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Frostig-fröhliches Fährtchen

(© Tages-Anzeiger; 2002-03-02; Seite 17; Stadt Winterthur)

30 junge Velofahrer und -fahrerinnen haben gestern Freitag den Abendverkehr in Winterthur verlangsamt. Einige Autofahrer reagierten gereizt, die meisten gelassen.

Von Martin Gmür

"Merke: Wir behindern nicht den Verkehr, sondern wir sind der Verkehr". Diesen Satz liest man im Internet über Critical Mass Winterthur. Critical Mass ist eine weltweite Bewegung, die ihren Ursprung in San Francisco hat und die sich auch in verschiedenen Schweizer Städten bemerkbar gemacht hat. In Winterthur war das Phänomen vor vier Jahren erstmals aufgetaucht, verschwand dann wieder und ist jetzt wieder da.

Taktik der Masse: Kompakt fahren

Eine unorganisierte Gruppe vorwiegend junger Velofahrer und Skater trifft sich immer am ersten Freitag im Monat beim Technikum und bewegt sich als Masse (daher der Name) auf zentralen Stellen des Strassennetzes. Vor einem Monat kam so der Verkehr auf der Zürcherstrasse zum Stocken, gestern hatten die gemütlichen Pedaleure unter anderem die Tösstalstrasse im Auge.

"Rein zufällig" würde sich die kritische Masse jeweils für "ein freudiges Feierabendfährtchen" treffen, heisst es im Internet. Sinn und Zweck der Aktionen sei es, "ein Minimum an fossilen und atomaren Brennstoffen" zu verbrauchen - "zur Freude unseres schönen Planeten". Laut einem Flugblatt, das im Vorfeld auf Velogepäckträgern und andernorts auftauchte, will die kritische Masse "so kompakt wie möglich" fahren, "damit sie nicht von stärkeren VerkehrsteilnehmerInnen zerrissen wird". Die Verkehrsregeln würden dabei "selbstverständlich alle eingehalten". Zudem sei die Aktion gewaltfrei. "Wenn du jemanden siehst, der sich nicht daran halten will, mach sie/ihn darauf aufmerksam", hiess es auf dem Flugblatt.

Gestern Freitagabend um 18 Uhr vor dem Technikum. Es ist frostig und feucht. Nach und nach treffen junge Leute ein und stehen in Gruppen zusammen, die sich zu kennen scheinen. Die einen haben von Freunden gehört, was abgeht, die anderen in der Beiz oder auf dem Gepäckträger das Flugblatt gefunden. Um Viertel nach sechs sind es gegen 30 Personen, die losfahren Richtung Tösstalstrasse - ausnahmslos mit funktionierendem Licht. Obwohl die Masse nicht riesig ist, verstopft sie die Fahrspur.

Polizei wusste von nichts

Die Automobilisten halten sich zurück, hupen selten und überholen erst an einer übersichtlichen Stelle. Nur gelegentlich drängt einer vorbei, wos nicht sein müsste. Die Gruppe ist fröhlich, obwohl die Hände am Lenker ob dem kühlen Nieselwetter klamm werden. Beim Zwingliplatz wechselt die Führung; hinten im Zug weiss niemand, wohin die Fahrt geht. Wer die Richtung mitbestimmen will, fährt nach vorn. "Die Masse verhält sich wie das Wetter: Zwar kann man probieren, es vorauszusagen, aber es ist deshalb überhaupt nicht sicher, dass es auch so sein wird", steht auf dem Flugblatt, das für die Aktion in einem Monat mobilisiert. Die Stadtpolizei übrigens hatte im Vorfeld keine Kenntnis davon.



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