Thomas Schmitz: Rezension
sftv


eZine über SF im Fernsehn: Serienführer, Besprechungen, Hintergründe.
(Cyberzine, dt., permanent aktualisiert)

Ein ganz besonderes Zine mit Qualität? Kaum. Mit sftv ist es wie mit der angeblich längsten Praline der Welt. Die ist unter ihrer Verpackung genau das, was sie nicht zu sein behauptet: ein ganz gewöhnlicher Schokoriegel. Eßbar. Aber eben nichts Besonderes.

    Dieses eZine aus der Schweiz ist nicht irgendein Projekt, es ist nach dem Willen seiner Redakteure Rafael Scholl, Philipp Ruch und Martin Seebacher etwas ganz Besonderes: Zum einen, heißt es dort, sei das "Projekt von der Tragweite her einmalig im deutschen Sprachgebiet". "Zum anderen haben sich die sftv Seiten in erster Linie der Qualität verpflichtet." Starke Worte, die ich gerne glauben möchte. Die dazu einladen, den Ansprüchen einmal nachzugehen.

    Ein erster Blick: Die Aufmachung. Die ist eher schlicht, beschränkt sich auf wenige Farben. Viel Text, aufgelockert durch Fotos: Das sieht seriös aus. Und viel Text - das ist angesichts des Trends, auch komplexeste Themen auf wenige griffige Slogans zu reduzieren, herzerfrischend konservativ und eine Wohltat fürs Gehirn. Wem das nicht gefällt, dem empfiehlt die sftv-Redaktion wegzusurfen.

    Aufbau der Eingangsseite und Navigation sind nicht sonderlich nutzerfreundlich. Zwar ist die Liste der Neuerungen der Site richtig noch am Seitenanfang positioniert. Ein torsohaftes Menü aber findet sich erst in der unteren Hälfte der Eingangsseite am Rand. Die Links zu den einzelnen nach Fernsehserien wie Voyager, DS9 oder The X-Files benannten Sektionen in der unteren Mitte. Das ist mindestens unübersichtlich. Es ist auch nicht konsequent, denn unter der eigenen Sektion "Artikel" finden sich auch solche zu den Star Trek-Serien. Auch sind in den anderen Sektionen Artikel gelistet, die unter "Artikel" selbst nicht zu finden sind. Der Sprung zwischen den Sektionen ist überdies nur indirekt über die Eingangsseite möglich. Kurz: die ganze Navigation müßte einmal in Ruhe überdacht werden.

    Science Fiction und TV, so lautet der Name des Zines. Dabei ist die Flut der Serien, die irgendwie mit dem Genre zu tun haben, nicht zu bewältigen. Notgedrungen reduziert sich der Inhalt deshalb auf Material zu einigen wenigen Serien. Am besten werden dabei die Star Trek-Fans bedient, für die es gleich mehrere Sektionen mit zum Teil hochspeziellen Informationen gibt. Während mit großem Aufwand im Februar die neue "Earth 2"-Sektion der gleichnamigen längst eingestellten Serie eröffnet wurde, ist über einige anderen Produktionen nicht ein einziges Wort zu erfahren. Hier spiegelt sich offenbar das höchst subjektive Interesse der sftv-Macher wieder.

    Der Inhalt besteht zum Großteil aus etwas, das man als "Service" bezeichnen kann: Aus Episodenführern zu den genannten Serien. Hier findet Fans die Zusammenfassungen auch der Folgen, die in Deutschland bisher nicht gesendet wurden, Ausstrahlungstermine, Übersichten neuer Kaufvideos und dergleichen mehr. Die Nützlichkeit des Ganzen wird allerdings eingeschränkt: So sind nur die amerikanischen Originaltitel der Serienfolgen gelistet. Die deutschsprachigen dagegen fehlen (sollen aber später beigefügt werden). Angaben über Kaufvideos beziehen sich ausschließlich auf die Originalversionen. Ausgesprochen positiv fielen mehrere Besprechungen von Rafael Scholl auf. Was er etwa zur "Voyager Episode #67: 'Scorpion'" schreibt oder wie er die CD "The Best of Star Trek" bespricht, das überragt das gängige Niveau im Fandom bei weitem: ausführlich, kritisch und originell sind seine Beiträge hier.

    Das Gros der andere Artikel enttäuscht dagegen. So Thomas Höhl mit "Die Synchrofamilie...", in dem er sich mit der deutschen Synchronisation der vorwiegend amerikanischen SF-Serien beschäftigt. Die dabei zu Sprache gebrachten Punkte sind bekannt: Die deutschen Stimmen klingen meist ganz anders als die Originale. Das geht oft nicht ohne Schaden für die Darstellung der Filmfigur ab. Nicht sonderlich überzeugend auch, wenn Silvester Stallone und Arnold Schwarzenegger plötzlich mit selber Stimme sprechen oder ein und dieselbe Figur verschiedenen Stimmen besitzt. Bert Brecht hätte vermutlich seine Freude an solchen Verfremdungen gehabt. Den Fan nervt es offenbar, bestenfalls amüsiert es ihn. Die Kritik jedenfalls ist nicht originell. Thomas merkt rasch selbst, daß er nicht viel zu sagen hat. Statt aber hier den Schlußpunkt zu setzen, listet er nun akribisch alle Synchronisations-Merkwürdigkeiten auf. Eine große Leistung ist das nicht. Denn wie im Artikel angegeben sind die Infos auf einer Webseite von Martin Schowanek nachzulesen.

    Wer unter dem Link "Alien 4 - Ressurection" nun eine Besprechung vermutet, ist selber Schuld: "Im Weltraum kann Dich niemand schreien hören..." So reißerisch beginnt Philipp Ruchs Beitrag über die gesamte (!) Alienquadrologie. Doch ist leider nur ein müdes Sammelsurium zusammengekleisterter Informationsbröckchen um die Produktionsgeschichte dabei herausgekommen, die mehr schlecht als recht durch das Thema "Alien" beieinander gehalten werden. Marktschreierisch werden auch die unwichtigsten Sätze mit Ausrufezeichen für wichtig erklärt: "In den USA kam der Film dann in einer 117minütigen Fassung in die Kinos und nahm insgesamt 40,3 Millionen Dollar ein!" oder: "Diesmal sollte sich alles auf einer sowjetischen Raumstation abspielen, eine Art Kalter Krieg im Weltraum, anstatt mit Atomwaffen mit Aliens!" Die Ausrufe sind inflationär. Das hier vorgegebene Insiderwissen bei genauen Hinsehen so oberflächlich und lückenhaft wie es nur ein Experte zustande bringt, der sein Wissen aus der Lektüre von zwei, drei PR-Schriften und Fanzines bezogen hat. Fans dürften hier allerdings manch nette Anekdote finden. Diese Art Beiträge ist typisch für sftv. Zusammengeklaubt wird, was aufzutreiben ist. Schlecht kopiert wird dabei der Stil grauenhafter The-making-of-Beiträge, wie sie die Filmfirmen im Rahmen ihrer Werbekampagnen verbreiten. Die Quellen scheinen dabei - nach der Herkunft der Serien liegt das nah - großenteils aus den Vereinigten Staaten zu stammen: Spätestens bei den immer wieder herausgestellten Einzelheiten aus dem amerikanischen Quotenkrieg dürfen wir uns nach der Relevanz für das deutschsprachige Publikum fragen. Ebenfalls kaum statt findet in solchen Artikeln eine auch nur halbwegs kritische Auseinandersetzung mit den dargebotenen Informationen. Qualität? Die gerät dabei ziemlich ins Hintertreffen. Den absoluten Tiefschlag versetzt ihr "Hinter den Kulissen" aus der neuen "Earth 2"-Sektion (O-Ton: "die wohl informativsten deutschen Webseiten zur SF-Serie" - ein Hund, wer da an Schokoriegel-Werbung denkt!). Ein Verfasser wird hier nicht genannt. Vielleicht ist das gut so. Wer immer diesen Beitrag nach dem genannten Muster gestrickt hat, schreibt ein Deutsch, das weh tut, dem Inhalt aber durchaus angemessen ist: "Heraus kam Einstimmigkeit, dieses Projekt in die Tat umzusetzen." "Im Gebiet der Medizin wurde viel nachgeforscht [...] Duggan, Flint und Levin lieferten nach acht Monaten ausgezeichnete Arbeit ab, die der US-Fernsehsender NBC nach einer Besprechung zur Aufnahme neuer Serien ins eigene Programm innerhalb von vierundzwanzig Stunden bestellt hatte." "Jemand betreute den Autorenstab, jemand war am Set und jemand überwachte die Nachbearbeitung der einzelnen Episoden." Und dergleichen schlaue Bemerkungen mehr.

    Daß es auch anders geht, beweist nicht nur der oben schon erwähnte Rafael Scholl mit seinen Rezensionen. Ein kleiner Lichtblick auch "Die Voyager-Einschaltquoten", ein Kurzbeitrag von Philipp Ruch über die möglichen Gründe für höchst unterschiedliche Einschaltquoten der Voyager-Serie in Deutschland und Österreich. Das ist es, was ansonsten weithin fehlt: Beiträge, die ein wenig mehr Aufwand erfordern als das Kpieren und Zusammenkleben vorgefundenen Bröckchen. Konzepte, Meinungen, Charakter: für mich gehört das unbedingt zu Qualität dazu.

    sftv ist ein Fanzine im eigentlichen Sinne: interessant für die Fans einiger SF-Serien, die sich über einzelne Folgen informieren wollen oder leichtverdauliche Info-Häppchen und Gerüchte lieben. Dieser Service ist allerdings oft sehr stark auf amerikanisches Publikum zugeschnitten. Wo bleiben Berichte über Veranstaltungen zu denSerien hierzulande? Wo Infos über die Serienpolitik deutschsprachiger Sender?

    Die beschworene Qualität sucht man bei sftv bisher vergeblich. Stefan Münz, Autor des HTML-Tutorials SelfHTML, hat in einem Interview kürzlich gesagt, das ganze Eigenlob auf Webseiten sei ihm unerträglich. "Jede zweite Seite will die größte sein, ohne daß etwas dahinter steckt." Nun ist es nicht so, daß da nichts hinter steckte hinter sftv. Gute Ansätze sind einige wenige vorhanden. Aber mit sftv ist es wie mit der angeblich längsten Praline der Welt. Die ist unter ihrer Verpackung genau das, was sie nicht zu sein behauptet: ein ganz gewöhnlicher Schokoriegel. Eßbar. Aber eben nichts Besonderes.

Thomas Schmitz
Bochum, 5.3.1998
IE 3.0; NN3.0 (600x800)

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