USA 1997. 94 Min
Regie: Robert Benton,
Buch: Robert Benton, Richard Russo,
Musik: Elmer Bernstein,
Kamera: Piotr Sobocinski,
Schnitt: Carol Littleton,
Darsteller: Paul Newman (Harry Ross), Susan Sarandon (Catherine Ames), Gene Hackman (Jack Ames), Stockard Channing (Verna), Reese Witherspoon (Mel Ames), James Garner (Raymond Hope)
Kinostart: 7/8/1998
Harry Ross (Paul Newman), ein ehemaliger Polizist, Privatdetektiv und Alkoholiker, lebt gemeinsam mit einem befreundeten Paar. Durch Gelegenheitsdienste verdient er sich freie Kost und Logis bei Jack (Gene Hackman) und Catherine Ames (Susan Sarandon). Die Spannung steigt, als der krebskranke Jack Harry bittet, für ihn einen Briefumschlag zu übergeben. Doch anstatt der entgegennehmenden Person erwartet ihn ein Schnüffler mit einem Kugelhagel. Auf der Suche nach der Ursache fahndet er auch in der Vergangenheit von Catherine und Jack. Catherines erster Mann hatte angeblich einen Selbstmord begangen, dem er auf die Spur geht.
Drei Oscarpreisträger in den Hauptrollen, alle nicht mehr die jüngsten, jedoch mit brilliantem schauspielerischen Können. Der Film lebt von den Akteuren und ihrem emotionalen Beziehungsgeflecht, das auch die Frage nach dem Ende und Sinn des Lebens gekonnt thematisiert. Ein spannendes Drehbuch, schön fotografierte Örtlichkeiten und die Leistung der Akteure ergeben einen durchweg sehenswerten Film. (film.de)
Eine einem klassischen Detektivroman nachempfundene Story: Alternder Ex-Cop will todkrankem Freund einen Gefallen tun und gerät in eine schon 20 Jahre schwelende Mordgeschichte. Langsam und sensationsfern inszeniert, liegt das Schwergewicht auf der Porträtierung verebbender Männlichkeit. Ein Film, der hauptsächlich von der augenzwinkernden Melancholie der Darsteller profitiert.
Während Filmemacher wie Quentin Tarantino ("Pulp Fiction", fd 31 041, "Jackie Brown", fd 33 091) und Curtis Hanson ("L.A. Confidential", fd 32 868) ihre "film noir"-Faszination in eine eigene Sprache und Form umsetzen, zeigen sich neuerdings ältere Regisseure im Umgang mit den Vorbildern des klassischen Genres auf eigenartige Weise behindert. Volker Schlöndorff liefert mit "Palmetto" (fd 33 067) eine ebenso banale wie unindividuelle Version ab, der auch die Schauspieler nicht auf die Beine zu helfen vermögen; und Robert Benton läßt sich mit "Im Zwielicht" auf eine geriatrische Variante ein, der allerdings die Schauspieler zu beträchtlichem Eigenleben verhelfen. Benton ("Kramer gegen Kramer", fd 22 387; "Nobody's Fool", fd 31 618) ist 65, seine männlichen Darsteller sind 73 (Paul Newman), 69 (James Garner), 67 (Gene Hackman), und Susan Sarandon hat immerhin schon die 50 überschritten. Keine Sache für junge Leute.
Die Story spielt im Los Angeles unserer Tage, klingt aber in jedem Satz nach Sam Spade. Es geht um einen Ex-Cop und Ex-Privatdetektiv (Newman), der umsonst im Haus eines Schauspielerehepaares lebt, das nach einem mysteriösen Todesfall vor 20 Jahren zusammengefunden hat. Sein generöser, aber todkranker Freund gibt ihm einen scheinbar harmlosen Auftrag, der den Ex-Cop in Mord und Intrigen hineinschlittern läßt, mit denen er eigentlich auf seine alten Tage nichts mehr zu tun haben will. Seine Zuneigung zu der Frau des Freundes verschlimmert die schwierige Situation. Daraus entsteht eine seltsame Mischung aus "klassischem" Detektivfilm und beschaulicher Betrachtung verebbender Männlichkeit. Benton läßt auch diese Geschichte so langsam und (trotz mehrerer Leichen) sensationslos ablaufen wie seinen Kleinstadtfilm "Nobody's Fool". Das Problem ist aber, daß "Nobody's Fool" diese Bedächtigkeit vertrug. Sie gereichte dem Film sogar zum Vorteil, während sie sich hier mehr wie mißverstandene Lakonik ausnimmt.
Doch es hieße, die Rechnung ohne die Darsteller zu machen und ohne Benton, den exquisiten Schauspielerregisseur, wollte man den Film nach diesem Befund einfach abschreiben. Sie alle nämlich vermögen eine Aura des Abschieds und der permanenten Todesahnung zu kreieren, die ihm einiges Gewicht verleiht. Dabei geht es keineswegs todtraurig zu, sondern die Atmosphäre knistert (zumindest im Original) von Ironie und Doppeldeutigkeit. Es sind die augenzwinkernde Melancholie der Darsteller und die permanent unterspielten Emotionen, die den stilistisch unoriginellen Film über die Hürden bringen. Es kann ziemlich langweilig und abstoßen sein, alten Männern auf der Leinwand zusehen zu müssen; hier illuminieren sie ein scheintotes Gerippe und lassen Bentons Dialoge wie schillernde Perlen erscheinen. Wer sich an Robert Bentons Film "The Late Show" ("Die Katze kennt den Mörder", fd 20 499) erinnert, wird viele Elemente des vor zwei Jahrzehnten entstandenen Films auch hier wiedererkennen. Bentons Abneigung gegen heroischen Gesten, seine Stichworte für versteckte Ironie, aber auch ein Unterton konventioneller Sentimentalität - sie alle finden sich in "Im Zwielicht" wieder. Die interessanteste Rolle , die der sich langsam als "femme fatale" entpuppenden Schauspielerin Susan Sarandon, ist leider vom Drehbuch zu wenig ausgeführt, um ihr genug Anlaß zu vollen Entfaltung ihres Talents zu geben. (Franz Everschor, film-dienst)
Nur das Echo, nur der Schatten einer großen Geschichte. "Im Zwielicht" , Robert Bentons jüngste Arbeit, zeigt sich von der Müdigkeit großer alter Männer fasziniert: ein seltsam uneinheitlicher Kriminalfilm nach klassischem Rezept, ein später Star-Noir mit Paul Newman, Gene Hackman und James Garner.
Die erste Regieanweisung steht schon im Titel. Twilight ordnet Zwielicht an, recht brüsk, wie es scheint, denn ohne seine penibel eingerichteten Licht-Schatten-Oberflächen ist der Film Noir bekanntlich nicht denkbar. Und ohne den Film Noir ist wieder Twilight - deutscher Verleihtitel: Im Zwielicht - nicht vorstellbar. Twilight ist eine Detektivgeschichte, eine labyrinthische Recherche, die einen ergrauten Ex-Cop und Ex-private-eye (Paul Newman) in ein paar der schäbigeren Distrikte seiner Stadt, die man Los Angeles nennt, führt.
Ein simpler Botengang für seinen reichen Chef (Gene Hackman) konfrontiert Newman mit einem Sterbenden, dessen Geheimnisse in die Vergangenheit zurück verweisen: in eine kriminelle Vergangenheit, an der Hackman und seine Frau (Susan Sarandon), prominent in Hollywood, offenbar Teil hatten. Dabei bleibt alles Stückwerk, nicht nur der Fall, den Newman mühevoll zusammenzusetzen sucht, sondern auch die Geschmacksverstärker, die Benton zum Krimi serviert: Newmans Affäre mit Sarandon bleibt in dieser Geschichte so verzichtbar wie all die cleveren Sprüche, die die Helden einander hier um die Ohren schlagen. In Twilight brennen die Passionen nicht, sie schwelen nur noch vor sich hin.
Die Schauplätze und Newmans Ich-Erzählung aus dem Off sind stilecht, die Namen der Figuren und selbst die Stationen der Intrige in Twilight ebenfalls; auch das aufbrausende Orchester Elmer Bernsteins paßt zu den historischen Modellen. Was hier nicht stimmt, ist einerseits die Ironie, mit der Regisseur Robert Benton manche Szenen vorsichtshalber imprägniert, andererseits der Mangel an Phantasie im Umgang mit standardisierten Kinomaterialien: Im Zwielicht spielt sich, genre-hörig und erstaunlich konservativ, selbst an die Wand.
Benton ist ein Mythologe des Genrefilms, immer schon, einer, der (nicht ohne Nostalgie) die Filmgeschichte abschreitet, stets auf der Suche nach geeigneten Geschichten: seit seinem Drehbuch zu Arthur Penns Bonnie & Clyde (1966) und jenem zu Bogdanovichs Screwball-Paraphrase What's Up, Doc? (1972), wenig später aber auch in eigenen Inszenierungen: in dem revisionistischen Western Bad Company (1972), in der Noir-Erzählung The Late Show (1977) und selbst noch in Nobody's Fool (1995), wo Benton eine melancholische US-Kleinstadtgeschichte mit der Trauer über das Älterwerden verband.
Im Nebel der Mythologie: Jede Spur führt in Twilight immer nur zur nächsten, die die Dinge dann aber wieder nicht klärt, sondern, wenigstens vorläufig, noch unklarer macht. So weit folgt Benton den großen Vorbildern, von The Maltese Falcon bis zu The Big Sleep. Weniger Geschick beweist er mit den narrativen Verdoppelungen, die seine Story immer wieder stocken lassen, mit den Tautologien, die in der Parallelführung von (visueller) Erzählung und (verbaler) Nacherzählung liegen.
In Hollywood sind Filme wie Twilight keine Seltenheit, alle paar Jahre entstehen an den Rändern der Bilderfabrik Arbeiten wie diese. Jack Nicholsons hochkomplexe Noir-Studie The Two Jakes oder zuletzt Bob Rafelsons Blood and Wine ähneln Bentons Film, weil auch sie Erinnerungsarbeit leisten, weil auch sie Stilübungen sind, die gern viel mehr als das wären, letztlich aber am kulturellen Desinteresse scheitern. Ende der neunziger Jahre, umgeben von Armageddon, Lost in Space und Saving Private Ryan , hängt Twilight seltsam in der Luft: alleingelassen von Publikum und Industrie. Etwas anderes als eine Coda, ein fernes Echo zur Geschichte der Schwarzen Serie kann man in Bentons Film nicht erkennen.
In Twilight kommen Bilder zusammen, die nicht unbedingt zueinander gehören: die Lichtspiele im blauen Wasser eines Swimming-Pools, wie in den Gemälden David Hockneys; der blutige Tod des großen M. Emmet Walsh, den man hier offensichtlich nur zum Wanken und zum Sterben, ohne eine einzige Dialogzeile, engagiert hat; schließlich das allzu routinierte Spiel seiner Stars, faszinierend in seiner Gelassenheit, bisweilen aber auch enervierend in dieser Nichts-mehr-zu-verlieren-Attitüde vor allem Hackmans und Newmans, denen inzwischen alles, das Sublime wie das Lächerliche, ununterscheidbar gerät.
Auch daran mag es liegen, daß man manchmal glaubt, mit Twilight an eine Noir-Satire eher geraten zu sein als an einen seriösen Krimi: Wenn Paul Newman am Schießstand eines Jahrmarkts sich hier zwischendurch die Zeit nur noch mit der Wasserpistole vertreiben darf, dann ist es vermutlich tatsächlich höchste Zeit für ihn, den Hut zu nehmen. Selbstironie steht den integren super heroes des alten Hollywood wirklich nicht. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 8/8/1998)
(...) Der Suspense des schön fotografierten Film noir mit ausgesucht eleganten Locations wird nicht so sehr vom Krimi-Element, sondern den emotionalen Spannungen zwischen den Hauptdarstellern erzeugt. Diese Gefühle sind sexueller, freundschaftlicher, rivalisierender und auch finanzieller Natur. Die Dialoge sprühen vor lakonischem Wortwitz alter Schule, ebenso wie Regisseur Benton bei seiner bedächtigen Inszenierung Wert auf ausgereifte Produktionswerte legt. Das Ergebnis ist ein Film wie ein sorgfältig restaurierter Oldtimer, der zwar keinen schnellen Thrill bietet, dafür aber stilvoll-nostalgisch mit einem Hauch Wehmut zu begeistern versteht. (Blickpunkt: Film, 13/98)
Die meisten Thriller leben von der Spannung. Dieser holt seine Strahlkraft aus seiner wunderbar dichten Atmosphäre: Ein moderner Krimi im Stil der klassischen schwarzen Serie, der fein durchwirkt ist von einem Hauch Melancholie. Die Szene: Hollywood. Ein alterndes Schauspieler-Paar. Zwei Stars, denen unübersehbar die Silbe Ex- anhaftet. Der Ruhm liegt verborgen unter dicker Patina. Catherine (Susan Sarandon) und Jack (Gene Hackman) lassen ihre Erinnerungen an bessere Zeiten kreisen. Zugleich umkreisen sie einen dritten Mann.
Der Privatdetektiv Harry Ross (Paul Newman) ist für Catherine ein Flirt-Objekt, für Jack ein Vertrauter und für beide gelegentlich ein nützlicher Gehilfe. Zum Beispiel dann, wenn er mysteriöse Briefe überbringen soll. Bei einem seiner Botengänge findet er den Adressaten am Boden. In einer Blutlache. Erschossen. Harry Ross gerät selbst in einen Kugelhagel und dann unter Mordverdacht. Nichts ist mehr, wie es war. Beim Versuch, seinen Kopf zu retten, stößt der Detektiv auf einen Kriminalfall, der so weit zurückliegt wie die Glanzzeit seiner Auftraggeber.
Es geht um einen Selbstmord, der auch getarnter Mord gewesen sein könnte. Erpressung liegt in der Luft. Harry öffnet die Türen zur Vergangenheit. Der Krimi ist gut, doch was den Film unwiderstehlich macht, das ist sein eleganter Stil und, vor allem, die Klasse der Schauspieler. Susan Sarandon gibt eine hocherotische Lady, die hinter einer freundlichen Fassade dunkle Geheimnisse verbirgt. Gene Hackman ist der harte Bursche mit Vorliebe für harte Drinks, der vor dem (Krebs-) Tod zittert.
Hinreißend: Paul Newman. Er verbindet Altersweisheit mit jugendlicher Frische; ein Detektiv, der besseres zu tun haben sollte als sich den Kopf blutig zu schlagen - und der doch nicht anders kann, als seinem Jagdinstinkt zu folgen. (Gunther Baumann, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb, offizielle Site: Paramount
USA 1996. 86 Min
Regie: Nicole Holofcener,
Buch: Nicole Holofcener,
Musik: Billy Bragg,
Kamera: Michael Spiller,
Schnitt: Alisa Lepselter,
Darsteller: Catherine Keener (Amelia), Anne Heche (Laura), Liev Schreiber (Andrew), Todd Field (Frank), Kevin Corrigan (Bill), Randall Batinkoff (Peter), Brenda Thomas Denmark (Tierärztin), Amy Braverman (Amelia jung), Miranda Stuart Rhyne (Laura jung), Joseph Siravo, Rafael Alvarez, Ritamarie Kelly, Steve Cohen, Jordan Levinson, Heather Gottleib, Lynn Cohen, Lawrence Holofcener, Nitza Wilon, Allison Janney
Kinostart: 7/8/1998
Die lebenslange Freundschaft zweier 30jähriger Frauen wird auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, als eine von ihnen zu heiraten beschließt, während die andere völlig ohne Pläne in den Tag hineinlebt. Eine melancholische Beziehungskomödie, die dem Genre zwar keine neuen Dimensionen eröffnet, jedoch in einigen Nebenhandlungen anrührt und das Thema des Films zu fokussieren versteht. (Zoom, 3/97)
(...) Zwei Frauen in der Schwebe, zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsaussichten: Und weil sie nicht mehr ganz jung sind, kommt die Liebe hier nicht als alles verzehrender "amour fou", sondern eher als zärtliches Arrangement daher. Das heißt eben auch, daß ein Mann beim Rendezvous nicht von Gefühlswallungen, sondern von einem Kreativitätsschub befallen wird und seine Begleitung kurzerhand aus der Wohnung komplimentiert, um schreiben zu können. Selbst der Heiratsantrag von Lauras Freund Frank kann kein Erdbeben auslösen.
So entwickeln die Geschichten, die nicht von schrillen Effekten vorangetrieben und nicht auf dramatische Ereignisse zugespitzt sind, auf ganz selbstverständliche Weise eine beschwingte Leichtigkeit und einen zauberhaften Charme, eine feine Spannung zwischen Authentizität und Absurdität. (Anke Sterneborg, SZ, 31/1/97)
Einer dieser frischen, animierend erzählten US-Independentfilme; mit Charme, Witz und Eleganz geschrieben und inszeniert von Nicole Holofcener. Amelia und Laura sind Freundinnen in einer gemeinsamen Wohnung - und als gute Amerikanerinnen von Psychiatern abhängig und emotional verunsichert. Die Journalistin Amelia kann sich nicht entscheiden zwischen einem Fan von Pornovideos und Telefonsex und einem häßlichen Videothekar mit Horror-Vorlieben. Frust bescheren beide. Die Therapeutin Laura hat ihre liebe Not mit ihren Patienten und ihrem eigenwilligen Verlobten Frank.
Spazierengehen und Reden hilft in der emotionalen Bedrängnis, die Nicole Holofcener temperamentvoll und mit schlagfertigem Dialog-Humor anreichert. Die Lebendigkeit ihres ersten langen Spielfilms, der krude Realismus zwischen Ironie und Melodramatik ergeben eine schnurrige Ballade von bizarren Beziehungen. (Frauke Hanck, 26/6/97)
Amelia und Laura, seit Ewigkeiten befreundet und seit kurzem auch eine Wohnung teilend, steuern auf schwierige Zeiten zu. Amelia, eine Kleinanzeigen-Redakteurin, teilt am Anfang ihrem Psychiater mit, sie werde ihre Behandlung in vier Wochen beenden. Aber schon nach einer Woche hat sie ihre Meinung geändert, und das nicht zum letzten Mal... Laura, ihrerseits Therapeutin, schlägt sich mit ihren Patienten herum und steht kurz davor, den süßesten jungen Mann der Welt zu heiraten - der allerdings von etwas eigenartigen Obsessionen angetrieben wird. Amelia steht zwischen zwei Männern: der eine - ihr Ex-Freund - ist süchtig nach Pornovideos und Telefonsex, der andere - "der häßliche Typ aus der Videothek" - steht auf Horror- und Splatterfilme. Was für eine Entscheidung...
"Man spürt, wieviel Spaß das Team während der Produktion hatte. Die Dialoge sind selbstverständlich, geistreich und zärtlich und passen wunderbar zu den Figuren. Sowohl die urbanen als auch die attraktiven ländlichen Schauplätze verströmen eine behagliche Atmosphäre, und man hat das Gefühl, daß diese Charaktere dort wirklich zu Hause sind" (Andrea Alsberg, Sundance Film Festival / Katalog Filmfest München 1996)
Von Liebeskummer und krebskranken Katzen. "Walking & Talking": Eine neue US-Independent-Komödie nimmt sich feinfühlig der Liebe im Zeitalter der Neurosen an.
Sie sind ja wirklich banal, diese kleinen Probleme, die einem alle Daseinsfreude versauen können: das Pinkelgeräusch des Partners, das einem langsam, aber stetig die Nerven raubt; ein Freund, der sein Zutrauen durch Auftischen seiner Telefonsex-Erlebnisse vermittelt; ein falsches Wort hier, eine vieldeutige Geste dort. Damit sie einen nicht gleich in existentielle Krisen stürzen, diese kleinen Probleme, besucht der Durchschnitts-Wohlstandsbürger einen Psychotherapeuten, redet sich die Seele aus dem Bauch und ist mit seiner Unzufriedenheit wieder ein wenig zufriedener.
In ihrer erfrischend unprätentiösen Filmerzählung wirft Nicole Holofcener, Autorin und Regisseurin von Walking & Talking, einen humorvoll entlarvenden Blick auf eine Handvoll liebenswerter Alltagsneurotiker und jene kaum kalkulierbaren Mechanismen, die für die sprichwörtliche Verwandlung der Maus in einen Elefanten verantwortlich sind.
Am schlimmsten ergeht es in Holofceners Story Amelia (Catherine Keener), einer jungen New Yorkerin, der, ausgerechnet nachdem sie sich von ihrer Psychotherapie hat beurlauben lassen, der Himmel auf den Kopf zu fallen scheint: Ihre Katze hat Krebs (und begeht später durch einen Fenstersprung sogar Selbstmord); ihre beste Freundin Laura (Anne Heche) droht sich durch eine Heirat gewissermaßen aus dem (freundschaftlichen) Verkehr zu ziehen; ihr Liebesleben ist am Verkümmern - und als sie sich nach einer stürmischen Nacht mit einem eher scheuen Video-Verkäufer endlich wieder einmal so richtig gut fühlt, muß sie ernüchtert zu Kenntnis nehmen, daß der Typ nichts mehr von ihr wissen will.
Bei Laura hingegen scheinen die Dinge allesamt im Lot zu sein. Sie ist glücklich verlobt, hat keine siechen Haustiere - und einen Beruf, bei dem sie auf der anderen Seite der Couch sitzt. Seltsam nur, daß sie während ihrer Therapiesitzungen von sexuellen Phantasien überfallen wird - und daß ihr beim Sex mit dem Gatten in spe jegliche Phantasie abhanden kommt. Mit erstaunlichem Fingerspitzengefühl inszeniert Holofcener diese tragikomischen Momente, die das alltägliche Wohlbefinden ihrer Helden stören - und auf perfide Weise deren Selbstbewußtsein aushebeln. So harmonisch kann ein Gespräch unter Freunden gar nicht sein, daß eine Behaglichkeit sich nicht augenblicklich in eine Panne verwandeln könnte.
Holofcener hält souverän dem Drang stand, der Situationskomödie allzu großen Tribut zu zollen. So gibt es in Walking & Talking eine Fülle von feinen kleinen Momenten, in denen eben nur spaziert und geredet wird - Momente, in denen Blick und Gehör dem Ziel- und Belanglosen gewidmet sind, in denen einfach nur mit der Chemie zwischen Freunden laboriert wird.
In der ersten Szene von Walking & Talking fährt die Kamera über die Körper zweier bäuchlings auf einem Bett liegender Mädchen, die sich, über eine Zeitschrift gebeugt, in pubertärem Gehabe über das Aussehen von Männern unterhalten: eine einleitende Rückblende in die Jugend Amelias und Lauras, gefolgt von Momentaufnahmen aus deren gegenwärtigem Alltag.
Bereits hier unterläuft die Inszenierung das Diktat des stringenten Erzählverlaufs, um sich wie beiläufig dem drollig Banalen zu widmen oder sich (in bezaubernd schlanken Bildkompositionen) kleine poetische Statements zum Thema Freundschaft zu erlauben. Schließlich beschert Walking & Talking sogar noch ein Happy-End: Das Glück sei ihnen gegönnt, den beiden, für deren herkömmliche Macken hier so humor- und liebevoll um Verständnis geworben wurde. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 8/8/1998)
Der Neue ist buchstäblich zum Zwergenwerfen
Das Single-Dasein hat fraglos seine Vorteile. Man hat z. B. die Oberhoheit über die Fernbedienung, kann am Klo die Tür immer offen lassen usw. Ist doch okay! Leider sieht Amelia (Catherine Keener) immer nur die Nachteile, die sich daraus ergeben. Und das, obwohl sich der Ex-Freund dauernd Geld für Pornos und Telefonsex von ihr borgt und ihr neuester Rendezvous-Partner auf Horrorfilme steht und mit ihr zum Zwergenwerfen gehen möchte.
Als ihr auch noch die beste Freundin (Anne Heche) eröffnet, daß sie heiraten wird, gerät Amelia sogar in Panik. Dabei ist diese Laura gar nicht so glücklich; sieht plötzlich tausend Gründe, ihren Frank doch nicht zu heiraten. Die Geräusche, die er auf der Toilette macht beispielsweise. Oder daß er Kellnerinnen immer so vertraulich beim Vornamen anredet. Oder sein garstiges Muttermal, das ihr vorher noch nie aufgefallen war. Soll sie wirklich für so einen ihre Freiheit aufgeben?
So sieht und beschreibt Regisseuse Nicole Holofcener das Leben und die Sorgen zweier allerbester Freundinnen. Die haben bisher alles geteilt. Und nun, da sie auf die 30 zugehen, stehen sie vor dem Problem, neue, eigene Wege gehen zu müssen. Holofcener, die auch das Drehbuch schrieb, mischt auf angenehme Weise Tragik und augenzwinkernden Humor und zeigt, daß auch in den farbig-skurrilsten Situationen eine Art schwarzes Kichern stecken kann. Und daß sogar Heiraten und Dreißigwerden kein Weltuntergang sein muß. (Rudi "Witzig" John? Falsch! Heike Obermeier, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
USA 1998. 121 Min
Regie: Rob Bowman,
Buch: Chris Carter, Frank Spotnitz,
Musik: Mark Snow,
Kamera: Ward Russell,
Schnitt: Stephen Mark,
Darsteller: David Duchovny (Agent Fox Mulder), Gillian Anderson (Agentin Dana Scully), John Neville (The Well-Manicured Man), William B. Davis (The Cigarette-Smoking Man), Martin Landau (Kurtzweil), Armin Mueller-Stahl (Strughold)
Kinostart: 7/8/1998
Programmierte Erfolge und auszurechnende Resultate sind in Hollywood - und längst auch in Off-Hollywood - aus naheliegenden Gründen sehr beliebt, so sehr, daß neben den vorgestanzten Normprodukten kein Platz mehr bleibt. Die Kinoneuigkeiten dieser Woche untermauern dies mühelos: Auf die Leinwand hat zu kommen, was schon gegessen ist, denn nur, was vorher schon populär war, hat nachher, im Kino, auch eine Chance auf finanzielle Einträglichkeit.
Akte X: Der Film operiert diesbezüglich, siehe auch den Kulturteil dieses Blattes, am offensichtlichsten: Die fashionable Fernsehserie, fürs Kino mit ein paar neuen Bombendrohungen und Alien-Effekten mobil gemacht, bietet auf der Leinwand exakt das, was sie immer schon auch im Fernsehen geboten hat - paranormale Horror-Harmlosigkeiten und das lückenlose Understatement seiner Stars David Duchovny und Gillian Anderson. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 6/8/1998)
Ein kleiner Junge fällt in eine Höhle, in der bereits im Jahre 35.000 v. Chr. Außerirdische zu Besuch waren. Daraufhin wird er von einem Virus befallen, der dafür sorgt, daß seine Augen mit einem schwarzen Öl überzogen werden. Eine Aufgabe für die bestens bekannten FBI-Agenten Scully (Gillian Anderson) und Mulder (David Duchovny). Während der verzwickten Suche knistert es auch zwischen den beiden.
Aufregende Special Effects, eine erweiterte Handlung und gute Dialoge sorgen dafür, daß es sich gelohnt hat, aus der Serie einen Kinofilm werden zu lassen. Dabei gelingt ein sorgfältiger Mittelweg, der sowohl für eingefleischte Fans als auch für absolut Ahnungslose spannende Unterhaltung mit reichlich außerirdischem Kontakt sorgt. (film.de)
Zwei FBI-Agenten kommen einer Infiltration der Erde durch eine außerirdische Lebensform auf die Spur. Auf Kinodimensionen aufgeblähtes Serienabenteuer, das die wesentlichen Kennzeichen der Fernsehepisoden bewahrt. Trotz zahlreicher kostspieliger Effekte steht auch hier die mysteriös-unheimliche Atmosphäre im Vordergrund. Viele Handlungsdetails nutzen jedoch prädisponierte Angstkomplexe des (amerikanischen) Publikums als Mittel zur Spannungssteigerung aus.
Es herrscht Weltuntergangsstimmung im sommerlichen Kinoangebot. Immerhin nähern wir uns dem Ende eines Jahrtausends, was natürlich Grund genug ist, um Astrologen und Filmemacher an die Prophezeiungen der Bibel oder des Nostradamus zu erinnern. Während in "Deep Impact" (fd 33 137) und "Armageddon" (33 238) der drohende Weltuntergang als kosmisches Zufallsprodukt zelebriert wird, verläßt sich das Spielfilmdebut der erfolgreichen TV-Serie "The X-Files" auf subtilere Motive zur Eliminierung der menschlichen Rasse. Der Erfinder der Serie, Chris Carter, hat noch einmal persönlich in die Tastatur gegriffen und das apokalyptische Szenario um außerirdische Invasoren, todbringende Viren, ein konspiratives Syndikat und politische Vertuschungsoperationen angereichert. Im kurzatmigen Format der Fernsehserie werden die diversen Anspielungen auf paranormale Vorkommnisse, ja sogar auf Body Snatcher und Leichenfledderer stets in rasch von Werbung zugedeckten Andeutungen belassen. Die spannendste Frage für den Serien-Fan dürfte deshalb sein, ob der großdimensionierte Film diese Eigenschaft durch seinen Hang zu erzählerischer Ausführlichkeit, scheinbar unumgänglichem Motivationsbedarf und Mode gewordener Gigantomanie der Effekte zerstören würde.
Zur Beruhigung der Millionen Fans, auf deren Geldbörsen Rupert Murdochs vielgestaltiger Vermarktungskonzern unverhohlen spekuliert, darf gesagt werden, daß der Kinofilm diesen Anfechtungen erstaunlich geschickt entsagt. Solches zu konstatieren, bedeutet Lob und Kritik zugleich; denn der Film bewahrt sich die mosaikhafte, nebulöse Atmosphäre nicht zuletzt durch die Beibehaltung des minimalistischen Konzepts, Figuren nicht mit Hintergründen auszustatten und Ereignisse nicht näher zu erklären. Wer deshalb während des Nachspanns etwa über die Logik des Ganzen nachzudenken beginnt, verdirbt sich den Spaß, den er zuvor an der kalkuliert überkonstruierten Handlung und an der absichtsvollen Ortung labiler Bruchstellen in der Psyche des (amerikanischen) Publikums gehabt haben mag. Ähnlich sieht es mit den Figuren aus. Wer befürchtet, FBI-Agent Mulder und seine Partnerin Scully könnten genötigt sein, ihre stereotype und gerade deshalb charakteristische Aktionsweise aufzugeben, kann ebenfalls beruhigt sein. Eine Erweiterung ihres Horizonts wird auch auf Breitwand nicht gestattet; und als sich Mulder dazu hinreißen läßt, seine Partnerin küssen zu wollen, da wird Scully rechtzeitig von einer mit lähmendem Gift infizierten Biene gestochen. Auch die Handlung des Films fällt nirgends aus dem gewohnten Rahmen, es sei denn durch die technisch kostspielige Gestaltung. Das Movie "The X-Files" soll ja schließlich nicht der Serie das Wasser abgraben: deren Produktionsteam ist gerade von Vancouver ins teuere Los Angels übergesiedelt und hat sich gewiß noch viele einträgliche Jahre für den Fernsehhit vorgenommen. Es wird deshalb im Kino kaum etwas verraten, was die Serien-Fans nicht längst gewußt oder vermutet hätten. Daß außerirdische Wesen daran arbeiten, die Erde unter ihre Gewalt zu bringen, ist schließlich keineswegs neu. Es wird diesmal nur in größeren Ort- und Zeiteinheiten gedacht: Von der letzten Eiszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und vom nördlichen Texas bis zu der in Kälte erstarrten Antarktis spannen sich die Handlungsorte. Daß im Hintergrund ein geheimnisvolles Syndikat Handlangerdienste leistet, ist ein Motiv, das ebenfalls in der Serie immer wieder anklingt, diesmal nur durch namhaftere Darsteller (bis hin zu Armin Mueller-Stahl) größeres Gewicht erhält. Und daß die amerikanische Regierung mehr weiß, als offizielle Stellen zugeben, hat auch in vielen Fernseh-Episoden bereits eine tragende Rolle gespielt, wobei im Kinofilm allerdings eine in der amerikanischen Öffentlichkeit sonst eher als hilfreich bekannte Organisation (die z. B. bei Naturkatastrophen in Erscheinung tretende FEMA) zum Buhmann umfunktioniert wird. Zwischen diesen Polen geraten Mulder & Scully von einem Hinterhalt in den anderen, oft genug, weil sie an der Nase herumgeführt werden, oft genug aber auch, weil ihre Witterung sie untrüglich auf die stets heißeste Fährte setzt.
Überhaupt spielen Temperaturen eine große Rolle in "The X-Files", denn nur extreme Kälte konserviert menschliche Körper lange genug, um sie zur rechten Zeit in willfährige Kreaturen zu verwandeln. Auf ihrem dornigen Weg hinter dieses Geheimnis müssen natürlich auch Mulder & Scully der Unbill extremer Witterung trotzen, ob es nun die texanische Hitze oder der ewige Frost des Antarktis ist. Die Filmcrew scheint von all dem unbehelligt geblieben zu sein; denn sie hat ausgeklügelte Szenerien und Perspektiven auf die Leinwand gebannt, unter denen ein gewaltiger Hangar voller (angeblich virusinfizierten) Bienen der optisch eindrucksvollste ist. Inszeniert hat auch die Kino-Edition einer der Fernsehspezialisten, Rob Bowman. Ihm darf bestätigt werden, daß er sich der ungewohnten Aufgabe mit Ehrgeiz entledigt hat: Er läßt die Story bedeutender erscheinen, als Autor Chris Carter sie wohl selbst verstanden hat. Was unterm Strich diesen (ersten) Ausflug der "X-Files"-Serie in die Kinokonkurrenz interessant macht, ist die geballte Spekulation mit rational nicht mehr zu relativierenden Panik-Situationen, die im Kopf amerikanischer Fernsehzuschauer als bedrohliche Zeichen des "Untergangs" ihrer geliebten Nation fest verankert sind. Vom Bombenattentat in Oklahoma City über Dallas, den Schauplatz der Kennedy-Ermordung, bis zu den eingeschleppten afrikanischen Killerbienen und der AIDS-Epidemie schreckt die Story vor nichts zurück, was tiefsitzende Angstgefühle mobilisieren könnte. Vielleicht ist es an der Zeit, auch die TV-Serie einmal daraufhin zu untersuchen, wieviel von ihrer Faszination auf realen Angstvorstellungen des Publikums
beruht. (Franz Everschor , film-dienst)
Der Kinofilm zur TV-Serie über Paranormalität, mutierende Menschen und Verschwörungstheorien, die von Scully und Mulder erforscht werden. Abweichung zur Serie: Im Kino küssen sich die beiden endlich - fast.
Ich gebe zu: Ich bin befangen. Gillian Anderson hat mich überwältigt, seit der ersten "Akte X"-Folge. Diese wiesengrünen Augen, diese Lippen, diese Blässe ihres Gesichts, dazu der kühle Verstand, den sie in ihrer Rolle als FBI-Agentin Dana Scully vorführen darf: Das hat die Klasse einer Faye Dunaway, Ava Gardner oder Katherine Hepburn.
Das TV-Serial kommt nun auf großer Leinwand. Gillian Anderson gemeinsam mit David Duchovny alias FBI-Agent Fox Mulder, dessen ewig leichenstarres Gesicht im Großformat ebenfalls nichts von seiner Faszination einbüßt. Der Film funktioniert auch ohne das Vorwissen der Eingeweihten, Serienfans und Kultfanatiker. Er spielt - wie die TV-Serie - mit Menschheitsängsten, Wünschen und Phantasmagorien: Paranormale Phänomene, Ufo-Gläubigkeit, mutierende Menschen, Verschwörungstheorien, Fin-de-Siècle-Unruhe, mysteriöse Krankheiten, echte Aliens - alles drin.
Spannung gibt es außerdem zwischen den beiden, dem aliengläubigen, heroischen Einzelkämpfer Mulder und der stets zweifelnden, nach wissenschaftlichen Beweisen suchenden Scully. Zu Beginn des Film sind die zwei nur FBI-Agenten einer Anti-Terrorismus-Einheit, die einen Bombenanschlag aufklären müssen: Mulders geheimnisvolle X-Akten sind nämlich fast alle einem Brandanschlag zum Opfer gefallen (in "Akte-X"-Folgen, die bei uns leider noch nicht zu sehen waren) - ein Ereignis, das seinem Drang nach allem Außerirdischen zunächst eine harte Grenze setzt. Frustriert streicht er durch die Szenerie, genervt von sich, seinen wenig anspruchsvollen Krimi-Aufgaben und seiner tatendurstigen Kollegin - bis er auf jede Menge Unerklärliches, Ungereimtheiten und Unheimliches in Zusammenhang mit dem Sprengstoff-Attentat stößt. Lauter Dinge, die Scully wieder mal nicht glauben will. Vor allem nicht, daß Sachen geschehen, die die ganze Menschheit bedrohen.
Die Ästhetik des Films ist nicht neu: harte Schnitte, grelles Licht, Schlagschatten, Dämmerlicht, voyeuristischer Kamerablick - alles schon mal gesehen, im Fernsehen und bei Steven Spielberg. Es funktioniert, aber nur, weil diese simplen Mittel mit der verrätselten Story eine kongeniale Verbindung eingehen: Immer werden mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben, die verschiedensten Orte diffus illuminiert und verunheimlicht. Klaustrophobie wird zum vertrauten Gefühl, nur geahnte Verschwörungen und Verbrechen zum fast bewiesenen Tatbestand. Auf serienvertraute Weise spielt der Film mit den Gefühlen und Nerven der Zuschauer.
Ein Rätsel wird allerdings auch diesmal nicht gelöst: Zwar ging Agentin Scully mit Agent Mulder immer schon durch dick und dünn, aber bisher noch nie mit ihm ins Bett - trotz erkennbarer gegenseitiger Anziehung. Sie duzen sich noch nicht mal. Diesmal küssen sie sich - fast. Kurz vor der entscheidenden Lippenberührung wird Sexy-Scully von einer Virenwespe gestochen und infiziert. Jetzt liegt sie zwar im Bett, aber leider wieder alleine und wird dazu noch entführt. Armer Mulder, der doppelt gestraft ist: Als er seiner hübschen Kollegin am Ende des Films endlich die Existenz von Außerirdischen beweisen könnte, ist sie von Krankheit und turbulenter Rettungsaktion so erschöpft, daß sie noch nicht mal ihren Kopf heben kann - sie wird die ewige Zweiflerin bleiben. Mulder und den Fans bleibt nur ein kleiner Trost: Als Lohn für seine hartnäckigen Nachforschungen werden neue X-Akten geöffnet - wohl auch, um die Serie weiterführen zu können.
Man kann dem Film vorwerfen, nur ein aufgeblasenes TV-Special zu sein. Dafür hätte man zwar nicht auf Handlung, aber doch auf viele überwältigende Leinwandbilder verzichten müssen. Wer aber ein Faible für unerklärliche Phänomene oder einen diffusen Glauben an Dinge außerhalb unserer Realität mitbringt, wird an diesem Film viel Spaß haben. Wem auch das fehlt, der kann sich immer noch an der überwältigend sinnlichen Scully im schwarzen Mini erfreuen. (Günther Fischer, SPIEGEL ONLINE 32/1998)
"Ich bin dümmer als meine Rolle". In "Akte X", dem Film zur Fernsehserie, spielt Gillian anderson eine Wissenschaftlerin. Dabei sind Fremdwörter für sie Zungenbrecher. Ein Gespräch.
ZEITmagazin: Als FBI-Agentin Dana Scully sind Sie in der Fernsehserie "Akte X" Verschwörern und Außerirdischen auf der Spur und können niemandem trauen, nicht einmal Ihren Vorgesetzten. Hat der Verfolgungswahn Sie auch im echten Leben schon ergriffen?
Gillian Anderson: Ich hoffe nicht. An Außerirdische habe ich aber schon immer geglaubt, und die vielen Informationen, die man in der Serie bekommt, haben mich in meiner Meinung noch bestärkt. Wenn ich nach anstrengenden Dreharbeiten nachts erschöpft in den Himmel gucke, weiß ich, daß das Universum viel zu groß ist, um die Möglichkeit auszuschließen, daß es darin noch anderes Leben gibt.
ZM: "Akte X" hat Sie in fünf Jahren zum Star gemacht. Ist Ihnen der Erfolg unheimlich?
Anderson: Nein, aber er nervt. Ich kann mich nicht mehr in meinem Haus aufhalten, ohne daß Photographen versuchen, unbemerkt Bilder von mir zu schießen. Oft liege ich in der Badewanne und denke darüber nach, wie lächerlich das alles ist. Dabei bin ich wirklich nur an meiner Arbeit interessiert.
ZM: Das klingt tatsächlich unangenehm.
Anderson: Das ist es auch. Ich wünsche mir sehr, daß sich das öffentliche Interesse an mir endlich abkühlt. Je berühmter ich werde, desto schwieriger ist es, Beziehungen zu Menschen aufzubauen, denn viele lieben nur meinen Ruhm.
ZM: Deutsche und amerikanische Fernsehzuschauer haben Sie sogar zur "erotischsten Frau im TV" gewählt. Freut Sie das?
Anderson: Ja, natürlich. Scullys Unnahbarkeit macht sie sehr sexy, und viele Männer finden wohl auch ihre Selbstsicherheit und Intelligenz verführerisch. Als die Serie in den USA anlief, nannten mich viele Kritiker "eine unkonventionelle Schönheit", das empfand ich als Beleidigung.
ZM: Vielleicht staunten die Kritiker über Ihre etwas gekrümmte Nase. Jede andere amerikanische Schauspielerin würde sich sofort einer Schönheitsoperation unterziehen, um ihre Chancen in Hollywood zu steigern.
Anderson: Ich mag meine Nase, wie sie ist. Beim Vorsprechen für die Rolle habe ich mir nicht einmal Mühe gegeben, so konservativ auszusehen, wie die Produzenten es wollten. Ich kam in schwarzen Jeans, meine Haare waren zerzaust. Das zweite Mal sollte ich im Anzug erscheinen, ich kam in einem viel zu großen. Und es hat trotzdem geklappt. Oder gerade weil ich ich selbst geblieben bin. (Richard Pleuger, DIE ZEIT 1998 Nr. 33)
Die Wahrheit ist irgendwo da draußen - das ist das Leitmotiv der weltweit sagenhaft erfolgreichen Fernsehserie Akte X. FBI-Agent Fox Mulder (David Duchovny) glaubt an die Wahrheit. Agentin Dana Scully (Gillian Anderson) glaubt an die Skepsis. Die Fans glauben an die Serie.
Akte X ist ein Spiel mit den zwei Seiten der Medaille. Merkwürdige Dinge tragen sich zu. Mulder glaubt, die Ursachen liegen draußen - im Weltall. Scully glaubt, die Ursachen liegen drinnen - im Kopf. Makrokosmos und Mikrokosmos fallen zusammen, wie in der Alchemie. Das ist das Geheimnis eines globalen Fernsehereignisses. Fünf Staffeln sind in den USA gelaufen, jetzt ist Pause. Zeit für einen Film. Chris Carter, der Erfinder der X-Files, und Rob Bowman, Regisseur zahlreicher Episoden, haben ein Vehikel entworfen, mit dem die Pause überbrückt und Staffel 6 zugleich schon eröffnet wird: Akte X - Der Film.
Der Film beginnt in einem Land vor unserer Zeit. 35000 vor Christus liegt in Texas Schnee. Unter der Schneedecke liegen Höhlen, in den Höhlen hausen gefährliche Kreaturen. Heutzutage liegt in Texas vor allem Staub, darunter sind immer noch Höhlen, in ihnen findet man ein gefährliches Öl. Gelegentlich bricht ein Junge ein und wird wenig später als Alien wiedergefunden. Über den Ort wird sofort Quarantäne verhängt, die Informationssperre beinahe noch schneller.
Zwei zuständige Menschen erfahren davon nichts. Beim FBI hat man ihren Sonderforschungsbereich gestrichen. Mulder und Scully sind zu Routineeinsätzen abgestellt. Ein Hochhaus in Texas fliegt in die Luft. Ein Blockbuster gilt in Hollywood nur dann, wenn binnen zehn Minuten eine ordentliche Explosion stattfindet. Diesem Gesetz beugen sich die Filmemacher, sie opfern für das Spektakel - Independence Day ist deutlich das Vorbild - ein wenig die visuelle Eleganz der Serie, die mit Andeutungen, manchmal fast abstrakten Hintergründen arbeitet und klaustrophobe Settings entwirft.
Der Film wendet sich an Eingeweihte und an Ignoranten gleichermaßen. Wer sich bis jetzt der Faszination entzogen hat, kann sich hier die Grundkenntnisse aneignen. Das heißt nicht, daß alles klar würde. Ein Wirrkopf namens Kutzweil (Martin Landau) ist für die Aufklärung zuständig. Die globale Verschwörung hinterläßt Spuren in allen Weltgegenden, die Agenten haben deswegen einen vollen Terminkalender. Sie finden aber selbst dann noch Zeit, in der texanischen Einschicht einem Frachtzug mit verdächtig wirkenden Containern hinterher zu fahren, wenn sie elf Stunden später in Washington einen Termin bei den Vorgesetzten haben.
Natürlich erscheint Scully pünktlich. Wie sie das macht, bleibt im Dunkeln, eine Menge weiterer Details auch in einem sehr lose geknüpften Plot, der die ganze neuere Science-Fiction-Mythologie unbekümmert plündert: Aliens und Body Snatchers und leider auch Fräulein Smillas Gespür für Schnee (der Film!) stehen Pate, wenn es im ewigen Eis zu einem Kontakt mit einer extraterrestrischen Intelligenz kommt, deren teuflischer Plan darin zu bestehen scheint, menschliche Körper in großer Zahl unterirdisch tiefzufrieren. Wird es Mulder gelingen, Scully rechtzeitig aufzutauen?
Der ganze Aufwand gilt natürlich einer einzigen Szene, es ist die Urszene der X-Files, der Anblick der Wahrheit, die irgendwo da draußen ist: Mulder hat Sichtkontakt, Scully bekommt die Augen nicht auf. Die Zwei können zusammen nicht kommen, es spießt sich an der Erkenntnistheorie. Das Publikum ist auf Mulders Seite, auch wir dürfen sehen - der Beweis ist erbracht, es gibt UFOs. Die Wahrheit ist tatsächlich irgendwo da draußen, gleich vor den billigen Plätzen. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 6/8/1998)
Einfalt und Verschwörung. "Akte X: Der Film", ein konventioneller Horrorthriller nach TV-Serienmodell, ortet Aliens unter uns.
Wo das Kino gedanklich verflacht, wird der Atem der Erzählung oft lang. Episch startet daher The X-Files / Akte X: Der Film , taucht tief ein in die Prähistorie, schon weil die windige story dieses Films eine history zur Rückendeckung ganz gut brauchen kann. Zwei Höhlenmenschen kämpfen sich, gleich am Anfang dieser Geschichte, finster durch Schnee und Eis, an einem Ort, den man später Texas nennen wird. In ihrer Unterkunft stoßen sie überraschend auf Geschöpfe aus dem All, auf Aliens mit quecksilbrigem Blut und übermächtigen Kampfmethoden: So hat der Film seine erste Actionszene, modisch verkürzt auf ein paar verwischte Bewegungen, auf schnelle Schnitte und gellende Schreie, deren Echo einen spröden Soundtrack gibt.
Einen geschlagenen Haken später befindet man sich dann schon in der Gegenwart, bei einem texanischen Buben, den sein Spiel in jene Höhle, den aggressiven Außerirdischen in die Arme führt. Das nächste Schreckensbild: eine unergründliche Mutation, eine bösartige Wucherung des Fremden im eben noch so friedlichen Amerika. Dann aber, endlich, kehrt Wohlbekanntes ein: der Einsatz der Helden, der FBI-Spezialagenten Mulder und Scully, speziell geschult im paranormalen Fach. Sie stoßen auf eine Bombe im öffentlichen Raum - und anschließend auf eine mögliche Verschwörung, auf die Vertuschung der Existenz außerirdischen Lebens in Amerika.
Für Televisions-Unkundige: Akte X ist der Name einer populären Fernsehserie, die im Fahrwasser der alten Twilight Zone quotenträchtig kurze Fantasy- und Schreckensgeschichten erzählt. Es war natürlich nur eine Frage der Zeit: Nun hat der Stoff also auch das Kino, jenen Endlagerungsort lukrativer trivialer Mythen, erreicht. Akte X: Der Film ist, seinem Titel zum Trotz, weniger ein Film als ein Werbemittel, der Aperitif zur sechsten Staffel der Serie. Hollywoods Synergieeffekte sind eben überall: Hinter jedem Kinoerfolg steht eine solide Zweitverwertung.
Und der Erfolg hat einen Namen: Mulder & Scully, das klingt entfernt nach Laurel & Hardy, steht aber für etwas ganz anderes - für die derzeit einzigen Fernsehhelden ohne Vornamen nämlich. Menschen ohne Eigenschaften: Das gewohnt monotone, fast schon geistesabwesende Schauspiel der X- Stars David Duchovny und Gillian Anderson färbt ihren Film mehr als diesem lieb sein kann. Die Dialoge hier werden eher rezitiert als gespielt, was eventuell bei Bresson oder Straub, in ganz anderen Zusammenhängen also, passen würde; und das ständige Nicht-Engagement Duchovnys und Andersons angesichts jeder noch so wilden Situation akzentuiert weniger die Professionalität der Protagonisten als die Absurdität der Inszenierung um sie herum.
Akte X: Der Film bewegt sich an den fernsehüblichen Stationen, an geflüsterten Verschwörungstheorien und geöffneten Körpern im Leichenschauhaus vorbei, durch mörderische Situationen und close escapes. Es hilft alles nichts: Im TV, wo der metaphysische Schauer eher rar ist, geht Akte X als exzentrisch durch, im Kino aber ist sie schlicht anachronistisch. Der Film zur Serie ist nicht mehr als ein konventioneller Horrorfilm, ein Reißer, dem das traditionell Reißerische stets gut genug ist. Regisseur Rob Bowman nutzt weidlich aus, was an Spannungsklischees verfügbar ist. Kein Bild, das man nicht schon anderswo gesehen hätte, kein Ton, der nicht an Besseres erinnerte: X wie in x-fach kopiert.
Schließlich schlittern Mulder und Scully auch noch, gerade noch, an einem Kuß vorbei: Ein böser Bienenstich streckt die kalte Scully nieder, romantische Erwärmung hat hier keinen Platz. Am Ende sind die Fremden weg, die Helden noch einmal, wie immer, davongekommen und die Erzählung wieder dort, wo sie begonnen hat: Beweisen kann keiner irgendwas, aber glauben wird man ja noch dürfen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 6/8/1998)
Ermüdeter Tanz ums goldene X
Das wahre Grauen hieße wahrscheinlich "Herzlichst - Hansi Hinterseer: der Film". Aber auch "Reich und schön: der Film" würde uns ganz schön häßlich mit Armseligkeiten bereichern. Kitsch, Spießigkeit, Quotenhurerei, Schwachsinn: Was immer das domestizierende, portionierende Fernsehschirmformat noch in konsumierbare Grenzen hält, kann sich auf der breiten Kinoleinwand zur grandiosen Unerträglichkeit auswachsen. X-large, sozusagen. Womit der bewußte Buchstabe gefallen wäre: Durch Verfilmung ist zunächst der Tanz ums goldene X ermüdet auf seinem bisherigen Tiefpunkt angelangt.
Fans, die dieser TV-Kultserie enthusiastisch huldigen, könnten sich je- denfalls an der Kino(per)version erheblich frustrieren. Obwohl sich hier - Sehnsucht aller bekenndenden X-istenzialisten - Scully und Mulder erstmals bis übers Lippenbekenntnis hinaus gefährlich nahe kommen. Dem Fan wird, in Umkehrung des Sprichwörtlichen, aber ein U für ein X vorgemacht. U wie uncool. Was zwar das Brandzeichen einer ganzen TV- Generation nicht völlig zum Verblassen bringen wird.
Aber der bisher sorgfältig gepflegte dunkle Mythos scheint durch die erklärende Geschwätzigkeit der Dialoge (die alle Antworten nachholen möchten, welche sämtliche Folgen bisher offenließen), erheblich banalisiert. Inklusive der Tatsache, daß die Handlung bestenfalls jene Hausfrauenhorrorvision auslösen mag, das exterrestrische Böse könnte sich eingefroren im Tiefkühlschrank befinden und eines Tages versehentlich auftauen. Womit sich das populistische Kinostück mindestens 100 Grad jenseits dessen befindet, wofür sich ein wahrer X- Fanatiker erwärmt.
"Die Wahrheit, die irgendwo da draußen" sein soll, erschöpft sich im Konfektionsplot einer Weltverschwörung, mit welcher ein paar ewiggestrige Herrenrassisten mittels paranormaler Viren obligat schleimiger Aliens die Menschheit verschlimmedeln wollen. Unter korrekter Beibehaltung jener völligen Humorlosigkeit und seifenfreien Prüderie der bisherigen TV-Episoden hilft sich das Aufklärungspärchen so lange gegenseitig aus der Vertuschungsaffäre, bis garantiert auch jeder Außerirdische weiß, woran er hier ist.
Chris Carter, das Hirn hinter allen X-Files, hat höchstpersönlich unfreiwillige Lachreize eingefügt: FBI-Special Agent Scully muß als infiziertes Schneewittchen in einen Glassarg, Mulder ständig in lächerliche Selbstanklagen ausbrechen. So x-beliebig hätte man sogenannte Sternstunden der Fernsehunterhaltung nicht zu einem "XY ungelöst" cinematisieren dürfen. Vielleicht hat Carter wirklich nicht mehr alle fliegenden Untertassen im Schrank. (Rudi John, KURIER)
Offizielle Film-Site: http://www.fightthefuture.com/, offizielle X-Files-Site: http://www.thex-files.com/, offizielle X-Files-Site: http://www.thex-filesmovie.com/,
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