Böhse Onkelz - Die Geschichte

Böhse Onkelz

Die Geschichte

Keine andere Band ist mit der Geschichte der Skinheadszene in Deutschland so eng verknüpft wie die Frankfurter Böhsen Onkelz. Keine andere Band genießt einen derartigen Kultstatus bei allen Skingenerationen, keine hat das Image und Selbstbild der Szene derartig entscheidend geformt. Wer heute eine Platte irgendeiner beliebigen deutschsprachigen Oi-Band hört, wird die Onkelz wiederfinden, bis in die Themenpalette hinein.
Doch im Gegensatz zu den heutigen Epigoren waren die Onkelz eine echte, Streetpunkband von hoher Authentizität. Damals...
Die Onkelz begannen 1979 als No-Name-Punkband, in einem Kaff bei Aschaffenburg, "Eines Nachts liefen wir durch die Straßen, und da fuhren Kinder Schlitten am Hang. Die zeigten mit dem Finger auf uns: ´Guck mal, die bösen Onkels´. Da wußten wir: Das ist unser Name!" Der Jüngste war 16, der Älteste gerade 19, und sie kotzten aus, was ihnen schwer im Magen lag:" Bullenschwein, ich hasse dich!", Sauf- und Stimmungslieder zum mitsingen und -grölen und -"Türken raus!"

Ein pubertärer Haßsong, primitiv und (auch als Lied) einfach schlecht, der schnell in Vergessenheit geraten wäre, wenn er sich gegen Punks, Hippies oder "Bullen" gerichtet hätte. Der nie offiziell auf einer Platte erschienen ist, den kein einziger unserer Kollegen, die wir fragten, jemals gehört hat, auch nicht diejenigen, die ihn in ihren Artikeln als "Beweis" für die rechtsradikale Ausrichtung der Onkelz anführten. "Türken raus" entstand- auch das wird in der Berichterstattung gewöhnlich unterschlagen-, als die Böhsen Onkelz noch mit grün- und rotgefärbten Haaren durch die Gegend liefen. (Das macht den Song nicht besser, paßt aber wohl nicht in die Skinhead-Kiste.)
"Durch unser Aussehen als Punker hatten wir Schwierigkeiten mit ausländischen Popper-Gangs auf der Straße, die sind oft in Schlägereien ausgeartet. Wir haben ständig von ausländischen Jugendgangs auf´s Maul bekommen, und irgendwo war halt das Ventil zum rauslassen. Der Song hatte eigentlich keinen politischen Hintergrund. Was da reininterpretiert wurde, ist was ganz anderes, als ursprünglich gemeint war."

1983, das erste heiß ersehnte Demo-tape der Band war soeben erschienen, erklärte ein Onkel im Interview seine "politische" Einstellung: "Neonazis sind feige Schweine. Die wollen die Skins praktisch als Dreck seh´n, und wenn sie dann die Macht ham, dann machense die, die ihnen früher geholfen haben, gleich weg. Voll die Bastarde. Neonazis sind vielleicht in der Beziehung mit Ausländern einer Meinung, aber nur Teilweise, aber ich bin doch kein Adolf Hitler-Fanatiker. Ich hab mit dem doch nichts zu tun, der war vor Vierzig Jahren, der interessiert mich doch überhaupt nicht, wir ham heute ganz andere Probleme. Ich mein´, Diktatur brauchen wir bestimmt nicht mehr."

Die Onkelz waren nie Nazis, haben sich auch in ihren härteren Anfangsjahren trotz massiver Anwerbeversuche seitens der Frankfurter Dependace der Aktionsfront Nationaler Sozialisten nicht vor den Karren neonazistischer Gruppen spannen lassen. Sie gehörten nicht zu Ian Stuarts Blood & Honour Künstlervereinigung und ließen schon frühzeitig das Verteilen von FAP-Propagandamaterial bei ihren Konzerten durch die Onkelz-Security unterbinden. Sie waren "stolze Deutsche": Nationalisten und Rassisten wie ein Großteil der bundesdeutschen Wendejugendlichen Anfang der 80er Jahre. Doch sie waren eben auch Musiker, und so konnten sie lautstark von der Bühne herabgröhlen, was andere Gleialtrige nur in der anonymen Masse eines Fußballstadion oder im kleinsten Freundeskreis los wurden. Und da sie nunmal keine Jurastudenten aus wohlsituierten Verhältnissen waren, sondern Mitglieder einer rüden Eintracht Frankfurt-Straßengang, fielen ihre worte entsprechend grob aus.

Die Bandmitglieder waren inzwischen Skinheads geworden- wie viele Punks in jener Zeit. "Skin sein hieß tanzen, saufen, spaß haben, auffallen, leute provozieren. Wir waren schon als Punks politisch uninteressiert gewesen.
Viele Skins sind so wie wir nur aus einem Grund von Punks zu Skins gewechselt: Punk war ganz nett und geil, solange man zur Schule ging. Aber dann kam die Lehre. Da ging das mit dem extremen Outfit nicht mehr. Um zu zeigen, das wir dennoch anders waren, haben wir halt auf Skinhead gemacht, das harte Image noch ein bißchen mehr betont...".

"Der nette Mann"
1984, die erste Onkelz-LP "Der nette Mann" kam auf den Markt, war die Band längst ein fester Bestandteil der Frankfurter Skinhead- und Fußballrabaukenszene. Sie lebten dasselbe rüde Leben wie ihre Fans: ließen kein Spiel der Eintracht aus, verbrachten ihre Abende in denselben Kneipen, kassierten Haus- und Stadionverbote, besuchten die Bahnhofpuffs und prügelten sich mit Jugoslawischen Zuhältern auf den Straßen davor, knackten Ziegarettenautomaten und ließen sich dabei erwischen, besorgten sich aus London die neuesten Ska-Scheiben und echte Doc Martens. "Skinhead, immer nur Skinhead" sangen sie auf der Straße und ließen sich, um die Unwiederruflichket ihrer Entscheidung jedem Modepunker vor Augen zu führen, immer neue Tätowierungen in den Oberkörper stechen. Sie lebten das Leben ihrer Fans, und das merkte man den Songs auch an. Fußball(randale) und Skinheads waren die zentralen Themen. Die Fußballszene spaltete sich gerade in brave Kuttenfans und "Gewaltbereite". Die Onkelz ließen niemanden im unklaren darüber, zu welcher Fraktion sie gehören.

Wir stehen in einer Front und singen unsere Lieder,
wir stehen zu unserer Fahne und machen alle nieder,

Heißt es in dem Lied "Fußball und Gewalt", und "Frankreich´84" bereitet die Fans auf die kommende EM vor.
Aber vor allem enthält "Der nette Mann" mit "Singen und Tanzen", "Stolz" und "Vereint" gleich drei Hymnen für die Skinheadbewegung.

Das Album gilt zurecht als das bedeutendste dar Deutschen Skinheadszene. Uns sind bisher nur wenige bebegnet, die es nicht besitzen, wenn auch zumeist nur auf Kassette. Denn das Original wird heute zu Schwarzmarktpreisen von mehreren hundert Mark gehandelt. Verantwortlich für diese enormen Wertsteigerung ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährliche Schriften, die das Album am 15.August 1986 auf Antrag der Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-lippe sowie der Stadtjugendämter Köln und Gladbeck indizierte. Bei der entscheidenden Sitzung waren an jenem Tag drei Leute anwesend: Der leitende Regierungsdierektor und BOS-Vorsitzende Rudolf Stefen, die Schriftstellerin Thea Graumann, der Amtsgerichtsdirektor a.D.Werner Jungeblodt als Repräsentant der Kirchen. Da das Plattenlabel Rock-O-Rama wie Üblich auf jeglichen Wiederspruch verzichtete, wurde der Urteilsspruch des Bonner Trios rechtsgültig.
Dabei wäre eine gerichtliche Auseinandersetzung durchaus interessant geworden, denn das neunseitige Papier liest sich über weite Strecken wie ein Fake aus der Titanic-Redaktion. Nicht nur, das die Gutachter offenbar nicht in der Lage waren, die Texte überhaupt nur akustisch zu verstehen- die "wörtlichen" Abschriften wimmeln von Entstellungen, zum Teil in entscheidungsbegründenden Passagen-, auch die Interpretation wirken wie bösartige Eulenspiegeleien. So heißt es etwa über den Hooligan-Song "Frankreich´84": "...
Nationalistisches Gedankengut, insbesondere die Vorherrschaft und Dominanz des deutschen Volkes werden propagiert... Das französische Volk wird wie Freiwild beschrieben. Damit wird das Bekenntnis dar BRD als demokratischer Rechtsstaat zu einem gleichberechtigten Mitglied der Völkergemeinschaft in Frage gestellt; die Völkerverständigung unter Einschluß gerade auch der Aussöhnung des deutschen Volkes mit den früheren Kriegsgegnern wird negiert. Ein Handeln wird gefordert, das die Bemühungen der Völkerverständigung und der Anerkennung zunichte macht.... Ein Lied, das sich offen gegen die Völkerverständigung ausspricht und-mehr noch- dazu auffordert, einen als minderwertig beschriebenen Volksstamm zu beleidigen, führt zu einer sozialethischen Verwirrung. Dieses Lied ist jugendgefährdend." Sollte dies allgemeine bundesdeutsche Rechtsauffassung werden, dürften jugendliche unter 18 künftig kein Bundesligastadion mehr betreten. Das Wort "Volksstamm" taucht in keinem Text der Böhsen Onkelz auf.

Konnte man angesichts der Interpretation von "Frankreich´84" nur hoffen, daß sich die drei älteren Herrschaften niemals per Zufall auf einen richtigen Fußballplatz pder irgendein anderes Volksfest verliefen, so läßt sich die Wiedergabe des Titelsongs in der Sprache der Jugendschützer nur noch als surrealistisch beschreiben. "Der nette Mann" ein Text "voller Sarkasmus und schwarzen Humor" handelt von einem Kindermörder.
Onkelz-Texter Stephan: "Mich interessiert die Psyche von Menschen. Deswegen schreib ich oft Lieder über Verrückte oder Gewaltverbrecher oder auch Kindermörder, weil das die absoluten Normalbürger Nummer 1 die sind, sind von jedem anerkannt!" In der Leseart der Bundesprüfstelle wird aus einem Text, der die "Normalität" der Gewalt gegen Kinder angreift, eine "Aufforderung, kleine Kinder zu zerstückeln".

Dieses Lied stellt nicht nur Grausamkeiten dar, es predigt auch eine gefühllose Gesinnung gegenüber kleinen Kindern. Es verherrlicht Kindesmißhandlung und -zerstückelungen, es predigt Mord an kleinen Kindern, §211 StGB. Perverses Menschenschlachten wird als herrlich, vorbildlich und nachahmenswert geschildert. Es ist zu befürchten, daß sich insbesondere junge Leute durch das Rezipieren dieses Liedes zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen." Die BPS in ihrer Indizierungsverfühgung vom 15. August 1986

Als würde dieses Plädoyer für eine fristlose Auflösung der jugendgefährdenedn Bundesprüfstelle noch nicht reichen, verpassen die Bonner Sittenwächter auch noch der Musik selbst ihre qualifizierte Betonung, wobei es ihnen nur mit Mühe gelingt, ihren offendsichlichen Ekel vor dieser Art von entarteter Kunst zwischen den Zeilen zu verstecken: "Insbesondere stellen die Lieder auf der Platte keine Kunst dar und dienen ihr auch nicht. Ein Kunstwerk liegt nämlich nur dann vor, wenn ein bestimmtes maß an künstlerischen Niveau vorliegt. Dies beurteilt sich nicht allein an ästhetischen Kriterien, sondern auch nach dem Gewicht, das das Kunstwerk für die pluralische Gesellschaft nach deren Vorstellungen über die Funktion der Kunst hat." Mit anderen worten: Was der mehrheit nicht gefällt, ist keine Kunst. Und gehört verboten: "Die Lieder der vorliegenden Platte sind für die pluralische Gesellschaft ohne jede Bedeutung. Weder die Stilrichtung der Musik noch die inhalte der Texte sind so bedeutsam bzw. von derart hohem künstlerischem Gewicht, daß sie der Kunst dienen würden."
Wer wundert sich da noch, daß die Indizierungslisten aus Bonn auf bundesdeutschen Schulhöfen als Verkaufshitparaden gehandelt werden. Ebenfalls auf dem Debütalbum der Böhsen Onkelz findet sich das zweite "Deutschland" Lied das zwar den Bonner Prüfungsausschuß unbeanstandet passiert ( könnte der Text doch glatt einer Presseerklärung der Bundesregierung entnommen sein), den Ruf der Band als "Rechtsradikale" aber entscheident zu zementieren hilft.
Der Text ist zwar auch nicht gerade nach unserm Geschmack geraten, aber immerhin wird die Zeit des Hitler-Faschismus noch als "12 dunkle Jahre" gebrandmarkt, was bei den späteren Billigkopien wie "Störkraft, Stuka, Wotan u.ä." Politrockern der 90er Jahre glatt als Landerverrat geahndet würde. Und: Worin unterscheidet sich dieser Song eigendlich von der allabendlichen zum Sendeschluß in Millionen bundesdeutsche Wohnzimmer getragenen Nationalhymne?
Trotz "Deutschland"-Lied und "Türken raus" unterschieden sich die Onkelz kaum von anderen randalefreudigen Bands jener Jahre, und in den meisten Plattensammlungen standen ihre Aufnahmen auch noch friedlich neben Slime, den Toten Hosen, oder Daily Terror.
Doch während die Punks begannen, jene Fans zu verprügeln, die meinten, ihre Bands mit "Sieg Heil" und ausgestrecktem Arm auf der Bühne begrüßen zu müssen, machten die Onkelz gerne mit. "Unpolitisch", der "guten Stimmung" wegen. "Wir haben uns dann für die Onkelz entschieden, nicht weil sie rechts wurden, sondern weil die unpolitisch blieben und die ganzen Punks nach links abdrifteten", erklärt W., erst Punk, dann 1981 Skinhead, die Spaltung der Fangemeinde. "Daily Terror, das ist doch voll die Lutschergruppe", meint M. "Es wollte doch keiner hören, von wegen, das strafmaß bestimmen Nazi-Richter´, diese selbstmitleidige Interpretationsform. Du kannst als Vergleich sagen, Daily Terror ist wie eine Friedensbewegung und die Onkelz sind wie die Autonomen." "Lutscher", "Friedensbewegung", "Polit-Hippies" auf der einen, "Rechte", "harte Jungs, auf der anderen Seite- nur vordergründig läßt sich das auseinanderdriften der jugendlichen Subkulturen auf "politische" Gegnerschaften reduzieren. Dahinter steckt etwas anderes: Punk war immer deutlicher zum Sammelbecken für Aussteiger aller sozialer Schichten geworden. Aussteiger auf Zeit. Es konnte die passieren, daß dich in der Fußgängerzone ein junger Irokese mit zerfetzter Jeans und schwarzgemalten Augenringen anschnorrte, der sich bei genauerem hinsehen als der Sohn des Sparkassen-Filialleiter entpuppte. Die "proletarischen" Jugendlichen spürten, daß viele Punks nicht mehr dieselben Alltagserfahrungen hatten wie sie, daß es plötzlich soziale und Bildungsunterschiede in der Szene gab.

"Wir leben Punk, und spielen es." Das verunsicherte sie. "Daily Terror singen über alkohol wie eine Solidarkundgebung für Penner und Säufer, wo man nicht genau weiß, ob sie überhaupt selbst alkohol trinken. Du mußt nur die Stimmen der Sänger vergleichen, die Böhsen Onkelz: aggressiv, hart, männliche stimme- klingt glaubwürdig und brutal. Das paßt zum Image der Band, zum Aussehen des Sängers und zur Musik. Dagegen ist die Stimme des Daily Terror-Sängers penetrant moralisch, ist mehr was für idealisten." Ein paar Jahre später genügte es, wenn die Band durch die richtigen Parolen deutlich machte, daß sie für die Szene eintrat, damals mußte man noch in der Szene sein, um akzeptiert zu werden. "Student" wurde bald eines der vernichtendsten Schimpfworte der Glatzengemeinde. Schon eine Brille auf der Nase machte verdächtig, und wer sich wie viele Punks bewußt auch optisch dem harten Macho-Image entzog (und die Szene damit für Frauen attraktiv machte), war out. "So wie die aussahen, da brauchte man nur in den spiegel zugucken und da hatte man schon einen, der besser drauf war", spottet M. über Daily Terror. Da hatten die Onkelz schon mehr zu bieten, vor allem Sänger Kevin, der sich in Frankfurt als Tätowierer bereits einen Ruf erworben hatte und selbst fleißig für sein Gewerbe Reklame lief. " Kevin ist ein Typ, der zupacken kann und sich nichts gefallen läßt; der hat jedes Bier, über das er singt, wiklich getrunken."

Als 1985 das zweite Album der Onkelz, "Böse Menschen, Böse Lieder", herauskommt, hat sich die Skinheadszene weiter isoliert. Die inzwischen erreichte Nähe vieler Jungglatzen zu den Neonazi-Parteien und die zunehmende Gewalttätigkeiten gegen Minderheiten produzieren kontinuierlich Negativschlagzeilen und Aussteiger. Die Beschäftigung mit diesen beiden Problemen wird zum Zentralen Thema des Albums. Zwar gibt es auch das obligatorische Sauflied ("Heute trinken wir richtig"), doch der Anteil der reinen Stimmungshits ist deutlich gesunken. Das Lied "Häßlich, Brutal und Gewalttätig", wohl der bis heute am meisten gecoverte Onkel-Song, wird zur Generalabrechnung mit den Medien.

Wohl als Reaktion auf die Indizierung des letzten Albums greift die Band mit dem Titel "Ein Mensch wie du und ich" erneut das Titelthema auf, diesmal in noch eindeutiger Form.

Mit dem Titel "Signum des Verrats" wendet sich die Band aggressiv gegen die Altglatzen, die dem Gesellschaftlichen Druck wichen und aus der Szene ausstiegen:
Doch als das Album auf den Markt kommt, haben sich die ersten Bandmitglieder bereits selbst die Haare dezent ein paar Zentimeter wachsen lassen.
Ein knappes Jahr später, 1986, erscheint die Mini-LP "Mexico". Sie enthält den Song "Stolz" von der Indizierten LP "Der nette Mann", ein im alten Onkelz-Stil ironisches Fußballied ("Mexico"), ein wenig Sex ("Stöckel und Strapse"). Zwei Songs beschäftigen sich mit dem zentralen Onkelz-Thema Gewalt. Doch beide fielen überraschend (selbst-)kritisch aus. In " Gesetze der Straße" wird die Gewalt bereits zweischneidig als notwendig und aufgezwungen dargestellt. "Just for fun" zählt nicht mehr, Gewalt ist kein Vergnügen mehr, sondern aus der Not geboren.
In dem zweiten Song zu diesem Thema, "Das Tier in mir", kokettiert der Sänger mit seinem betont harten, aggressiven Stimme zwar noch mit dem Image eines Bösewichtes, doch die Endstation heißt Hölle.

Die Stigmatisierung der Skinszene in den Medien verschärft sich, ohne daß wirklich eine Auseinandersetzung mit den Betroffenen geführt wird. Die Onkelz werden zwar häufig als "Deutschlands prominenteste Neonazi-Band" genannt, kommen jedoch in keinem einzigen Fall selbst zu Wort. Stephan: "ich kriege presseberichte in die Hand, wo über ausschreitungen nach Konzerten von uns die Rede war, an Orten, wo wir niemals gespielt haben." Ausgerechnet der Onkelz-Song "Häßlich, Brutal und Gewalttätig" dient dem Spiegel gleich zweimal als Headline für genau solche Geschichten, die die Böhsen Onkelz in diesem Song angreifen. Zwei junge wissenschaftler, der Soziologe Mwrkus Eberwein und der Ethnologe Josef Drexler, planen im selbst verlag ein Buch über "Skinheads in Deutschland" und führen zu diesem zweck am 5. Juni 1987 ein ausführliches Interview mit den Böhsen Onkelz, in dem sie zum ersten mal für eine breitere Öffendlichkeit- auch zu politischen Fragen stellung beziehen:

Pe: Es gibt sicherlich Gruppen, die Faschistisches im Sinn haben.
Gonzo: Aber mit sowas haben wir nie etwas am hut gehabt.
Kevin: ich will nur leben, wie ich will, das ist alles! Politik und sich politisch überhaupt zu organisieren, das ist das Letzte! Das ist Zeitverschwendung. Wir waren nie politisch motiviert. Überhaupt nicht. Uninteressant. Saufen, Pogo und richtig Gewalt ohne Ende! War alles

Gonzo: Wir sind nicht Skinheads geworden aus dem Grund, weil, "Sieg Heil!" und rechts!..
Kevin: Auf keinen Fall!
Gonzo: ...sondern nur, weil wir weiter unseren Spaß haben wollten und uns von Leuten, mit denen wir als Punks nichts zutun haben wollten, abgrenzen wollten.
Kevin: Ich bin auf einem Dorf aufgewachsen, und da wird man Jahrelang angepöbelt, nur weil man grüne Haare hat. Das hat man doch irgendwann leid, Mann! Und da war der "Skin" halt für mein Denken die beste Ausflucht. Ich bleibe gut drauf und ich kann auch hauen und treten und ich bin vom Denken noch derselbe, und deswegen bin ich Skinhead geworden. Den Eltern hat´s dann auch besser gefallen und es lief alles besser. Man wollte halt alles ein bißchen mehr auf Härte machen. Und nichts mit Politik, von wegen: ,Heil Hitler!" Das überhaupt nicht. So´n quatsch! Ich meine, wenn man damals leben würde...ist doch scheiße!
Stephan: Es fing ja auch mehr so an, Leute zu provozieren.
Kevin: Ich meine in der Hitlerjugend, ich würd mir doch die Kugel geben! Was soll das denn?
Gonzo: Da wärst du ein größeres Arschloch als die Bullen!
Kevin: Da hast du zehn Arschlöcher am Tag, die dir sagen, du sollst das und das machen. Das ist einfach logisches Denken, daß so eine Politik Scheiße ist.

Als 1987 "Onkelz wie wir" erscheint, nach zwei Jahren wieder ein richtiges Album, sie sind immer noch die Stars einer Szene mit der sie selbst immer weniger zu tun haben wollen. "Was heute noch als Skinhead auftritt, hat meist nichts mehr dem Ursprünglichen Skin-Movement war. Übriggeblieben sind oft nur die, die tatsächlich rechtsradikal eingestellt sind", klagen sie im Metal Hammer ( ein Langhaarigen Magazin! Schon das sagt vielen Ex-Fans genug). "Als wir erstmals bewußt mitbekamen, wohin der Zug plötzlich fuhr, auf dem wir als Kultband der Skins mit draufsaßen, haben wir damit begonnen gegen unsere eigenden Leute zu schreiben, um sie irgendwie zu bremsen..." Schon seit einiger Zeit begannen sie, auch bei ihren Auftritten Texte früherer Songs zu verändern.
"Türken raus" strichen sie ganz aus ihrem Repertoire, aus "Deutschland den Deutschen" wurde "Oi,Oi,Oi", und statt "Skinhead ist zusammenhalt gegen euch und eure Kanackenwelt" heißt es nun:
Punks und Skins ist zusammenhalt gegen euch und eure Staatsgewalt! Auch der Onkelz-Kult selbst wird zum Thema gemacht in dem Song "Falsche Propheten".
"Glaubt an euch selbst hört auf zu beten", lautet die Botschaft. Vergeblich. Der Zug ist bereits in die andere Richtung abgefahren. Und auf der Lokomotive streiten sich ein Dutzend anderer Bands um die Nachfolge der Onkelz. Bandds, die nicht bremsen, sondern Gas geben wollen:

Comando Pernod:
Wir lösen das Problem, das ist doch Klar,
genauso,wie es Hamburg ´85 geschah.
Dreck muß weg, Dreck muß weg. Nigger raus!

Werwolf:
In mir drin,da tut es weh, wenn ich heut´so um mich seh´,
Ausländer aussiedler und Asylanten,
selten trifft man noch einen Bekannten.
Volk steh auf , und Sturm bricht los...

Sänge Kevin ist inzwischen der einzige aus der Band, der noch als Skinhead duch die Lande läuft. "Wir wollen auch äußerlich dokumentieren, daß die heutige Skinszene nicht unsere Szene ist." Mit dem nostalgischen Song "Erinnerungen" geben die Onkelz quasi offiziell ihren Ausstieg bekannt!

Diese Dokumentation stammt aus dem Buch Skinheads von Klaus Farin und Eberhard Seidel-Pielen.
Es erschien in März 1993!
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