Ein pubertärer Haßsong, primitiv und (auch als Lied) einfach schlecht, der
schnell in Vergessenheit geraten wäre, wenn er sich gegen Punks, Hippies
oder "Bullen" gerichtet hätte. Der nie offiziell auf einer Platte
erschienen ist, den kein einziger unserer Kollegen, die wir fragten, jemals
gehört hat, auch nicht diejenigen, die ihn in ihren Artikeln als "Beweis"
für die rechtsradikale Ausrichtung der Onkelz anführten. "Türken raus"
entstand- auch das wird in der Berichterstattung gewöhnlich unterschlagen-,
als die Böhsen Onkelz noch mit grün- und rotgefärbten Haaren durch die
Gegend liefen. (Das macht den Song nicht besser, paßt aber wohl nicht in
die Skinhead-Kiste.)
"Durch unser Aussehen als Punker hatten wir Schwierigkeiten mit
ausländischen Popper-Gangs auf der Straße, die sind oft in Schlägereien
ausgeartet. Wir haben ständig von ausländischen Jugendgangs auf´s Maul bekommen, und
irgendwo war halt das Ventil zum rauslassen. Der Song hatte eigentlich
keinen politischen Hintergrund. Was da reininterpretiert wurde, ist was
ganz anderes, als ursprünglich gemeint war."
1983, das erste heiß ersehnte Demo-tape der Band war soeben erschienen, erklärte ein Onkel im Interview seine "politische" Einstellung: "Neonazis sind feige Schweine. Die wollen die Skins praktisch als Dreck seh´n, und wenn sie dann die Macht ham, dann machense die, die ihnen früher geholfen haben, gleich weg. Voll die Bastarde. Neonazis sind vielleicht in der Beziehung mit Ausländern einer Meinung, aber nur Teilweise, aber ich bin doch kein Adolf Hitler-Fanatiker. Ich hab mit dem doch nichts zu tun, der war vor Vierzig Jahren, der interessiert mich doch überhaupt nicht, wir ham heute ganz andere Probleme. Ich mein´, Diktatur brauchen wir bestimmt nicht mehr."
Die Onkelz waren nie Nazis, haben sich auch in ihren härteren Anfangsjahren trotz massiver Anwerbeversuche seitens der Frankfurter Dependace der Aktionsfront Nationaler Sozialisten nicht vor den Karren neonazistischer Gruppen spannen lassen. Sie gehörten nicht zu Ian Stuarts Blood & Honour Künstlervereinigung und ließen schon frühzeitig das Verteilen von FAP-Propagandamaterial bei ihren Konzerten durch die Onkelz-Security unterbinden. Sie waren "stolze Deutsche": Nationalisten und Rassisten wie ein Großteil der bundesdeutschen Wendejugendlichen Anfang der 80er Jahre. Doch sie waren eben auch Musiker, und so konnten sie lautstark von der Bühne herabgröhlen, was andere Gleialtrige nur in der anonymen Masse eines Fußballstadion oder im kleinsten Freundeskreis los wurden. Und da sie nunmal keine Jurastudenten aus wohlsituierten Verhältnissen waren, sondern Mitglieder einer rüden Eintracht Frankfurt-Straßengang, fielen ihre worte entsprechend grob aus.
Die Bandmitglieder waren inzwischen Skinheads geworden-
wie viele Punks in jener Zeit. "Skin sein hieß tanzen, saufen, spaß haben,
auffallen, leute provozieren. Wir waren schon als Punks politisch
uninteressiert gewesen.
Viele Skins sind so wie wir nur aus einem Grund von Punks zu Skins
gewechselt: Punk war ganz nett und geil, solange man zur Schule ging. Aber
dann kam die Lehre. Da ging das mit dem extremen Outfit nicht mehr. Um zu
zeigen, das wir dennoch anders waren, haben wir halt auf Skinhead gemacht,
das harte Image noch ein bißchen mehr betont...".
"Der nette Mann"
1984, die erste Onkelz-LP "Der nette Mann" kam auf den Markt, war die Band
längst ein fester Bestandteil der Frankfurter Skinhead- und
Fußballrabaukenszene. Sie lebten dasselbe rüde Leben wie ihre Fans: ließen
kein Spiel der Eintracht aus, verbrachten ihre Abende in denselben Kneipen,
kassierten Haus- und Stadionverbote, besuchten die Bahnhofpuffs und
prügelten sich mit Jugoslawischen Zuhältern auf den Straßen davor, knackten
Ziegarettenautomaten und ließen sich dabei erwischen, besorgten sich aus
London die neuesten Ska-Scheiben und echte Doc Martens. "Skinhead, immer
nur Skinhead" sangen sie auf der Straße und ließen sich, um die
Unwiederruflichket ihrer Entscheidung jedem Modepunker vor Augen zu führen,
immer neue Tätowierungen in den Oberkörper stechen.
Sie lebten das Leben ihrer Fans, und das merkte man den Songs auch an.
Fußball(randale) und Skinheads waren die zentralen Themen.
Die Fußballszene spaltete sich gerade in brave Kuttenfans und
"Gewaltbereite".
Die Onkelz ließen niemanden im unklaren darüber, zu welcher Fraktion sie
gehören.
Wir stehen in einer Front und singen unsere Lieder,
wir stehen zu unserer Fahne und machen alle nieder,
Heißt es in dem Lied "Fußball und Gewalt", und "Frankreich´84" bereitet die
Fans auf die kommende EM vor.
Aber vor allem enthält "Der nette Mann" mit "Singen und Tanzen", "Stolz"
und "Vereint" gleich drei Hymnen für die Skinheadbewegung.
Das Album gilt zurecht als das bedeutendste dar Deutschen Skinheadszene.
Uns sind bisher nur wenige bebegnet, die es nicht besitzen, wenn auch
zumeist nur auf Kassette. Denn das Original wird heute zu
Schwarzmarktpreisen von mehreren hundert Mark gehandelt. Verantwortlich für
diese enormen Wertsteigerung ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährliche
Schriften, die das Album am 15.August 1986 auf Antrag der Landesjugendämter
Rheinland und Westfalen-lippe sowie der Stadtjugendämter Köln und Gladbeck
indizierte. Bei der entscheidenden Sitzung waren an jenem Tag drei Leute
anwesend: Der leitende Regierungsdierektor und BOS-Vorsitzende Rudolf
Stefen, die Schriftstellerin Thea Graumann, der Amtsgerichtsdirektor
a.D.Werner Jungeblodt als Repräsentant der Kirchen. Da das Plattenlabel
Rock-O-Rama wie Üblich auf jeglichen Wiederspruch verzichtete, wurde der
Urteilsspruch des Bonner Trios rechtsgültig.
Dabei wäre eine gerichtliche Auseinandersetzung durchaus interessant
geworden, denn das neunseitige Papier liest sich über weite Strecken wie
ein Fake aus der Titanic-Redaktion. Nicht nur, das die Gutachter offenbar
nicht in der Lage waren, die Texte überhaupt nur akustisch zu verstehen-
die "wörtlichen" Abschriften wimmeln von Entstellungen, zum Teil in
entscheidungsbegründenden Passagen-, auch die Interpretation wirken wie
bösartige Eulenspiegeleien. So heißt es etwa über den Hooligan-Song
"Frankreich´84": "...
Nationalistisches Gedankengut, insbesondere die Vorherrschaft und Dominanz
des deutschen Volkes werden propagiert... Das französische Volk wird wie
Freiwild beschrieben. Damit wird das Bekenntnis dar BRD als demokratischer
Rechtsstaat zu einem gleichberechtigten Mitglied der Völkergemeinschaft in
Frage gestellt; die Völkerverständigung unter Einschluß gerade auch der
Aussöhnung des deutschen Volkes mit den früheren Kriegsgegnern wird
negiert. Ein Handeln wird gefordert, das die Bemühungen der
Völkerverständigung und der Anerkennung zunichte macht.... Ein Lied, das
sich offen gegen die Völkerverständigung ausspricht und-mehr noch- dazu
auffordert, einen als minderwertig beschriebenen Volksstamm zu beleidigen,
führt zu einer sozialethischen Verwirrung. Dieses Lied ist
jugendgefährdend." Sollte dies allgemeine bundesdeutsche Rechtsauffassung
werden, dürften jugendliche unter 18 künftig kein Bundesligastadion mehr
betreten. Das Wort "Volksstamm" taucht in keinem Text der Böhsen Onkelz
auf.
Konnte man angesichts der Interpretation von "Frankreich´84" nur hoffen,
daß sich die drei älteren Herrschaften niemals per Zufall auf einen
richtigen Fußballplatz pder irgendein anderes Volksfest verliefen, so
läßt sich die Wiedergabe des Titelsongs in der Sprache der Jugendschützer
nur noch als surrealistisch beschreiben. "Der nette Mann" ein Text "voller
Sarkasmus und schwarzen Humor" handelt von einem Kindermörder.
Onkelz-Texter Stephan: "Mich interessiert die Psyche von Menschen. Deswegen
schreib ich oft Lieder über Verrückte oder Gewaltverbrecher oder auch
Kindermörder, weil das die absoluten Normalbürger Nummer 1 die sind, sind
von jedem anerkannt!" In der Leseart der Bundesprüfstelle wird aus einem
Text, der die "Normalität" der Gewalt gegen Kinder angreift, eine
"Aufforderung, kleine Kinder zu zerstückeln".
Dieses Lied stellt nicht nur Grausamkeiten dar, es predigt auch eine gefühllose Gesinnung gegenüber kleinen Kindern. Es verherrlicht Kindesmißhandlung und -zerstückelungen, es predigt Mord an kleinen Kindern, §211 StGB. Perverses Menschenschlachten wird als herrlich, vorbildlich und nachahmenswert geschildert. Es ist zu befürchten, daß sich insbesondere junge Leute durch das Rezipieren dieses Liedes zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen." Die BPS in ihrer Indizierungsverfühgung vom 15. August 1986
Als würde dieses Plädoyer für eine fristlose Auflösung der
jugendgefährdenedn Bundesprüfstelle noch nicht reichen, verpassen die
Bonner Sittenwächter auch noch der Musik selbst ihre qualifizierte
Betonung, wobei es ihnen nur mit Mühe gelingt,
ihren offendsichlichen Ekel vor dieser Art von entarteter Kunst zwischen
den Zeilen zu verstecken: "Insbesondere stellen die Lieder auf der Platte
keine Kunst dar und dienen ihr auch nicht. Ein Kunstwerk liegt nämlich nur
dann vor, wenn ein bestimmtes maß an künstlerischen Niveau vorliegt. Dies
beurteilt sich nicht allein an ästhetischen Kriterien, sondern auch nach
dem Gewicht, das das Kunstwerk für die pluralische Gesellschaft nach deren
Vorstellungen über die Funktion der Kunst hat." Mit anderen worten: Was der
mehrheit nicht gefällt, ist keine Kunst. Und gehört verboten: "Die Lieder
der vorliegenden Platte sind für die pluralische Gesellschaft ohne jede
Bedeutung. Weder die Stilrichtung der Musik noch die inhalte der Texte sind
so bedeutsam bzw. von derart hohem künstlerischem Gewicht, daß sie der
Kunst dienen würden."
Wer wundert sich da noch, daß die Indizierungslisten aus Bonn auf
bundesdeutschen Schulhöfen als Verkaufshitparaden gehandelt werden.
Ebenfalls auf dem Debütalbum der Böhsen Onkelz findet sich das zweite
"Deutschland" Lied
das zwar den Bonner Prüfungsausschuß unbeanstandet passiert ( könnte der
Text doch glatt einer Presseerklärung der Bundesregierung entnommen sein),
den Ruf der Band als "Rechtsradikale" aber entscheident zu zementieren
hilft.
Der Text ist zwar auch nicht gerade nach unserm Geschmack geraten, aber
immerhin wird die Zeit des Hitler-Faschismus noch als "12 dunkle Jahre"
gebrandmarkt, was bei den späteren Billigkopien wie "Störkraft, Stuka,
Wotan u.ä." Politrockern der 90er Jahre glatt als Landerverrat geahndet
würde. Und: Worin unterscheidet sich dieser Song eigendlich von der
allabendlichen zum Sendeschluß in Millionen bundesdeutsche Wohnzimmer
getragenen Nationalhymne?
Trotz "Deutschland"-Lied und "Türken raus" unterschieden sich die Onkelz
kaum von anderen randalefreudigen Bands jener Jahre, und in den meisten
Plattensammlungen standen ihre Aufnahmen auch noch friedlich neben Slime,
den Toten Hosen, oder Daily Terror.
Doch während die Punks begannen, jene Fans zu verprügeln, die meinten, ihre
Bands mit "Sieg Heil" und ausgestrecktem Arm auf der Bühne begrüßen zu
müssen, machten die Onkelz gerne mit. "Unpolitisch", der "guten Stimmung"
wegen. "Wir haben uns dann für die Onkelz entschieden, nicht weil sie
rechts wurden, sondern weil die unpolitisch blieben und die ganzen Punks
nach links abdrifteten", erklärt W., erst Punk, dann 1981 Skinhead, die
Spaltung der Fangemeinde. "Daily Terror, das ist doch voll die
Lutschergruppe", meint M. "Es wollte doch keiner hören, von wegen, das
strafmaß bestimmen Nazi-Richter´, diese selbstmitleidige
Interpretationsform. Du kannst als Vergleich sagen, Daily Terror ist wie
eine Friedensbewegung und die Onkelz sind wie die Autonomen."
"Lutscher", "Friedensbewegung", "Polit-Hippies" auf der einen, "Rechte",
"harte Jungs, auf der anderen Seite- nur vordergründig läßt sich das
auseinanderdriften der jugendlichen Subkulturen auf "politische"
Gegnerschaften reduzieren. Dahinter steckt etwas anderes: Punk war immer
deutlicher zum Sammelbecken für Aussteiger aller sozialer Schichten
geworden. Aussteiger auf Zeit. Es konnte die passieren, daß dich in der
Fußgängerzone ein junger Irokese mit zerfetzter Jeans und schwarzgemalten
Augenringen anschnorrte, der sich bei genauerem hinsehen als der Sohn des
Sparkassen-Filialleiter entpuppte. Die "proletarischen" Jugendlichen
spürten, daß viele Punks nicht mehr dieselben Alltagserfahrungen hatten wie
sie, daß es plötzlich soziale und Bildungsunterschiede in der Szene gab.
"Wir leben Punk, und spielen es." Das verunsicherte sie. "Daily Terror singen über alkohol wie eine Solidarkundgebung für Penner und Säufer, wo man nicht genau weiß, ob sie überhaupt selbst alkohol trinken. Du mußt nur die Stimmen der Sänger vergleichen, die Böhsen Onkelz: aggressiv, hart, männliche stimme- klingt glaubwürdig und brutal. Das paßt zum Image der Band, zum Aussehen des Sängers und zur Musik. Dagegen ist die Stimme des Daily Terror-Sängers penetrant moralisch, ist mehr was für idealisten." Ein paar Jahre später genügte es, wenn die Band durch die richtigen Parolen deutlich machte, daß sie für die Szene eintrat, damals mußte man noch in der Szene sein, um akzeptiert zu werden. "Student" wurde bald eines der vernichtendsten Schimpfworte der Glatzengemeinde. Schon eine Brille auf der Nase machte verdächtig, und wer sich wie viele Punks bewußt auch optisch dem harten Macho-Image entzog (und die Szene damit für Frauen attraktiv machte), war out. "So wie die aussahen, da brauchte man nur in den spiegel zugucken und da hatte man schon einen, der besser drauf war", spottet M. über Daily Terror. Da hatten die Onkelz schon mehr zu bieten, vor allem Sänger Kevin, der sich in Frankfurt als Tätowierer bereits einen Ruf erworben hatte und selbst fleißig für sein Gewerbe Reklame lief. " Kevin ist ein Typ, der zupacken kann und sich nichts gefallen läßt; der hat jedes Bier, über das er singt, wiklich getrunken."
Als 1985 das zweite Album der Onkelz, "Böse Menschen, Böse Lieder", herauskommt, hat sich die Skinheadszene weiter isoliert. Die inzwischen erreichte Nähe vieler Jungglatzen zu den Neonazi-Parteien und die zunehmende Gewalttätigkeiten gegen Minderheiten produzieren kontinuierlich Negativschlagzeilen und Aussteiger. Die Beschäftigung mit diesen beiden Problemen wird zum Zentralen Thema des Albums. Zwar gibt es auch das obligatorische Sauflied ("Heute trinken wir richtig"), doch der Anteil der reinen Stimmungshits ist deutlich gesunken. Das Lied "Häßlich, Brutal und Gewalttätig", wohl der bis heute am meisten gecoverte Onkel-Song, wird zur Generalabrechnung mit den Medien.
Wohl als Reaktion auf die Indizierung des letzten Albums greift die Band mit dem Titel "Ein Mensch wie du und ich" erneut das Titelthema auf, diesmal in noch eindeutiger Form.
Mit dem Titel "Signum des Verrats" wendet sich die Band aggressiv gegen die
Altglatzen, die dem Gesellschaftlichen Druck wichen und aus der Szene
ausstiegen:
Doch als das Album auf den Markt kommt, haben sich die ersten
Bandmitglieder bereits selbst die Haare dezent ein paar Zentimeter wachsen
lassen.
Ein knappes Jahr später, 1986, erscheint die Mini-LP "Mexico". Sie enthält
den Song "Stolz" von der Indizierten LP "Der nette Mann", ein im alten
Onkelz-Stil ironisches Fußballied ("Mexico"), ein wenig Sex ("Stöckel und
Strapse"). Zwei Songs beschäftigen sich mit dem zentralen Onkelz-Thema
Gewalt. Doch beide fielen überraschend (selbst-)kritisch aus. In " Gesetze
der Straße" wird die Gewalt bereits zweischneidig als notwendig und
aufgezwungen dargestellt. "Just for fun" zählt nicht mehr, Gewalt ist kein
Vergnügen mehr, sondern aus der Not geboren.
In dem zweiten Song zu diesem Thema, "Das Tier in mir", kokettiert der
Sänger mit seinem betont harten, aggressiven Stimme zwar noch mit dem Image
eines Bösewichtes, doch die Endstation heißt Hölle.
Die Stigmatisierung der Skinszene in den Medien verschärft sich, ohne daß wirklich eine Auseinandersetzung mit den Betroffenen geführt wird. Die Onkelz werden zwar häufig als "Deutschlands prominenteste Neonazi-Band" genannt, kommen jedoch in keinem einzigen Fall selbst zu Wort. Stephan: "ich kriege presseberichte in die Hand, wo über ausschreitungen nach Konzerten von uns die Rede war, an Orten, wo wir niemals gespielt haben." Ausgerechnet der Onkelz-Song "Häßlich, Brutal und Gewalttätig" dient dem Spiegel gleich zweimal als Headline für genau solche Geschichten, die die Böhsen Onkelz in diesem Song angreifen. Zwei junge wissenschaftler, der Soziologe Mwrkus Eberwein und der Ethnologe Josef Drexler, planen im selbst verlag ein Buch über "Skinheads in Deutschland" und führen zu diesem zweck am 5. Juni 1987 ein ausführliches Interview mit den Böhsen Onkelz, in dem sie zum ersten mal für eine breitere Öffendlichkeit- auch zu politischen Fragen stellung beziehen:
Pe: Es gibt sicherlich Gruppen, die Faschistisches im Sinn haben.
Gonzo: Aber mit sowas haben wir nie etwas am hut gehabt.
Kevin: ich will nur leben, wie ich will, das ist alles! Politik und sich
politisch überhaupt zu organisieren, das ist das Letzte! Das ist
Zeitverschwendung. Wir waren nie politisch motiviert. Überhaupt nicht.
Uninteressant. Saufen, Pogo und richtig Gewalt ohne Ende! War alles
Gonzo: Wir sind nicht Skinheads geworden aus dem Grund, weil, "Sieg Heil!"
und rechts!..
Kevin: Auf keinen Fall!
Gonzo: ...sondern nur, weil wir weiter unseren Spaß haben wollten und uns
von Leuten, mit denen wir als Punks nichts zutun haben wollten, abgrenzen
wollten.
Kevin: Ich bin auf einem Dorf aufgewachsen, und da wird man Jahrelang
angepöbelt, nur weil man grüne Haare hat. Das hat man doch irgendwann leid,
Mann! Und da war der "Skin" halt für mein Denken die beste Ausflucht. Ich
bleibe gut drauf und ich kann auch hauen und treten und ich bin vom Denken
noch derselbe, und deswegen bin ich Skinhead geworden. Den Eltern hat´s
dann auch besser gefallen und es lief alles besser. Man wollte halt alles
ein bißchen mehr auf Härte machen. Und nichts mit Politik, von wegen: ,Heil
Hitler!" Das überhaupt nicht. So´n quatsch! Ich meine, wenn man damals
leben würde...ist doch scheiße!
Stephan: Es fing ja auch mehr so an, Leute zu provozieren.
Kevin: Ich meine in der Hitlerjugend, ich würd mir doch die Kugel geben!
Was soll das denn?
Gonzo: Da wärst du ein größeres Arschloch als die Bullen!
Kevin: Da hast du zehn Arschlöcher am Tag, die dir sagen, du sollst das und
das machen. Das ist einfach logisches Denken, daß so eine Politik Scheiße
ist.
Als 1987 "Onkelz wie wir" erscheint, nach zwei Jahren wieder ein richtiges
Album, sie sind immer noch die Stars einer Szene mit der sie selbst immer
weniger zu tun haben wollen. "Was heute noch als Skinhead auftritt, hat
meist nichts mehr dem Ursprünglichen Skin-Movement war. Übriggeblieben sind
oft nur die, die tatsächlich rechtsradikal eingestellt sind", klagen sie im
Metal Hammer ( ein Langhaarigen Magazin! Schon das sagt vielen Ex-Fans
genug). "Als wir erstmals bewußt mitbekamen, wohin der Zug plötzlich fuhr,
auf dem wir als Kultband der Skins mit draufsaßen, haben wir damit begonnen
gegen unsere eigenden Leute zu schreiben, um sie irgendwie zu bremsen..."
Schon seit einiger Zeit begannen sie, auch bei ihren Auftritten Texte
früherer Songs zu verändern.
"Türken raus" strichen sie ganz aus ihrem Repertoire, aus "Deutschland den
Deutschen" wurde "Oi,Oi,Oi", und statt "Skinhead ist zusammenhalt gegen
euch und eure Kanackenwelt" heißt es nun:
Punks und Skins ist zusammenhalt gegen euch und eure Staatsgewalt!
Auch der Onkelz-Kult selbst wird zum Thema gemacht in dem Song "Falsche
Propheten".
"Glaubt an euch selbst hört auf zu beten", lautet die Botschaft.
Vergeblich. Der Zug ist bereits in die andere Richtung abgefahren. Und auf
der Lokomotive streiten sich ein Dutzend anderer Bands um die Nachfolge der
Onkelz. Bandds, die nicht bremsen, sondern Gas geben wollen:
Comando Pernod:
Wir lösen das Problem, das ist doch Klar,
genauso,wie es Hamburg ´85 geschah.
Dreck muß weg, Dreck muß weg. Nigger raus!
Werwolf:
In mir drin,da tut es weh, wenn ich heut´so um mich seh´,
Ausländer aussiedler und Asylanten,
selten trifft man noch einen Bekannten.
Volk steh auf , und Sturm bricht los...
Sänge Kevin ist inzwischen der einzige aus der Band, der noch als Skinhead duch die Lande läuft. "Wir wollen auch äußerlich dokumentieren, daß die heutige Skinszene nicht unsere Szene ist." Mit dem nostalgischen Song "Erinnerungen" geben die Onkelz quasi offiziell ihren Ausstieg bekannt!
Diese Dokumentation stammt aus dem Buch Skinheads von Klaus Farin und Eberhard Seidel-Pielen.