Kann man von Deutschland lernen?
 



Als ich mit meinem Mann in Deutschland lebte, diente ein Zimmer unserer Wohnung als Buero.Einmal wurde ich von meinem Nachbarn, der ebenfalls ein Zimmer als Buero einrichtete, eingeladen. Sein Buero war mit zahlreichen Aktenordnern ordentlich ausgestattet und auf dem Arbeitstisch lagen nur ein paar Unterlagen, mit denen er sich gerade beschaeftigte, waehrend unser Buero mit gestapelten Unterlagen total chaotisch aussah.
Jeden Tag fing unser Nachbar ab 8:00 morgens mit der Arbeit an und machte immer puenktlich um 16:00 Schluss. So effektiv und intensiv arbeiten Deutsche und danach geniessen sie ihr Privatleben, waehrend japanische Geschaeftsleute haeufig Ueberstunden machen und kaum ueber Privatleben verfuegen.
Ich bin also von der effizienten Arbeitsweise der Deutschen sehr beeindruckt und stellte fest, dass wir von Ihnen viel zu lernen haben.

In Japan ist die "Anstellungsgarantie", die bisher als selbstverstaendlich galt, gefaehrdet. Durch den Big-Ban und den dadurch intensivierten Wettbewerb ist bei uns also eine "Umstrukturierung" vor allem im Bildungs- und Wirtschaftsbereich erforderlich.
Zuerst moechte ich die Problematik unseres Schulsystems erwaehnen.
Japaner legen im allgemeinen grossen Wert auf einen Abschluss an einer renommierten Universitaet oder Hochschule, weil man dies fuer die wichtigste Voraussetzung fuer eine sichere Zukunft haelt. In Japan ist das Niveau der einzelnen Universitaeten und Hochschulen sehr unterschiedlich. Der an einer zweitklassigen Uni oder Hochschule ausgebildete Schueler verfuegt ueber wesentlich schlechtere Chancen bei der Berufswahl. Daher setzen Lehrer und Schueler die erste Prioritaet auf das Bestehen der Aufnahmepruefung an bestimmten Unis und Hochschulen. So waehlen Schueler ausschliesslich solche Faecher, die fuer die Aufnahmepruefung guenstig oder notwendig sind, oft unabhaengig von ihren Neigungen oder Interessen. Infolge dessen wird heute eine ernsthafte Problematik ausgeloest. Manche Physikstudenten lernen an der Oberschule nicht Biologie , weil biologische Kenntnisse bei der Aufnahmepruefung nicht erforderlich sind. "Beim Physikstudium sind aufgrund der Notwendigkeit der Ruecksichtnahme auf Unwelt und Lebewesen biologische Kenntnisse jedoch sehr wichtig.", so klagen mache Physik-Professoren. Angesichts der sinkenden Schuelerzahlen infolge des Geburtenrueckgangs lassen einige private medizinische Hochschulen sogar Kandidaten zu, ohne ihre wissenschaftlichen Kenntnisse zu pruefen. Es koennte kuenftig zu fatalen Folgen fuehren, wenn Mediziner spaeter mit unzureichenden wissenschaftlichen Grundkenntnissen ihren Beruf ausueben.
In Deutschland gibt es dagegen kaum Unterschiede zwischen einzelnen Universitaeten und Hochschulen. Deshalb waehlen Gymnasisten ihr Fach hauptsaechlich nach ihren Neigungen und Interessen. D.h. bei Deutschen handelt es sich darum, was sie lernen moechten, waehrend Japaner in erster Linie darauf achten, an welcher Uni oder Hochschule zu studieren. Daher wissen japanische Studenten manchmal selber nicht, was sie spaeter werden oder machen moechten. So fehlt ihnen nicht selten die Motivation und ohne Motivation haben sie spaeter kaum Erfolg. Wir koennten also von Deutschen lernen, wozu man lernt.
Bezueglich des Berufsbildungssystems gibt es zwischen den beiden Laendern auch grosse Unterschiede. In Japan findet Berufsbildung im allgemeinen innerhalb der Firmen statt. Angestellte werden dort normalerweise zum Nutzen der eigenen Firma ausgebildet. Deshalb sind die dort erworbenen Kenntisse nicht unbedingt auf eine andere Firma uebertragbar. Dagegen ist das Bildungssystem in Deutschland staatlich geregelt. Die meisten beginnen nach der Schule eine ein- bis fuenfjaehrige Ausbildung, die sie mit einer landesweiten Pruefung abschliessen. Nach dem Bestehen dieser Pruefung gelten sie in ihrem Bereich als qualifizierte Fachkraft. Sie koennen bei einem Unternehmen ihrer Wahl arbeiten, dort ein tariflich festgelegtes Gehalt beziehen und auch aufgrund der Qualifikation den Arbeitsgeber wechseln, waehrend es in Japan keine festgelegten Gehaelter gibt, was die Lage der jungen Erwerbstaetigen viel unsicherer macht.
Heute ist in Japan jedoch eine steigende Tendenz zu betrachten, dass immer mehr Unternehmen erfahrene Spezialisten fuer einen befristeten Zeitraum einstellen, um somit Ausbildungs- sowie Lohnnebenkosten zu sparen. In erster Linie handelt es sich jedoch darum, dass man Mitarbeiter braucht, die sofort zur Umsatzsteigerung beitragen koennen. Um solche Nachfragen zu erfuellen, sollte die Berufsbildung in Japan das Bildungssystem in Deutschland zum Vorbild nehmen, damit die Qualifikation der einzelnen Bewerber objektiv und gerecht anerkannt wird.
Das traegt sicherlich zur Belebung der Wirtschaft bei und ermoeglicht gleichzeitig den Arbeitnehmern, mit eigener Kraft ihre Zukunft zu sichern, auch wenn ihre Firma Pleite macht.

Der Baeckermeister, der neben uns wohnte, galt als wichtiger Mann in seinem Bezirk und nahm gelegentlich an Baellen mit seiner festlich, elegant gekleideten Frau teil. Sein berufliches Selbstbewusstsein war stark und er genoss gleichzeitig das Leben in vollen Zuegen, waehrend japanische "Kaisha-Ningen", naemlich Geschaeftsleute, die sich ausschliesslich dem Beruf widmen, jeden Tag zwischen der Wohnung und dem Buero pendeln.
Von dem Land der Philosophen koennen wir Japaner schliesslich lernen, was ein sinnvolles Leben ist.

 

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