Kapitel 8 – Abreisetag: Sonntag


Trowa betrachtete noch ein letztes Mal den leeren Platz, auf dem noch vor kurzem das große Zelt gestanden hatte. Hier nun würden sie erst in zwei Monaten zurückkehren. Er dachte an Relena und war sich sicher, dass es bei ihr nicht bei zwei Monaten bleiben würde.

Seine Gedanken kehrten zu der Vorahnung seiner Schwester zurück und er glaubte, dass sie wohl recht hatte. Was sich ihnen gestern Abend geboten hatte, war wirklich schrecklich gewesen. Diese Kälte, diese unheimliche Atmosphäre.

Er ging zum Wohnwagen und stieg ein. „Catherine?“ Suchend sah er sich um. „Ich bin hier.“ kam die Antwort aus der kleinen Küche. Trowa ging zu ihr und sagte: „Das mit gestern, deshalb hattest du das schlimme Gefühl, oder?“

Catherine schwieg. „Was ist los?“ fragte Trowa noch einmal nach. Seine Schwester überwand sich schließlich und antwortete: „Nein, deshalb war das Gefühl nicht. Sonst wäre es weg, aber ich hab es noch immer. Es ist schlimmer.“

Trowa schaute sie ungläubig, aber auch besorgt an. „Wenn wir wenigstens noch erfahren hätten, was das zwischen ihr und Heero gewesen ist.“ meinte er schließlich und setzte sich. Catherine nickte nur, es fiel ihr schwer, etwas zu sagen. Denn der gestrige Abend hatte nur ihr ungutes Gefühl bestätigt. Und das war mehr als Catherine vertragen konnte.

Sie versuchte an die kommende Fahrt zu denken, sie musste auch später bei der Sache sein. Sie konnte es nicht riskieren, Trowa versehentlich durch ihre Unkonzentriertheit zu verletzen.


Ganz schön kalt heute“, meinte Dorothy und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war windig auf dem Flugplatz und sie hatte keinen Schal um. Relena hatte natürlich ihren persönlichen Flieger, musste nicht wie die anderen Leute durch sämtliche Kontrollen und Warteschlangen.

Nun warteten sie nur noch auf den Piloten, er hatte Verspätung. Es war zehn vor neun, er hätte schon längst da sein müssen. „Bestimmt steht er im Stau. Die Strecke ist ganz schön lang.“ sagte Dorothy. Relena nickte nur. Sie sah an diesem Tag sehr schlecht aus, hatte fast die ganze Nacht geweint, kaum Schlaf gehabt und das sah man ihr auch an.

Dorothy hatte genauso wenig wie die anderen verstanden, warum Relena sich gestern so verhalten hatte. Aber sie wagte nicht, etwas dazu zu sagen, sie wollte es nicht noch schlimmer machen. Sie tat alles daran, Relena auf andere Gedanken zu bringen, redete von dies und jenem.

Sieh mal, ich glaub dort kommt er.“ sagte Dorothy plötzlich und deutete mit der Hand die Richtung an. Relena schaute jetzt auch auf, aber sie wusste sofort, dass das dort nicht ihr Pilot war. „Heero“, flüsterte sie kaum hörbar. Auch Dorothy bemerkte jetzt ihren Irrtum und sagte erstaunt: „Was macht er denn jetzt hier?“

Heero näherte sich den beiden mit schnellen Schritten. Auch er hatte Augenringe, sah alles andere als erholt aus. Für ihn war die Nacht eine einzige Folter gewesen. Ihm wäre ein plötzlicher Angriff eines Mobile Suits sichtlich angenehmer gewesen. [23]

Relena starrte ihm unentwegt entgegen, bemerkte nicht, wie sich Dorothy langsam zurückzog. Sie ahnte, dass sie mit Sicherheit nicht erwünscht war und beschloss, die Szene aus einem versteckten Winkel zu beobachten. Langsam schlich sie an die Seite des kleinen Fliegers.

Als Heero bei Relena war, schwieg er erst mal ein paar Sekunden, musste etwas verschnaufen. Dann sagte er: „Ich... ich wollte mich noch von dir verabschieden.“ Relena sah ihn unsicher an. Sie wollte etwas sagen, als er sie plötzlich an sich zog und sie umarmte.

Es kam so überraschend, dass Relena etwas brauchte, um sich dem bewusst zu werden. Aber sie wehrte sich nicht. Sie erwiderte die Umarmung, indem sie die Hände hob und auf Heeros Rücken nieder ließ.

Dorothy seufzte. Diese Szene war unheimlich rührend. Egal wie man es drehte, sie passten immer zusammen. Sogar jetzt noch, wo sie beide unausgeschlafen und gestresst aussahen. Sie verstand das alles nicht, aber sie hoffte, es würde den beiden helfen.

In diesem Moment konnte Relena nichts denken, vergaß alles um sich herum. Beide hätten wohl noch Minuten lang so dagestanden, wenn sie nicht jemand gestört hätte. „Miss Peacecraft, entschuldigen Sie bitte die Verspätung.“

Erschrocken fuhren Heero und Relena auseinander. „Ist... ist schon okay.“ Relena wandte sich dem Piloten zu und redete kurz mit ihm. Dann ging dieser zum Flieger und stieg ein. Dorothy folgte ihm unauffällig.

Da... danke, dass du gekommen bist. Wegen gestern... es tut mir Leid...“ Relena wusste nicht, was sie sagen sollte, die ganze Situation war unangenehm und doch schön, einfach verwirrend. Was sollte sie davon halten, dass Heero extra noch hergekommen war? Und dann diese Umarmung.

Mir tut es Leid. Ich bin ein Idiot. Aber ich hoffe, dass du dir trotzdem den Teddy von diesem Idioten irgendwann abholen wirst.“ Relena lächelte. „Ja, das werde ich.“ Sie verabschiedeten sich und Heero machte sich wieder auf den Weg.


Relena schaute traurig aus dem Fenster und betrachtete die weißen Wolken. Nun würde sie das alles hinter sich lassen, aber würde sie dann glücklicher sein? Konnte Zeit wirklich alle Wunden heilen?

Ihr wurde klar, dass es ihr schwer fallen würde, nicht an Heero zu denken. Sie erinnerte sich an ein altes Lied, das sehr gut zu ihrer jetzigen Situation passte.

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Kann mich wieder nicht ablenken

Alles dreht sich nur um dich

Ich liege hier und zähl die Tage

Wie viele noch kommen, ich weiß es nicht

Was hast du mit mir gemacht,

Warum tust du mir das an

Was soll ich noch ändern

Ich komm nur wieder bei dir an


Ich will weg von hier

Doch es scheint egal wohin ich lauf

Das mit dir hört nicht auf

Sag mir wann hört das auf


Und ich kämpf mich durch die Nacht

Hab keine Ahnung was du mit mir machst

Ich krieg dich nicht aus meinem Kopf und dabei will ich doch


Und ich kämpf mich durch die Nacht

Bin unter Tränen wieder aufgewacht

Ich krieg dich nicht aus meinem Kopf und dabei muss ich doch


Alle meine Wünsche

Habe ich an dir verbraucht

Ich kann es selbst nicht glauben

Denn nur ich hol mich da raus

Es fällt mir schwer das zu kapieren

Doch irgendwie wird es schon gehen

Alles würde sich verändern, wenn ich dich nicht mehr wiederseh


Ich will weg von hier

Doch ich weiß egal wohin ich lauf

Das mit dir hört nicht auf

Sag mir wann hört das auf


Und ich kämpf mich durch die Nacht

Hab keine Ahnung was du mit mir machst

Ich krieg dich nicht aus meinem Kopf und dabei will ich doch


Und ich kämpf mich durch die Nacht

Bin unter Tränen wieder aufgewacht

Ich krieg dich nicht aus meinem Kopf und dabei muss ich doch [H]

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Die Tränen liefen Relena über die Wangen und sie schloss erschöpft die Augen. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie darüber hinwegkam?

Dorothy sah sie mitleidig an, machte aber nicht erst den Versuch, sie zu trösten. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie wusste genauso gut wie Relena, dass es nichts ändern würde. Dass sie für Heero genauso empfinden würde wie vorher.


[23] ...oder ein vor sich hin mampfender Duo.


[H] Song: „Durch die Nacht“ von Silbermond


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