzt, muß es noch öfters zu den absurdesten Zufällen greifen, um die Liebenden zueinander zu bringen. Das Skript wird rasch zur Beleidigung der Intelligenz des Publikums. Die Produktion schwimmt auf der Welle des erfolgreichen jungen britischen Films - allein: Sie geht rasch unter. Die Pointen sind flau, die Machart ist bieder und die Darsteller sind von Brillanz eher sehr weit entfernt. (Gunther Baumann, KURIER)

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CASCADEUR - DIE JAGD NACH DEM BERNSTEINZIMMER

D 1998. 106 Min
Regie: Hardy Martins, Buch: Uwe Wilhelm, Uwe Kossmann, Kamera: Markus Fraunholz, Schnitt: Uwe Klimmeck, Darsteller: Hardy Martins (Vincent), Regula Grauwiller (Christin), Heiner Lauterbach (Oberst), Andreas Hoppe (Bull), Eckhard Preuß (Gonzo), Robert Viktor Minich (Pierre), Charles Regnier (Professor)
Kinostart: 31/7/1998

Ein ehemaliger Stuntman und eine Kunsthistorikerin, die per Zufall aneinandergeraten, begeben sich auf die Spur von Nazis und Neonazis, um das sagenhafte Bernsteinzimmer zu finden. Dabei müssen sie zahlreiche gefähliche Situationen bestehen. Mit großem Materialaufwand produzierter deutscher Abenteuerfilm, der schamlos Vorbilder wie die "Indiana Jones"-Reihe plündert und pausenlos selbstzweckhafte Stuntszenen aneinanderreiht, die die akrobatischen Fähigkeiten des Hauptdarstellers, selbst ein Stuntman, unter Beweis stellen sollen.

Ein ehemaliger Stuntman und eine Kunsthistorikerin, die per Zufall aneinandergeraten, begeben sich auf die Spur von Nazis und Neo-Nazis, um an ein verlorengeglaubtes sagenhaftes Juwel zu gelangen. Dabei machen ihnen nicht allein die Unbelehrbaren zu schaffen: auch ein Geheimdienst und nicht zuletzt die gefährliche, exotische Kulisse Venezuelas zwingen das ungleiche Paar, immer neue, haarsträubende Abenteuer zu bestehen. Bei "Cascadeur - Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer" handelt es sich jedoch weder um eine Neuauflage des akrobatischen Harry-Piel-Kintopps noch um ein Plagiat der "Indiana-Jones"-Trilogie, auch wenn die ProSieben-Produktion beide Vorlagen nach Gutdünken ausschlachtet. An die Stelle des Heiligen Grals tritt hier das Bernsteinzimmer, jenes prachtvolle Geschenk des preußischen Königs an den russischen Zaren, das am Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen St. Petersburg und Königsberg verschwunden sein soll und dessen Existenz bis heute angezweifelt wird; an die Stelle indianischer Mystik rückt eine faschistische, für die sich die Drehbuchautoren peinliche, deutschtümelnde Ratespielchen um Gaue und "Führers" Geburtstag ausgedacht haben. Die Hauptfigur ist zwar gesplittet, doch bei Südamerika als einem der Schauplätze ist es geblieben, weil es dort noch Urwald gibt und verschwitzte Menschen in heruntergekommenen Käffern; schäbige Busse, die man leichten Herzens in Abgründe manövrieren kann, und überall Nazi-Nester. Doch auch der bundesdeutsche Geheimdienst ist hinter den Helden her - und nicht viel besser als die Nazis (hier chargiert unter anderen Heiner Lauterbach), genau wie die CIA, auf der in amerikanischen Filmen immer so lustvoll herumgetrampelt wird; daß es sich bei den Brutalos in Wahrheit um ehemalige KGB-Agenten handelt, beruhigt dann doch ein wenig.
Hardy Martins ist auch im wirklichen Leben ein ehemaliger Stuntman und leistet sich in seinem Debüt die Personalunion aus Hauptdarsteller, Regisseur, Produzent, Ideenlieferant und Stuntman. Nach zahllosen Auftritten, in denen er seine halsbrecherischen Fähigkeiten auf allen nur erdenklichen Fortbewegungsmitteln unter Beweis stellen darf, nach Sachschäden, die in die Millionen gehen, stellt man sich die Frage nach dem Sinn des selbstzweckhaften Spektakels - bis einem die Erleuchtung dämmert: Parodie! Wie anders ist es zu erklären, daß der Regisseur einen "Timex"-Werbespot zitiert, der rund zwanzig Jahre alt ist; daß am Ende der leibhaftige Hitler - oder was von ihm übrig geblieben ist - samt Eva Braun einen lustigen Auftritt hat; daß die melodramatischen Verwicklungen so tränenreich sind, daß die Handlung ständig darauf ausrutscht? Hardy Martins hat, so scheint es, das Handwerk des dramaturgischen Entwurfs anhand von Groschenheften und billigen Comics gelernt. Aus beiden kann man durchaus etwas lernen. Doch der Nachwuchs-Regisseur begnügt sich auf allen Ebenen mit der Holzhammer-Variante, die während der Sneak-Preview an allen möglichen und unmöglichen Stellen zu herzhaftem Gelächter führte. (Oliver Rahayel, film-dienst)

Ein gewissen- und namenloser Oberst (Heiner Lauterbach) des Militärischen Abschirmdienstes ist mit seinen Handlangern Bull (Andreas Hoppe) und Pierre (Robert Viktor Minich) auf der Suche dem legendären Bernsteinzimmer. Jüngstes Ziel des Trios ist die Kunsthistorikerin Christin (Regula Grauwiller) - sie hat in Venezuela den Schlüssel zum Versteck des Zimmers erbeutet und kann den Häschern nur durch einen waghalsigen Fallschirmabsprung entkommen.
Christin landet in den Armen des Schwarzwälder Zapfenpflückers Vincent (Hardy Martins), der nun ebenfalls ins Visier der rücksichtslosen Verfolger gerät. Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer nimmt ihren Lauf...
Haben Kinobesucher Anspruch auf Schmerzensgeld? Wer "Cascadeur" gesehen hat, wird diese Frage künftig bejahen. Die berechtigten Schadenersatzansprüche richten sich vor allem gegen den in seinen Zusatzfunktionen als Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller völlig überforderten Stuntman Hardy Martins. Dessen 106 Minuten langer, von gnadenloser Provinzialität geprägter "Indiana Jones"-Verschnitt präsentiert sämtliche Akteure auf dem Niveau eines schlecht besetzten Laientheaters und bringt sogar einen Heiner Lauterbach dazu, geballten Unsinn abzusondern.
Nur sehr wohlwollende Zeitgenossen dürften die unfreiwillige Komik der an den Haaren herbeigezogenen Story mit Ironie verwechseln. Aber auch nach einer Persiflage à la Mel Brooks ("Spaceballs") oder Leslie Nielsen ("Die nackte Kanone") sucht man hier vergeblich. Was bleibt, sind zahlreiche überflüssige Action-Einlagen, die bisweilen an die inhaltsleeren Stunt-Shows von Freizeitparks erinnern.
"Der Film soll einfach nur Spaß machen", versuchte Hardy Martins auf dem Münchner Filmfest die Funktion des sinnlosen Cinemascope-Spektakels zu erklären - und meinte damit wohl sein persönliches Vergnügen am Quälen des Publikums.
Fazit: Peinliches Stunt-Spektakel für hartgesottene Masochisten (FOCUS Online)

Deutsche können gut springen
In Amerika gibt's Action, in Europa Kunst. So lief es zumindest bisher. Aber nun haben die Deutschen ihr Pendant zu Spielberg bzw. Indiana Jones. Sein Name ist Hardy Martins und er ist Regisseur, Produzent, Stuntkoordinator und Hauptdarsteller dieser Actionkomödie. Statt nach dem heiligen Gral wird nach dem sagenhaften Bernsteinzimmer gesucht.
Auf die aus der "Jones"-Trilogie bekannte Weise mit Orakeln und der unvermeidlichen Landkarte, die als Muster in den Boden eingelassen ist. An Martins Seite kämpft eine couragierte, schöne Forscherin, die ihn offensichtlich ohne Probleme intellektuell in die Tasche steckt. Die böse Seite wird von Heiner Lauterbach repräsentiert, der ein paar garstige Gesellen als Handlanger beschäftigt.
Und weil Martins gelernter Stuntman ist, kämpft man zu Wasser, zu Lande und in der Luft und verfolgt sich mit Autos, Flugzeugen und Go-Karts. Der Unterschied zu besagtem Indiana Jones ist, daß "Cascadeur", der ironisch sein soll, die Ironie meist fehlt und die Bösen nur Maßanzuträger, sonst aber farblos sind. Das Presseheft fragt: "Wer sagt, Deutsche könnten nicht springen?" - Eh keiner, liebes Presseheft. Wir fragen nur, ob ein Actionfilm made in Germany unbedingt wie der kleine Zwilling des großen amerikanischen Bruders ausschauen muß, der zwar gut hoch springen kann, sonst aber ein Langweiler bleibt. (Heike Obermeier, KURIER)
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