Kapitel 2 - Zweiter Tag: Sonntag


Der nächste Morgen war genauso verregnet wie der gestrige Abend. Catherine lief hastig mit ihrem Regenschirm über die Straße. Dort wartete bereits Quatre. Er hatte Blumen für Trowa mitgebracht. „Okay, können wir los?“ fragte Catherine. Quatre nickte und zusammen gingen sie die Straße entlang und bogen am Ende rechts ab, um zum Parkplatz zu gelangen. [7]

Catherine suchte schnell den Schlüssel aus ihrer Tasche und dann stiegen sie ein. „Puh, endlich im Trockenen.“ sagte Quatre und schnallte sich an. „Ja, das ist wirklich ein mieses Wetter. Aber das hält mich nicht davon ab, ihn zu besuchen.“ Quatre lächelte. Catherine war fast wie eine Mutter für Trowa. Er fragte sich, ob ihn das wohl stören würde.

Catherine startete den Motor und verließ den Parkplatz. Sie fuhren zum Krankenhaus, in das Trowa gestern eingeliefert worden war. Er war wieder ganz gut auf den Beinen, würde aber bis morgen dableiben müssen.

Der Regen ließ nicht nach und der Himmel schien immer dunkler zu werden. Catherine bekam eine Gänsehaut, sie wusste nicht wieso, aber sie hatte ein ungutes Gefühl. So als würde sich in nächster Zeit etwas Schreckliches ereignen. Sie verdrängte den Gedanken, sie musste auf den Straßenverkehr achten. Sie kamen am Krankenhaus an und stiegen aus.

Das Krankenhaus ist ziemlich groß“, bemerkte Quatre, als sie durch den Torbogen gingen. „Ja, eine riesige Anlage. Man ist ja nicht oft hier und dann hat man keinen Durchblick.“ Catherine und Quatre mussten sich wie beim letzten Mal durchfragen. Es war nicht so, dass sie keinen Orientierungssinn hatten, aber das Gelände war unzureichend ausgeschildert.

Sie kamen endlich am richtigen Gebäude an und gingen die Treppe zur zweiten Etage hoch. Trowa schlief, als die beiden sein Zimmer betraten. Er öffnete schlaftrunken die Augen und sagte: „Hallo.“ Catherine ging gleich auf ich zu und fragte nach seinem Befinden. „Mir geht es gut. Ich könnte jetzt schon nach Hause.“

Bis morgen musst du es wohl noch aushalten. So schlimm ist es doch nicht, oder?“ sagte Quatre. „Naja, das Essen ist furchtbar. Ansonsten kann man’s ertragen.“ Catherine lächelte. Wenn Trowa über das Essen nörgelte, war er wieder ganz der Alte.

Quatre machte sich daran, eine Vase für die Blumen aufzutreiben. Trowa sagte: „Die wären doch gar nicht nötig gewesen. Morgen bin ich doch schon wieder draußen.“ – „Das macht nichts“, entgegnete Quatre. „Das hab ich gern gemacht.“ Trowa seufzte. „Ich kann sie ja morgen mitnehmen. Zum Wegwerfen sind sie zu schade.“

Quatre hielt bei diesen Worten schlagartig inne und drehte sich zu seinem Freund um. „Aber Trowa, man soll keine Blumen vom Krankenhaus mit nach Hause nehmen!“ Trowa sah ihn erstaunt an. „Warum nicht?“ fragte er. „Weil man sagt, dass sie dann die Krankheit mitbringen.“

Trowa schüttelte den Kopf, erwiderte allerdings nichts. Er war nicht abergläubisch, aber was brachte es, jetzt darüber eine Diskussion in Gang zu bringen? Am Ende hätte Quatre die Blumen wohl sogar selbst weggeworfen.

Catherine bemühte sich, das Gesprächsthema auf etwas anderes zu lenken. „Trowa, hat dir der Arzt gesagt, warum du weggetreten bist?“ – „Ja, wegen zu niedrigem Blutdruck.“ – „Hat er dir auch gesagt, woran das liegt?“ – „Das kann verschiedene Gründe haben. Warum fragst du?“

Catherine sah Trowa nun sehr ernst an und dieser ahnte, dass er sich eine Standpauke anhören würde müssen. „Du trinkst einfach zu wenig, Trowa. Man soll mindestens zwei Liter pro Tag trinken, aber wie viel kommt bei dir zustande?“ Trowa schwieg und Catherine fuhr fort: „Nicht viel, sag ich dir. Ich werde von jetzt an darauf achten, dass du genug trinkst.“

Trowa kam sich jetzt wie ein Kleinkind vor. Warum waren die beiden eigentlich hier? Um ihn voll zu meckern? Oder um ihn zu nerven? Dass die beiden ihm nur helfen und Ratschläge geben wollte, sah er nicht. In seinen Augen waren sie hier, um ihm den Tag zu vermiesen.

Beleidigt drehte Trowa den Kopf zur Seite und sagte: „Ja, ja, wenn es dir dann besser geht.“ Für den Rest des Besuchs war Trowas Stimmung ziemlich mies und Catherine und Quatre bemerkten bald, dass sie nicht mehr willkommen waren. Sie gingen nach kurzer Zeit wieder und Trowa setzte erleichtert sein Nickerchen fort.

Haben wir irgendwas falsch gemacht?“ fragte Quatre, als sie im Auto waren. „Ich weiß es nicht“, antwortete Catherine. „Vielleicht nervt ich das Krankenhaus so sehr.“ Damit war das Thema beendet. Catherine hatte keine Lust, weiter darüber zu reden. Trowas Stimmung schien auf sie abzufärben, warum auch immer.


Es klingelte Sturm an der Haustür. „Einen Moment bitte!“ tönte es als Antwort entgegen. Kurze Zeit später kam Relena die Treppe heruntergerannt und öffnete ihren Gästen die Tür. Dorothy und Hilde kamen herein und Relena begrüßte sie erfreut.

Wir warten schon ne ganze Weile“, meinte Hilde. „Tut mir Leid“, antwortete Relena. „Ich war gerade dabei, mir die Haare zu waschen.“ Sie wickelte sich nun hastig ein Handtuch um ihre nasse Mähne.

Hast du keine Angestellten, die deinen Gästen die Tür aufmachen?“, fragte Dorothy und lächelte Relena frech an. Sie wusste ganz genau, dass Relena das nicht wollte. Sie unterschied sich schon wegen ihrer Position her von ihren Gleichaltrigen, darum wollte sie in all den anderen Sachen so normal wie möglich erscheinen. Angestellte waren bei ihr zu Hause tabu.

Für meine Freunde mache ich mir gern selbst die Arbeit“, antwortete Relena und schob ihre Besucher ins Wohnzimmer. „Bin gleich zurück“, sagte sie noch und eilte ins Badezimmer. Sie musste sich schnell die Haare föhnen, sie wollte sich nicht erkälten. Nachdem sie fertig war, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. Sie hatte Hilde und Dorothy nicht umsonst eingeladen. Sie brauchte Hilfe und die beiden konnten sich denken, dass es mal wieder um Heero ging.


Hilde und Dorothy unterhielten sich, während Relena sich die Haare föhnte. „Was wohl diesmal wieder ist?“ fragte Dorothy, ohne sich den Seufzer zu verkneifen. „Es wird wieder um Heero gehen.“ antwortete Hilde. „Entweder hat er wie immer nichts getan oder er hat etwas gemacht, was falsch war.“ Dorothy schüttelte den Kopf. „Warum kann sie es nicht einfach bleiben lassen?“ meinte sie dann. „Andere Mütter haben auch schöne Söhne.“

In dem Moment betrat Relena das Wohnzimmer. Sie bot ihren beiden Gästen Essen und Trinken an, aber sie lehnten ab. Sie waren viel zu neugierig, als dass sie Zeit zum Essen gehabt hätten. Relena ließ sich auf einen Sessel nieder, Hilde und Dorothy saßen ihr gegenüber auf der Couch.

Relena schwieg eine Weile, sie schien nicht so recht zu wissen, wie sie anfangen sollte. Dorothy half ihr: „Ich nehme an, es geht um Heero. Was hat er nun wieder verbrochen?“ Relena lächelte verlegen und antwortete: „Verbrochen hat er nichts. Nichts schlimmes zumindest. Aber... Naja, also... er hat mich geküsst.“

Hilde und Dorothy rissen vor Überraschung die Augen weit auf. Es war unfassbar, was sie da gehört hatten. Oder wollte Relena sie reinlegen? Danach sah sie allerdings nicht aus. Mit ernsten Gesicht saß sie dort, spielte pausenlos mit einer Haarsträne, als wäre sie sehr nervös.

Wi-wirklich?!“ fragte Hilde noch einmal nach, obwohl sie die Antwort wusste. Relena nickte. „Wann war das?“ wollte Dorothy wissen. „Samstag, als Duo Gastgeber gewesen war.“ Es war Sonntag, also war das schon eine Woche her. Sie hatten alle in einem gemieteten Partyraum gefeiert, Duos Wohnung war zu klein für so was. Und er hatte ja noch andere Mitbewohner.

Hilde und Dorothy sahen Relena nun erwartungsvoll an, sie warteten auf die ganze Geschichte. „Wie gesagt, es war Samstag.“ begann sie. Einmal ging ich nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Ich wollte nur kurz bleiben, aber dann kam Heero nach draußen. Wir unterhielten uns und beschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Naja, und irgendwann unterwegs hat er mich dann geküsst.“

Einfach so?“ fragte Dorothy ungläubig. „Ja. Ganz unerwartet.“ Relena ließ den Kopf hängen. Sie musste sich wirklich sehr zusammen reißen, sie wollte nicht vor den beiden weinen. „Aber dann müsstest du dich doch freuen, oder nicht?“ meinte Hilde. „Das ist doch schon mal ein Anfang.“

Auf Relenas Gesicht erschien ein aufgesetztes Lächeln. „Ja, wenn es so wäre, wäre es schön. Aber... ich... ach, ich weiß auch nicht.“ Hilde und Dorothy schwiegen, sie wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie hatten auch Angst, noch Salz in die Wunde zu streuen.

Heero ignoriert mich seitdem.“ fuhr Relena traurig fort. „Er geht mir immer aus dem Weg, guckt mich nicht mal an. Wir sind uns jetzt fremder als vorher.“ – „Hast du eine Ahnung, warum er sich so verhält?“ fragte Dorothy. Relena schüttelte den Kopf.

Dorothy und Hilde hatten genauso wenig eine Erklärung dafür wie Relena. Sie versuchten sie wieder aufzumuntern und ihr Hoffnung zu geben. „Vielleicht kann er mit seinen Gefühlen noch nicht so gut umgehen.“ versuchte Hilde es zu erklären. „Oder er hat Angst, etwas Falsches zu tun und dich zu verletzten.“ meinte Dorothy.

Relena war den beiden sehr dankbar, obwohl sie innerlich keine der Ideen vermutete. Hilde und Dorothy hatten ihr trotzdem geholfen. Sie rieten ihr, mit Heero direkt darüber zu reden und das hatte sie auch vor. Sie musste irgendetwas unternehmen, einfach abwarten konnte sie nicht. [8]

Um die bedrückte Stimmung wieder etwas zu lockern, fragte Relena: „Was ist mit euch? Seid ihr verliebt?“ Dorothy nickte und meinte: „Ja. Er ist groß, stark, sieht umwerfend aus, hat Grazie und den Charakter, der am besten zu mir passt.“ Sie lächelte und fügte hinzu: „Ich habe ihn nur noch nicht getroffen, meinen Traummann.“

Hilde und Relena mussten lachen. Dorothy bewies wie immer ihren extravaganten Geschmack – und Humor. Nun wandte sich Relena Hilde zu. Diese wurde rot, schüttelte aber energisch mit dem Kopf. Der erhoffte Erfolg dieser Aktion blieb allerdings aus. Die beiden konnten von ihrem Gesicht ablesen, dass sie log.

Nun komm schon Hilde, uns kannst du es doch sagen“, sagte Dorothy. „Ich kann euch doch schlecht von jemandem erzählen, den es nicht gibt“, erwiderte Hilde. „Ich bin nicht verliebt, ehrlich!“ Relena und Dorothy setzten sich zusammen hin und flüsterten sich etwas zu. Hilde saß mit fragenden Gesichtsausdruck da.

Schon gut, Hilde. Wir werden dir helfen.“ sagte Dorothy dann grinsend. „Duo wird das schon verstehen.“ Hilde riss entsetzt die Augen auf. „Aber ihr könnt ihm das doch nicht einfach sagen!“ rief sie dann aufgebracht mit einem Gesicht, rot wie eine Tomate. Relena lachte. „Also ist es tatsächlich Duo!“

Hilde hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund, aber es war sowieso schon zu spät. Sie war drauf reingefallen. Vor den beiden konnte man wirklich nichts geheim halten. „Woher wusstet ihr, dass...?“ – „Wer käme sonst in Frage?“ meinte Dorothy, wodurch sich die Antwort auf Hildes Frage erübrigte.


Life - Leben


A heart can break so easily - Ein herz kann so leicht brechen

Friendship is forever - aber Freundschaft ist für immer

We'll stick together as one - Wir werden zusammen halten

'Cause we'll show them just what we can – denn wir werden ihnen zeigen, was wir drauf haben

And he'll never, never, never - und er wird dich niemals, niemals, niemals

Treat you better anyway - besser behandeln

Wipe away your big tears - trockne deine großen Tränen

The boy is just not worth it - der typ ist es einfach nicht wert

Listen to what I have to say – Hör zu, was ich zu sagen habe


Life – Leben [B]


[7] Q-chan hatte selbstverständlich auch einen Schirm.

[8] Im Gegensatz zu Duo...


[B] Ausschnitt aus„Life“ von Emelia


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