Erneuter Suizid in Stein.
Der Standard 7./8.Juli
2001
Justizminister verordnete Maßnahmen
und sprach vom Gesetz der Serie
Die Reihe von Todesfällen in der niederösterreichischen
Justizanstalt Stein setzte sich fort. Wie Freitag bekannt wurde,
hatte Donnerstag ein 34-jähriger Häftlling Suizid begangen.
Damit sind in vier Wochen fünf Insassen verstorben. Einer
erlitte einen Herzinfarkt, einer verstarb - in ein Bette gefesselt
- an einem Darmverschluss, drei nahmen sich das Leben. // Wie
berichtet, hat die Staatsanwaltschaft bereits gerichtliche Vorerhebungen
eingeleitet. Und Freitagvormittag rief FP-Justizminister Dieter
Böhmdorfer die zuständigen Abteilungsleiter zusätzlich
zu einer Krisensitzung in Wien zusammen. Danach wurden Ermittlungsbeamte
nach Stein geschickt, um direkt vor Ort mit den Untersuchungen
zu beginnen. // Gerhard H. hätte wegen Gewaltverbrechen
acht Jahre absitzen müssen. Er trat 1996 seine bis zum 10.Juli
2004 datierte Haft an - in einem guten Jahr hätte er um
bedingte Entlassung ansuchen können. /// Bald nach seiner
Einlieferung habe man suizidale Tendenzen bei H. festgestellt.
Seit dem vergangenen Jahr habe es laut Johann Hadrbolec, Anstaltsleiter
von Stein, aber keinerlei Anzeichen auf einen möglichen
Selbstmord mehr gegeben.Wegen paranoider Psychose musste er jedoch
von April bis Juni im psychiatrischen Spital Mauer-Öbling
behandelt werden. Danach wurde er als "stabilisiert"
wieder nach Stein zurückgeschickt - ihm war eine Depotspritze
mit Psychopharmaka verabreicht worden, die bis 13. Juli hätte
wirken sollen. Zudem wurde er täglich mit weiteren Pillen
ruhig gestellt. // Donnerstag gegen 15 Uhr wurde H. tot in seiner
Haftzelle gefunden. Er hatte sich - wie Briefbomber Franz Fuchs
vergangenes Jahr in der Grazer Haftanstalt Karlau - mit einem
Elektrokabel erhängt. / / Die drei Suizide scheint ein
roter Faden zu verbinden: Alle Opfer waren psychisch krank.
Daher sollen nun in Stein vorerst keine "psychiatrisch auffälligen
Insassen" mehr aufgenommen werden. Zudem soll das "medizinische
und psychologische Versorgungssystem" in der Justizanstalt
auf mögliche Verbesserungen untersucht werden und ein geplanter
Lehrgang über mögliche "Selbsttötungsprävention"
von einer anderen Justizanstalt nach Stein verlegt werden. Langfristig
plant das Ministerium eine speziell für "psychisch
gestörte Pflegefälle" eingerichtete Abteilung
in Stein. Die derzeitige Häufung der Suizidfälle
in Stein entspräche laut wissenschaftlichen Erkenntnissen
jedoch dem "Gesetz der Serie" so die offizielle Stellungnahme
von Minister Dieter Böhmdorfer, da "Selbstmordfälle
bei Bekanntwerden Auswirkungen auf andere suizidgefährdete
Menschen haben und sie in ihrer Ausführungsabsicht bestärken
können. // Jedes Jahr nehmen sich laut Untersuchungen im
Schnitte 14 von insgesamt rund 7000 Häftlingen in Österreich
das Leben - die meisten in Einzelzellen und in Untersuchungshaft.
Umgelegt auf die Gesamtpopulation ereignen sich damit hinter
Gittern bis zu zehnmal mehr Suizide als davor.
Bild mit Unterschrift : "Stein-Chef Hadrbolec: "Das
bedrückt mich, weil man sich immer fragt, wie kann man das
verhindern?" |