Hirntot-Streit
 



Ansicht der Japaner bezueglich Leben, Tod und Bioethik

Im Oktober 1997 trat in Japan das Organtransplantationsgesetz in Kraft. Nach diesem Gesetz betrachtet man Hirntot als das Ende des Lebens und erlaubt den Aerzten Organe Hirntoter zu entnehmen. Das gilt aber nur in dem Fall, in dem der Hirntote als Organspenden-Kandidat gilt. Im uebrigen gelten die traditionellen Kriterien, naemlich Herz- und Atemstillstand als Todesdefinition. Mit dieser Gesetzgebung beabsichtigt man, dass Aertzte, die von Hirntoten Organe entnehmen, nicht als "Moerder" angeklagt werden und in erster Linie Organtransplantationswege erleichtert werden. Es fehlt dennoch die Zustimmung der Bevoelkerung, die als das wichtigste gilt. Denn ohne dies ist es immer noch schwer, Organspenden zu foerdern.

Wenn man auf der Strasse den Buergern die Frage stellt: Sind Sie bereit zum Organspenden? Dann antwortet ein grosser Teil der Buerger vielleicht mit "Ja". Aber wenn sie tatsaechlich die Entscheidung, naemlich ob sie selbst oder ihre Familie Organe spenden sollen, treffen muessen, koennten die meisten diesen Vorschlag ablehnen. In der japanischen Gesellschaft betrachten die Buerger dieses Problem nicht als individuelles und kaemen nie auf die Idee, dass sie irgendwann mit diesem Problem selbst konfrontiert werden koennen. Im Hintergrund spielt das Erziehungssystem eine Rolle. In den japanischen Schulen konzentriert man sich auf die Vorbereitung auf die Aufnahmepruefung. Auf die Foerderung der individuellen Entscheidung oder Eigenverantwortung wird nicht allzu grossen Wert gelegt. Ausserdem wird der Entscheidung der Familienmitglieder manchmal mehr Gewicht als der des Patienten selbst beigemessen. Das starke Buendnis der japanischen Familie ist bekannt. Auch wenn der Spender selbst eine schriftliche Bestaetigung bezueglich des Spendenwunsches vorlegte, koennte es sein, dass die Familie im letzten Moment dies ablehnt und die Organtransplantation nicht stattfindet. Man sollte deshalb kuenftig bestimmen, welche Familienmitglieder bei der Entscheidung einbezogen werden sollen, ob nur die Kern-Familie oder ein noch erweiterter Kreis in Frage kommen soll.
Eigentlich pflegen Japaner komplizierte und sensible Probleme moeglichst bis zum letzten Moment zu verdraengen. Bei der japanischen Familie ist es deshalb nicht die Regel, solche Probleme bis ins Detail im voraus zu vereinbaren. D.h. Japaner sind im allgemeinen nicht in der Lage, auf der individuellen Ebene eine Entscheidung zu treffen. Gerade deshalb ist in Japan ein nationaler Konsens gefragt.

Welche Gefahr koennte aber diese einheitliche Vereinbarung auf der nationalen Ebene bringen? Aerzte koennten womoeglich den Koerper aelterer Leute oder Behinderter als zweitklassig betrachten, weil diese fuer Organtransplantation nicht geeignet sind. Ferner koennten Aerzte zunehmend zum voreiligen Entschluss fuer Hirntod neigen, weil sie "frische" Organe brauchen. Wenn Organtransplantation in Japan gesetzlich erlaubt wird, wird es schwerer, im Ausland nach Organspendern zu suchen, obwohl im Inland immer noch Organmangel herrscht.
Schliesslich koennte es sein, dass Aerzte ihre Haltung den in einem hoffnungslosen Zustand eingelieferten Patienten gegenueber aendern. Hinter verschlossenen Tueren koennten sich Aerzte einigen, Lebensverlaengerungsbehandlungen einzustellen, statt alles Moegliches fuer den sterbenden Patienten zu tun. So koennte der Tod der Patienten zunehmend heimlich akzeptiert als bedauert werden.

Was ist "Tod" eigentlich? Tod hat nicht nur eine biologische, sondern auch eine soziale, existentielle und religioese Bedeutung. Der Tod wird von emotionalem Schmerz begleitet. Es sollte daher schliesslich von der persoenlichen Entscheidung des Patienten und der Familienmitglieder selbst abhaengen, ob sie bereit sind, Organe zu spenden.
Deshalb sollte die Frage des Hirntodes nicht als "politische" Aufgabe betrachtet werden, indem man eine einheitliche Gesetzgebung fordert.
Nur durch eine Aufklaerungsarbeit, naemlich sogenannte "Lebenserziehung" in einer Form, in der medizinische-, philosophische und ethische Einsicht kombiniert sind, koennte eine "echte" Uebereinstimmung der Bevoelkerung zum Organspenden erreicht werden.

 

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