USA 1998. 85 Min.
Regie: Betty Thomas,
Buch: Nat Mauldin, Larry Levin, nach den "Dr. Dolittle"-Geschichten von Hugh Lofting,
Musik: Richard Gibbs,
Kamera: Russel Boyd,
Schnitt: Peter Teschner,
Darsteller: Eddie Murphy (Dr. Doolittle), Kristen Wilson (Lisa Dolittle), Oliver Platt (Dr. Weller), Peter Boyle (Calloway), Ossie Davis (Archer Dolittle)
Kinostart: 2/10/1998
Die berühmten Kinderbuchgeschichten von Hugh Lofting um den Arzt Dr. Doolittle, der die Sprache der Tiere versteht, in einer bis aufs Skelett abgemagerten modernen Fassung, die den kindgerechten Humor des Originals weitgehend durch Zoten ersetzt. Statt den ursprünglichen Charme der Geschichte in eigenständige filmische Bilder umzusetzen, verläßt sich der Film allzu sehr auf den sprücheklopfenden Hauptdarsteller.
Wer träumt nicht als Kind davon, sich mit seinem vierbeinigen Freund unterhalten zu können? Der angelsächsische Schriftsteller Hugh Lofting (1886-1947) hat diese Träume in seinen wundersamen "Dr. Dolittle"-Geschichten ausgeschmückt, und Hollywood hat sie 1967 zu einem fantasievollen Musical ("Doctor Dolittle", fd 15 128) verarbeitet. Nun hat sich die zur Zeit über die Maßen Remake-freudige Filmmetropole erneut des Stoffes angenommen, ließ von den Original-Stories aber lediglich ein in moderne Gewänder gekleidetes Skelett übrig. Nicht nur, daß der kleine John Dolittle ständig mit seinem Hund spricht, er nimmt auch dessen Begrüßungsrituale an - und schnuppert am Hintern seines Lehrers. Das geht Vater Dolittle dann doch zu weit. Er läßt seinem Sprößling die "teuflische" Begabung von einem heiligen Mann austreiben und schafft den Köter in ein Tierheim. So vergißt John im Lauf der Jahre seine Fähigkeiten, wird Arzt und lebt mit seiner Frau Lisa und den Töchtern Charisse und Maya ein normales Familienleben, in dem ihm Haustiere eher lästig sind. Als er einen Hund anfährt, versteht er zu seiner Verwunderung dessen Beschimpfungen. Aber erst als ihn das Meerschweinchen seiner Jüngsten mit seinem Geplapper auf die Nerven geht und der den angefahrenen Hund wiedertrifft und aus dem Tierheim auslöst, ahnt er, daß die alte Gabe zurückgekommen ist. Langsam spricht sich seine Fähigkeit unter den Tieren herum, und vom kranken Schaf bis zum alkoholsüchtigen Affen stehen sie alle vor seiner Tür. Natürlich glaubt man ihm kein Wort, und so muß sich John in psychiatrische Behandlung begeben, was wiederum seinem Kollegen Dr. Weller gerade zur rechten Zeit kommt, möchte er doch die gemeinsame Praxis an einen Konzern verkaufen. Aber als Dolittle einen todkranken Zirkus-Tiger vorn dem Selbstmord rettet und ihn erfolgreich operiert, überzeugt er nicht nur seine vor der Verzweiflung stehende Frau, sondern auch seine Umwelt von seiner übernatürlichen Begabung.
Wer hofft, er würde in dieser Neuverfilmung auf all die skurrilen Tiere der Lofting-Bücher treffen, auf Yum-Yum, das Schwein, das Stoß-mich-Zieh-mich-Lama, die Riesenschnecke mit ihrem bewohnbaren Gehäuse oder die Motte, auf der man fliegen kann, der wird enttäuscht. Außer dem Tiger gibt es nichts Exotisches zu bestaunen, normale Haustiere bevölkern die Szenerie. Die Tiertrainer haben ihnen einige hübsche Kunststückchen beigebracht, und Jim Hensons Puppen sind wie immer täuschend echt animiert - aber das Fantastische und der Charme der Vorlage sind auf der Strecke geblieben. Das liegt vor allem daran, daß die Produzenten eher einen Eddie-Murphy- als einen "Dr. Dolittle"-Film im Auge hatten. Dessen ständigem Gequassel ist eigentlich nur das Meerschweinchen Rodney gewachsen, und auch das sprüht nicht gerade vor Witz. Die Autoren orientierten sich eher an den den Sprüchen der Fernseh-Kultfigur "Alf" als an Loftings kindgerechtem Humor; schließlich erwartet das erwachsene Publikum von einem Eddie-Murphy-Film "härtere" Kost als die kleinen Zuschauer. So geht einiges unter die Gürtellinie, wobei die Untersuchung Luckys beim Tierarzt zur peinlichen Sex-Zote abdriftet. Der deutschen Synchronisation fällt zudem nichts besseres ein, als Gildo Horn ins Spiel zu bringen und die Tiere mit dämlichen "Piep, Piep, Piep, ich hab' dich lieb"-Sprüchen auftreten zu lassen. Überhaupt reden sie zumeist so, als hörte man Stammtisch-Witzen zu, und da sich die Inszenierung nie dem Mittelmaß des Buches zu entziehen versucht, bleiben auch optisch nur langweilig-statische Fernsehbilder übrig. Auch die wie zufällig eingestreuten Songs und die uninspiriert komponierte Zwischenmusik laufen neben der schlecht konstruierten Handlung wie "Falschgeld" einher. Erst als im Nachspann Louis Armstrongs Version des Musical-Titelliedes "Talk to the Animals" erklingt, ahnt man, was man aus dem Stoff hätte herausholen können. (Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst)
Bruder Affe, Schwester Gans: Meerschweinchen im Bett. "Dr. Dolittle": Eddie Murphie übt sich - in der Rolle jenes Arztes, der nicht nur Pferde flüstern hört - in Zurückhaltung. Tierfilmischer Klamauk mit einigem Witz und pädagogisch-einfältigem Unterbau.
Wer kennt ihn nicht, den durchgeknallten Doktor, der fließend 498 Tiersprachen spricht und auf der Suche nach einer Riesen-Meeresschnecke phantastische Abenteuer erlebt? Mit Rex Harrison in der bestrickenden Rolle des Doktor Dolittle schuf Richard Fleischer 1966 ein äußerst vergnügliches und inzwischen fast schon legendäres Kino-Musical. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann auch dieser Filmstoff dem in Hollywood mehr denn je grassierenden Remake-Fieber zum Opfer fallen würde.
Dabei lag eine Neuverfilmung in diesem Fall sogar nahe, da die aktuellen Möglichkeiten der Computeranimation einer Re-Inszenierung von Dolittles wundersamer Tierwelt sehr entgegenkommen. Überraschenderweise ist sie aber gar nicht so wundersam, die Tierwelt des von Private-Parts- Regisseurin Betty Thomas inszenierten Dolittle- Nachfolgers. Keine sagenhaften Riesenschnecken treten hier in Erscheinung und keine zweiköpfigen Lamas, sondern: ganz gewöhnliche Tiere. Daß diese Tiere sprechen können, ist weniger einer Grille der Natur zu verdanken als den außerordentlichen Fähigkeiten des Doktor Dolittle, der sein seltsames Wahrnehmungsvermögen mit dem Zuseher teilt.
Abgesehen von seiner Sprachbegabung und der daraus resultierenden Irritation ist der Doktor selbst nicht sonderlich kauzig, sondern eher Durchschnittsamerikaner: ein einigermaßen erfolgreicher Berufstätiger mit Frau, Kindern und viel Streß. Die Darstellung dieser Rolle gelingt Eddie Murphy erstaunlicherweise ohne - das seinem üblichen Rollentyp aufgetragene - Übermaß an Fuchtel- und Winsel-Einlagen.
Daß der als Kind von seiner "teuflischen" Fähigkeit vermeintlich befreite John Dolittle ein wenig hysterisch wird, als ihn eines Nachts das Meerschweinchen seiner Tochter im Bett besucht und mit ihm zu reden anfängt, ist freilich verständlich - ebenso wie die etwas dumme Figur, die der sonst so nüchterne Arzt macht, wenn er in aller Öffentlichkeit ein leidenschaftliches Streitgespräch mit einem Hund führt.
Da Regisseurin Thomas sich eher dem Dialogwitz als dem Slapstick anvertraut, wirkt Dr. Dolittle in seiner Gelassenheit eine Zeitlang angenehm amüsant. Die Handlung beginnt jedoch ein wenig zu verflachen, nachdem die vielen Demonstrationen von Dolittles Talent (anhand zahlloser Gesprächssituationen mit diversen Tierpartnern) ausgereizt scheinen. Vor allem die Zuspitzung des Plots auf Dolittles Gesinnungs-Karriere vom kalt berechnenden Arzt zum herzensguten Tierheiler raubt dem Film jenen Pfiff, den er anfangs noch zu haben scheint.
Wenn der Doktor am Ende auf sein berufliches Fortkommen verzichtet und sich dafür die Zuneigung aller Tiere sowie die Bewunderung von Frau und Kindern sichert, wird aus dem Unikum ein herkömmlicher Vertreter des in Hollywood gängigen Gutmenschentums. Weniger vorhersagbar sind wenigstens die Eigenschaften der Tiere: von den Ratten, die sich über den Tierdoktor auch dann noch lustig machen, nachdem er einer von ihnen mit Mund-zu-Mund-Beatmung das Leben gerettet hat, bis hin zum alten kranken Tiger, der sich aus Minderwertigkeitskomplexen das Leben nehmen will. Diese und ähnlich drollige (übrigens tadellos animierte) Tiersprech-Einlagen lassen Dr. Dolittle am Ende doch ziemlich vergnüglich aussehen. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 3/10/1998)
Affenartige Maulbewegungen sprechender Hunde und Tiger
Endlich mit allen Wassern gewaschen, wird die Menschheit gegen ein paar spinnenbeinige, blöde, winzige Computerchips auf der Strecke bleiben... Ein Horrorszenario, das sich in der Filmbranche bereits abzuzeichnen beginnt. Als warnendes Beispiel dient uns hier Big Eddie Murphy, schwarzer Schwergewichtskomiker im chronischen Fistelstimmbruch mit fortgeschrittenem Basedow. Eigentlich hätte der Taschenspieler virtuoser Minimalkomik keinerlei Mühe gehabt, sich als leibhaftiges Remake des berühmten Tiermenschenarztes Dr. Dolittle gegen liebe Kinder und sogar entzückende Kuscheltiere zu behaupten... ...wären da nicht die computergesteuerten Spezialeffekte der Neuverfilmung.
Mit diesen ist es gelungen, selbst die affenartigsten Maulbewegungen etwa streunender Hunde und schwermütiger Tiger menschlichen Worten so genial anzupassen, daß nicht der geringste Zweifel an den rhetorischen Fertigkeiten der Viecher entsteht. Der allererste Film, in dem Tiere wirklich sprechen können... Fast wird Eddie daneben zum schwafelnden Statisten deklassiert. Minderjähriges Publikum interessiert Eddies Problem allerdings noch weniger als die Schulmilchaktion. Von jedwedem Mitleid in keinster Weise angekränkelt, werden sie mit Vergnügen den diversen Abenteuern Dr. Dolittles folgen. Letzterer wurde allerdings vom verstaubt-liebenswerten Lesebuchhelden zum schrillen Familienkinostar aufgemotzt, wobei er die ursprüngliche Identität völlig verloren hat. Und dazu war nicht einmal ein Computer nötig. (Rudi Kohn, JURIER)
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A 1998
Regie: Niki List,
Buch: Niki List,
Musik: Peter Janda,
Kamera: K,
Schnitt: S,
Darsteller: Christian Schmidt (Max), Elke Winkens (Emma), I Stangl (Bürgermeister), Andreas Vitasek (Anwalt), Christian Pogats (Dorfdepp), Ludger Pistor (Pfarrer), Silvia Fenz (Dorfhexe), Patricia Moresco (Amerikanerin)
Kinostart: 2/10/1998
Der Austrofilm befindet sich auf einem beispiellosen Höhenflug: Nach "Hinterholz 8" geht nun ein weiterer Herbsthit aus Österreich ins Rennen um die Gunst der Kinogeher. Niki Lists rockige Heimatfilm-Persiflage "Helden in Tirol" ist ab 2. Oktober österreichweit in den Kinos zu sehen. Zuvor gehen Regisseur und Darsteller auf Promotiontour durch das gesamte Bundesgbiet. Startschuß war am Sonntag in Dornbirn, von wo es nach Linz, Salzburg und Graz weitergeht. Die Wienpremiere findet am 1. Oktober im Gartenbaukino statt.
"Helden in Tirol" erzählt mit kraftvoller Musik von Peter Janda und zahlreichen bekannten Darstellern die Geschichte des idyllischen Bergbauerndorfes Helden. Ein von Ehrzgeiz getriebener Bürgermeister (I Stangl) will Helden mit Hilfe seines Anwalts (Andreas Vitasek) in ein gigantisches Tourismuszentrum verwandeln. Motto: "Wir werden einen Aufreißschuppen bauen, daß alle geilen Böcke Europas ihren Sexurlaub von Thailand nach Tirol verlegen!"
Nur der einsame Gipfelstürmer Max (Christian Schmidt) durchschaut die Pläne des Bürgermeisters und mobilisiert eine Handvoll aufrechter Heldinnen und Helden: die bezaubernde Emma (Elke Winkens), den belesenen Dorfdepp (Christian Pogats), den Johanniskrautrauchenden Pfarrer (Ludger Pistor), seine verliebte Haushälterin (Adele Neuhauser), die geheimnisvolle Dorfhexe (Silvia Fenz) und die schrille Amerikanerin (Patricia Moresco). Sie alle kämpfen tapfer um die Zukunft von Helden. Doch ehe es zum Happyend kommen kann, müssen sie aufregende Kämpfe bestehen.
Fast alle seine Filme sind einem großen Publikum bekannt....
Regisseur Niki List nimmt in diesem rockigen Musical Heimatvermarktung und Dirndlfashion lustvoll auf die Schaufel. Zusammen mit Autor Walter Kordesch schrieb er seinem einstigen "Müllers Büro"-Hauptdarsteller Christian Schmidt die Rolle des Max auf den Leib und treibt filmisch ein brillantes Spiel mit mit Klischees und Stereotypen, die er gekonnt umsetzt und parodistisch zuspitzt.
Christian Schmidt feiert in diesem schrägen Heldenepos ein beeidruckendes Comeback als Schauspieler, nachdem er in den vergangenen Jahren vor allem als Stuntman und special effekt-Spezialist im Einsatz war. Als einstiges Mitglied der Band "Wiener Wunder" brachte Schmidt die nötige Gesangstimme für das Alpinmusical mit. Ebenso wie "Kranke Schwester" Elke Winkens, die neben einer ersten Karriere als Kunstturnerin auch eine solide Gesangsausbildung genossen hat. Die "Emma" in "Helden in Tirol" ist ihre erste große Kinorolle.
Mit 470.000 Kinozuschauern war Niki List's Dedektivfilmparodie "Müllers Büro" der erfolgreichste österreichische Film der letzten dreißig Jahre. Kein weiterer Film made in Austria hat seither solche Kinozahlen erreicht. Auch Niki List selbst konnte den Sensationserfolg von "Müllers Büro" noch nicht überbieten, doch arbeitete er kontinuierlich an einer erfolgreichen Kino- und Fernsehkarriere. Fast alle seine Filme sind einem großen Publikum bekannt, darunter "Sternberg Shooting-Star", "Ach Boris...", "Werner Beinhart", "Muß denken" oder "Der Schatten des Schreibers".
"Helden in Tirol" ist eine Coproduktion der Wiener CULT-Film und der Bernard Lang-Film Zürich mit Beteiligung der Zeitsprung-Film Köln. Gedreht wurde komplett in Nordtirol, finanzielle Unterstützung kam vom ORF Film-Fernsehabkommen, dem Österreichischen Filminstitut und von "Cine Tirol". Der Film ist 108 Minuten lang und ab Freitag, 2. Oktober, im Verleih der Buena Vista österreichweit in den Kinos zu sehen. Rechtzeitig zum Kinostart ist auch eine CD mit dem Soundtrack von "Helden in Tirol" erschienen. (APA/DER STANDARD, 28/9/1998)
Knietief in der Jauche: Zünftiges Jodeln im Heu. In "Helden in Tirol" müht sich Regisseur Niki List, wie unter Erfolgszwang, am Heimatfilm ab: der Versuch einer Komödie als historisches Tief.
Was niemand ernst nimmt, läßt sich nicht persiflieren. Ein grundlegendes Problem, über das Niki Lists jüngster Film, Helden in Tirol, nicht hinweg kommt, ist die Redundanz seiner Idee. Die Stile und Motive des alten Heimatfilms sehen, von der Gegenwart aus betrachtet, schon an sich absurd aus. Daß es nicht nötig ist, sie ins Groteske zu verzerren, versteht sich irgendwie von selbst. Aber im österreichischen Kino, so scheint es, sind Verdoppelungen und Selbstverständlichkeiten vor allem deshalb so populär, weil sie einem das Denken so leicht machen.
Helden in Tirol, eine Art inoffizielle Fortsetzung zu Lists Müllers Büro, versteht sich als Musical. Aus der Tonspur aber klingt Musik, die eher an das erinnert, was man früher verzweifelt "Rockoper" genannt hat: deutsche Schlagertexte, dröhnende Orgeln, wimmernde E-Gitarren. Helden in Tirol mag der erste heimische Film sein, dem man seine künstlerische Stagnation schon anhören kann. Die Erzählung kreist um einen feschen, aber armen Naturburschen (C. Schmidt), der sich gegen das häßliche, aber reiche Establishment (um I. Stangl) durchzusetzen weiß, welches plant, den schönen, aber ausbaufähigen Tiroler Ort Helden (daher der Titel) an den Tourismus zu verschachern. Konflikte ergeben sich: aus Eifersucht, aus Geldgier, aus Fremdenfeindlichkeit.
Um die Ängste und die Träume, die der Film behandelt, so deutlich wie möglich zu machen, ist alles hier handgreiflich: Man prügelt, was einem im Weg steht, man gestikuliert, wenn es ums Vermitteln von Pathos geht, und in lauen Nächten legt man Hand an das, was man liebt. Und ewig lockt das Weib, das kein Eigenleben entwickeln kann und in der Bildsprache der Werbung noch einmal objektiviert wird: Wie in einem Shampoo-Spot eilt die niedliche Heldin (Elke Winkens), sehr blond, im Grünen und in Zeitlupe, auf ihren Liebsten zu.
Die Hersteller von Helden in Tirol haben sich abgesichert, sind immun gegen Kritik, denn wenn man gar nicht gut sein will, kann einem das Versagen auch nicht vorgeworfen werden. Der Heimatfilm ist lächerlich, also ist es auch die Parodie, der Metatext dazu. Die Differenz zwischen "schlecht gemacht" (das Ziel) und schlecht gemacht (das Ergebnis) ist, so hofft man, auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen. Ist es doch: Im ironischen Umgang mit dem Banalen ist niemand gezwungen, selbst banal zu werden. Helden in Tirol hat für solche Merksätze aber kein Verständnis. Wo die Probleme aus Pappendeckel gemacht sind und die Sozialkritik aus Plastik, kann auch die Liebe nur aus dem Witzblatt stammen.
So taumelt Helden in Tirol von Pointe zu Pointe: Der Dorfpfarrer sieht sich vom Fleische versucht und konsumiert unaufhörlich Drogen. Ein laszives Mädchen ist gut, zwei sind besser. Landbewohner furzen laut (zur Abschreckung), während Stadtmenschen aus der Limousine knietief in die Scheiße treten (aus Dummheit); und im Heu gibt's keine Sünde, nur blanken Sexismus. Und die Kamera versucht, hilflos schwankend, sinnlos kippend, die Vorgabe - schräge Komödie - in die Tat umzusetzen (und gute Laune wenigstens zu spielen).
Aber Lists Film will sich im Witzereißen nicht ganz erschöpfen: Auch die Ideologie hat ihren Platz hier, die Komödie macht vor der dumpfen Heimatliebe und dem Ausländerhaß nicht Halt. Unter all den Plänen, die List gehegt haben mag, schlägt keiner mörderischer fehl als dieser. Böse Menschen kennen keine Lieder, heißt es: In Helden in Tirol kennt jeder eins, die lieben Liebenden genauso wie die haßerfüllten Unmenschen.
Es ist ja eigentlich müßig, mit jeder neuen Schadensmeldung die Filmförderungsdebatte neuerlich loszutreten. Aber mit dem Argument, daß das eben sei, was die Leute im Kino sehen wollen, kann man Helden in Tirol jedenfalls nicht aus der Verantwortung entlassen. Wer in solchen Filmen ernsthaft ein Gegenmittel zur vielzitierten, angeblich hochsubventionierten "Minderheitenfilmkunst" erkennt, sollte sich möglichst bald nach einem Arzt umschauen.
Den brauchen auch Lists Helden, denn mit einer Hymne an den Schnaps, mit einer glücklichen Gleichschaltung im kollektiven Rausch leitet der Film sein Finale ein. Aber da gibt es noch den schwulen Jungen, der viel Make-Up im zarten Antlitz trägt und am Kirtag endlich von einer bunten Amerikanerin verführt - um in der Logik des Films zu bleiben: auf den rechten Weg gebracht - wird. Am Stammtisch wird dazu gegrölt, und die Heldener Helden schlagen weiter nieder, was ihnen widerspricht. Die reaktionären Töne klingen im Kino lauter als die komödiantischen: Vom Faustrecht zum Schwulenwitz ist es nur ein Katzensprung. Das wenigstens führt einem Helden in Tirol schlagend vor Augen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 3/10/1998)
Echo einer Watschenpolka
In jedem Kinogänger steckt ein Kind, das will kaputtmachen. Das will blonden Dirndlklischees an den Zöpfen ziehen, hochgeschlossen fromme Heuchlertalare aufknöpfeln, Fassaden-Smileys mit batzigem Gatsch bewerfen... Man denke an... ...rosalila Sonnenuntergang über Berggipfeln. Der Himmel hängt voller Adler. Knorrige Eingeborene haben ihrer heilen Welt schmucke Marterln gebaut und schwenken nun fröhlich die Gamsbärte, während alle Rindviecher von den Almenmatten fromm zum Abendgebet läuten... Wen sticht angesichts solch gnadenlos gnadenvollen Stimmungsgemäldes nicht gleich der Hafer mutwilligen Humors? Zum Beispiel die innige Idylle mit grellen Farbklecksen zu übermalen und bissigbösen Karikaturen zu verschandeln?
Niki List hat dieser pubertären Verlockung für uns alle nachgegeben. Und sämtliche diesbezügliche Symbolik im Häksler perfiden Spotts zu Dünger für blühende Heimatfilmpersiflage verschrotet. Da gibt's Dinge zwischen Heustadel und Gipfelkreuz, die sich eure Edelweißheit nicht träumen läßt... Wer hat sich nach einem Don Camillo gesehnt, dem Christus mit Engelszungen zuredet, sich in seine Haushälterin zu verlieben, um ihn anschließend - katholisch korrekt - zu feuern? Oder den allerliebsten Fernsehliebling Elke Winkens wie ein Lercherl trillern zu hören, pudelnackt schön in einem zum night stand erweiterten One-Special?
Elke Winkens, die Überfliegerin aus der heimischen Fernsehszene, ist übrigens mit diesem Salto mortale inbrünstiger Selbstverarschung als Fixstern am Firmament angelangt. Solche Stars braucht unser Film wie ein Formelmotor die PS. Halten wir ihr die Daumen, daß man sie nicht branchenüblich verheizt, sondern mit entsprechenden Bombenrollen diesem Talent gerecht wird. An ihrer Seite Kinoheimkehrer Christian Schmidt in Wildererheldenkluft, als wäre er aus "Müllers Büro" mit der Seilbahn direkt herübergeschwebt. Dazu der Frontwechsel der Saison: Andreas Vitasek, Mr. Treuherz des österreichischen Films schlechthin, dräut als finsterer Abgrund an Tirolerlandesverrat: Er und ein korrupter Bürgermeister wollen verträumtes Dörfchen zum Zentrum internationalen Sextourismus' hochpuffen. Aber noch lebt die Allianz eines hexischen Kräuterweibs, des edlen Wilderers und der schönsten Dirn des Alpenmassivs...
Regisseur Niki List ist aber auch schon nichts heilig am Land Tirol. Marodierend parodierend fällt er in die piefke-sagenhaften Gegenden ein und seine zotigen, höhnischen, frechen Witze knallen wie das Echo einer Watschenpolka in die heilige Stille der sprichwörtlichen Bergeinsamkeit. Daß Niki List sich kopiert hat, ganze Szenen aus "Müllers Büro" abgepaust hat, stört wenig. Im Gegensatz zum genannten Kultfilm-Thrillermusical reicht leider kein einziger Spottgesang dieser erklärten Nichtfortsetzung zum Hit modischen Alpenrocks. Neben einigen allzu infantilen Scherzchen deutliches Manko der turbulenten Dorfdeppen-Gaudi. (Rudi "Witzig" John, KURIER)
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F 1997. 112 Min.
Regie: Jan Kounen,
Buch: Joel Houssin nach Charakteren seines Romans "Dobermann",
Musik: Schyzomaniac,
Kamera: Michel Amathieu,
Schnitt: Bénédicte Brunet,
Darsteller: Vincent Cassel (Dobermann), Tchéky Karyo (Christini), Monica Bellucci (Nat),Antoine Basler (Moustique), Dominique Bettenfeld (L'Abbé), Romain Dursi (Manu)
Kinostart: 2/10/1998
High Noon auf den Straßen von Paris: Yann Lepentrenc alias "Dobermann" (Vincent Cassel) plant mit seiner Gang den nächsten großen Coup: Mehrere Banken sollen direkt nacheinander ausgeraubt werden. An seiner Seite: Die schöne Nat (Model Monica Bellucci), taueb Spezialistin für Explosives, Mosquito, auch auf dem Tennisplatz nie ohne Waffe, Pitbull, eine gelungene Mischung aus Kindskopf und Killermaschine und schließlich der Priester - mit Handgranaten unter der Soutane und immer einem frommen Spruch auf den Lippen. Ihr Gegenspieler: Inspektor Christini (Tchéky Karyo), ein Teufel mit Polizeimarke. Sein einziges Ziel: Dobermann stoppen - um jeden Preis. Es kommt zum großen Shoot-out.
Ein bluttriefender Gangsterfilm im Comicstil, der Anleihen bei Splatterfilmen nimmt. Das Regiedebut vom Werbe- und Musikcliproduzenten Jan Kounen ist für Genrefans sehenswert und fand auch beim Fantasy Filmfest hohen Anklang. (film.de)
Der "Dobermann" ist Chef einer gleichnamigen Gangster-Gruppe, die die Banken der französischen Hauptstadt mit einer Serie besonders gewalttätiger Überfälle heimsucht. Im skrupellosen Cop Christini hat sich jedoch ein gleichwertiger Gegenspieler gefunden, der ihm ein finales Blutbad liefert. An amerikanischen Vorbildern ausgerichteter Film, der diese an Brutalität noch zu überbieten trachtet. Die digitalen Effekte, abenteuerlichen Kostüme und sich ohne Unterlaß überbietenden Gewalttaten können aber nicht seine Leere und Substanzlosigkeit aufwiegen. - Wir raten ab.
Eine merkwürdige Festgemeinde hat sich anlaßlich der Taufe des kleinen Yann versammelt: schmierige Typen mit Goldkettchen, überschminkte Damen in großzügig ausgeschnittenen Kleidern. Selbst der pockennarbige Geistliche erweckt wenig Vertrauen - sein Blick wirkt irgendwie verschlagen. Von draußen kratzt ein Hund an der Kirchentür, zornig Einlaß begehrend. Als ihm dieser gewährt wird, stürzt er auf den Vater des Knaben zu, welcher gerade ein Geschenk von einem der Gäste entgegennimmt. Das Geschenk fliegt in hohem Bogen durch die Luft, landet geradewegs auf dem Kissen des Säuglings: es handelt sich um einen chromblitzenden Revolver, eine Magnum A 357. Das Kind, dem auf diese Weise seine künftige Profession in die Wiege gelegt wurde, wird es 30 Jahre später in Ganovenkreisen unter dem Spitznamen "Dobermann" mit sdeiner gleichnamigen Gang zu legendärer Berühmtheit gebracht haben.
Aber Dobermann hat im Polizisten Christini einen ebenbürtigen Gegenspieler gefunden: diesem wenig gesetzestreuen Gesetzeshüter mit der kreuzförmigen Narbe am Hinterkopf werden von seinen Kollegen "Gestapo-Methoden" zugeschrieben. Christini kennt kein Pardon, die Jagd auf Dobermann ist ihm zur persönlichen Obsession geworden. Nach der Erpressung eines Gang-Mitgliedes setzt er sich endgültig über die Weisungen des Präfekten hinweg und hebt mit enormem Aufgebot zur Erstürmung eines Vergnügungslokals an, in das sich die "Dobermänner" nach einem weiteren, ebenso gewalttätigen wie erfolgreichen Banküberfall zurückgezogen haben. Der sich anschließende Showdown ähnelt dann mehr einem Artillerie-Gefecht als einem herkömmlichen Schußwechsel; zahllos die Opfer auf beiden Seiten, verheerend die Zerstörungen.
Noch vor seinem Prolog in der Kirche stellt "Dobermann" seine formal-inhaltlichen Weichen. Zum Titelvorspann wird ein zähnefletschender, digital animierter Rassehund vorgeführt, der wütend faucht, in die Schriftzüge der Mitwirkenden beißt, diese mit seinem Urin verätzt. Eine eindeutige Botschaft ans Publikum, eine Verheißung, daß hier nicht lange gefackelt wird, daß in den kommenden knapp zwei Stunden mit den Klischees des poetischen, rotweinseligen Films aus Frankreich kräftig aufgeräumt wird. Oder, mit den Worten des Regisseurs ausgedrückt: "Ich werfe vielen Filmemachern ja gerade vor, daß sie nicht weit genug gehen und sich immer aufs Mittelmaß beschränken. Ich aber gehe mit 'Dobermann' so weit, wie es diese Art von Film zuläßt."
Das Problem der vorliegenden Produktion liegt aber gerade in ihrem allgegenwärtigen Ingrimm, ihrem Trotz, der wohl nicht zufällig an den eines bockigen Kindes erinnert. Da wollte jemand einmal einen so richtig bösen Film machen, ohne Rücksicht auf Tabus. Ein Gestus, der nicht gerade von künstlerischer Souveränität spricht. Wenn die nervöse Suche nach Sakrilegen dazu führt, daß Kleinkinder durch die Luft geschmissen werden oder zum Entsetzen der Eltern Handgranaten für Babyklappern halten, hat dies nämlich weniger mit filmischer Subversion zu tun als mit den Reizkanonaden der Werbeindustrie. Man kann "Dobermann" weder mangelnde handwerkliche Umsetzung noch fehlerhafte Dramaturgie vorwerfen, die Darsteller agieren optimal, die Tonmischung ist brillant - und doch bleibt allgegenwärtig ein ungutes Gefühl. So wie der Polizist Christini am liebsten Fast Food zu sich nimmt und flotte Sprüche aus Hollywood-Filmen favorisiert, so kokett schielt Regisseur Jan Kounen nach den Amerikanismen des Kinos: Digitale Effekte, abenteuerliche Kostüme und sich ohne Unterlaß überbietende Gewalttaten vermögen aber nicht, das Manko an Authentizität aufzuwiegen. (Claus Löser, film-dienst)
Dobermann ist von Beruf Bankräuber und als solcher sehr erfolgreich. So erfolgreich, daß ihm die Polizei immer noch keine Handschellen anlegen konnte, obwohl sein Anwesen rund um die Uhr aus allen Perspektiven beobachtet wird und der gesuchte Staatsfeind Numero uno für jeden Szenegänger offenkundig im schrillsten Techno-Bunker zu Paris residiert. Das kann natürlich auf Dauer nicht gut gehen. (Blickpunkt: Film, 25/97)
Schon bei seiner Taufe wurde Yann (Vincent Cassel) ein wichtiges Utensil für seinen weiteren Lebensweg mitgegeben: als Taufgeschenk bekam er nicht wie normale Kinder etwas im bürgerlichen Sinne brauchbares, sondern eine 357er Magnum geschenkt. Und mit der hat er sich in Paris einen Namen gemacht, den Namen "Dobermann", ein berüchtigter und von der Polizei gesuchter Verbrecher. Gemeinsam mit seinen Freunden Pitbull (Romain Duris), Moustique (Antoine Basler) und dem Pfaffen (Dominique Betenfeld) sowie seiner taubstummen Freundin Nat (Monica Bellucci) plant er den großen Coup, eine Bank auszurauben.
Die Sache geht glatt, die Ablenkungsmanöver haben die Polizisten in der ganzen Stadt verteilt, lediglich Inspektor Christini (Tchéky Karyo, In Sachen Liebe), der selbst bei der Polizei wegen seiner rauhen Methoden unbeliebt ist, aber gerade deswegen mit den Gangstern mithalten kann, hat den Braten gerochen und bleibt ihnen auf der Spur. Schon seit langem ist Christini hinter dem Dobermann her, und niemand kennt ihn so gut wie er. Um jeden Preis will er ihn haben. Er schreckt sogar nicht davor zurück, einen Säugling mit einer Handgranate zu bedrohen, damit dessen Vater ihn zu Yann führt. Ja es ist wirklich mehr als nur das bloße Pflichtbewußtsein, das Christini antreibt, es ist fast eine Privatfehde zwischen ihm und dem Dobermann. Aber beide sind gut in ihrem Beruf und beide können gut mit der Waffe umgehen.
Die Altersfreigabe ab 18 ist wirklich mehr als berechtigt, eine andere Freigabe hätte mit Sicherheit Schnitte im zweistelligen Minutenbereich mit sich gebracht. Die Technik des Filmes, vor allem die Kameraführung, ist recht ungewöhnlich, aber ausgesprochen sehenswert. Auch die Darsteller passen in ihre Rollen und machen ihre Sache gut. Schade nur, daß die Charaktere etwas blaß bleiben, insbesondere von der Vorgeschichte zwischen dem Dobermann und Inspektor Christini hätte man als Zuschauer gerne etwas mehr Informationen. Dennoch muß man feststellen: das Kinodebut von Jan Kounen ist gelungen und einen Besuch wert, und sei es "nur" um sich alleine von den Bildern faszinieren zu lassen. (heinz-online)
Hund beißt alle
Es ist ein Elend: Da springen einem die wildesten Bilder entgegen, gewagte Schnitte, zusammengewürfelte Splitscreen-Montagen und all diese Bildkraft, dieser Stilwille geht für eine weitere Drehung der Brutaloschraube drauf.
"Dobermann" ist extrem aggressiv in den Bildern und der Gewalt. Schon bei seiner Taufe erhält Yann eine erste Magnum und ein Dobermann jault an der Wiege. Nach einem furiosen Schnitt um den Lauf der Waffe sehen wir Yann (Vincent Cassel) als Erwachsenen, wieder mit der Magnum in der Hand, auf einen Geldtransporter zielend. Der Dobermann genannte Verbrecher Yann raubt in kraftvollem, gnadenlosen Stil. Mit einem Overkill an immer gewaltigeren Waffen werden modernste Sicherheitssysteme einfach in die Luft gejagt. Handgranaten gehören zum üblichen Spielzeug.
Yann kommandiert eine Gruppe übernervöser, drogenabhängiger Killer: Pittbull, Moustique und den Priester sehen wir beim Tennis: Wenn die Filzkugel noch vor dem Aufschlag von der Bleikugel durchlöchert ist, bekommt Bumm-Bumm eine ganz andere Bedeutung. Yanns taubstumme Freundin Nat (Monica Bellucci), Zigeunerin genannt, ziert eine besondere Lust an Waffen und Explosionen.
Auf Seiten der Räuber tummeln sich also schillernde Gestalten, die Polizisten sind hauptsächlich Deppen, nur der ultrabrutale Christini (Tchéky Karyo) kann locker mit den Brutalos mithalten. Er ist noch verdorbener, dreckiger - halt der typische schmutzige Cop, für einen Franzosen originell mit amerikanischen Sprüchen ausgestattet. Skrupellos und zynisch - wie überhaupt der ganze Film - verfolgt Christini auf eigene Faust, abseits der Polizeiroutine Yann. Nimmt dabei die Erniedrigung einer Familie in Kauf, deren Sohn, ein Transvestit, am Mittagstisch von Christini bloßgestellt, geschlagen und gedemütigt wird. ("Schwuchteln" nimmt der Film übrigens besonders gerne ins Visier.) Zuletzt erhält ein Baby eine Handgranate zum Spielen.
Als Gedankenfutter verbreitet "Dobermann" die Erkenntnis, daß "die Natur pervers ist: Jeder frißt jeden." Die wenigen Momente menschlicher Rührung liegen bei den Räubern und Mördern. (Christini ist "nur" ein Mörder.) Trauer gibt es um den Mops eines Gangsters. So stellt sich Dobermanns Handeln durchaus positiv dar: Es bringt ja so viel Spaß auf die Leinwand, etwa wenn der Fahrer des Geldtransporters aus der Scheibe fliegt und 'zig Meter über den Asphalt schrammt... Die große Schlacht findet passend zu Technosounds (die Originalmusik stammt von Schyzomaniac) im Club statt. Das Motto von Christini lautet: Knallt sie ab, ich will Leichen sehen. Regisseur Jan Kounen folgt diesem Motto von Anfang an exzessiv und schafft zum Ende sogar noch eine Steigerung in der Brutalität des Dargestellten.
So blutet diese Gangster-Story irgendwie im Kielsog von Tarantino (obwohl die Franzosen auch ihre Teufel in weißen Westen hatten) herum. Die ganze Szenerie erinnert jedoch an einen pubertären Wettkampf: Wer legt den brutalsten Film hin. "Dobermann" kommt dabei jedoch nicht an "Killing Zoe", der auch in Frankreich spielte, heran. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)
Schon zur Taufe bekommt der kleine Yann eine 357er Magnum in die Wiege gelegt; und somit ist sein Schicksal auch schon besiegelt. Aus dem Knirps mit der Kanone wird ein erfolgreicher und erfolgsverwöhnter Bankräuber, genannt Dobermann (Vincent Cassel), unterstützt von seiner Freundin Nat (Monica Belucci) und einigen Kumpanen. Wie zu erwarten, sind seine Aktionen der Pariser Polizei ein Dorn im Auge. Nachdem es bei einem erneuten Coup der Bande um Dobermann einige tote Cops gibt, heftet sich der unbarmherzige Bulle Christini (Tchéky Karyo) an seine Fersen. Christini schreckt auch nicht vor illegalen Methoden zurück, um den Dobermann zur Strecke zu bringen. Und so zieht sich eine Spur der Gewalt durch die Stadt, bis die beiden Kontrahenten zum finalen blut- und bleihaltigen Showdown in einer Technodisco aufeinandertreffen.
Dobermann ist wahrhaftig kein Film für das gefühlvolle Titanic-Publikum. Exzessive Gewalt und zynische Gags heizen das Publikum an. Genussvoll verstößt der Film gegen alle Genreregeln des Gangsterfilms und zeichnet den Gangster als Sympathieträger und den Cop als faschistoiden Unsympath. Cartoonhaft überzeichnete Charaktere, stilisierte Bildersprache und aufpeitschende Musik lenken von der kümmerlichen Story ab. Ansich macht der Film keinerlei Sinn, aber er ist auf perverse Weise faszinierend. Schon lange gab es keinen Film mehr, der nicht im geringsten den Verstand anspricht, sondern nur die Sinne.
Ein Heidenspaß! (quer-view)
Wem schon als Baby statt einer Rassel eine Magnum in die Wiege gelegt wird, dessen Karriere ist vorherbestimmt. So auch die von Yann Lepentrenc (Vincent Cassel), alias der "Dobermann". Er wird zum schillernden Gangsterboß inmitten irrer Kumpanen, die alle eins gemeinsam haben: Die Liebe zum kalten Stahl der Waffen. Da ist die taube Zigeunerin Nat, die gerade Gewehre unheimlich sexy findet, der verrückte Mosquito, der auch Sport nie ohne Waffe treibt, der Killermaschine Pitbull mit seiner fast schon kindischen Vernarrtheit in seinen kleinen Mops und schließlich der Priester, der immer einen frommen Spruch parat hat. Die brutale Gang will ihren großen Coup landen und in Paris einen Banküberfall über die Bühne bringen. Ihr Gegenspieler dabei ist der nicht weniger verrückte Inspektor Christini (Tchéky Karyo). Sein Ziel: Den Dobermann zu stoppen - um jeden Preis! Der Film ist äußerst brutal, schonungslos, surreal und zynisch. Trotzdem: Das Kinodebut von Regisseur Jan Kounen ist von der ersten bis zur letzten Szene atemberaubend. Er setzt die Technik aus seinen Werbespots und Videoclips konsequent um, so daß man das Gefühl hat, in einem zwei Stunden langen Spot zu sitzen. Dabei arbeitet er mit Splitscreens, unglaublichen Blenden und rasanten und perfekten Schnitten. Jan Kounen zeigt, was im Kino möglich ist: Etwas völlig Neues, abseits vom Mainstream-Trott gewöhnlicher Actionfilme.
Leider bleibt die Story dabei flach. Gangstergeschichten wie diese haben wir schon dutzendfach gesehen. Aber eine ausgefeilte Geschichte ist auch nicht Kounens Intention. Sein Streifen definiert durch die Machart das "Erlebnis Film" neu. Jan Kounen ist auch nicht der vielbeschworene europäische Quentin Tarantino. Die einzige Parallele zwischen den beiden ist vielleicht die Faszination von Gewalt. Kounen ist aber anders als Tarantino brutal gut, auf seine eigene Art.
Ein besonderes Lob gebührt auch den Debutanten Schyzomaniac, von denen die Musik stammt. Sie schaffen es, durch ihre sorgfältig arrangierten Techno-Sounds - und sei es nur durch drei Takte an der richtigen Stelle - die Wirkung der Bilder bis zum Gänsehauteffekt zu steigern. So muß Filmmusik eingesetzt werden.
Fazit: Wer sich nicht durch schonungslos gezeigt Gewalt abschrecken läßt, für den könnte dieser Film ein Wegweiser sein, wohin sich Kino entwickeln kann. Eins ist er aber auf jeden Fall: ein absolut atemberaubendes Erlebnis. (Martin Hüsener, InDOnet)
Vielleicht erinnert sich noch jemand an die ersten zehn Minuten von Baz Luhrmanns Romeo und Julia. Die waren filmtechnisch so wild, daß die Leinwand zitterte. Schnelle Schnitte, wilde Kamerafahrten, irre Zooms, zackige Schwenks, Spiele mit Licht, Ton und Verzerrungen, zack, zack, zack, wie Achterbahnfahren im Kinosessel. Der junge belgische Regisseur Jan Kounen hat mit ähnlicher Wildheit einen ganzen Film gedreht. Bei seinem Debut "Dobermann" sind Schwindel und Rauschzustände garantiert.
Kounen war Werbefilmer, und das kann man in jeder Sekunde von "Dobermann" sehen. Videoclip-Ästhetik im Kino kennt man seit Jahren aus fast jedem Hollywood-Actionfilm und vielen mehr oder weniger coolen Generationenportraits oder Gangsterfilmen. Doch noch kein Film hat diese Optik so konsequent umgesetzt wie Kounens Comicverfilmung. Ging bei Filmen wie "Romeo und Julia" und Paul Andersons Shopping lediglich ein Stück des Inhalts in der überbordenden Form unter, kommt "Dobermann" quasi als Formmaschine daher, die jeden Ansatz von Inhalt unter sich plattwalzt. Anders gesagt: Welcher Zuschauer kümmert sich schon um Story und Figuren, wenn der Regisseur ihm die Bilder derart wüst um die Ohren haut? Vincent Cassel aus Haß spielt den knallharten Gangster Yann, genannt Dobermann, dem schon bei der Taufe von einem netten Onkel eine 357er Magnum buchstäblich in die Wiege gelegt wurde. Zwei gute Jahrzehnte später hat Yann eine liebenswürdige Gang um sich geschart: seine Geliebte, die taubstumme Zigeunerin Nat (Monika Belluchi), einen nur äußerlich sanften Priester mit einer Vorliebe für Handgranaten, einen sentimentalen Hundeliebhaber, einen paranoiden Killer, einen verheirateten Transvestiten und noch einige weitere skurrile Originale. Zusammen rauben die Jungs, Mädels und Dazwischens zwei Banken aus. Auf der, na ja, anderen Seite gibt es den brutalen Cop Christini (Tcheky Karyo), der die Bande um jeden Preis dingfest machen will und dabei selbst vor Folter und Mord nicht zurückschreckt.
Jan Kounen hat einen gänzlich gefühllosen Film gedreht, so taub wie Nat, die Zigeunerin und so stumpf wie die unglaublich krasse Gewalt, die er zeigt. Doch das ist nur konsequent: Kounen powert sein ästhetisches Konzept durch, und versteht es, dem Zuschauer mit rein filmischen Mitteln den Atem zu rauben. Wie bei einem richtig geilen Werbespot, nur daß dieser hier zwei Stunden dauert.
Man kann das verurteilen, denn mit einer traditionellen Vorstellung von Kino hat "Dobermann" nichts mehr zu tun. Kounen benutzt zwar inhaltlich ausschließlich Versatzstücke und Klischees aus anderen Filmen, dreht sie aber ungerührt durch den Reißwolf seiner Vision von Kunst. Einer Kunst, die grell und oberflächlich ist, aber auch neu und aufregend. Die Zeit der Langweiler ist vorbei, auf der Leinwand darf gelitten werden und gestorben, geliebt und gelacht und getrauert, ohne daß etwas davon spürbar wird. Was zählt, ist wie in der Achterbahn nur das Erlebnis des Augenblicks. (Christoph Elles, InDOnet)
Wilde Bullen und bissige Hunde. Das blutrünstige Debüt eines französischen Regisseurs, der sich süffisant im Windschatten Tarantinos räkelt, heißt "Dobermann".
Weil ein Mann ohne Waffe keiner sei, schenkt Onkel Joe seinem frisch getauften Neffen Yann eine geputzte und geladene Magnum. Das Erlebnis prägt den Kleinen so nachhaltig, daß er keine dreißig Jahre später einer der berüchtigtsten Gangster Frankreichs ist. Mit seiner stummen Freundin Nat (Monica Bellucci) macht Yann (Vincent Cassel), von Komplizen und Polizei "Dobermann" genannt, die Straßen unsicher.
In einer frühen Szene von Dobermann gibt es eine Kostprobe seiner ausgelassenen Raubritterei: In übermächtiger Pose blockiert der "Dobermann" eine Straße und feuert auf einen heranfahrenden Geldtransporter: Explosion, Mann fliegt durch die Windschutzscheibe auf die Straße, ein paar rotzige Sprüche - so simpel kann Action im Kino aussehen. Mit perspektivisch verzerrten Aufnahmen, übermütigem Kamera-Gefuchtel und stark gerafften Sequenzen versucht Regisseur Jan Kounen, die Fadenscheinigkeit seiner Szenarien wettzumachen.
Schnoddrig-brutal geht es auch bei der Polizei zu. Vor allem die Praktiken des Kommissars Christini (Tchéky Karyo) stehen denen seines Kontrahenten nicht nach: Kommt er von einem Verhör, muß sich sein Assistent das Blut von den Armen waschen, und bei seinen Ermittlungen spielt er den folternden Inquisitor. Schleppend bahnt sich die Begegnung zwischen Christini und dem "Dobermann" an, aber davor gibt es viel Material- und Menschenverschleiß - und eine zur Karikatur neigende Studie kaputter Verbrecher- und Ermittlerpsychen.
Kounen kokettiert mit den parodistischen Momenten von Story und Figuren, und er verleiht dem Dauer-Gemetzel ein aufdringlich poppiges Outfit: Damit scheint er an sein Publikum appellieren zu wollen, das Ganze nicht so ernst zu nehmen - was allerdings in Anbetracht der auf das gemeine Verbraten von Genre-Gemeinplätzen beschränkten Komik kaum möglich ist. Dobermann hinterläßt in einem das Gefühl, durch eine kochend heiße, zu stark gesalzene und nach nichts schmeckende Suppe eines in seinen eigenen Zynismus verliebten Kochlehrlings geschwommen zu sein. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 2/10/1998)
"Dobermann" - Ein Mann und seine Magnum.
Dieses weder neue noch originelle Gespann macht den "Dobermann" aus, Gangster und Oberbandit. Der eigentlich Böse aber ist - auch das nicht neu - ein Polizist. Gewaltoperette, die auf den "Le Dobermann"-Romanen von Joel Houssin basiert. (Heike Obermeier, KURIER)
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